- Bei einem Gebrauchtwagen ist normaler, dem Alter und der Laufleistung des Fahrzeugs entsprechender Verschleiß grundsätzlich auch dann kein Mangel, wenn der Verkäufer in einem Internetinserat den „Topzustand“ des Fahrzeugs angepriesen und angeboten hat, es vor der Übergabe an den Käufer zur Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO vorzuführen.
- Das bloße Angebot des Verkäufers, das Fahrzeug vor der Übergabe an den Käufer zur Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO vorzuführen, rechtfertigt nicht die Annahme, die Parteien hätten i. S. des § 434 I 1 BGB vereinbart, dass sich das Fahrzeug bei der Übergabe an den Käufer in einem für die Hauptuntersuchung geeigneten Zustand befinde und diese Untersuchung ohne Beanstandungen durchgeführt werden könne.
LG Verden, Urteil vom 26.09.2018 – 5 O 220/17
(nachfolgend: OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2019 – 7 U 385/18)
Sachverhalt: Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags, den er als Käufer mit der Beklagten geschlossenen hat.
Er erwarb von der Beklagten am 17.02.2017 einen gebrauchten, im August 2006 erstzugelassenen Ford Focus C-MAX mit einem Kilometerstand von 189.000 zum Preis von 3.998 €. Den Kaufpreis entrichtete der Kläger, indem er sein Altfahrzeug, einen Fordmondeo, bei der Beklagten für 1.900 € in Zahlung gab sowie am 21.02.2017 in bar 2.098 € an die Beklagte zahlte.
Den Pkw hatte die Beklagte zuvor auf der Internetplattform „AutoScout24.de“ zum Kauf angeboten. In dem entsprechenden Inserat hieß es unter anderem: „Top Zustand, TÜV auf Wunsch neu“. Als der Kläger den Ford Focus C-MAX im Februar 2017 kaufte, war die nächste Hauptuntersuchung im Juli 2017 fällig.
Nachdem dem Kläger das Fahrzeug übergeben worden war, ließ er diverse Arbeiten daran durchführen und führte es am 03.07.2017 zur Hauptuntersuchung vor. Dem Pkw wurde indes keine Prüfplakette zugeteilt; vielmehr wurden bei der Hauptuntersuchung folgende Mängel festgestellt:
- Lenkhilfe: Funktion mangelhaft,
- Lenkhilfe: Funktion eingeschränkt bei niedriger Motordrehzahl,
- Abblendlicht links und rechts: Einstellung zu niedrig,
- Längslenker 2. Achse links und rechts: Gummilagerung beschädigt,
- Zug-/Druckstrebe 2. Achse links und rechts: Gummilagerung beschädigt,
- Schwingungsdämpfer 2. Achse rechts undicht und
- Umweltbelastung: Getriebe undicht – Ölverlust mit Abtropfen.
Der Kläger ließ den Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 07.07.2017 unter Fristsetzung zur Beseitigung dieser Mängel auffordern. Der Beklagte lehnte eine Nachbesserung mit E-Mail vom 11.07.2017 ab, woraufhin der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 25.07.2017 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärte.
Gestützt auf diesen Rücktritt begehrt der Kläger von dem Beklagten die Rückzahlung des um eine Nutzungsentschädigung in Höhe 180 € verminderten Kaufpreises. Darüber hinaus verlangt er von dem Beklagten die Zahlung von insgesamt 1.464,36 €. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
Zulassungskosten | 170,00 € |
Kosten für neue Reifen | 297,76 € |
Kosten für die Erneuerung von Bremsklötzen und Stoßdämpfern | 512,44 € |
Kosten für die Erneuerung von Querlenkbuchse und Batterie sowie eine Achsvermessung |
399,17 € |
Kosten für die nicht erfolgreiche Hauptuntersuchung | 84,99 € |
Der Kläger behauptet, er habe das streitgegenständliche Fahrzeug vor Abschluss des Kaufvertrags nicht Probe fahren können, weil die Batterie leer gewesen und der Pkw zudem völlig eingeparkt gewesen sei. Deshalb habe er zusammen mit seiner Ehefrau E lediglich eine kurze Sichtprüfung von außen und innen vorgenommen. Mängel des Fahrzeugs seien ihm weder selbst aufgefallen noch von der Beklagten mitgeteilt worden. Die Beklagte habe ihm zudem geraten, die Hauptuntersuchung nicht sofort durchführen zu lassen, um den „Rest-TÜV“ nicht verfallen zu lassen. Etwa zehn Tage nach Vertragsschluss habe er den Pkw in eine Werkstatt verbracht. Dort sei ihm mitgeteilt worden, dass die Reifen innen abgefahren seien und auch die Bremsklötze, die Stoßdämpfer und die Querlenkbuchse erneuert werden müssten. Die sodann im Rahmen der Hauptuntersuchung festgestellten Mängel an der Servolenkung und der Längslenkerbuchse stünden in keinem Zusammenhang mit den Reparaturen, die wegen der in der Werkstatt festgestellten Mängel vorgenommen worden seien.
