- Ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug ist mangelhaft, weil darin eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zum Einsatz kommt und deshalb das Risiko bestand und besteht, dass die EG-Typzulassung und die Betriebserlaubnis des – nicht zulassungsfähigen – Fahrzeugs keinen Bestand haben werden.
- Bei der Beurteilung, ob dem Käufer eines vom VW-Abgasskandals betroffenen Fahrzeugs eine Nachbesserung in zeitlicher Hinsicht unzumutbar (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB) ist, muss außer Betracht bleiben, dass vom VW-Abgasskandal eine Vielzahl von Fahrzeugen betroffen ist. Denn dies hat der Käufer ebenso wenig zu verantworten wie etwa Schwierigkeiten bei der Entwicklung des zur Nachbesserung erforderlichen Softwareupdates, sodass er sich nicht mit dem Verweis auf die große Zahl der vom VW-Abgasskandal Geschädigten abspeisen lassen muss.
- Eine Nachbesserung ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs mit Blick darauf, dass ihn die Volkswagen AG arglistig getäuscht hat, auch dann unzumutbar (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB), wenn die Volkswagen AG nicht Partei des Kaufvertrages ist. Denn der Verkäufer des Fahrzeugs kann eine Nachbesserung schon deshalb nicht eigenständig durchführen, weil er dafür ein von der Volkswagen AG entwickeltes Softwareupdate benötigt, dessen Installation ein bloß untergeordneter Akt der gesamten Nachbesserung ist. Hinsichtlich der Nachbesserung ist die Volkswagen AG deshalb Erfüllungsgehilfin (§ 278 BGB) des Verkäufers, und der Käufer müsste sich auf sie verlassen, obwohl sie sich als unzuverlässig erwiesen hat. Dies ist ihm nicht zuzumuten.
- Daran, dass dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs eine Nachbesserung i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar ist, ändert nichts, dass die Nachbesserung unter der behördlichen Aufsicht des Kraftfahrt-Bundesamtes stattfände. Denn die Volkswagen AG hat das Kraftfahrt-Bundesamt schon einmal getäuscht, und es ist keineswegs ausgeschlossen, dass sie auch bei der Nachbesserung der betroffenen Fahrzeuge Maßnahmen ergreift, mit denen das Kraftfahrt-Bundesamt (wiederum) nicht rechnet und die deshalb ebenso unentdeckt bleiben wie ursprünglich die „Schummelsoftware“.
- In Fällen, in denen dem Käufer eine Nachbesserung i. S des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar ist, kann bei der Prüfung, ob einem Rücktritt vom Kaufvertrag § 323 V 2 BGB entgegensteht, nicht auf die Mängelbeseitigungskosten und ihr Verhältnis zum Kaufpreis abgestellt werden. Andernfalls würde der Käufer faktisch zu einer ihm unzumutbaren Nachbesserung gezwungen.
- Die – nicht Partei des Kaufvertrages gewordene – Volkswagen AG hat den Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs gemäß §§ 823 II, 31 BGB i. V. § 263 I StGB so zu stellen, als hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Das betrügerische Verhalten ihrer Mitarbeiter im Zusammenhang mit dem Abgasskandal muss sich die Volkswagen AG jedenfalls dann zurechnen lassen, wenn sie trotz einer sie treffenden sekundären Darlegungslast nicht vorträgt, wer die Entscheidung, eine „Schummelsoftware“ zu entwickeln und in Millionen von Fahrzeugen zu installieren, getroffen hat und wie diese mit hohen Risiken verbundene Entscheidung von enormer wirtschaftlicher Reichweite ihrem Vorstand unbekannt geblieben sein kann.
LG Mönchengladbach, Urteil vom 01.06.2017 – 10 O 84/16
Sachverhalt: Die Klägerin kaufte von der Beklagten zu 1 einen am 27.05.2011 erstzugelassenen VW Golf VI Variant zum Preis von 13.360 €. Ausweislich des schriftlichen Kaufvertrags vom 14.07.2014 betrug die Laufleistung des Pkw, bei dem es sich um einen Leasingrückläufer handelte, zu diesem Zeitpunkt 109.164 km.
Die Beklagte zu 1 ist Vertragshändlerin der Volkswagen AG (Beklagte zu 2), die wiederum Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist. Die Beklagte zu 1 ist nicht in die Konzernstruktur der Beklagten zu 2 eingebunden, sondern handelt im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Sie firmiert als VW-Zentrum und verwendet Prospekte der Beklagten zu 2, die auch die Mitarbeiter der Beklagten zu 1 schult.
In dem streitgegenständlichen Fahrzeug befindet sich ein 1,6-Liter-Dieselmotor vom Typ EA189, dessen Software zur Optimierung der Stickoxid(NOX)-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren beigetragen hat. Die Software erkennt, ob das Kfz auf einem technischen Prüfstand einen Emissionstest absolviert oder ob es sich im regulären Straßenverkehr befindet. Befindet sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand, aktiviert die Software einen speziellen Betriebsmodus, in dem der Stickoxid-Ausstoß geringer ist als beim Normalbetrieb des Fahrzeugs. Nur so wird – auf dem Prüfstand – der einschlägige Euro-5-Emissionsgrenzwert eingehalten.
Dass die Schadstoffemissionen von EA189-Motoren im regulären Fahrbetrieb deutlich höher sind als während eines Emissionstests, wurde zunächst in den Vereinigten Staaten von Amerika festgestellt. Die US-Behörden leiteten deshalb Ermittlungen wegen Betruges ein. Am 23.09.2015 übernahm der damalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten zu 2, Dr. Martin Winterkorn, die Verantwortung für die „Verfehlungen" und trat zurück.
Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnete mit Bescheid vom 15.10.2015 den Rückruf aller in Deutschland vom VW-Abgasskandal betroffener Fahrzeuge an, weil es die in diesen Fahrzeugen zum Einsatz kommende Software für eine unzulässige Abschalteinrichtung hält.
Die nunmehrigen Klägervertreter teilten der Beklagten zu 2 mit Schreiben vom 10.12.2015 mit, dass sie mehr als 800 vom VW-Abgasskandal geschädigte Fahrzeugkäufer verträten, und forderten sie zu der Erklärung auf, dass durch die Umrüstung der betroffenen Fahrzeuge keine Nachteile entstünden.
Ausweislich einer Pressemitteilung der Beklagten zu 2 vom 16.12.2015 bestätigte das Kraftfahrt-Bundesamt die von ihr geplanten Maßnahmen, die für 1,6-Liter-Motoren aus der Installation eines Softwareupdates und dem Einbau eines Strömungsgleichrichters bestehen. In der Pressemitteilung erklärte die Beklage zu 2 weiter, dass die betroffenen Fahrzeuge nach Durchführung der geplanten Maßnahmen die jeweils gültigen Emissionsgrenzwerte einhielten. Es sei das „Ziel, dies ohne Beeinträchtigung der Motorleistung, des Verbrauchs und der Fahrleistungen zu erreichen“.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.12.2015 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1 die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sowie den Rücktritt vom Kaufvertrag. Für dessen Rückabwicklung setzte sie der Beklagten zu 1 eine Frist bis zum 13.01.2016. Die Beklagte zu 1 verwies mit Schreiben vom 05.01.2016 darauf, dass die Beklagte zu 2 dem Kraftfahrt-Bundesamt bereits Maßnahmen zur technischen Überarbeitung der hier interessierenden Fahrzeuge vorgestellt habe, und erklärte ebenfalls, es sei das Ziel, dass diese Maßnahmen sich nicht nachteilig auf den Kraftstoffverbrauch etc. auswirkten. Darüber hinaus kündigte die Beklagte zu 1 an, die Klägerin über die für ihr Fahrzeug geplanten Maßnahmen und den Zeitplan so bald wie möglich zu informieren, und sie verzichtete bis zum 31.12.2017 auf die Einrede der Verjährung.
Für eine technische Überarbeitung des Fahrzeugs der Klägerin ist die Beklagte zu 1 auf Handlungsanweisungen der Beklagten zu 2 sowie darauf angewiesen, dass diese ihr ein Softwareupdate zur Verfügung stellt. Zum Zeitpunkt des Rücktritts gab es kein auf das Fahrzeugmodell abgestimmtes Softwareupdate; ein solches hatte das Kraftfahrt-Bundesamt folglich weder zur Installation freigegeben, noch hatte es einen das Fahrzeug der Klägerin umfassenden Rückruf genehmigt.
Im Januar 2016 begann die Beklagte zu 2 mit der Umrüstung des Modells „VW Amarok“, für die das Kraftfahrt-Bundesamt mit Bescheid vom 27.01.2016 die Freigabe erteilt hatte. Dabei wies die Beklagte zu 2 die betroffenen Kunden darauf hin, dass bei Nichtteilnahme an der Rückrufaktion eine Betriebsuntersagung drohe. Weitere Freigabebescheide erließ das Kraftfahrt-Bundesamt in der Folge für andere Fahrzeugmodelle, zunächst jedoch nicht für den VW Golf VI. Dieses Modell gab das Kraftfahrt-Bundesamt während des laufenden Klageverfahrens – mit Bescheid vom 03.11.2016, geändert am 21.11.2016 – zur Umrüstung frei und bestätigte, dass die vorgesehene Änderung geeignet sei, die Vorschriftmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge herzustellen.
Auch ohne die Umrüstung ist das streitgegenständliche Fahrzeug fahrbereit und verkehrssicher. Die EG-Typgenehmigung wurde nicht entzogen.
Die Beklagte zu 2 beauftragte die Anwaltskanzlei Jones Day mit der Aufklärung des VW-Abgasskandals. Diese ging davon aus, im 4. Quartal 2016 ihre Untersuchungen abzuschließen. Mittlerweile hat die Beklagte zu 2 mit dem US-Justizministerium eine Einigung getroffen, in der die handelnden Personen nicht namentlich benannt werden. Sie seien jedoch den Parteien des Abkommens bekannt.
Die Klägerin hält ihr Fahrzeug für mangelhaft und behauptet, es halte die Euro-5-Emissionsgrenzwerte nicht ein; der tatsächliche Stickoxidausstoß beim normalen Fahrbetrieb übersteige den Grenzwert um ein Vielfaches. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte zu 2 ihr wegen der Verwendung einer den Schadstoffausstoß manipulierenden Software – die den Vorstandsmitgliedern der Beklagten zu 2 von Anfang an bekannt gewesen sei – gemäß §§ 823 II, 31 BGB i. V. mit § 263 I StGB sowie nach § 826 BGB Schadensersatz leisten müsse. Das betrügerische Verhalten der Beklagten zu 2 – so meint die Klägerin weiter – müsse sich die Beklagte zu 1 als arglistige Täuschung zurechnen lassen.
Eine Nachbesserung ihres Fahrzeugs durch Installation eines Softwareupdates hält die Klägerin für unzumutbar (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB). Insoweit behauptet sie, es sei ausgeschlossen, dass das Update nicht zu einer Verringerung der Motorleistung führe und die Lebensdauer ihres Fahrzeugs verkürze. Es gebe bekanntermaßen einen Zielkonflikt zwischen günstigen NOX-Emissionswerten und günstigen CO2-Emissionswerten. Daher sei eine Verringerung des NOX-Ausstoßes nur zu erreichen, wenn man eine Erhöhung des CO2-Ausstoßes, einen höheren Kraftstoffverbrauch oder einen schnelleren Verschleiß des Motors in Kauf nehme. Auch verbleibe nach der Installation des Softwareupdates ein merkantiler Minderwert, zumal sich ein Preisverfall bereits bei anderen vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen zeige. Der VW-Abgasskandal habe zu einem allgemeinen Vertrauensverlust in die Marken des VW-Konzerns geführt.
