- Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen und deshalb mangelhaften Gebrauchtwagens hat in der Regel keinen Anspruch auf Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) eines mangelfreien Fahrzeugs. Zwar ist auch bei einem Stückkauf die Nacherfüllung durch Lieferung einer mangelfreien Sache nicht von vorneherein wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen. Vielmehr ist eine Ersatzlieferung nach der Vorstellung der Parteien dann möglich, wenn die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann. Das ist bei einem Gebrauchtwagen jedoch regelmäßig dann nicht der Fall, wenn dem Kauf eine persönliche Besichtigung des Fahrzeugs durch den Käufer vorangegangen ist.
- Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf zwei voneinander unabhängige rechtliche Erwägungen gestützt, von denen jede für sich die Entscheidung trägt, muss die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung in ausreichender Weise angreifen; andernfalls ist die Berufung unzulässig.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 29.05.2017 – 5 U 46/17
Sachverhalt: Der Kläger erwarb im Jahr 2012 von der Beklagten zu 1, die ein Autohaus betreibt, für 25.200 € einen gebrauchten Audi A3 Sportback 1.6 TDI Ambition mit einer Laufleistung von 7.983 km. Herstellerin dieses Fahrzeugs, das mit einem EA189-Dieselmotor ausgestattet und deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen ist, ist die Beklagte zu 2. In dem Pkw kommt eine Software zum Einsatz, die insbesondere seinen Stickoxidausstoß optimiert, sobald sie erkennt, dass das Fahrzeug nicht regulär im Straßenverkehr betrieben wird, sondern auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert.
Der Kläger hält sein Fahrzeug deshalb für sach- und rechtsmangelhaft, und er wirft der Beklagten zu 2 vor, sie habe ihn arglistig getäuscht. Der Kläger behauptet im Wesentlichen, dass die Schadstoffemissionen des Pkw, wenn sie nicht softwaregesteuert optimiert würden, um mehr als zehn Prozent über den einschlägigen Grenzwerten lägen und deshalb unter anderem die Stilllegung des Fahrzeugs drohe.
In erster Instanz hat der Kläger die Beklagte zu 1 gestützt auf §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB auf Lieferung eines mangelfreien gebrauchten Audi A3 Sportback 1.6 TDI Ambition in Anspruch genommen, der die „beim Kauf [des angeblich mangelhaften Fahrzeugs] angegebenen Abgaswerte und Verbrauchswerte“ sowie die „gesetzlichen EU-Grenzwerte“, insbesondere die Euro-5-Grenzwerte, „im Mess- und normalen Straßenbetrieb“ nicht überschreite. Außerdem hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass sich die Beklagte zu 1 mit der Rücknahme des bereits gelieferten Pkw in Annahmeverzug befinde. Darüber hinaus hat der Kläger erreichen wollen, dass ihn die Beklagte zu 1 und die Beklagte zu 2 von der Zahlung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten freistellen müssen, und er hat die Feststellung verlangt, dass ihm die Beklagte zu 2 sämtliche Schäden ersetzen müsse, die sich aus den fehlerhaften Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zu den Schadstoffemissionen seines Fahrzeugs ergäben.
Die Beklagte zu 1 hat insbesondere einen Sachmangel bestritten, da über Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemissionen beim Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht gesprochen worden sei. Außerdem hat sie geltend gemacht, dass eine Ersatzlieferung unmöglich sei, weil der Audi A3 Sportback so, wie ihn der Kläger erhalten habe, seit Oktober 2012 nicht mehr produziert werde und ein gleichartiges und gleichwertiges Gebrauchtfahrzeug nicht geliefert werden könne. Im Übrigen – so hat die Beklagte zu 1 argumentiert – wäre eine Ersatzlieferung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden, da das Fahrzeug des Klägers im Rahmen einer mit dem Kraftfahrt-Bundesamt abgestimmten Rückrufaktion mit einem Kostenaufwand von nur rund 100 € und ohne negative Auswirkungen technisch überarbeitet werden könne. Anschließend halte das Fahrzeug alle einschlägigen Emissionsgrenzwerte ein.
Die Beklagte zu 2 hat insbesondere gemeint, die gegen sie gerichtete Feststellungsklage sei bereits unzulässig, der Vortrag des Klägers sei aber auch unsubstanziiert. Mit Blick auf eine mögliche arglistige Täuschung lasse sich das Wissen der Volkswagen AG nicht mit ihrem Wissen – dem Wissen der Beklagten zu 2 – gleichsetzen; sie – die Beklagte zu 2 – habe die EA189-Motoren nicht gebaut, sondern lediglich von der Volkswagen AG erworben und in die von ihr – der Beklagten zu 2 – hergestellten Fahrzeuge eingebaut.
Das Landgericht hat die – insgesamt für zulässig gehaltene – Klage abgewiesen.
