1. Ein Kfz-Händ­ler kann den An­trag ei­nes Kun­den auf Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags („ver­bind­li­che Be­stel­lung“) auch dann form­los – hier: per SMS – an­neh­men, wenn die Ver­kaufs­be­din­gun­gen des Händ­lers vor­se­hen, dass er die An­nah­me der Be­stel­lung in­ner­halb ei­ner be­stimm­ten Frist schrift­lich er­klä­ren oder in­ner­halb die­ser Frist das be­stell­te Fahr­zeug aus­lie­fern muss. Denn die Schrift­form wird le­dig­lich ver­langt, um den Par­tei­en den Be­weis zu er­leich­tern, dass ein Kauf­ver­trag tat­säch­lich ge­schlos­sen wur­de; ih­re Ein­hal­tung ist nicht Vor­aus­set­zung für die Wirk­sam­keit der An­nah­me­er­klä­rung.
  2. Wer ein Fahr­zeug, das ei­nen be­stimm­ten Markt­wert hat, zu ei­nem güns­ti­ge­ren Preis kauft und nicht be­lie­fert wird, er­lei­det ei­nen Ver­mö­gens­scha­den in Hö­he der Dif­fe­renz zwi­schen Markt­wert und Kauf­preis.

LG Ber­lin, Ur­teil vom 04.12.2017 – 8 O 307/15

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt die Be­klag­te, die ein Au­to­haus be­treibt, auf Scha­dens­er­satz in An­spruch.

Er be­stell­te un­ter dem 29.05.2015 bei der Be­klag­ten durch Un­ter­zeich­nung ei­nes von der Be­klag­ten zur Ver­fü­gung ge­stell­ten For­mu­lars ei­nen Kia So­ren­to. Das Fahr­zeug soll­te weiß la­ckiert sein und ein­schließ­lich Über­füh­rungs- und Zu­las­sungs­kos­ten so­wie Zu­be­hör (u. a. Win­ter­kom­plett­rä­der) 31.826 € brut­to kos­ten. Auf dem Be­stell­for­mu­lar be­fin­den sich ein Stem­pel der Be­klag­ten und die Un­ter­schrift ih­res Ver­käu­fers M. Au­ßer­dem heißt es auf dem For­mu­lar: „Er­klä­run­gen, Zu­si­che­run­gen und Ne­ben­ab­re­den sind schrift­lich fest­zu­le­gen.“ Der Be­stel­lung des Klä­gers wur­den die „Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen“ der Be­klag­ten bei­ge­fügt, die un­ter an­de­rem Fol­gen­des vor­se­hen:

I. Ver­trags­ab­schluss/Über­tra­gung von Rech­ten und Pflich­ten des Käu­fers

1. … Der Kauf­ver­trag ist ab­ge­schlos­sen, wenn der Ver­käu­fer die An­nah­me der Be­stel­lung des nä­her be­zeich­ne­ten Kauf­ge­gen­stan­des in­ner­halb der je­weils ge­nann­ten Fris­ten schrift­lich be­stä­tigt oder die Lie­fe­rung aus­führt. …“

Am 01.06.2015 sand­te der Ver­käu­fer M dem Klä­ger ei­ne SMS mit fol­gen­dem In­halt:

„Hal­lo Herr …, al­les ge­re­gelt, Ver­kaufs­lei­tung ist auf mei­ner Sei­te. Wir se­hen uns am Mitt­woch. Schö­nen Fei­er­abend. M“.

Der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten wei­ger­te sich nach­fol­gend, dem Klä­ger den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw ge­gen Zah­lung des Kauf­prei­ses zu lie­fern; er teil­te dem Klä­ger mit Ein­schrei­ben vom 11.06.2015 mit, dass die Be­klag­te sein – des Klä­gers – Kauf­an­ge­bot vom 29.05.2015 nicht an­neh­me. Zu die­sem Zeit­punkt ver­füg­te die Be­klag­te über drei wei­te­re, sil­ber­far­be­ne Fahr­zeu­ge, de­ren Aus­stat­tung der Aus­stat­tung des vom Klä­ger be­stell­ten Fahr­zeugs ver­gleich­bar war. Ob die Be­klag­te dem Klä­ger die­se Fahr­zeu­ge zum Kauf an­bot, ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Un­strei­tig ist, dass die Be­klag­te ei­nes der sil­ber­far­be­nen Fahr­zeu­ge für 33.790 € ver­kauf­te und für die bei­den an­de­ren je­weils ei­nen Kauf­preis von 33.390 € er­hielt.

