- Anders als im Falle der einseitigen Erledigungserklärung ist im Falle der übereinstimmenden Erledigungserklärung nicht der objektive Eintritt des erledigenden Ereignisses zu prüfen, sondern gemäß § 91a I 1 ZPO eine von Billigkeitserwägungen geprägte Kostenentscheidung zu treffen.
- Es ist ein im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 91a I 1 ZPO zu würdigender Gesichtspunkt, der zur Auferlegung der Kosten auf den Beklagten führen kann, wenn der Beklagte vorprozessual zur Zahlung der bereits verjährten Forderung aufgefordert wurde und die Einrede der Verjährung erst im laufenden Prozess erhebt, obwohl er dazu bereits vorprozessual Gelegenheit gehabt hätte. Eine Kostenentscheidung zulasten des Beklagten ist unter diesen Umständen insbesondere angezeigt, wenn er den Kläger dadurch, dass die Einrede der Verjährung vorprozessual unterbleibt, in den Prozess „hineinlaufen lässt“.
- Eine Kostenentscheidung zulasten des Beklagten ist dagegen nicht angezeigt, wenn die Entscheidung des Klägers, eine verjährte Forderung einzuklagen, nicht auf dem Vertrauen beruhte, dass der Beklagte die Einrede der Verjährung nicht erheben werde, sondern der Kläger rechtsfehlerhaft annahm, die Forderung sei nicht verjährt und die Einrede der Verjährung wäre deshalb unerheblich.
OLG Dresden, Beschluss vom 17.07.2018 – 5 W 629/18
Sachverhalt: Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen eine zu ihren Lasten erfolgte Kostenentscheidung.
Sie nahm den Beklagten aus abgetretenem Recht auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch, das die Z-Bank AG (Zedentin) dem Beklagten aufgrund eines am 17.01.2006 geschlossenen Vertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeugs gewährt hatte. Der Nettodarlehensbetrag betrug 22.994 €. Unter „Weitere Erklärungen der Darlehensnehmer“ heißt es im Darlehensvertrag: „Das Darlehen ist für eine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit des Darlehensnehmers bestimmt.“
Wegen Zahlungsrückständen des Beklagten kündigte die Zedentin das Darlehen mit Schreiben vom 20.03.2007 fristlos. Auf ihre dadurch fällige Forderung in Höhe von 25.088,88 € leistete der Beklagte bis zum 03.12.2009 verschiedene Zahlungen. Mit Wirkung zum 31.10.2016 trat die Zedentin den Anspruch gegen den Beklagten an die Klägerin ab.
Ausweislich der vorgelegten Forderungsaufstellung betrug der Rückstand des Beklagten zum 01.11.2016 hinsichtlich der Hauptforderung 15.636,32 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 9.726,50 €, mithin insgesamt 25.362,82 €. In dieser Höhe erwirkte die Klägerin gegen den Beklagten am 27.07.2017 einen Mahnbescheid und anschließend am 05.01.2018 einen Vollstreckungsbescheid, gegen den der Beklagte am 16.01.2018 Einspruch einlegte. Nachdem die Sache vom Mahngericht an das Landgericht abgegeben worden war und die Klägerin den Anspruch begründet hatte, erhob der Beklagte in der Klageerwiderung vom 01.03.2018 die Einrede der Verjährung. Die Parteien erklärten anschließend den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt.
Das Landgericht erlegte die Kosten des Rechtsstreits mit Beschluss vom 15.06.2018 der Klägerin auf und dies begründete dies damit, dass der Beklagte erfolgreich die Einrede der Verjährung erhoben habe. Gegen diesen Beschluss legte die Klägerin sofortige Beschwerde ein und beantragte, die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufzuerlegen. Dies entspreche billigem Ermessen, weil die Einrede der Verjährung ein erledigendes Ereignis sei und der Beklagte diese Einrede trotz vorprozessualer Mahnung erstmals im Prozess erhoben habe. Das Landgericht half der Beschwerde nicht ab; das Oberlandesgericht wies den Rechtsbehelf zurück.
Aus den Gründen: II. …Die sofortige Beschwerde hat … keinen Erfolg, weil das Landgericht in der Sache im Ergebnis zutreffend der Klägerin die Kosten des Rechtsstreites auferlegt hat.
