Der Käufer eines sechs Jahre alten Gebrauchtwagens, der eine Laufleistung von 181.000 km aufweist, muss zwar einen altersüblichen Verschleiß des Fahrzeugs hinnehmen. Dazu mag bei einem Dieselfahrzeug auch zählen, dass der Dieselpartikelfilter mit Ruß zugesetzt ist. Kein bloßer Verschleiß, sondern ein Mangel im Rechtssinne liegt jedoch vor, wenn der Rußpartikelfilter zugesetzt ist, weil sich infolge eines technischen Defekts im Laufe der Zeit mehr Ruß als üblich dort angesammelt hat.
OLG Hamm, Urteil vom 11.05.2017 – 28 U 89/16
Sachverhalt: Der Kläger kaufte von der beklagten Kfz-Händlerin am 28.11.2013 einen am 20.06.2007 erstzugelassenen Škoda Octavia Combi RS 2.0 TDI zum Preis von 8.950 €. Der Gebrauchtwagen wurde dem Kläger am 03.12.2013 mit einem Kilometerstand von 181.000 übergeben.
Nach Angabe des Klägers zeigten sich bei dem Fahrzeug von Anfang an erhebliche Mängel (schlechtes Anspringen, Ruckeln beim Fahren, laute Motorgeräusche, eine sich plötzlich erhöhende Motordrehzahl). Der Kläger nahm deshalb Kontakt mit der Beklagten auf, wobei streitig ist, welche Absprachen die Parteien trafen.
Am 21.02.2014 brachte der Kläger sein Fahrzeug zu dem Škoda-Händler H. Dort wurden auf Kulanzbasis – für den Kläger kostenfrei – Ventildeckel und vier Pumpe-Düse-Elemente ausgetauscht. Dies führte jedoch aus Sicht des Klägers ebenso nicht zum Erfolg wie ein am 03.04.2014 veranlasster Austausch des Ansaugrohrs, für den der Kläger 760,41 € zu zahlen hatte.
Der Kläger wandte sich deshalb an seinen späteren Prozessbevollmächtigten. Dieder forderte die Beklagte mit Schreiben vom 06.05.2014 zur Mängelbeseitigung auf und setzte ihr dafür eine Frist von zehn Tagen. Daraufhin befand sich das streitgegenständliche Fahrzeug ab dem 13.05.2014 zehn Tage lang bei der Beklagten. Diese ließ den Pkw überprüfen und veranlasste die Neueinstellung der Einspritzdüsen.
Auch diese Maßnahme führte jedoch aus Sicht des Klägers nicht zu einer Beseitigung der gerügten Mängel. Der Kläger ließ deshalb durch Anwaltsschreiben vom 30.05.2014 seinen Rücktritt vom Kaufvertrag erklären. Diesen Rücktritt wies die die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 05.06.2014 zurück.
Der Kläger hat sein Fahrzeug inzwischen stillgelegt, weil – so behauptet er – der Bordcomputer eine Motorstörung anzeigt und die Motorkontrollleuchte und die Kontrollleuchten „Dieselpartikelfilter“ und „Vorglühanlage“ aufleuchten.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs die Zahlung von 10.350,41 € nebst Zinsen. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
Kaufpreis | 8.950,00 € | |
Nutzungsausfallentschädigung für 10 Tage (Werkstattaufenthalt) | 400,00 € | |
Kosten für den Austausch des Ansaugrohrs | 760,41 € | |
Ersatz von Unterstellkosten | 240,00 € | |
Gesamt | 10.350,41 € |
Darüber hinaus begehrt der Kläger die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in (Annahme-)Verzug befindet.
Er behauptet, das ihm von der Beklagten verkaufte Fahrzeug sei von Anfang an mangelhaft gewesen. Die Beklagte bestreitet dies und behauptet, dass der Zeuge S den Pkw zwei Tage lang circa 150 km Probe gefahren habe, nachdem die Einspritzdüsen eingestellt worden seien, und dabei nichts Auffälliges festgestellt habe. Hilfsweise behauptet die Beklagte, dass die vom Kläger beanstandeten Mangelsymptome auf üblichem Verschleiß beruhten; sie seien auf ein altersübliches Zusetzen des Rußpartikelfilters zurückzuführen.
Das Landgericht hat ein schriftliches Gutachten des Kfz-Sachverständigen C eingeholt, das dieser am 24.07.2015 erstellt und in der Sitzung vom 03.11.2015 mündlich erläutert hat. Sodann hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung Folgendes ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Rücktrittsrecht zu, weil sich nicht feststellen lasse, dass das Fahrzeug bei Übergabe mangelhaft gewesen sei. Nach den Ausführungen des Sachverständigen habe die vom Kläger behauptete Mangelsymptomatik ihre Ursache darin, dass der Rußpartikelfilter verstopft sei. Diese Verstopfung habe zwar im Wesentlichen schon vor Übergabe vorgelegen. Allerdings handele es sich um eine übliche Verschleißerscheinung. Der Sachverständige habe dazu ausgeführt, dass bei einer Laufleistung von 180.000 km der Austausch eines Dieselpartikelfilters üblich und auch zu erwarten sei. Insofern habe auch keine Aufklärungspflicht der Beklagten bestanden.
Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg.
Aus den Gründen: II. … 1. Der Kläger kann von der Beklagten gemäß §§ 346, 323, 440, 437 Nr. 2 Fall 1, 434 I 2 Nr. 2, 433 I 2 BGB die Rückzahlung des Kaufpreises von 8.950 € Zug um Zug gegen Fahrzeugrückgabe verlangen.
a) Der Kläger war berechtigt, von dem Kaufvertrag über den Škoda Octavia zurückzutreten, weil dieses Fahrzeug bei Übergabe an ihn einen Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB aufwies, indem es negativ von der Beschaffenheit vergleichbarer Gebrauchtfahrzeuge abwich.
Der Käufer eines sechs Jahre alten Fahrzeugs mit einer Laufleistung von 181.000 km muss zwar grundsätzlich einen altersüblichen Verschleißzustand hinnehmen. Dazu mag bei Dieselfahrzeugen auch die im Laufe des Fahrbetriebs zunehmende Verstopfung des Rußpartikelfilters zählen.
Im Streitfall wies der von der Beklagten verkaufte Škoda aber nach den Feststellungen des Kfz-Sachverständigen C zwei technische Defekte auf:
Zum einen war der Drucksensor des Partikelfilters nicht funktionstüchtig, sodass eine Überfüllung des Partikelfilters nicht angezeigt werden konnte. Und zum anderen konnte der Sachverständige anhand der starken Verkokung des Saugrohrs feststellen, dass der streitgegenständliche Škoda Octavia von einem für diese Modellreihe typischen Bauteilfehler an den Pumpe-Düsen-Elementen betroffen war. Dieser werkseitige Fehler führte zu einer Überfettung des Brennstoffgemischs und damit zu einer Verkokung, die wiederum eine übermäßige Füllung des Partikelfilters mit Ruß zur Folge hatte.
Aufgrund dieser beiden technischen Defekte blieb der vom Kläger erworbene Škoda negativ hinter der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Gebrauchtfahrzeuge zurück. Zugleich lagerte sich aufgrund der defekten Pumpe-Düse-Injektoren im Partikelfilter mehr Ruß als üblich ab. Eine solche übermäßige Verschleißanfälligkeit ist ebenfalls als Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB anzusehen (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl. [2017], Rn. 3027), zumal im Streitfall eine bedenkliche Rußablagerung aufgrund des defekten Sensors nicht angezeigt werden konnte.
Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgehen wollte, dass auch ohne den Defekt an den Pumpe-Düse-Elementen angesichts der Laufleistung von über 180.000 km eine ähnlich starke Verstopfung des Partikelfilters nicht auszuschließen war, würde dies die Beklagte nicht entlasten. Denn der Kläger hat den Škoda im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs (§ 474 I BGB) erworben. Für ihn streitet deshalb die Beweislastregel des § 476 BGB, wonach in den Fällen, in denen sich – wie im Streitfall – innerhalb der ersten sechs Monate nach Fahrzeugübergabe ein Mangel zeigt, zu vermuten ist, dass die gekaufte Sache bereits bei Übergabe mangelhaft war. Diese Vermutung greift nach dem Urteil des BGH vom 12.10.2016 (BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15, MDR 2016, 1437) auch dann ein, wenn offenbleibt, ob der eingetretene mangelhafte Zustand auf einem dem Verkäufer zuzurechnenden Sachmangel oder auf einem sonstigen Grund beruht. Der Streitfall bietet jedenfalls keinen Anlass, zugunsten der Beklagten von einem positiv geführten Entlastungsbeweis auszugehen. Denn der Sachverständige hat im Gegenteil bei seiner Anhörung vor dem Senat bestätigt, dass seiner Meinung nach der (Ursprungs-) Fehler an dem Pumpe-Düse-System die Ursache der Verstopfung des Rußpartikelfilters gewesen sei.
b) Der Sachmangel war im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (30.05.2014) auch noch nicht behoben worden.
Zwar waren die Pumpe-Düse-Elemente Ende Februar 2014 bei H im Kulanzwege ausgetauscht worden. Des Weiteren war am 03.04.2014 das Saugrohr bei der Firma F ersetzt worden. Und schließlich war durch die Beklagte Mitte Mai 2014 eine Neueinstellung der Einspritzdüsen veranlasst worden. Sämtliche Maßnahmen hatten aber nicht zu einer Behebung der gerügten Mangelsymptomatik geführt.