Die Klägerin ist weiter der Auffassung, dass ihr eine Nachbesserung auch in zeitlicher Hinsicht nicht zuzumuten gewesen sei, zumal ihr Fahrzeug bis zur technischen Umrüstung nicht den geltenden Vorschriften entsprochen hätte.
Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg.
Aus den Gründen: I. Die Klägerin hat gegen beide Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 13.360 €, dies allerdings nicht nur Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, wie sie beantragt, sondern auch Zug um Zug gegen Mitteilung des aktuellen Kilometerstands.
1. Gegen die Beklagte zu 1 ergibt sich der Anspruch aus den §§ 346 I, 348 BGB i. V. mit §§ 437 Nr. 2 Fall 2, 440 Satz 1 Fall 3, 323 I BGB. Die Klägerin ist mit Schreiben vom 27.12.2015 wirksam wegen Mangelhaftigkeit von dem Kaufvertrag mit der Beklagten zu 1 zurückgetreten.
a) Der Pkw wies bei Gefahrübergang einen Mangel auf, denn es bestand das hohe Risiko, dass für dieses Fahrzeug – wie für alle von der Software der Beklagten zu 2 betroffenen Dieselfahrzeuge – die EG-Typgenehmigung und dem folgend die Betriebszulassung keinen Bestand haben werde.
Auf eine bestandskräftige Typgenehmigung können die Beklagten sich nicht berufen, denn diese war aller Wahrscheinlichkeit nach widerruflich, weil die Beklagte zu 2 die Typgenehmigung durch eine gesetzeswidrige Manipulation erschlichen hat. Die Einhaltung der Euro-5-Abgasnorm, die für die Typgenehmigung erforderlich war, erreichte das Kfz nämlich nur wegen des Einsatzes manipulierender Software und war damit nicht vorschriftsgemäß sichergestellt. Wäre die Software nicht eingesetzt worden, wären unstreitig schon im Prüfverlauf die gesetzlich vorgeschriebenen Stickoxid-Emissionswerte überschritten worden (vgl. LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15; LG Lüneburg, Urt. v. 02.06.2016 – 4 O 3/16; LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – 2 O 425/15, LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16).
Der Einwand, es handele sich nicht um über eine unzulässige Abschalteinrichtung des Emissionskontrollsystems, geht fehl. Vielmehr spricht alles für eine Gesetzwidrigkeit der streitgegenständlichen Programmierung der Motorsteuerungssoftware.
Die Verwendung von Abschaltvorrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, verbietet Art. 5 II i. V. mit Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) ausdrücklich. Die installierte Programmierung steht bei Auslegung nach Sinn und Zweck dieser Vorschriften einer solchen Abschalteinrichtung gleich, denn sie setzt die zu einem geringeren Stickoxidausstoß führende, ausschließlich für den Prüfstand bestimmte Programmierung der Motorsteuerung im Modus 1 für den Fahrbetrieb auf der Straße außer Kraft mit der Folge, dass der Stickoxidausstoß im Fahrbetrieb auf der Straße höher ist als auf dem Prüfstand. Umgekehrt wird die im normalen Fahrbetrieb wirksame Programmierung auf dem Prüfstand außer Kraft gesetzt, indem die Motorsteuerung den Betriebszustand für den normalen Fahrbetrieb auf der Straße zugunsten eines ausschließlich für den Prüfstandbetrieb bestimmten Modus abschaltet. Darauf, ob tatsächlich eine Einwirkung auf das Emissionskontrollsystem vorhanden ist oder lediglich eine Einwirkung auf einen innermotorischen Vorgang, kann es dagegen nicht ankommen. Vielmehr ist eine Schadstoffmessung auf dem Prüfstand nur sinnvoll, wenn das zu testende Fahrzeug gerade hinsichtlich der Abgasbehandlung dem Zustand entspricht, der auch auf der Straße gegeben ist, denn die Prüfstandprüfung ist kein Selbstzweck. Sie schafft vielmehr die Grundlage für ein wahrscheinliches Verhalten des Fahrzeugs auch im normalen Fahrbetrieb und soll hierfür zumindest einen Anhalt geben. Demzufolge muss der Prüfstandmodus zwar nicht exakt den realen Fahrbetrieb abbilden, die Motorsteuerung muss aber jedenfalls im Wesentlichen identisch wie dort funktionieren (ähnlich LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – 2 O 425/15; LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16). Nur so wird gewährleistet, dass die Abgas- und Verbrauchswerte von Prüfstandbetrieb und Fahrbetrieb in einer gewissen Korrelation zueinander stehen und eine Aussage über den realen Fahrbetrieb sowie den Vergleich zu anderen Fahrzeugen zulassen. Die Fahrzeuge müssen die Prüfstandsituation zwar erkennen können und in einen Prüfstandmodus umschalten, damit die Fahrzeugassistenzsysteme nicht falsch reagieren; der Prüfstandmodus dient aber nicht dazu, das Emissionskontrollsystem anders zu steuern (vgl. LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16). Mit einer ausschließlich auf den Testzyklus zugeschnittenen Programmierung der Abgasbehandlung werden die einschlägigen Vorschriften somit unzulässig umgangen (vgl. LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2016 – 3 O 139/16).