Mit Schrei­ben vom 06.07.2015 for­der­te der Rechts­an­walt des Klä­gers die Be­klag­te auf, dem Klä­ger das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug Zug um Zug ge­gen Zah­lung des ver­ein­bar­ten Kauf­prei­ses zu lie­fern, und setz­te ihr hier­für ei­ne Frist bis 15.07.2015. Die­se Frist ver­strich er­geb­nis­los.

Dem Klä­ger ge­lang es in der Fol­ge­zeit nicht, ein dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug preis­lich und hin­sicht­lich der Aus­stat­tung ver­gleich­ba­res Fahr­zeug zu fin­den. Mit Ver­trag vom 26.10.2015 kauf­te er des­halb ei­nen weiß la­ckier­ten Kia So­ren­to 2.2 CR­Di Pla­ti­ni­um Edi­ti­on AWD Au­to­ma­tik zum Brut­to­preis von 41.195 €.

Der Klä­ger meint, am 29.5.2015 sei ein Kauf­ver­trag über den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw zwi­schen ihm und der Be­klag­ten zu­stan­de ge­kom­men. Da die Be­klag­te sich ge­wei­gert ha­be, die­sen Ver­trag zu er­fül­len, sei er – der Klä­ger – nun­mehr be­rech­tigt, Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung zu ver­lan­gen.

Der Klä­ger hat zu­letzt be­an­tragt, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn (41.195 € − 31.826 € =) 9.369 € nebst Zin­sen zu zah­len. Au­ßer­dem hat er den Er­satz au­ßer­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 1.474,89 € nebst Zin­sen be­gehrt.

Die Kla­ge hat­te in­so­weit Er­folg, als dem Klä­ger ein Scha­dens­er­satz­an­spruch in Hö­he von 5.411,12 € zu­er­kannt und die Be­klag­te an­trags­ge­mäß zum Er­satz der Rechts­an­walts­kos­ten ver­ur­teilt wur­de.

Aus den Grün­den: I. Scha­dens­er­satz

Der Klä­ger hat ei­nen An­spruch auf Scha­dens­er­satz in Hö­he von 5.411,12 € (§§ 433 I, 280 I, III, 281 I BGB).

1. Die Be­klag­te hat mit dem Klä­ger ei­nen wirk­sa­men Kauf­ver­trag über den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw … ge­schlos­sen. Spä­tes­tens mit der SMS ih­res Ver­käu­fers vom 01.06.2015 hat die Be­klag­te das An­ge­bot des Klä­gers vom 29.05.2015 an­ge­nom­men.

Selbst wenn man die Un­ter­schrift des Klä­gers zu­sam­men mit der Un­ter­schrift des Ver­käu­fers auf dem Be­stell­for­mu­lar noch nicht als über­ein­stim­men­de Wil­lens­er­klä­run­gen für den Kauf des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw, son­dern le­dig­lich als des­sen Re­ser­vie­rung an­se­hen woll­te, wä­re der Kauf­ver­trag je­den­falls durch die Be­stä­ti­gung sei­tens des Ver­käu­fers als Ver­tre­ter der Be­klag­ten durch die SMS zu­stan­de ge­kom­men.

Hier ist es un­schäd­lich, dass die Be­klag­te in ih­rer An­nah­me­er­klä­rung nicht die in den „Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen“ vor­ge­se­he­ne Schrift­form ge­mäß Ab­schnitt I Nr. 1 ein­ge­hal­ten hat. Denn die in den Be­din­gun­gen vor­ge­se­he­ne Schrift­form ist nicht Wirk­sam­keits­vor­aus­set­zung für das Zu­stan­de­kom­men ei­nes Kauf­ver­trags. Viel­mehr sind die „Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen“ da­hin ge­hend zu ver­ste­hen, dass die Schrift­form le­dig­lich Be­weis­zwe­cken dient (vgl. OLG Köln, Urt. v. 16.02.1995 – 18 U 128/94OLGR 1995, 140 ; OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 24.10.1997 – 22 U 49/97, OLGR 1998, 153).

