1. Der Käu­fer ei­nes Kraft­fahr­zeugs – hier: ei­nes Fer­ra­ri La­Fer­ra­ri – mit Ta­ges­zu­las­sung darf nach der im Kfz-Han­del üb­li­chen Be­deu­tung die­ser Be­zeich­nung ein Fahr­zeug er­war­ten, das noch nicht im Stra­ßen­ver­kehr be­nutzt wur­de und nur kurz­zei­tig – nicht län­ger als 30 Ta­ge – auf ei­nen Kfz-Händ­ler zu­ge­las­sen war.
  2. Ver­ein­ba­ren die Par­tei­en ei­nes Kfz-Kauf­ver­trags i. S. des § 434 I 1 BGB, dass der Käu­fer ein Fahr­zeug er­hält, das le­dig­lich „Werks­ki­lo­me­ter“ zu­rück­ge­legt hat, so sind da­mit die Ki­lo­me­ter ge­meint, die das Fahr­zeug bei oder nach der Her­stel­lung auf dem Werks­ge­län­de oder auf ei­ner werks­ei­ge­nen Test­stre­cke im Rah­men von Pro­be­fahr­ten zu­rück­ge­legt hat. Dies kön­nen ei­ni­ge Hun­dert Ki­lo­me­ter sein, oh­ne dass da­durch die Neu­wa­gen­ei­gen­schaft des Fahr­zeugs in­fra­ge ge­stellt wird.

OLG Hamm, Ur­teil vom 18.05.2017 – 28 U 134/16

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin ver­langt von der Be­klag­ten, die in Dort­mund ge­werb­lich mit ex­klu­si­ven Kraft­fahr­zeu­gen han­delt, die Er­stat­tung ei­ner An­zah­lung.

Die Be­klag­te bot im Früh­jahr 2015 ei­nen Fer­ra­ri La­Fer­ra­ri im In­ter­net zum Kauf an. Die­ser Su­per­sport­wa­gen war im März 2013 auf dem Gen­fer Au­to-Sa­lon vor­ge­stellt wor­den; die 499 pro­du­zier­ten Fahr­zeu­ge wa­ren sei­ner­zeit so­fort aus­ver­kauft ge­we­sen. Die Klä­ge­rin, die ih­ren Ge­schäfts­sitz in Prag hat, wur­de auf das In­ter­net­in­se­rat der Be­klag­ten auf­merk­sam und nahm Kon­takt mit der Be­klag­ten auf, weil sie das an­ge­bo­te­ne Fahr­zeug er­wer­ben und an ei­nen Kun­den in Groß­bri­tan­ni­en wei­ter­ver­kau­fen woll­te.

Am 31.03.2015 un­ter­zeich­ne­ten die Par­tei­en ei­ne von der Be­klag­ten er­stell­te „Auf­trags­be­stä­ti­gung“. Dar­in wur­den fol­gen­de An­ga­ben ge­macht:

Her­stel­ler: Fer­ra­ri
Mo­dell: La­Fer­ra­ri
Fahr­ge­stell­num­mer: […]
Un­ver­bind­li­cher Lie­fer­ter­min: April 2015
Erst­zu­las­sung: neu/Ta­ges­zu­las­sung
Ki­lo­me­ter­stand: Werks­ki­lo­me­ter
Preis net­to: 1.950.000,00 €
zzgl. 19 % MwSt. 0,00 €
Ge­samt­be­trag: 1.950.000,00 €

Auf den Kauf­preis soll­te die Klä­ge­rin so­fort ei­ne An­zah­lung in Hö­he von 300.000 € leis­ten; der rest­li­che Kauf­preis soll­te in­ner­halb ei­ner Wo­che nach Auf­for­de­rung durch die Be­klag­te zur Zah­lung fäl­lig sein.

In der „Auf­trags­be­stä­ti­gung“ hieß es au­ßer­dem, dass die Be­klag­te ge­mäß ih­ren All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen Scha­dens­er­satz in Hö­he von 15 % des Kauf­prei­ses ver­lan­gen wer­de, soll­te die Klä­ge­rin den Kauf­preis trotz Frist­set­zung nicht zah­len oder das Fahr­zeug trotz Frist­set­zung nicht ab­neh­men. Auf die im In­ter­net ab­ruf­ba­ren All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Be­klag­ten wur­de ver­wie­sen. Eben­so fin­det sich in der „Auf­trags­be­stä­ti­gung“ ein Hin­weis dar­auf, dass das Fahr­zeug bis zur voll­stän­di­gen Kauf­preis­zah­lung Ei­gen­tum der Be­klag­ten blei­be.