Die Zeugin H bestätigte insofern bei ihrer Vernehmung vor dem Senat, dass das schlechte Anspringverhalten und die spontanen Drehzahlerhöhungen bis zuletzt fortbestanden hätten. Das lässt sich wiederum in Einklang bringen mit den Feststellungen des Sachverständigen C, der bestätigte, dass bei seiner Überprüfung des Fahrzeugs „hinten nicht viel Luft rausgekommen“ (also der Abgasdruck zu niedrig gewesen) sei und dass der Motor ab 1.500 Umdrehungen unwillig gewesen sei. Außerdem hätten die Abgase untypisch gerochen. Der Sachverständige führte das darauf zurück, dass der Partikelfilter nach der von ihm vorgenommenen endoskopischen Untersuchung zum großen Teil verstopft gewesen sei. Bei einem solchen Zustand komme es – so der Sachverständige – zu einer Symptomatik, die den von Klägerseite vorgetragenen Problemen entspreche, also zu einem unzuverlässigen Anspringverhalten, einem Ruckeln während der Fahrt und zu eigenmächtigen Drehzahlerhöhungen.
Vor diesem Hintergrund wäre für eine endgültige Behebung des Mangels zusätzlich der Austausch des Partikelfilters zum Preis von über 2.000 € nötig gewesen, der aber nicht stattgefunden hat.
Der Annahme einer auch noch im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fortbestehenden Mängelproblematik steht auch die Aussage des Zeugen S nicht entgegen. Der Zeuge bekundete zwar, dass er im Mai 2014 nach den durchgeführten Werkstattarbeiten bei einer Probefahrt an dem Fahrzeug nichts Auffälliges habe feststellen können. Dieses Ausbleiben der gerügten Symptomatik kann aber nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen bei seiner Anhörung vor dem Senat auch darauf beruht haben, dass der Motor bei der Probefahrt nicht genügend gefordert worden sei, das heißt nicht bei Drehzahlen über 1.500 U/min. Des Weiteren hielt der Sachverständige es für denkbar, dass sich die Symptomatik – allerdings nur vorübergehend – gebessert hatte, weil das Saugrohr kurz zuvor gewechselt worden sei.
c) Auch die weiteren Rücktrittsvoraussetzungen lagen vor.
Der Kläger hatte die Beklagte gemäß § 323 I BGB mit Fristsetzung zur Nachbesserung aufgefordert. Anschließend wurde zwar von der Beklagten die Werkstattüberprüfung veranlasst. Diese führte aber nicht zu der vom Kläger erhofften endgültigen Behebung des mangelhaften Zustands. In dieser Situation musste er der Beklagten das Fahrzeug nicht ein weiteres Mal zum Zwecke der Überprüfung andienen (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 960).
Der Einwand, dass das Rücktrittsrecht nach § 323 V 2 BGB ausgeschlossen sei, weil lediglich eine unerhebliche Pflichtverletzung vorgelegen habe, wird von der Beklagten – zu Recht – nicht vorgebracht.
d) Damit ist in der Rechtsfolge der vom Kläger entrichtete Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückzuerstatten (§ 346 I BGB). Die Beklagte hat nicht die Aufrechnung erklärt mit einem gegenläufigen Anspruch auf Erstattung einer Nutzungsentschädigung für die vom Kläger zurückgelegte Laufleistung.
e) Der Kläger kann ferner Verzugszinsen verlangen mit Ablauf der im Rücktrittsschreiben gesetzten Zahlungsfrist (07.06.2014).
2. Der Kläger hat gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 I und III, 281 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von (10 × 40 € =) 400 € EUR, weil er sein Fahrzeug für die Dauer des zehntägigen Werkstattaufenthalts bei der Beklagten nicht nutzen konnte. Die Ersatzpflicht der Beklagten beruht darauf, dass sie dem Kläger entgegen § 433 I 2 BGB ein mangelhaftes Fahrzeug verkauft hat und sie den Mangel während des Werkstattaufenthalts auch nicht beheben konnte.
3. Der Kläger kann von der Beklagten ferner gemäß § 347 II Satz 1 und 2 BGB die Erstattung von 760,41 € verlangen. Dabei handelt es sich um die Kosten für den Austausch des Saugrohrs, die nach Aussage der Zeugin O an die Firma F gezahlt wurden. Es handelte sich um eine zur Aufrechterhaltung des Fahrbetriebs notwendige Verwendung. Außerdem erhält die Beklagte mit Vollziehung der Rückabwicklung ein Fahrzeug zurück, das mit einem neuen Saugrohr ausgestattet ist.
4. Der Kläger kann von der Beklagten nach § 304 BGB die Erstattung der Kosten in Höhe von 240 € verlangen, die nach Aussage der Zeugin O dadurch angefallen sind, dass der abgemeldete Škoda ab November 2014 in einer Garage untergestellt werden musste.
5. Der Kläger kann schließlich die Feststellung des Annahmeverzugs verlangen. …