Der Ford Focus C-MAX – so behauptet der Kläger weiter – sei schon bei der Übergabe mangelhaft gewesen. Die Beseitigung der Mängel würde voraussichtlich Kosten in Höhe von 2.094,79 € netto verursachen.
Der Kläger meint, er habe aufgrund der Fahrzeugbeschreibung in dem Internetinserat der Beklagten davon ausgehen dürfen, dass sich das Fahrzeug bei der Übergabe in einem für die Hauptuntersuchung geeigneten Zustand befinde, sodass diese Untersuchung ohne Beanstandungen durchgeführt werden könne.
Die Beklagte behauptet, der Kläger habe das streitgegenständliche Fahrzeug vor Abschluss des Kaufvertrags ausführlich untersucht und dabei unter anderem festgestellt, dass die Bremsklötze bald erneuert werden müssten, die Reifen kein volles Profil mehr hätten, etwas mit der Lenkung nicht stimme und die Stoßdämpfer nicht ganz in Ordnung wären. Man habe sich dann darauf verständigt, dass das Altfahrzeug des Klägers für einen guten Preis in Zahlung genommen werde und der Kläger die von ihm festgestellten Verschleißerscheinungen auf seine Kosten beseitigen lassen werde. Dementsprechend sei das Altfahrzeug des Klägers dann auch deutlich über Wert in Zahlung genommen worden.
Zudem habe der Kläger nicht gewollt, dass sie – die Beklagte – den Ford Focus C-MAX vor Abschluss des Kaufvertrags noch zur Hauptuntersuchung vorführe. Dies habe er vielmehr selbst im Anschluss an die Beseitigung der festgestellten Verschleißerscheinungen tun wollen. Dementsprechend habe der Kläger nach der Übergabe des Fahrzeugs die erforderlichen Reparaturarbeiten auf seine Kosten durchführen lassen. Bei der Hauptuntersuchung möglicherweise festgestellte Mängel an der Lenkung und den Schwingungsdämpfern seien allein auf von dem Kläger zu verantwortende unsachgemäße Reparaturarbeiten zurückzuführen. Bei Abschluss des Kaufvertrags habe der Pkw noch kein Öl verloren.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: I. Der Kläger hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Rückabwicklung des geschlossenen Pkw-Kaufvertrags. Ein derartiger Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323, 326 V BGB.
1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer nicht hinreichend sicher davon überzeugt, dass es sich bei den vom Kläger bemängelten Beeinträchtigungen des Fahrzeugs tatsächlich um Mängel im technischen Sinne handelt, welche den Kläger zum Rücktritt berechtigen würden.
a) Der Sachverständige Dipl.-Ing. D hat zwar in seinem schriftlichen Gutachten vom 15.06.2018 ausgeführt, dass die Lenkhilfefunktion des Pkw Ford Focus C-MAX des Klägers mangelhaft ist, da die Funktion bei niedriger Motordrehzahl und betriebswarmem Servolenköl deutlich eingeschränkt ist. Zudem ist das Abblendlicht sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite zu niedrig eingestellt. Ferner sind sowohl die Gummilagerung der Längslenker der 2. Ache links und rechts von der Außenlagerhülse abgerissen und somit beschädigt als auch die Gummilagerung der Zug-/Druckstreben der 2. Achse links und rechts beschädigt, sodass sich die Zug-/Druckstrebe verdreht hat und nunmehr an dem Achslenker anliegt und dort entlangschrammt. Darüber hinaus weist das Getriebe einen Ölverlust mit Abtropfen auf, der auf einen undichten Simmering des Getriebes am Ausgang zur rechten Achswelle zurückzuführen ist. Lediglich der Schwingungsdämpfer der 2. Achse rechts war zum Besichtigungszeitpunkt nicht mehr undicht, was auf den Umstand zurückzuführen ist, dass dieser zwischenzeitlich erneuert worden ist.