Ab­wei­chend von der zu­nächst ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­rung ver­ein­bar­ten die Par­tei­en, dass die Klä­ge­rin nicht ei­ne An­zah­lung von 300.000 € leis­ten, son­dern nur 40.000 € auf den Kauf­preis an­zah­len soll­te. Die­sen Be­trag zahl­te die Klä­ge­rin in zwei Teil­be­trä­gen am 07.04. und am 14.04.2015.

Am Abend des 14.04.2015 traf der Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin in Be­glei­tung des Zeu­gen T in Dort­mund ein, nach­dem ih­nen die Be­klag­te für den 15.04.2015 die Be­sich­ti­gung und die Über­ga­be des La­Fer­ra­ri in Aus­sicht ge­stellt hat­te. Den Ver­tre­tern der Klä­ge­rin wur­de dann aber kurz­fris­tig mit­ge­teilt, dass sich das Fahr­zeug doch nicht in Dort­mund be­fin­de. Am Mor­gen des 16.04.2015 wur­den der Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin und T mit ei­nem Pkw nach Nürn­berg ge­bracht, wo ih­nen nach ei­ner län­ge­ren War­te­zeit der Fer­ra­ri vor­ge­führt wur­de. Da­bei stell­ten der Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin und T fest, dass das Fahr­zeug be­reits im April 2014 erst­mals zum Stra­ßen­ver­kehr zu­ge­las­sen wor­den war und seit­dem als Lea­sing­fahr­zeug ge­nutzt wur­de und dass die Lauf­leis­tung des La­Fer­ra­ri 1.412 km be­trug. Die Ver­tre­ter der Klä­ge­rin be­an­stan­de­ten, dass das Fahr­zeug nicht dem Ver­ein­bar­ten ent­spre­che. Ob sie sich des­halb mit dem Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten oder de­ren Ver­kaufs­mit­ar­bei­ter, dem Zeu­gen H, auf ei­nen Preis­nach­lass ei­nig­ten, ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig.

Noch am 16.04.2015 über­sand­te die Be­klag­te der Klä­ge­rin um 19:15 Uhr ei­ne E-Mail, in der es hieß:

„Bit­te das un­ter­schrei­ben

Sehr ge­ehr­te Da­men und Her­ren,

wir fas­sen die Er­geb­nis­se der heu­ti­gen Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs La­Fer­ra­ri wie folgt zu­sam­men:

1. Das Fahr­zeug wur­de im April 2014 erst­ma­lig zu­ge­las­sen.

2. Der Ta­chostand be­trägt 1.412 km.

3. Der bis­her ver­ein­bar­te Kauf­preis wird um 25.000 € von 1.950.000 € auf 1.925.000 € re­du­ziert.

4. Der rest­li­che Kauf­preis von 1.885.000 € (bis­her wur­den ins­ge­samt 40.000 € über­wie­sen) muss auf un­se­rem Kon­to bis 17.04.2015 16:00 Uhr ein­ge­hen.

5. Wird die Frist nach Nr. 4 ver­säumt, ver­pflich­ten Sie sich zu Zah­lung ei­nes pau­scha­len Scha­dens­er­sat­zes ge­mäß un­se­ren AGB in Hö­he von 15 % des ur­sprüng­lich ver­ein­bar­ten Kauf­prei­ses.

Um ei­ne kur­ze Be­stä­ti­gung Ih­rer­seits wird höf­lich ge­be­ten.“

Am 17.04.2015 ant­wor­te­te die Klä­ge­rin der Be­klag­ten:

„1. Wir hal­ten an dem Kauf­ver­trag/Auf­trags­be­stä­ti­gung vom 31.03.2015 fest und for­dern Sie hier­mit auf, die­sen zu er­fül­len, bis Mon­tag, den 20.04.2015.