Dementsprechend muss die Beklagte zu 2 selbst die von ihr entwickelte Software für unzulässig gehalten haben, denn sonst hätte sie sie bei Erteilung der Typgenehmigung ohne Weiteres offenbaren können. Selbst in der von der Klägerin vorgelegten Information über die Rückrufaktion gegenüber ihren Kunden spricht sie deshalb davon, dass bei Nichtteilnahme an der Rückrufaktion eine Betriebsuntersagung durchgeführt werden könne. Folglich hat das Kraftfahrt-Bundesamt unstreitig die Nachbesserung für verpflichtend erklärt. All dies erhellt, dass ohne die Nachbesserung das Fahrzeug nicht zulassungsfähig war, weil es den einschlägigen Abgasnormen nicht entsprach. Dies wiederum stellt einen Mangel dar (ebenso offenbar OLG München, Beschl. v. 23.03.2017 – 3 U 4316/16, juris Rn. 14).
b) Eine Frist zur Nacherfüllung war entbehrlich und die Pflichtverletzung war nicht unerheblich; diese beiden Voraussetzungen des Rücktrittsrechts hängen eng miteinander zusammen. Ist die Nachbesserung dem Kunden nämlich nicht zumutbar, so kann es im Ergebnis nicht darauf ankommen, welche Kosten sie verursachen würde.
Eine Fristsetzung war gemäß § 440 Satz 1 Fall 3 BGB wegen Unzumutbarkeit entbehrlich.
Zur Beurteilung sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 233 f.), eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien, die Art der Sache und der Zweck, für den der Verbraucher sie benötigt, die Art des Mangels und die Begleitumstände der Nacherfüllung. Die Unzumutbarkeit ist aus der Perspektive des Käufers zu beurteilen, eine Interessenabwägung findet nicht statt (vgl. Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2014, § 440 Rn. 23 f.).
aa) Hier war die Nachbesserung der Klägerin deshalb unzumutbar, weil mit einer auch nur einigermaßen zeitnahen Durchführung im Rücktrittszeitpunkt nicht zu rechnen war (ähnlich LG Lüneburg, Urt. v. 02.06.2016 – 4 O 3/16; LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16). Die Manipulation des Fahrzeugs trat im Herbst 2015 zutage. Zu diesem Zeitpunkt gab es ein auf den spezifischen Fahrzeugtyp abgestimmtes Softwareupdate für das Fahrzeug der Klägerin noch nicht und ein solches hatte das Kraftfahrt-Bundesamt folglich weder freigegeben noch eine Rückrufaktion genehmigt.
Der Vortrag der Beklagten, bereits Ende November 2015 habe festgestanden, in welcher Weise das Softwareupdate auf den Motor einwirken müsse, um die nach der Abgasnorm „Euro 5“ maßgeblichen Werte einzuhalten, ändert daran nichts, denn damit war allenfalls die technische Seite der Softwareveränderung klar. Ob und in welchem Zeitrahmen diese Einwirkung auf den Motor realisiert werden kann, war jedoch ungewiss. Die entsprechende Sicherheit hat die Beklagte zu 2 folglich weder nach außen kommuniziert noch hierfür eine Genehmigung des Kraftfahrt-Bundesamtes erhalten. Die Genehmigung erging vielmehr für das hier streitgegenständliche Fahrzeug erst im November 2016, das heißt rund ein Jahr nach der Aufdeckung der Manipulation, wobei die Nachbesserung aller betroffenen Fahrzeuge auch nach diesem Zeitpunkt noch geraume Zeit in Anspruch nehmen dürfte.
Ein solches Zuwarten auf einen völlig ungewissen Zeitpunkt einer Nachbesserung ist einem Käufer nicht zumutbar. Die angemessene Wartezeit richtet sich vorrangig nach seinen Interessen, denn die Unzumutbarkeit ist aus seiner Sicht zu beurteilen.
Üblicherweise dauert die Nachbesserung von Fehlern eines Kraftfahrzeugs auch allenfalls einige Wochen. Innerhalb dieser Zeit jedenfalls war mit einer Nachbesserung nicht zu rechnen. Vielmehr bestand eine derartige Unsicherheit über die Nachbesserungsmöglichkeit und die dafür beanspruchte Zeit, dass die Klägerin sinnvoll eine Nachfrist überhaupt nicht hätte setzen können, sondern ins Ungewisse hätte abwarten müssen (vgl. LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16).
Der Umstand, dass die Nachbesserung wegen der Vielzahl der manipulierten Fahrzeuge und zu erstellenden Softwareupdates längere Zeit in Anspruch nahm, kann nicht dazu führen, die Angemessenheit einer Wartefrist zu verlängern. Diese zeitlichen Probleme auf Herstellerseite bei der Entwicklung des Softwareupdates fallen in das Risiko des Herstellers und sind damit dem dessen Produkt vertreibenden Verkäufer zuzuordnen. Dass die Nachbesserung so lange Zeit benötigte, beruht nämlich nach Angaben der Beklagten auf der Vielzahl der manipulierten rund 10 Millionen Fahrzeuge. Das darin im Ergebnis liegende Argument, eine Vielzahl von Kunden sei falsch beliefert worden, kann jedoch kein Argument für eine längere Nachbesserungsfrist sein, weil dies die Verantwortungsverhältnisse ins Gegenteil verkehren würde. Der Kunde kann vielmehr für den Einsatz der Manipulationssoftware nicht das Geringste, sodass er sich nicht mit dem Verweis auf eine massenhafte Schädigung mit einer unabsehbaren Dauer der Wiedergutmachung abspeisen lassen muss.