Maßgeblich für die Kostenentscheidung ist nach § 91a I 1 ZPO billiges Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands. Dabei kommt es – entgegen dem Vorbringen der Klägerin in der Beschwerdeschrift vom 03.07.2018 – nicht entscheidend darauf an, dass die erstmalige Erhebung der Verjährungseinrede im Laufe des Rechtsstreits auch dann ein erledigendes Ereignis ist, wenn die Verjährung bereits vor Rechtshängigkeit eingetreten ist, was der BGH in der von der Klägerin zitierten Grundsatzentscheidung vom 27.01.2010 (VIII ZR 58/09, NJW 2010, 2422) geklärt hat. Anders als in dem der Entscheidung des BGH (Urt. v. 27.01.2010 – VIII ZR 58/09, NJW 2010, 2422) zugrunde liegenden Sachverhalt liegt im vorliegenden Falle nicht nur eine einseitige Erledigungserklärung vor, sondern haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Es ist deshalb nicht der objektive Eintritt des erledigenden Ereignisses zu prüfen, sondern eine von Billigkeitserwägungen geprägte Kostenentscheidung zu treffen (vgl. auch BGH, Urt. v. 27.01.2010 – VIII ZR 58/09, NJW 2010, 2422 Rn. 30).
Im vorliegend zu beurteilenden Falle ist es nach billigem Ermessen gerechtfertigt, der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Dabei ist allerdings nicht lediglich – wie dies das Landgericht im angefochtenen Beschluss praktiziert – auf die materielle Rechtslage abzustellen, nach welcher die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede nach § 214 I BGB durchgreifend war, weil die von der Klägerin verfolgte Forderung spätestens mit Ablauf des Jahres 2013 verjährt war. Vielmehr ist es ein im Rahmen der Billigkeitsentscheidung zu würdigender Gesichtspunkt, der zur Auferlegung der Kosten auf den Beklagten führen kann, wenn der Beklagte vorprozessual zur Zahlung der bereits verjährten Forderung aufgefordert wurde und die Verjährungseinrede erst im laufenden Prozess erhebt, obwohl er dazu bereits vorprozessual Gelegenheit gehabt hätte (in diesem Sinne OLG Hamm, Urt. v. 09.07.2010 – 19 U 151/09, BeckRS 2010, 19792; N. Schneider, NJW 2017, 2874). Im Rahmen der vorzunehmenden Würdigung ist allerdings zu berücksichtigen, ob von dem konkret zu beurteilenden Beklagten die vorprozessuale Erhebung der Verjährungseinrede erwartet werden konnte (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 14.03.2017 – 20 W 3/17, NJW 2017, 2922).
Im vorliegend zu beurteilenden Fall führt aber die Würdigung der vom Beklagten feststellbar erst im Prozess erhobenen Verjährungseinrede nicht zur Auferlegung der Kosten auf ihn, weil die Klageerhebung nicht auf dem Umstand der unterbliebenen Einrede, sondern auf einem Rechtsanwendungsfehler bei der Klägerin hinsichtlich der anzuwendenden Verjährungsvorschriften beruhte. Bei wertender Betrachtung ließ deshalb der Beklagte die Klägerin durch die unterbliebene Verjährungseinrede nicht in den Prozess „hineinlaufen“ (so die plastische Formulierung von N. Schneider, NJW 2017, 2874).
Dies ergibt sich zwanglos aus dem prozessualen Verhalten der Klägerin nach Erhebung der Verjährungseinrede. Die Klägerin erklärte nämlich nicht als Reaktion auf die Einrede in der Klageerwiderung vom 01.03.2018 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt wie dies zu erwarten gewesen wäre, wenn das Vertrauen auf das Unterbleiben der Einrede maßgeblich für die Klageerhebung gewesen wäre. Mit dem der Einrede nachfolgenden Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 03.04.2018 erklärte die Klägerin vielmehr, die Verjährungseinrede gehe ins Leere und berief sich – zu Unrecht – auf die für Verbraucherdarlehensverträge geltende Vorschrift des § 497 III 3 BGB. Erst nachdem der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Schriftsatz vom 19.04.2018 unter Bezugnahme auf die vertragliche Regelung darauf hingewiesen hatte, dass der Darlehensvertrag vom 17.01.2006 kein Verbraucherdarlehensvertrag war und das Landgericht mit der Verfügung vom 07.05.2018 diese Auffassung bestätigt hatte, erklärte die Klägerin den Rechtsstreit mit dem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 14.05.2018 in der Hauptsache für erledigt. Aus diesem Ablauf erhellt, dass der entscheidende Grund für die Entscheidung der Klägerin, mit der Klage eine verjährte Forderung zu verfolgen, nicht im Vertrauen in das Unterbleiben der Verjährungseinrede, sondern darin lag, dass die Klägerin annahm, die Forderung sei nicht verjährt, sodass eine Verjährungseinrede nicht erheblich wäre. Unter diesen Umständen aber kann dem Beklagten nicht angelastet werden, er habe die Klägerin in einen Prozess „hineinlaufen lassen“.
Es ist deshalb im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass das Landgericht im Rahmen der nach § 91a I ZPO zu treffenden Billigkeitsentscheidung der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt hat. …