2. Wie die Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs […] er­gab, ent­spricht das vor­ge­stell­te Fahr­zeug nicht dem Kauf­ge­gen­stand […]. Das Fahr­zeug ist in 2014 ge­baut und seit ca. 12 Mo­na­ten zu­ge­las­sen und weist da­her Ge­brauchs­spu­ren auf. Der KM-Stand ist 1.412. Sie sind we­der im Be­sitz noch in der La­ge, den ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stand zu lie­fern.

3. Wir hal­ten den­noch an dem Kauf­ver­trag/Auf­trags­be­stä­ti­gung vom 31.03.2015 fest und for­dern hier ei­ne Kauf­preis­min­de­rung (ent­ge­gen Ih­rem An­ge­bot) von net­to 100.000 € […].“

Die wei­ter zwi­schen den Par­tei­en ge­führ­te Kor­re­spon­denz führ­te we­der zu ei­ner schrift­li­chen Ver­ein­ba­rung über die Än­de­rung des Kauf­ver­trags noch zur Er­stat­tung der ge­leis­te­ten An­zah­lung von 40.000 € an die Klä­ge­rin.

Die­se ließ am 24.04.2015 über ih­re spä­te­ren Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung mit der Be­grün­dung er­klä­ren, dass sie sich hin­sicht­lich we­sent­li­cher Tat­sa­chen (kein Ei­gen­tum der Be­klag­ten, „neu/Ta­ges­zu­las­sung“; „Werks­ki­lo­me­ter“) ge­täuscht füh­le. Hilfs­wei­se wur­de der Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klärt und der Be­klag­ten ei­ne Frist zur Rück­zah­lung der An­zah­lung von 40.000 € bis zum 28.04.2015 ge­setzt.

Im Kla­ge­ver­fah­ren hat die Klä­ge­rin be­tont, dass die Be­klag­te nicht in der La­ge ge­we­sen sei, ihr – der Klä­ge­rin – das Ei­gen­tum an dem Fer­ra­ri La­Fer­ra­ri zu ver­schaf­fen. Au­ßer­dem ha­be das Fahr­zeug mit Blick auf die An­ga­ben „neu/Ta­ges­zu­las­sung“ und „Werks­ki­lo­me­ter“ nicht die ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit auf­ge­wie­sen.

Dem­ge­gen­über hat die Be­klag­te her­vor­ge­ho­ben, dass von dem Mo­dell La­Fer­ra­ri be­kannt­lich nur 499 Fahr­zeu­ge her­ge­stellt wor­den sei­en und die Pro­duk­ti­on be­reits ein­ge­stellt ge­we­sen sei, als sie – die Be­klag­te – ei­nen Kauf­ver­trag mit der Klä­ge­rin ge­schlos­sen ha­be. In­so­fern für je­den – ins­be­son­de­re für ei­nen Kfz-Händ­ler – er­kenn­bar ge­we­sen, dass das zum Kauf an­ge­bo­te­ne Fahr­zeug nicht „neu“ im ei­gent­li­chen Sin­ne sein konn­te, zu­mal es an­dern­falls nur von ei­nem Fer­ra­ri-Händ­ler hät­te an­ge­bo­ten wer­den dür­fen. Je­der Fer­ra­ri La­Fer­ra­ri, den man kau­fen kön­ne, ha­be ei­nen we­sent­lich hö­he­ren Preis als den ur­sprüng­li­chen Ver­kaufs­preis. In­so­fern hät­ten die von der Klä­ge­rin ge­rüg­ten Um­stän­de kei­ne Aus­wir­kun­gen auf den Preis des Fahr­zeugs ge­habt.

Ab­ge­se­hen da­von – so hat die Be­klag­te be­haup­tet – ha­be der Zeu­gen H mit den Ver­tre­tern der Klä­ge­rin bei der Fahr­zeug­be­sich­ti­gung ei­ne Ei­ni­gung da­hin er­zielt, dass der Kauf­preis um 25.000 € re­du­ziert wer­den soll­te. Die Klä­ge­rin ha­be sich aber nicht an die­se Ver­ein­ba­rung ge­hal­ten, son­dern spä­ter ei­ne Re­du­zie­rung um 100.000 € ver­langt.