Für eine zeitliche Unzumutbarkeit spricht zudem Sinn und Zweck der Frist: Sie soll den Schuldner in die Lage versetzen, seine Leistung zu vollenden, und nicht, mit ihr zu beginnen (vgl. MünchKomm-BGB/Ernst, 7. Aufl., § 323 Rn. 73). Erfordert die Mangelbeseitigung eine unabsehbare Zeit, so stellt sich die Lage für den Käufer dar, als würde der Schuldner mit Fristsetzung erstmals den Versuch der Bewirkung einer Leistung unternehmen (LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16). Länger als ein Jahr muss ein Käufer jedenfalls nicht zuwarten (vgl. OLG München, Beschl. v. 23.03.2017 – 3 U 4316/16, juris Rn. 16). Bei einer derart langen Zeit, die zur Nachbesserung benötigt wird, muss vielmehr keine Frist gesetzt werden.
bb) Ferner ist die Nachbesserung wegen einer nachhaltigen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses unzumutbar.
Die Beklagte zu 1 kann nämlich den Mangel nur mithilfe der Herstellerin, der Beklagten zu 2, beseitigen, sodass die Klägerin im Ergebnis für die Nachbesserung der Beklagten zu 2 vertrauen müsste. Diese ist aber gerade für die Manipulation verantwortlich, was die Nachbesserung unzumutbar macht. Wäre die Beklagte zu 2 Verkäuferin gewesen, bedürfte dies keiner Diskussion, denn dem Käufer ist eine Nachbesserung durch den Verkäufer unzumutbar, wenn dieser ihn zuvor arglistig getäuscht hat (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.2010 – VIII ZR 182/08 Rn. 19 f.). Das hat die Beklagte zu 2 getan, denn sie hat die Behörden und Kunden über die Umweltfreundlichkeit der Motoren des Typs EA189, deren Abgaswerte und deren Zulassungsfähigkeit getäuscht (s. dazu unter I 2).
Ebenso unzumutbar ist aber die hier vorgesehene Gestaltung der vertragsgerechten Nachbesserung durch den Täuschenden. Auch wenn das Softwareupdate von der Beklagten zu 1 auf den Wagen der Klägerin aufgespielt werden soll, stellt dies einen bloß untergeordneten Akt der gesamten Nachbesserung dar, denn die wesentlichen Nachbesserungsschritte muss mit der Entwicklung der Software, deren Test und der Einholung der Genehmigungen die Beklagte zu 2 leisten, also gerade diejenige, die getäuscht hat. Die Beklagte zu 2 stellt für die Beklagte zu 1 für die Nachbesserung auch einen Erfüllungsgehilfen i. S. von § 278 BGB dar, da die Beklagte zu 1 die Nachbesserung ohne die allein vom Hersteller zur Verfügung gestellte Software nicht durchführen kann und vermutlich wegen der Gefahr des Verlusts der Betriebserlaubnis auch gar nicht eigenständig durchführen dürfte. Ließe man die Nachbesserung zu, so müsste die Klägerin sich dabei also gerade auf denjenigen verlassen, der sich zuvor Behörden und Kunden gegenüber als unzuverlässig erwiesen hat. Dies ist ihr nicht zumutbar (ebenso LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16).
Die schlussendlich durch das Kraftfahrt-Bundesamt auch für das hier streitgegenständliche Fahrzeug erteilte Genehmigung ändert daran nichts. Auf eine Nachbesserung unter behördlicher Aufsicht muss sich die Klägerin schon deshalb nicht verweisen lassen, weil die Genehmigung erst weit nach dem Rücktritt erteilt wurde. Abgesehen davon hat die Beklagte zu 2 das Kraftfahrt-Bundesamt bereits einmal durch die streitgegenständliche Manipulation getäuscht, sodass dessen Aufsicht nun nicht ausschließt, dass sich eine solche Täuschung wiederholen könnte. Insoweit kann dahinstehen, ob das Kraftfahrt-Bundesamt bei der Erstgenehmigung mit einer „Schummelsoftware" nicht rechnen musste und es deshalb nicht generell für die Überwachung ungeeignet ist (so wohl LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16). Auch wenn man dem Kraftfahrt-Bundesamt die grundsätzliche Eignung zur Überwachung zugesteht, ist nämlich keineswegs ausgeschlossen, dass die Beklagte zu 2 im Rahmen der Überarbeitung wiederum versteckte Maßnahmen ergreift, mit denen die Behörde nicht rechnet und die folglich auch nicht entdeckt werden. Der Nachbesserungspflichtige, der nicht einmal vor der Täuschung von Behörden zurückschreckt, kann sich jedenfalls nicht darauf berufen, er werde durch die bereits einmal getäuschte Behörde überwacht.
cc) Ob die Nachbesserung auch deshalb unzumutbar ist, weil nach ihrer Durchführung dem Fahrzeug ein Mangelverdacht unter dem Gesichtspunkt anhaften könnte, dass dem Laien kaum vorstellbar ist, dass diese für Verbrauch oder Verschleiß folgenlos bleibt (so LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16), kann folglich offenbleiben.
dd) Der Mangel ist keineswegs unerheblich i. S. von § 323 V 2 BGB, womit der Rücktritt deshalb auch nicht ausgeschlossen ist (ebenso LG Lüneburg, Urt. v. 02.06.2016 – 4 O 3/16; LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16; a. A. LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – 2 O 425/15). Ist die Mangelbeseitigung nicht zumutbar, so kann vielmehr deren Aufwand für die Erheblichkeit des Mangels nicht maßgeblich sein, sodass es auch nicht darauf ankommt, ob dieser Aufwand unter fünf Prozent des Kaufpreises liegt. Vielmehr liegt ein erheblicher Mangel schon allein deshalb vor, weil zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung – wie ausgeführt – trotz des damals angekündigten (aber noch nicht genehmigten) Softwareupdates nicht konkret absehbar war, wann der Wagen der Klägerin zu welchen Kosten nachgebessert werden würde, und ihr eine Durchführung mithilfe der Beklagten zu 2 nicht zumutbar war. Stellte man in solchen Fallgestaltungen auf die Kosten der Nachbesserung ab, so würde der Käufer zu einer ihm unzumutbaren Nachbesserung faktisch gezwungen. Eine Minderung als alternatives Gewährleistungsrecht scheidet folglich aus (ebenso LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16).