Zudem geht der Sachverständige davon aus, dass diese Beeinträchtigungen bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs am 17.02.2017 vorgelegen haben, da zwischen Gefahrübergang und Vorstellung zur Hauptuntersuchung lediglich 4.270 km mit dem Fahrzeug zurückgelegt worden sind und ausgeschlossen werden kann, dass die Beeinträchtigungen durch die seitens des Klägers veranlassten Arbeiten entstanden sind. Allerdings hat der Sachverständige ebenfalls ausgeführt, dass es sich bei den vorhandenen Beeinträchtigungen um einen Verschleiß handelt, der im Hinblick auf das Alter und die Laufleistung des Fahrzeugs auftreten kann und auch auftritt.
b) Die Kammer hat sich die versierten Ausführungen des Sachverständigen nach kritischer Würdigung zu eigen gemacht. Die Ausführungen waren in sich schlüssig und auch für einen technischen Laien gut nachvollziehbar. Die Kammer hat zudem keinen Anlass, an der Fachkunde des Sachverständigen zu zweifeln; dies gilt umso mehr, als das Gutachten von keiner der Parteien angegriffen worden ist. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass es sich bei den vom Kläger bemängelten Beeinträchtigungen des Fahrzeugs um im Hinblick auf Alter und Laufleistung typische Verschleißerscheinungen und somit keine zum Rücktritt berechtigende Mängel des Fahrzeugs handelt.
c) An der Bewertung der vorhandenen Beeinträchtigungen als normale Verschleißerscheinungen ändert auch der Umstand nichts, dass das Fahrzeug in der Internetverkaufsanzeige als in einem „Top Zustand“ mit der Möglichkeit zu einem „neuen TÜV“ beworben worden ist.
Zum einen ist das Fahrzeug ausweislich des schriftlichen Kaufvertrags lediglich mit dem noch vorhandenen Rest-TÜV und dem Hinweis „Service beachten“ verkauft worden; mithin ist es bereits nicht zu einer wirksamen Beschaffenheitsvereinbarung dahin gehend gekommen, dass sich das Fahrzeug in einem derartigen Zustand befindet, dass es die Hauptuntersuchung ohne Mängel besteht.
Zum anderen hat der Kläger das Fahrzeug auch in dem Bewusstsein erworben, dass es aufgrund von Alter und Laufleistung durchaus zu Verschleißerscheinungen kommen kann, und bewusst auf die Erneuerung der Hauptuntersuchung verzichtet.
Im Rahmen seiner informatorischen Befragung hat der Kläger insofern angegeben, dass er, als bereits einen Tag nach der Übergabe des Fahrzeugs ein Problem mit der Batterie aufgetreten ist, davon ausgegangen sei, dass ein Auto mit einem gewissen Alter und einer gewissen Laufleistung durchaus einen normalen Verschleiß aufweist, den man dann entsprechend auf eigene Kosten reparieren lassen muss. Dass der Kläger insofern keine genaue Vorstellung davon gehabt hat, welche typischen Verschleißerscheinungen das Fahrzeug aufweist, ist unschädlich. Entscheidend ist, dass er das Fahrzeug in dem Bewusstsein erworben hat, dass Verschleißerscheinungen möglich sind.
Hinzu kommt, dass die Ehefrau des Klägers, die Zeugin E, bekundet hat, dass sie ihren Mann, den Kläger, nach Besichtigung des Fahrzeugs unmittelbar vor Kaufvertragsabschluss ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass er darauf achten solle, dass das Auto TÜV hat, woraufhin der Kläger ihr gegenüber angegeben habe, dass ein halbes Jahr verschenkt werden würde, wenn die Hauptuntersuchung bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erneuert werden würde. Die Kammer hat keinen Anlass, an dem Wahrheitsgehalt der Angaben der Zeugin E zu zweifeln. Zwar ist sie die Ehefrau des Klägers und kann somit durchaus auch ein eigenes Interesse am Prozessausgang haben, jedoch wurden sämtliche Fragen der Kammer ohne etwaige Entlastungs- und Belastungstendenzen und zudem in sich schlüssig und plausibel beantwortet. Hinzu kommt, dass die Zeugin auch Angaben zum Nachteil ihres Mannes getätigt hat, sodass die Kammer die Ausführungen insgesamt als wahrheitsgetreu bewertet.