Die Be­klag­te hat ge­meint, die Klä­ger sei des­halb zu Un­recht vom Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten, so­dass ihr – der Be­klag­ten – ein An­spruch auf Scha­dens­er­satz in Hö­he von 15 % des Kauf­prei­ses zu­ste­he. Mit die­sem die Kla­ge­for­de­rung über­stei­gen­den An­spruch hat die Be­klag­te die Auf­rech­nung er­klärt.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge bis auf ei­nen Teil der Zins­for­de­rung statt­ge­ge­ben. Es hat aus­ge­führt, die Klä­ge­rin sei schon des­halb wirk­sam von dem mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten, weil die Be­klag­te der Klä­ge­rin bis zum Ab­lauf der ihr da­für ge­setz­ten Frist (§ 323 I BGB) kei­nen Fer­ra­ri La­Fer­ra­ri über­ge­ben und über­eig­net ha­be. Die Be­klag­te sei auch gar nicht in der La­ge ge­we­sen, der Klä­ge­rin ein man­gel­frei­es Fahr­zeug zu lie­fern. Denn die Par­tei­en hät­ten i. S. des § 434 I 1 BGB ver­ein­bart, dass die Klä­ge­rin ein neu­es Fahr­zeug mit Ta­ges­zu­las­sung er­hal­ten soll­te, das le­dig­lich die „Werks­ki­lo­me­ter“ zu­rück­ge­legt hat. Die­se Be­schaf­fen­heit wei­se der Fer­ra­ri La­Fer­ra­ri, den die Be­klag­te der Klä­ge­rin an­ge­bo­ten ha­be, nicht auf.

Ob sich die Par­tei­en, wie die Be­klag­te be­haup­te, auf ei­ne Min­de­rung des Kauf­prei­ses ge­ei­nigt hät­ten, kön­ne of­fen­blei­ben, da die Be­klag­te der Klä­ge­rin das die­ser vor­ge­führ­te Fahr­zeug mitt­ler­wei­le oh­ne­hin nicht mehr lie­fern kön­ne.

Die von der Be­klag­ten er­klär­te Auf­rech­nung grei­fe nicht durch; die Klä­ge­rin sei be­rech­tigt ge­we­sen, die Ab­nah­me des – man­gel­haf­ten – Fahr­zeugs zu ver­wei­gern.

Mit ih­rer da­ge­gen ge­rich­te­ten Be­ru­fung hat die Be­klag­te gel­tend ge­macht, die Klä­ge­rin hab von vorn­her­ein nicht er­war­ten kön­nen, ein Neu­fahr­zeug zu er­hal­ten, da es ei­nen neu­en Fer­ra­ri La­Fer­ra­ri auf dem Markt be­kannt­lich nicht mehr ge­ge­ben ha­be. Für die Klä­ge­rin ha­be des­halb le­dig­lich die Un­si­cher­heit be­stan­den, wel­che Lauf­leis­tung das ihr an­ge­bo­te­ne Fahr­zeug letzt­lich ha­ben wür­de. Mit Blick dar­auf hät­ten sich die Par­tei­en bei der Fahr­zeug­be­sich­ti­gung – noch vor Ort – ein­ver­nehm­lich auf ei­ne Kauf­preis­min­de­rung um 25.000 €. Von die­ser Ver­ein­ba­rung ha­be die Klä­ge­rin sich ein­sei­tig lö­sen und ei­nen Nach­lass von 100.000 € for­dern kön­nen. Wä­re das Land­ge­richt dem auf Ver­neh­mung des Zeu­gen H ge­rich­te­ten Be­weis­an­trag nach­ge­gan­gen, hät­te sich letzt­lich her­aus­ge­stellt, dass die Klä­ge­rin an­ge­sichts der ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­rung nicht mehr zur An­fech­tung oder zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag be­rech­tigt ge­we­sen sei. Ein Rück­tritt schei­te­re oh­ne­hin dar­an, dass die Er­heb­lich­keits­schwel­le des § 323 V 2 BGB nicht über­schrit­ten sei. Der ei­gent­li­che Grund für die un­ter­blie­be­ne Ab­nah­me des Fer­ra­ri La­Fer­ra­ri sei ge­we­sen, dass die Klä­ge­rin das Fahr­zeug nicht – wie vor­ge­se­hen – an den Fer­ra­ri-Händ­ler in Groß­bri­tan­ni­en ha­be wei­ter­ver­kau­fen kön­nen. Da­für sei das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug zu neu ge­we­sen, denn Fer­ra­ri-Händ­ler dürf­ten auf­grund ei­ner Wei­sung des Her­stel­lers Fer­ra­ri-Fahr­zeu­ge nur dann als Ge­braucht­wa­gen ver­kau­fen, wenn sie min­des­tens 18 Mo­na­te alt sei­en.