2. Der entsprechende Ersatzanspruch besteht gegen die Beklagte zu 2 aus §§ 823 II, 31 BGB i. V. mit § 263 StGB.
§ 263 StGB ist Schutzgesetz i. S. des § 823 II BGB. Die Beklagte zu 2 hat den Tatbestand des Betruges gegenüber der Klägerin jedenfalls in mittelbarer Täterschaft unter Benutzung ihrer Vertragshändlerin, der Beklagten zu 1, verwirklicht.
a) Die Beklagte zu 2 hat die Klägerin über die Gesetzeskonformität des Fahrzeugs getäuscht. Im Inverkehrbringen des Fahrzeugs ohne Hinweis auf den Umstand, dass die EG-Typgenehmigung und dem folgend die Betriebserlaubnis erschlichen war, liegt eine Täuschungshandlung und ein pflichtwidriges Unterlassen zulasten der betroffenen Verkehrskreise und damit der potenziellen Käufer. Die Beklagte zu 2 hat die Abgasmessung, wie ausgeführt, so manipuliert, dass sich verfälschte Stickoxidwerte ergaben, und nur deshalb die Typgenehmigung und die darauf beruhende Betriebserlaubnis für die manipulierten Fahrzeuge erhalten können. Damit wurde vorgespiegelt, dass die Fahrzeuge sich in einem gesetzeskonformen Zustand befanden. Der dauerhafte Bestand einer Betriebserlaubnis ist Grundlage für die vertraglich beim Kauf eines Kraftfahrzeugs vorausgesetzte Möglichkeit des Betriebs dieses Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr. Ein Hersteller, der diese durch fragwürdige Messbeeinflussung erreicht hat, muss die potenziellen Kunden deshalb hierüber aufklären. Allein dies genügt für eine Täuschungshandlung im Sinne des Betrugstatbestandes, sodass offenbleiben kann, ob auch eine Täuschung über die Emissionswerte im Prüfzyklus oder im realen Fahrbetrieb den Betrugstatbestand erfüllt.
b) Die Täuschung ist der Beklagten zu 2 zuzurechnen. Der Motor des Fahrzeugs der Klägerin ist von der Beklagten zu 2 konstruiert und eingebaut worden. Davon, dass ihre Organe von der entsprechenden Konstruktion Kenntnis hatten, hat das Gericht auszugehen, denn die Klägerin behauptet dies unter Benennung der Vorstandsmitglieder als Zeugen, während die Beklagte zu 2 sich nur darauf zurückzieht, hierüber habe sie „keine Erkenntnisse“. Dies genügt der die Beklagte zu 2 treffenden sekundären Darlegungslast in keiner Weise.
Die Beklagten zu 2 trifft eine sekundäre Darlegungslast über die Abläufe in ihrem Konzern und die Tatsachen, die die streitgegenständliche Manipulation ermöglichten.
Eine sekundäre Darlegungslast besteht, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die bestreitende Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihr zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Der Gegner der primär darlegungspflichtigen Partei darf sich nicht auf einfaches· Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. BGH, Urt. v. 07.12.1998 – II ZR 266/97, BGHZ 140, 156 [158]).
So liegt es hier, denn die Klägerin hat naturgemäß, keinerlei Einblick in die internen Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten zu 2, sondern ist insoweit auf Presseberichte und Ähnliches angewiesen. Den ihr zuzumutenden Vortrag hat sie mit dem Vortrag der Primärtatsache der Kenntnis insbesondere der damaligen Vorstände Dr. Winterkorn und des Entwicklungschefs Hackenberg erbracht. Dass dem entgegen in ihrem Vorstand keine Kenntnis bestand, legt die Beklagte zu 2 nicht hinreichend dar. Sie hat die Möglichkeit, die in ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgänge und Entscheidungsprozesse darzulegen. Sie muss deshalb darlegen, wer die Entscheidung zur Entwicklung und millionenfachen Implementierung der Software getroffen hat. Es handelte sich um eine wesentliche strategische Entscheidung mit enormer wirtschaftlicher Reichweite – wie die wirtschaftlichen Folgen des sogenannten Abgasskandals zeigen – ebenso großen Risiken, bei der kaum anzunehmen ist, dass sie von einem am unteren Ende der Betriebshierarchie angesiedelten Entwickler in eigener Verantwortung getroffen worden ist. Dass diese Entscheidung nicht vom Vorstand angeordnet oder doch jedenfalls „abgesegnet“ worden ist, ist angesichts des Umfangs der Implementierung kaum vorstellbar. Jedenfalls ist dies nur dann plausibel dargelegt, wenn die Entscheidungsprozesse im Hause der Beklagten zu 2 hierzu offengelegt werden.