Mithin hat der Kläger bewusst auf die Erneuerung der Hauptuntersuchung verzichtet und ist somit das Risiko eingegangen, dass das Fahrzeug dem Alter und der Laufleistung entsprechende Verschleißerscheinungen aufweisen kann, welche ihm als Laien im Rahmen der durchgeführten Sichtkontrolle nicht auffallen müssen.
Mangels Rücktrittsgrunds fehlt es an einem wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag, sodass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs nicht in Annahmeverzug befunden hat.
Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung. …
Hinweis: Mit Beschluss vom 09.01.2019 – 7 U 385/18 – hat der 7. Zivilsenat des OLG Celle darauf hingewiesen, dass er erwäge, die Berufung des Klägers durch Beschluss nach § 522 II ZPO zurückzuweisen. In dem Hinweisbeschluss heißt es:
„Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen offensichtlich … keine Aussicht auf Erfolg; die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erscheint nicht geboten.
Mit dem Landgericht kann der Kläger die Beklagte nicht gemäß § 323 BGB i. V. mit §§ 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, § 440 BGB auf Rückabwicklung des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Gebrauchtfahrzeug in Anspruch nehmen.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Kaufvertrag nicht mit einer Beschaffenheitsvereinbarung dahin abgeschlossen worden, dass sich das Fahrzeug in einem derartigen Zustand befindet, dass es die Hauptuntersuchung ohne Mängel besteht, sodass sein Einwand, dass ausweislich des vorliegenden Gutachtens Mängel am Fahrzeug vorhanden sind, die dem Bestehen einer Hauptuntersuchung entgegenstehen, unbeachtlich ist.
Zutreffend ist zwar, dass die in einer vom Verkäufer geschalteten Internetanzeige enthaltenen Angaben, wenn er diese bei Vertragsabschluss nicht zurücknimmt, zu einer Sachmängelhaftung des Verkäufers führen, wenn sich die Angaben als unzutreffend erweisen. Zutreffend ist auch, worauf der Kläger ebenfalls in seiner Berufungsbegründung hinweist, dass die in einem Kaufvertrag enthaltene Eintragung ‚HU neu‘ sowie ‚TÜV neu‘ die stillschweigende Vereinbarung beinhaltet, dass sich das verkaufte Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe in einem für die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO geeigneten verkehrssicheren Zustand befindet.
Von dem Kläger wird dann aber verkannt, dass diese Grundsätze auf den von ihm abgeschlossenen Kaufvertrag nicht anwendbar sind.
Die Beklagte hat in ihrer Internetanzeige das Fahrzeug nicht mit ‚HU neu‘ bzw. ‚TÜV neu‘ angeboten. In ihrer Anzeige heißt es diesbezüglich vielmehr: ‚nächste HU-Prüfung 07/2017‘ sowie ‚TÜV auf Wunsch neu‘. Mit dieser Anzeige hat sich die Beklagte lediglich bereit erklärt, auf Wunsch des Käufers das Fahrzeug bis zur Auslieferung vom TÜV nach § 29 StVZO abnehmen zu lassen und mit frischer Plakette zu übergeben. Von diesem Angebot hat der Kläger ausweislich des schriftlichen Kaufvertrags aber keinen Gebrauch gemacht; unstreitig wollte er nicht, dass das Fahrzeug von der Beklagten zur Hauptuntersuchung vorgestellt und abgenommen wird. Die Vereinbarung der Parteien ging bei Abschluss des Kaufvertrags also dahin, dass dem Kläger kein Fahrzeug mit einer frischen Plakette (also ‚TÜV neu‘), sondern mit der Altplakette verkauft wird. Demzufolge heißt es in dem Kaufvertrag vom 17.02.2017: ‚Nächste HU/AU 07/17‘.
Hat die Beklagte es danach bei Abschluss des Kaufvertrags ausdrücklich nicht übernommen, den Wagen mit ‚TÜV neu‘ zu verkaufen, hat sie demzufolge auch nicht erklärt, dass sich das Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer in einem bis auf geringe Mängel vorschriftsmäßigen Zustand befindet. Mangels einer dahin gehenden Erklärung der Beklagten fehlt es mithin an einer Grundlage für eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung (vgl. zum Ganzen auch Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 3037 ff.).“