Die Be­ru­fung hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Das Land­ge­richt ist zu Recht da­von aus­ge­gan­gen, dass die Klä­ge­rin von der Be­klag­ten die Rück­zah­lung der An­zah­lung von 40.000 € ver­lan­gen kann. Die­ser An­spruch er­gibt sich aus §§ 346 I, 323 I, 437 Nr. 2 Fall 1, § 434 I 1, § 433 I 2 BGB, weil die Klä­ge­rin auf­grund der Man­gel­haf­tig­keit des an­ge­bo­te­nen Fahr­zeugs am 24.04.2015 wirk­sam vom Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten ist.

a) Die Par­tei­en ha­ben im Zu­ge der Un­ter­zeich­nung der „Auf­trags­be­stä­ti­gung“ vom 31.03.2015 ei­nen Kauf­ver­trag ab­ge­schlos­sen, durch den die Be­klag­te ver­pflich­tet war, der Klä­ge­rin ei­nen Fer­ra­ri La­Fer­ra­ri ge­gen Zah­lung des Kauf­prei­ses von 1.950.000 € zu über­eig­nen und zu über­ge­ben.

Auf die­ses Ver­trags­ver­hält­nis war die Rom-I-Ver­ord­nung an­zu­wen­den, weil die Par­tei­en ih­re Ge­schäfts­sit­ze in zwei un­ter­schied­li­chen EU-Staa­ten ha­ben. Nach Art. 4 I lit. a Rom-I-VO und Art. 19 Rom-I-VO ist bei grenz­über­schrei­ten­den Kauf­ver­trä­gen das Recht des Staa­tes an­zu­wen­den, in dem der Ver­käu­fer sei­ne Haupt­ver­wal­tung hat, hier al­so deut­sches Kauf­recht. Das deut­sche Kauf­recht um­fasst zwar sei­ner­seits die Re­ge­lun­gen des UN-Kauf­rechts. Die­se Re­ge­lun­gen wur­den aber in der Se­nats­sit­zung durch aus­drück­li­che Be­stim­mung ab­be­dun­gen (Art. 6 CISG), was auch noch im Lau­fe des Rechts­streits mög­lich war (ju­risPK-BGB/Münch, 8. Aufl. [2017], Art. 6 CISG Rn. 21).

b) Die An­for­de­run­gen an das zu lie­fern­de Fahr­zeug er­ga­ben sich aus den zwi­schen den Par­tei­en ge­trof­fe­nen Ab­spra­chen, wie sie in der „Auf­trags­be­stä­ti­gung“ wie­der­holt wur­den, bei der es sich ent­ge­gen der ver­wen­de­ten Be­griff­lich­keit um die ei­gent­li­che Kauf­ver­trags­ur­kun­de han­del­te, die von bei­den Par­tei­en un­ter­zeich­net wur­de.

So­weit es dar­in hieß

Erst­zu­las­sung: neu/Ta­ges­zu­las­sung
Ki­lo­me­ter­stand: Werks­ki­lo­me­ter

wur­den die­se In­for­ma­tio­nen über das aus­zu­lie­fern­de Fahr­zeug zum Ge­gen­stand ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. des § 434 I 1 BGB.