Die Beklagte zu 2 ist als juristische Person verpflichtet, ihr Haus so zu organisieren, dass wesentliche Entscheidungen nicht durch einzelne Mitarbeiter getroffen werden können, sondern überprüft und kontrolliert werden. Gerade der Vorstand hat das Unternehmen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu organisieren (sog. Compliance; vgl. MünchKomm-AktG/Spindler, 4. Aufl. [2014], § 91 Rn. 52 f.). Dementsprechend muss durch organisatorische Maßnahmen wie Controlling und Innenrevision sichergestellt sein, dass für alle wesentlichen Entscheidungen Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand bestehen und deren Einhaltung kontrolliert wird. Geht man von einer entsprechenden Organisation der Beklagten zu 2 aus, musste der Vorstand angesichts des Umfangs der Manipulation, der auch eine entsprechende Budgetierung voraussetzt, wissen, wer hier verantwortlich war. Jedenfalls muss die Beklagte erklären, warum bei einer zureichenden Organisation ihrerseits ihre leitenden Mitarbeiter und der durch sie zu informierende Vorstand, davon keine Kenntnis gehabt haben können. Dementsprechend hat sie die Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Entscheidungsprozesse in ihrem Unternehmen darzutun, um eine fehlende Kenntnis hinreichend darzulegen (ebenso LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2016 – 3 O 139/16).
Damit wird keine unzulässige mosaikartige Wissenszurechnung des im Hause vorhandenen Wissens über außerhalb des Hauses liegende Umstände (dazu BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15 Rn. 23) vorgenommen, sondern es geht um den der Beklagten zu 2 bekannten Entscheidungsablauf in ihrem eigenen Unternehmen.
Hierzu fehlt jegliche Darlegung. Der Vortrag der Beklagten zu 2, sie „kläre gerade die Umstände auf“, wie es zur Entwicklung und zum Einbau der Software gekommen sei, hierfür habe sie die Kanzlei Jones Day mit einer Untersuchung beauftragt; nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen „keine Erkenntnisse" dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien oder die Entwicklung oder Verwendung der Software des Dieselmotors EA189 EU5 in Auftrag gegeben oder gebilligt hätten, ist gänzlich unzureichend und genügt § 138 I ZPO, wonach die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben haben, nicht. Ergebnisse ihrer eigenen angeblichen Aufklärungsarbeit tut die Beklagte zu 2 schon in keiner Weise dar. Auch was die Kanzlei Jones Day herausgefunden hat, offenbart die Beklagte zu 2 nicht, obwohl sie selbst Ergebnisse von deren Untersuchung für das 4. Quartal 2016 angekündigt hat.
Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin unter Berufung auf einen Pressebericht will die Beklagte zu 2 die diesbezüglichen Untersuchungsergebnisse, anders als angekündigt, nun nicht veröffentlichen, weil sie unter anderem Fahrzeugkäufern keinen Vorteil verschaffen will. Zur Offenbarung ist sie aber jedenfalls im Prozess angesichts ihrer Wahrheitspflicht verpflichtet. Hinzu kommt, dass jedenfalls die in den USA dafür verantwortlichen Personen ihr ausweislich der von der Klägerin vorgelegten und unbestrittenen Einigung mit den US-Behörden mittlerweile bekannt sind. Dann kann sie auch darlegen, wer die Entscheidung getroffen hat und wie es möglich gewesen sein soll, dass diese dennoch dem Vorstand unbekannt geblieben ist. Tut sie das nicht, so ist die Kenntnis ihres Vorstands als zugestanden zu werten.
c) Die Vermögensverfügung der Klägerin liegt darin, dass sie ein Fahrzeug gekauft und den Kaufpreis gezahlt hat. Diese beruht auf einem Irrtum der Klägerin, denn es ist zu vermuten, dass sie, wenn sie gewusst hätte, dass die Zulassung des Fahrzeugs zweifelhaft war, dieses nicht gekauft hätte, weil nicht sicher war, dass sie es im Straßenverkehr auf Dauer auch würde benutzen dürfen. Der Erwerb eines solchen Fahrzeugs wäre nämlich sinnlos.
d) Hierin liegt der irrtumsbedingte Vermögensschaden. Die Klägerin hat in Unkenntnis der nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware den streitgegenständlichen Pkw erworben und damit einen ihr wirtschaftlich nachteiligen Vertrag abgeschlossen. Angesichts der nicht gesetzeskonform erlangten Zulassung bestand bereits bei Erwerb des Fahrzeugs ein hohes Risiko der Sinnlosigkeit des Erwerbs, weil das Fahrzeug nicht im Straßenverkehr benutzt werden darf. Die Klägerin hat damit nicht das bekommen, was ihr aus dem Kaufvertrag zustand, nämlich ein einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug (ebenso LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2016 – 3 O 139/16).
Dieser Vermögensnachteil ist stoffgleich mit dem täuschungsbedingt erlangten Vorteil des Kaufpreises. Zwar ist der Vorteil nicht direkt bei der Beklagten zu 2 eingetreten, sondern zunächst bei der Beklagten zu 1 als Verkäuferin. Ein fremdnütziger Betrug, bei dem Täuschender und Vorteilsempfänger personenverschieden sind, ändert aber an der Stoffgleichheit nichts (Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rn. 187 f.).
e) Der erstrebte Vorteil war rechtswidrig, weil hierauf kein Rechtsanspruch bestand. Rechtfertigungsgründe im Übrigen sind ebenfalls nicht ersichtlich.
f) Die Beklagte zu 2 hat vorsätzlich gehandelt. Sie hat eine Manipulation der Abgaswerte vorgenommen, für die ihr klar war, dass diese die Zulassung der manipulierten Fahrzeuge gefährdet. Wären die Fahrzeuge ohne die Manipulation zulassungsfähig gewesen, hätte es der „Schummelsoftware" nämlich nicht bedurft, sodass ihr Verhalten einen anderen Schluss nicht zulässt. Dieser Vorsatz erstreckte sich auf den verursachten Schaden des Erwerbs eines so nicht zulassungsfähigen Fahrzeugs, denn auch dies musste ihr unter diesen Umständen klar sein. Dass sie nicht gewollt hat, dass diese Manipulation offenbar wird, ändert daran nichts. Vielmehr ist es gerade das Kennzeichen eines Betruges, dass ein Betrüger das Aufdecken seiner Täuschung nicht wünscht. Der Vorsatz richtete sich auch auf den Schaden, denn dieser lag im Erwerb eines Pkw mit gefährdeter Zulassungsfähigkeit, sodass es auf die Entdeckung der fehlenden Zulassungsfähigkeit nicht ankommt.
g) Demzufolge muss auch die Beklagte zu 2 den Kaufpreis erstatten. Der Schadensersatzanspruch richtet sich darauf, die Klägerin so zu stellen, wie sie ohne die Täuschung gestanden hätte. Die Beklagte muss daher die wirtschaftlichen Folgen des Kaufs dadurch ungeschehen machen, dass sie den Kaufpreis gegen Herausgabe des Pkw erstattet.