Es hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Ersatzlieferung (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB). Zwar stelle es einen Sachmangel dar, dass das Fahrzeug des Klägers die einschlägigen Emissionsgrenzwerte auf dem Prüfstand nur deshalb einhalte, weil in dem Pkw eine den Schadstoffausstoß manipulierende Software zum Einsatz komme. Jedoch sei die – vom Kläger allein geltend gemachte – Ersatzlieferung eines mangelfreien Gebrauchtwagens unmöglich i. S. des § 275 I BGB. Denn bei einem Stückkauf sei eine Nachlieferung nach der Vorstellung der Parteien nur möglich, wenn die Kaufsache im Fall ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden könne. Das sei bei einem Gebrauchtwagen regelmäßig zu verneinen, wenn – wie hier – dem Kauf eine persönliche Besichtigung vorangegangen und es dem Käufer auf einen bestimmten Typ und eine bestimmte Ausstattung des Fahrzeugs angekommen sei. Im Übrigen sei eine Ersatzlieferung auch deshalb unmöglich, weil ein Audi A4 Sportback so, wie ihn der Kläger verlange, seit 2012 nicht mehr gebaut werde und alle zuvor gebauten Fahrzeuge die Manipulationssoftware aufwiesen.
Auch habe der Kläger keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zu 2. Dass die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllt seien, stehe nicht fest, weil der Kläger trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts keinen Vortrag zur subjektiven Seite eines solchen Anspruchs in Gestalt von Wissen und Wollen der Beklagten zu 2 gehalten habe, der wenigstens eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu 2 hätte auslösen können. Entsprechendes gelte für einen Anspruch aus §§ 823 II, 31 BGB i. V. mit § 263 StGB; auch insoweit habe der Kläger nichts vorgetragen, woraus sich der Vorsatz der Beklagten zu 2 sowie deren Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, ergebe.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, zu deren Begründung er – nach abstrakter Darstellung der Rechtslage und im Wesentlichen unter wörtlicher Einrückung erstinstanzlicher Schriftsätze – seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt:
Entgegen der Auffassung des Landgerichts liege ein Sachmangel und darüber hinaus ein Rechtsmangel vor; der Sachmangel habe auch bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorgelegen. Er – der Kläger – habe daher einen Anspruch auf Nacherfüllung, der dort zu erfüllen sei, wo sich das Fahrzeug bestimmungsgemäß befinde. Nutzungswertersatz sei im Rahmen der Nacherfüllung nicht zu leisten; sämtliche zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen habe der Verkäufer zu tragen.
Gegen die Beklagte zu 2 stehe ihm – dem Kläger – ein Anspruch aus § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB und aus § 826 BGB zu. Die Zuständigkeit des Gerichts folge aus § 23 Nr. 1 GVG, § 32 ZPO. Beim Kauf des streitgegenständlichen Pkw sei er – der Kläger – arglistig getäuscht worden; er habe ein Fahrzeug erworben, das nicht den vereinbarten Anforderungen entspreche. Der Erfolg der Täuschungshandlung, die als Rechtsgutsverletzung i. S. des § 823 BGB anzusehen sei, sei damit am Sitz der Beklagten zu 1 eingetreten.
In wörtlicher Wiederholung der Klageschrift kündigt der Kläger außerdem – wie schon in erster Instanz – einen auf Nachbesserung seines Fahrzeugs gerichteten Hilfsantrag an. Weiter erklärt er in der Berufungsbegründung – auch insoweit in Übereinstimmung mit der Klageschrift –, er behalte sich einen Rücktritt vom Kaufvertrag und die Geltendmachung eines Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises vor.
Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung des Klägers gemäß § 522 I ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Aus den Gründen: II. Die Berufung des Klägers ist bereits unzulässig, da sie nicht in der gesetzlichen Form des § 520 III Nr. 2 ZPO begründet ist (§ 522 I ZPO).
1. Gemäß § 520 III Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Danach muss die Berufungsbegründung auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art und aus welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Formularmäßige Wendungen und allgemeine Redewendungen genügen nicht, ebenso wenig Textbausteine und Schriftsätze aus anderen Verfahren (Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 520 Rn. 33, 35). Auch die bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags genügt nicht (Ball, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 520 Rn. 28). Erforderlich ist die Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihm entgegensetzt (BGH, Urt. v. 11.07.2002 – VII ZR 261/00, NJW-RR 2002, 1499; Beschl. v. 27.05.2008 – XI ZB 41/06, NJW-RR 2008, 1308 Rn. 11; Ball, in: Musielak/Voit, a. a. O., § 520 Rn. 29).
Dabei macht es die Berufung nicht unzulässig, wenn die Begründung tatsächlich oder rechtlich neben der Sache liegt, da weder die Schlüssigkeit noch die Vertretbarkeit der Begründung Zulässigkeitsvoraussetzungen sind (BGH, Beschl. v. 21.05.2003 – VIII ZB 133/02, NJW-RR 2003, 1580; Beschl. v. 06.12.2011 – II ZB 21/10, MDR 2012, 244 Rn. 7).
Hat das Erstgericht die Abweisung auf zwei voneinander unabhängige rechtliche Gründe gestützt, von denen jeder für sich die Entscheidung trägt, liegt eine ausreichende Berufungsbegründung nur vor, wenn beide Gründe in für sich ausreichender Weise angegriffen werden; stellt der Rechtsmittelführer nur einen Grund infrage, ist sein Rechtsmittel unzulässig (Zöller/Heßler, a. a. O., § 520 Rn. 37a).