Da­bei muss­te die Klä­ge­rin al­ler­dings den je­den­falls in Fach­krei­sen be­kann­ten Um­stand be­rück­sich­ti­gen, dass sämt­li­che in 2013 her­ge­stell­ten 499 Ex­em­pla­re des La­Fer­ra­ri be­reits vor der Pro­duk­ti­on aus­ver­kauft wa­ren. Das heißt, wenn die Be­klag­te ei­nen „neu­en“ La­Fer­ra­ri an­bot, konn­te es sich nicht um ein Fahr­zeug han­deln, das kurz zu­vor von Fer­ra­ri neu pro­du­ziert wor­den war, denn sol­che Fahr­zeu­ge wa­ren am Markt nicht mehr er­hält­lich und durf­ten von der Be­klag­ten auch oh­ne­hin nicht ver­trie­ben wer­den, weil sie be­kann­ter­ma­ßen kei­ne of­fi­zi­el­le Fer­ra­ri-Händ­le­rin war und ist. Vor die­sem Hin­ter­grund muss­te die Be­klag­te als Ver­mitt­le­rin an­ge­se­hen wer­den, die selbst nicht Ei­gen­tü­me­rin des an­ge­bo­te­nen Fahr­zeugs war, son­dern die der Klä­ge­rin das Ei­gen­tum im Zu­ge der Aus­lie­fe­rung im „April 2015“ ver­schaf­fen soll­te.

Durch die wei­te­re in der Ver­trags­ur­kun­de ent­hal­te­ne An­ga­be „Ta­ges­zu­las­sung“ durf­te die Klä­ge­rin al­ler­dings nach der im Kraft­fahr­zeug­han­del üb­li­chen Ver­wen­dung die­ses Be­griffs er­war­ten, dass der Fer­ra­ri bis da­hin nur auf ei­nen Han­dels­be­trieb zu­ge­las­sen war und die Zu­las­sungs­dau­er ma­xi­mal bei 30 Ta­gen lag (Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 13. Aufl. [2017], Rn. 632). Fahr­zeu­ge mit Ta­ges­zu­las­sun­gen wer­den nur for­mal auf ei­nen Händ­ler zu­ge­las­sen, aber nicht im Stra­ßen­ver­kehr be­wegt, so­dass sie wei­ter als Neu­wa­gen an­ge­se­hen wer­den (BGH, Urt. v. 12.01.2005 – VI­II ZR 109/04, NJW 2005, 1422, 1423 = ju­ris Rn. 13; OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 26.03.2010 – I-22 U 168/09, ju­ris Rn. 33).

Die­sen Ein­druck ver­stärk­te die im Kauf­ver­trag ent­hal­te­ne An­ga­be „Werks­ki­lo­me­ter“. Da­bei han­delt es sich um ei­ne Fahrt­stre­cke, die nach der Pro­duk­ti­on ei­nes Fer­ra­ri üb­li­cher­wei­se auf dem Werks­ge­län­de zu­rück­ge­legt wird, um an den Fahr­zeu­gen noch letz­te Tests und Ab­stim­mun­gen vor­zu­neh­men. Die­se Fahrt­stre­cke kann ei­ni­ge Hun­dert Ki­lo­me­ter be­tra­gen, oh­ne dass da­durch die Neu­wa­gen­ei­gen­schaft in­fra­ge ge­stellt wird (BGH, Urt. v. 26.03.1997 – VI­II ZR 115/96, NJW 1997, 1847: 200 Werks­ki­lo­me­ter ei­nes Fer­ra­ri Testa­ros­sa).

Der von der Be­klag­ten am 16.04.2015 in Nürn­berg prä­sen­tier­te Fer­ra­ri La­Fer­ra­ri blieb al­ler­dings hin­ter die­ser ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit zu­rück und war da­mit man­gel­haft.

Bei dem Fer­ra­ri han­del­te es sich zum ei­nen nicht bloß um ein Fahr­zeug mit „Ta­ges­zu­las­sung“, son­dern um ein Fahr­zeug, das be­reits seit ei­nem Jahr für die tat­säch­li­che Nut­zung im Stra­ßen­ver­kehr zu­ge­las­sen war. Und zum an­de­ren wur­de in die­ser Nut­zungs­zeit auch ei­ne über die üb­li­chen Werks­ki­lo­me­ter hin­aus­ge­hen­de Fahrt­stre­cke im öf­fent­li­chen Stra­ßen­ver­kehr zu­rück­ge­legt, so­dass der Ki­lo­me­ter­zäh­ler des Fer­ra­ri am 16.04.2015 ei­ne Lauf­leis­tung von 1.412 km auf­wies.