2. In­fol­ge der Nicht­er­fül­lung des Kauf­ver­trags hat die Be­klag­te ih­re Ver­pflich­tung aus § 433 I BGB ver­letzt. Die­se Pflicht­ver­let­zung hat die Be­klag­te auch zu ver­tre­ten, da sie mit Ab­schluss des Kauf­ver­trags das Ri­si­ko über­nom­men hat, dem Klä­ger das Ei­gen­tum an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw zu ver­schaf­fen, was zu ei­ner ver­schul­dens­un­ab­hän­gi­gen Haf­tung führt (vgl. Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 76. Aufl., § 433 Rn. 21).

3. Mit Schrei­ben vom 06.07.2015 hat der Klä­ger der Be­klag­ten er­folg­los ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Leis­tungs­er­brin­gung be­stimmt. Ins­be­son­de­re die neun­tä­gi­ge Frist war aus­rei­chend, da die Par­tei­en be­reits über ei­nen Mo­nat er­folg­los um die Ver­trags­er­fül­lung ver­han­delt hat­ten. Un­ab­hän­gig da­von wä­re ei­ne sol­che Frist­set­zung auch ent­behr­lich ge­we­sen (§ 281 II Fall 1 BGB), da die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 11.06.2015 die Er­fül­lung des Kauf­ver­trags ernst­haft und end­gül­tig ab­ge­lehnt hat­te.

4. Die Be­klag­te hat den Klä­ger ge­mäß § 281 I BGB so zu stel­len, als wenn der Ver­trag ord­nungs­ge­mäß er­füllt wor­den wä­re.

Wenn ein Käu­fer ein Fahr­zeug, das ei­nen be­stimm­ten Markt­wert ver­kör­pert, zu ei­nem güns­ti­ge­ren Preis kauft und nicht ge­lie­fert er­hält, so er­lei­det er ei­nen Ver­mö­gens­scha­den, der in der Dif­fe­renz die­ser bei­den Po­si­tio­nen liegt (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 10.03.1995 – 19 U 206/94, VersR 1996, 1119).

Der Klä­ger ist so zu stel­len, wie er ste­hen wür­de, wenn ord­nungs­ge­mäß er­füllt wor­den wä­re. Der Scha­den be­steht in dem geld­wer­ten Vor­teil ge­gen­über dem Nor­mal­preis, den er zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses für die ge­kauf­ten Sa­chen hät­te zah­len müs­sen (vgl. Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 76. Aufl., § 281 Rn. 17 m. w. Nachw.).

5. Der geld­wer­te Vor­teil be­trägt 5.411,12 €.

Un­strei­tig be­trug der Net­to­ver­kaufs­preis des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw 31.826 €. Der durch­schnitt­li­che Kauf­preis für ein ver­gleich­ba­res Fahr­zeug be­trug 37.237,12 €. Dies er­gibt sich aus den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen im Ter­min. Be­reits in sei­nem Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten vom 05.12.2016 hat­te der Sach­ver­stän­di­ge ei­nen durch­schnitt­li­chen Markt­wert von 38.130,70 € er­rech­net, wo­bei er die ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen des Ver­kaufs der Win­ter­rä­der, ei­nes Sa­ni­täts­kas­tens, ei­nes Warn­drei­ecks und ei­ner Fein­staub­pla­ket­te so­wie die Ein­räu­mung ei­nes drei­pro­zen­ti­gen Bar­zah­lungs­ra­bat­tes eben­falls be­rück­sich­tigt hat­te. Die­ser durch­schnitt­li­che Markt­wert ver­min­dert sich je­doch durch die drei wei­te­ren eben­falls von der Be­klag­ten ver­äu­ßer­ten Pkw, die der Sach­ver­stän­di­ge nicht im Rah­men sei­ner Re­cher­che auf dem In­ter­net­por­tal „mobile.​de“ be­rück­sich­tigt hat­te. Die Tat­sa­che, dass die drei wei­te­ren Pkw mit ver­gleich­ba­rer Aus­stat­tung und Leis­tungs­merk­ma­len ver­äu­ßert wur­den, war zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig. Der Klä­ger hat le­dig­lich be­strit­ten, dass die Be­klag­te ihm die­se Fahr­zeu­ge zum Kauf an­ge­bo­ten hat.