2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung nicht gerecht.
a) Das gilt zunächst für den auf Nachlieferung eines anderen Pkw gerichteten (Haupt-)Antrag des Klägers.
aa) Insoweit hat das Landgericht seine Entscheidung darauf gestützt, dass zwar ein Sachmangel vorliege, jedoch beim vorliegenden Gebrauchtwagenkauf die in erster Instanz allein geltend gemachte Nachlieferung wegen Unmöglichkeit nicht in Betracht komme.
bb) Damit befasst sich die Berufungsbegründung mit keinem Wort. Sie beschränkt sich vielmehr auf Ausführungen, angesichts derer fraglich ist, ob sie sich überhaupt auf das vorliegend angefochtene Urteil und den streitgegenständlichen Sachverhalt bezieht: So wird begründet, warum entgegen der Auffassung des Landgerichts doch ein Sachmangel vorliege, obwohl das Landgericht einen Sachmangel gerade bejaht hat. Es werden Ausführungen zur örtlichen Zuständigkeit gehalten, die weder durch das Urteil noch durch die prozessuale Lage in der Berufung (§ 513 II ZPO) veranlasst sind. Und im ersten Teil der Berufungsbegründung wird darauf hingewiesen, dass beim Kauf eines Neufahrzeugs „[a]nders als beim Kauf eines bereits gebrauchten Kfz“ der Anspruch auf Ersatzlieferung nur in Ausnahmefällen wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen sei: Hier scheint nicht nur übersehen worden zu sein, dass vorliegend gerade ein Gebrauchtwagenkauf vorliegt, sondern auch, dass diese Auffassung – dass zwar nicht beim Neuwagenkauf, aber beim Kauf von Gebrauchtfahrzeugen ein Nachlieferungsanspruch regelmäßig ausscheide – gerade die tragende Begründung des gleichwohl angefochtenen landgerichtlichen Urteils darstellt.
b) Es gilt gleichermaßen, soweit das Landgericht den gegen die Beklagte zu 2 gerichteten Feststellungsantrag abgewiesen hat. Insoweit stützt sich die Abweisung auf fehlenden Vortrag zur subjektiven Seite der denkbaren Anspruchsgrundlagen. Auch damit setzt sich die Berufungsbegründung nicht auseinander.
c) Zuletzt befasst sich die Berufungsbegründung nicht mit dem landgerichtlichen Urteil, soweit dort die Klage bezüglich der geltend gemachten Nebenansprüche (Annahmeverzug, vorgerichtliche Anwaltskosten) abgewiesen ist.
Da das Bestehen dieser Nebenansprüche vom Bestehen der soeben (a, b) dargestellten Ansprüche abhängig wäre, müsste sich eine Berufungsbegründung, wollte sie die Abweisung der Klage bezüglich der Nebenansprüche angreifen, im Übrigen auch mit der Abweisung der Klage in der Hauptsache befassen; auch das ist aber, wie soeben (a, b) dargestellt, nicht der Fall.
d) Soweit der Kläger mit am 26.05.2017 eingegangenem Schriftsatz ergänzend Stellung genommen hat, ist dieser Schriftsatz nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen und vermag die innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nicht ordnungsgemäß begründete Berufung schon deshalb und unabhängig von seinem Inhalt nicht zulässig zu machen.
III. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Berufung daneben aus den zutreffenden Gründen des landgerichtlichen Urteils auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg haben könnte und die Berufung nach § 522 II ZPO zurückzuweisen wäre.
1. Richtig hat das Landgericht unter zutreffendem Verweis auf entsprechende Rechtsprechung des BGH – und insoweit, wie bereits oben (II 2 a bb) dargestellt, in Übereinstimmung mit der eigenen Auffassung der Berufungsbegründung – angenommen, beim vorliegenden Gebrauchtwagenkauf komme die – in erster Instanz allein geltend gemachte – Nachlieferung eines anderen Fahrzeugs nicht in Betracht (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 22).
Soweit der Kläger mit der Berufungsbegründung wiederum eine hilfsweise Klageänderung ankündigt, mit der er Nachbesserung begehrt, stünde das der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 II ZPO nicht entgegen (Zöller/Heßler, a. a. O., § 522 Rn. 37 m. w. Nachw.).
2. Gleichfalls zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass kein ausreichender Vortrag zur subjektiven Seite möglicher Anspruchsgrundlagen gegen die Beklagte zu 2 gehalten wurde; es ist nicht einmal ansatzweise der Versuch unternommen worden darzulegen, dass die Beklagte zu 2 im Jahr 2011/12 von Manipulationen durch die Volkswagen AG gewusst habe, oder dass und warum Wissen der Volkswagen AG der Beklagten zu 2 zuzurechnen sei. Dass das nicht schon aus der Aufnahme von Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft folgt, versteht sich von selbst.
IV. Bei dieser Sachlage wird dem Kläger anheimgestellt, die Berufung … zur Kostenersparnis zurückzunehmen.