c) Die be­schrie­be­nen Ne­ga­tiv­ab­wei­chun­gen von der Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung wa­ren ei­ner Nach­er­fül­lung i. S. des § 323 I BGB nicht zu­gäng­lich. Je­den­falls wur­de von der Be­klag­ten we­der vor­pro­zes­su­al an­ge­bo­ten noch im jet­zi­gen Rechts­streit vor­ge­tra­gen, dass es ihr mög­lich war, ei­nen an­de­ren Fer­ra­ri La­Fer­ra­ri zu lie­fern, der tat­säch­lich le­dig­lich ei­ne Ta­ges­zu­las­sung und Werks­ki­lo­me­ter auf­wies.

d) Ent­ge­gen der Dar­stel­lung der Be­klag­ten be­deu­te­te die Ne­ga­tiv­ab­wei­chung von der Soll-Be­schaf­fen­heit auch nicht le­dig­lich ei­ne un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung, bei der der Rück­tritt ge­mäß § 323 V 2 BGB un­wirk­sam ge­we­sen wä­re.

Nach der Recht­spre­chung des BGH in­di­ziert viel­mehr der Bruch ei­ner ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung über die Be­schaf­fen­heit der Kauf­sa­che die Er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung (BGH, Urt. v. 06.02.2013 – VI­II ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn. 16; Urt. v. 17.02.2010 – VI­II ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn. 23). Da­von be­steht auch im Streit­fall kei­ne Aus­nah­me:

Die Be­klag­te be­haup­tet zwar, dass an­ge­sichts der Sel­ten­heit des Fer­ra­ri-Son­der­mo­dells La­Fer­ra­ri ein Kauf­in­ter­es­sent et­wai­ge Mehr­ki­lo­me­ter oder ei­ne län­ge­re Erst­zu­las­sung oh­ne Wei­te­res hin­neh­men wer­de, um über­haupt ei­ne der Ra­ri­tä­ten er­wer­ben zu kön­nen. Da­bei macht es aber je­den­falls im Hin­blick auf die Preis­fin­dung ei­nen Un­ter­schied, ob ein Fahr­zeug an­ge­bo­ten wird, das bis­lang nur von ei­nem pro­fes­sio­nel­len Werks­fah­rer ein­ge­fah­ren wur­de, oder ein Fahr­zeug, das durch ei­ne Pri­vat­per­son auf un­be­kann­te Wei­se – ge­ge­be­nen­falls im Renn­be­trieb – ge­nutzt wur­de.

Der Zeu­ge T be­stä­tig­te in die­sem Zu­sam­men­hang bei sei­ner Ver­neh­mung vor dem Se­nat, dass sich der in Nürn­berg prä­sen­tier­te La­Fer­ra­ri im Be­sitz ei­nes jun­gen Un­ter­neh­mers be­fun­den ha­be, der das Fahr­zeug nach ei­ge­nem Be­kun­den auf ei­ner Renn­stre­cke ge­nutzt ha­be; da­bei sei der Fer­ra­ri auch be­reits be­schä­digt wor­den.

e) Die Be­klag­te hat auch nicht ih­re Be­haup­tung be­wie­sen, dass an­läss­lich der Fahr­zeug­be­sich­ti­gung am 16.04.2015 ei­ne für bei­de Par­tei­en ver­bind­li­che Ei­ni­gung da­hin ge­hend er­zielt wur­de, dass die Klä­ge­rin ei­nen Preis­nach­lass von 25.000 € er­hal­ten und im Ge­gen­zug auf ihr Rück­tritts­recht ver­zich­ten soll­te.

Die Be­klag­te hat sich zur Stüt­zung ih­rer Be­haup­tung auf den Zeu­gen H be­ru­fen, der sei­ner­zeit für sie als Ver­kaufs­mit­ar­bei­ter tä­tig war. Der Zeu­ge H be­kun­de­te bei sei­ner Ver­neh­mung vor dem Se­nat, dass er an der Fahr­zeug­vor­füh­rung in Nürn­berg teil­ge­nom­men ha­be, sich aber an die Ein­zel­hei­ten nicht mehr er­in­nern kön­ne. Er gab an, dass da­mals auf­grund der Mehr­ki­lo­me­ter ein „Rie­sen­stress“ ge­herrscht ha­be. Er ha­be noch in Er­in­ne­rung, dass man der Käu­fe­rin ein Ent­ge­gen­kom­men zei­gen woll­te durch ei­nen Preis­nach­lass von 20.000 € bis 25.000 €. Wie die Klä­ge­rin dar­auf re­agiert ha­be, wis­se er nicht. Ins­be­son­de­re konn­te der Zeu­ge H auch auf Nach­fra­ge des Se­nats nicht be­stä­ti­gen, dass der Zeu­ge T mit ei­nem sol­chen Nach­lass ein­ver­stan­den war.