6. Das Ge­richt folgt den nach­voll­zieh­ba­ren und über­zeu­gen­den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen Dr. S. Der Sach­ver­stän­di­ge hat sei­ne Be­ur­tei­lung auf ei­ne ein­schlä­gi­ge In­ter­net­re­cher­che und sein ei­ge­nes Fach­wis­sen ge­stützt und al­le im vor­lie­gen­den Fall zu­gäng­li­chen Er­kennt­nis­quel­len be­rück­sich­tigt.

7. Ein Ver­stoß ge­gen ei­ne Scha­dens­min­de­rungs­pflicht sei­tens des Klä­gers liegt nicht vor.

Zwi­schen den Par­tei­en ist strei­tig, ob die Be­klag­te dem Klä­ger ein gleich­wer­ti­ges Kfz in der Far­be sil­ber an­ge­bo­ten, die­ser ein sol­ches An­ge­bot je­doch ab­ge­lehnt hat. Selbst wenn der Klä­ger ein sol­ches An­ge­bot ab­ge­lehnt hät­te, hät­te er hier­durch nicht ge­gen sei­ne Scha­dens­min­de­rungs­pflicht ver­sto­ßen. Wie sich aus dem Kauf­ver­trag des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw er­gibt, hat­te die­ser die Far­be weiß. Der Klä­ger woll­te ein wei­ßes Fahr­zeug er­wer­ben. Er war nicht ver­pflich­tet, von die­sem Wunsch ab­zu­rü­cken, um sei­ner Scha­dens­min­de­rungs­pflicht zu ent­spre­chen. Die Far­be für ei­nen Pkw ist ein we­sent­li­ches Kauf­kri­te­ri­um, von dem der Klä­ger nicht ab­las­sen muss­te. In­halt der im Zi­vil­recht herr­schen­den Ver­trags­frei­heit ist auch die Frei­heit, sich für ei­nen Ver­trags­ge­gen­stand in der ge­wünsch­ten Far­be ent­schei­den zu kön­nen.

Die Be­klag­te geht fehl, wenn sie die Auf­fas­sung ver­tritt, in­fol­ge der Mög­lich­keit ei­ner Um­la­ckie­rung in die Far­be weiß, die die Be­klag­te nach ih­rer Be­haup­tung cir­ca 1.000 € ge­kos­tet hät­te, sei der Scha­dens­er­satz auf die­se Sum­me zu be­gren­zen. Die Be­klag­te hat nie vor­ge­tra­gen, dem Klä­ger ei­ne Um­la­ckie­rung der vor­han­de­nen sil­ber­far­be­nen Pkw in die Far­be weiß an­ge­bo­ten zu ha­ben. Vor die­sem Hin­ter­grund je­doch über­steigt es die An­for­de­run­gen, die an den Klä­ger ge­stellt wer­den kön­nen, wenn man von ihm ver­lan­gen woll­te, er hät­te sich ei­gen­stän­dig über die Mög­lich­keit ei­ner Um­sprit­zung der Far­be, de­ren Fol­gen und Kos­ten Ge­dan­ken ma­chen müs­sen. Ob es ei­ne sol­che Mög­lich­keit tech­nisch gibt, wel­che Kos­ten sie ver­ur­sacht und wel­che Fol­gen sie hat, war für den Klä­ger nicht über­schau­bar. Auch hat der Sach­ver­stän­di­ge im Ter­min mehr­fach dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es für den Fall ei­nes Un­fall­scha­dens oder ei­ner Wei­ter­ver­äu­ße­rung von Pkw pro­ble­ma­tisch sein kön­ne, wenn die­se in ver­schie­de­nen Far­ben la­ckiert sind. …

PDF er­stel­len