3. Beide Beklagte haben nach alledem den Kaufpreis zu erstatten. Für diesen erhalten sie, wie im Klageantrag bereits zum Ausdruck kommt, das Fahrzeug zurück.
Für die durch die Fahrleistung eingetretene Wertminderung des Kfz können die Beklagten zwar grundsätzlich nach § 346 II 1 Nr. 1 BGB bzw. nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs Wertersatz verlangen. Die Aufrechnung mit einer entsprechenden Nutzungsentschädigung haben sie jedoch nicht erklärt. Sie berufen sich vielmehr auf ein Leistungsverweigerungsrecht, da die Klägerin den Kilometerstand auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. dem diesem entsprechenden Zeitpunkt im schriftlichen Verfahren nicht genannt hat. Insoweit besteht ein Leistungsverweigerungsrecht, denn diesen Kilometerstand zu nennen ist die Klägerin aufgrund der sie treffenden sekundären Darlegungslast verpflichtet, da die Beklagten ihn nicht wissen können und zur Berechnung eines aufrechenbaren Nutzungsersatzanspruchs benötigen.
Die angegebenen Kilometerstände genügen nicht. Mit Schriftsatz vom 11.08.2016 hat die Klägerin den Kilometerstand allenfalls auf diesen Tag und damit eben nicht auf den Tag der letzten mündlichen Verhandlung mitgeteilt. Dies war ihr auch bewusst, weil sie die weitergehende Mitteilung in der mündlichen Verhandlung angekündigt hat. Hierzu war ihre Prozessbevollmächtigte im Verhandlungstermin jedoch nicht in der Lage. Auch die folgenden Mitteilungen genügen nicht, denn auf die deshalb erfolgte Anordnung des schriftlichen Verfahrens hat die Klägerin den Kilometerstand weder auf das Ende der ihr gewährten Schriftsatzfrist, den 06.04.2017, mitgeteilt, noch auf den Termin vom 27.04.2017, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entsprach. Mit Schriftsatz vom 24.03.2017 hat sie vielmehr einen Kilometerstand auf den 02.03.2017 mitgeteilt und mit Schriftsatz vom 04.04.2017 einen solchen auf den 29.03.2017.
Diese Mitteilungen sind folglich ungenügend, sodass das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten weiterhin besteht. Entsprechend war eine weitergehende Zug-um-Zug-Verurteilung als beantragt auszusprechen.
II. Mit ihrem Antrag zu 2 ist die Klage dagegen unzulässig. Die Klägerin kann Leistungsklage erheben, denn sie weiß, wann sie den Kaufpreis an die Beklagte zu 1 gezahlt hat und somit auch, wann er nach üblichen Bankarbeitszeiten bei dieser eingegangen sein muss. Selbst wenn dies jedoch nicht der Fall gewesen wäre, hätte die Klägerin auf Leistung gegen die Beklagte zu 1, nämlich auf Auskunft, klagen müssen und sodann den Anspruch gegen die Beklagte zu 2 beziffern können. Eines gesonderten Hinweises auf die Unzulässigkeit der Klage bedurfte es nicht, weil die Beklagten hierauf bereits mit der Klageerwiderung hingewiesen haben.
III. Auch die Feststellung, dass die Beklagten sich mit der Rücknahme des Pkw in Annahmeverzug befinden, kann nicht getroffen werden, da die Klägerin den Beklagten das Fahrzeug nicht in verzugsbegründender Weise angeboten hat. Die Klägerin ist vielmehr mit Schreiben vom 27.12.2016 nur gegenüber der Beklagten zu 1 vom Kaufvertrag zurückgetreten und hat die Anfechtung erklärt. Sie hat die Rückgabe des Fahrzeugs jedoch darin nicht einmal wörtlich angeboten, denn in diesem Schreiben heißt es nur, sie stelle das Fahrzeug gerne „zur Überprüfung“ zur Verfügung. Ein tatsächliches Angebot des Fahrzeugs gegenüber beiden Beklagten liegt erst recht nicht vor.
IV. Ebenso wenig besteht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus den §§ 280 I, II, 286 BGB, denn das Anwaltsschreiben vom 27.12.2016 hat den Verzug erst begründet, dies auch nur gegenüber der Beklagten zu 1. Eine andere Anspruchsgrundlage ist gegenüber der Beklagten zu 1 nicht ersichtlich.
Gegenüber der Beklagten zu 2 ergibt sich ebenfalls kein Anspruch, dies auch nicht aus unerlaubter Handlung. Dieser gegenüber ist nämlich keine anwaltliche vorgerichtliche Tätigkeit namens der Klägerin dargetan. Das Schreiben vom 10.12.2015 an die Beklagte zu 2 ist allgemein gehalten und bezieht sich auf die Vertretung von mehr als 800 Geschädigten, ohne darzutun, dass die Klägerin speziell betroffen und anwaltliche Kostenschuldnerin ist. Eine sonstige vorprozessuale Tätigkeit der klägerischen Bevollmächtigten gegenüber der Beklagten zu 2 fehlt. …