Der Zeu­ge H be­stä­tig­te le­dig­lich in­so­fern die An­ga­be von Be­klag­ten­sei­te, als er und der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten am 16.04.2015 nach der Fahr­zeug-be­sich­ti­gung noch in Nürn­berg ge­blie­ben sei­en und sie dort an ei­nem Lap­top fort­lau­fend den Stand des Ge­schäfts­kon­tos der Be­klag­ten ver­folgt hät­ten, um den Ein­gang des Kauf­prei­ses fest­zu­stel­len. Nach­dem ein sol­cher Geld­ein­gang nicht zu ver­zeich­nen ge­we­sen sei, sei­en sie abends nach Dort­mund zu­rück­ge­fah­ren.

Die in­halt­li­che Rich­tig­keit die­ser Aus­sa­ge be­geg­net al­ler­dings durch­grei­fen­den Be­den­ken, denn aus der ei­ge­nen von der Be­klag­ten am 16.04.2015 um 19.15 Uhr an die Klä­ge­rin über­sand­ten E-Mail er­gab sich, dass man sich im Zu­ge der Fahr­zeug­be­sich­ti­gung – ver­meint­lich – dar­auf ver­stän­digt ha­be, dass die Klä­ge­rin den rest­li­chen Kauf­preis bis zum 17.04.2015 um 16.00 Uhr auf das Kon­to der Be­klag­ten zah­len soll­te. Nach ei­ge­ner An­ga­be der Be­klag­ten gab es des­halb am Nach­mit­tag des 16.04.2015 kei­nen An­lass, auf ei­nen Geld­ein­gang zu war­ten.

Ab­ge­se­hen da­von hat aber oh­ne­hin der Zeu­ge T vor dem Se­nat glaub­haft be­kun­det, dass man die vor­ge­schla­ge­nen 20.000 € oder 25.000 € an­ge­sichts des Kauf­prei­ses von an­näh­rend zwei Mil­lio­nen Eu­ro als „lä­cher­lich“ zu­rück­ge­wie­sen ha­be. Statt­des­sen sei von ih­rer Sei­te dann ein Nach­lass von 100.000 € vor­ge­schla­gen wor­den; den ha­be aber die Be­klag­te nicht ak­zep­tiert.

Die­se Dar­stel­lung des Zeu­gen T steht im Ein­klang mit den E-Mails, die am Abend des 16.04.2015 bzw. am Fol­ge­tag zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­selt wur­den. Da­nach hat die Be­klag­te zwar um Un­ter­zeich­nung ei­ner Ver­ein­ba­rung mit ei­nem Preis­nach­lass von 25.000 € ge­be­ten, die­se Un­ter­schrift von der Klä­ge­rin aber ge­ra­de nicht er­hal­ten, son­dern viel­mehr de­ren Ge­gen­vor­schlag über ei­nen Be­trag von 100.000 €.

f) In der Rechts­fol­ge war die Be­klag­te ge­mäß § 346 I BGB zur Rück­zah­lung der be­reits er­hal­te­nen An­zah­lung von 40.000 € ver­pflich­tet. Um­ge­kehrt ging die von der Be­klag­ten er­klär­te Auf­rech­nung mit ei­nem pau­scha­lier­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch we­gen der un­ter­blie­be­nen Fahr­zeug­ab­nah­me ins Lee­re, denn die Klä­ge­rin brauch­te den Kauf­ver­trag we­gen des wirk­sam aus­ge­üb­ten Rück­tritts­rechts nicht mehr zu er­fül­len.

g) Das Land­ge­richt hat der Klä­ge­rin schließ­lich zu Recht Ver­zugs­zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz ab dem 29.04.2015 zu­ge­spro­chen, weil die Be­klag­te die bis zum Vor­tag ge­setz­te Frist zur Rück­erstat­tung der An­zah­lung hat ver­strei­chen las­sen. …

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