Dass jemand, der einen Gebrauchtwagen im Internet zum Kauf anbietet und dabei einen – dem Verkehrswert des Fahrzeugs entsprechenden – Kaufpreis von 11.500 € angibt, bereit ist, das Fahrzeug für nur 15 € an einen ihm völlig unbekannten Kaufinteressenten zu veräußern, ist derart abwegig, dass der Kaufinteressent eine entsprechende Willenserklärung des Anbieters als Scherzerklärung i. S. des § 118 BGB erkennen muss.
OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 02.05.2017 – 8 U 170/16
Sachverhalt: Der Kläger verlangt in erster Linie die Erfüllung eines Kfz-Kaufvertrages, den er nach seiner Auffassung mit dem Beklagten geschlossen hat. Hilfsweise begehrt er den Ersatz eines Vertrauensschadens.
Der Beklagte bot 2015 einen Gebrauchtwagen im Internet zum Kauf an. Der Kaufpreis sollte 11.500 € betragen, was dem damaligen Verkehrswert des Fahrzeugs entsprach. In dem Internetinserat des Beklagten hieß es unter anderem:
„Ich bitte höflichst von Preisvorschlägen, Ratenzahlungen, Tauschen gegen Teppiche, Schwiegermütter oder ähnlich abzusehen, der Wagen ist sein Geld echt wert, daher wird er nicht verschenkt, und wenn er Euch zu teuer erscheint, dann bitte auch nicht anrufen und Euch einen in Eurer Preisklasse suchen.“
Am 12.08.2015 kam es zu Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien. In einem Telefongespräch bot der Kläger dem Beklagten einen Fahrzeugtausch an. Dies lehnte der Beklagte ab.
Noch am selben Tag versandte der Beklagte eine elektronische Nachricht an den Kläger, in der es hieß: „Also für 15 kannste ihn haben.“ Der Kläger antwortete: „Guten Tag, für 15 € nehme ich ihn. Wohin kann ich das Geld überweisen? Wo kann ich das Auto abholen?“ Der Beklagte antwortete: „Kannst Kohle überweisen, Wagen bringe ich dann.“
Der Kläger forderte den Beklagten nachfolgend vergeblich zur Mitteilung seiner Bankverbindung auf und schaltete Ende des Monats – erfolglos – seinen späteren Prozessbevollmächtigten ein.
Das Landgericht (LG Limburg, Urt. v. 29.07.2016 – 1 O 251/15) hat die auf Erfüllung des vermeintlich geschlossenen Kaufvertrages gerichtete Klage abgewiesen. Den Hilfsantrag des Klägers auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und der Kosten des Rechtsstreits hat das Landgericht nicht beschieden, da dieser Antrag in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz enthalten war und – so das Landgericht – verspätet gestellt worden sei.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge – auch den vom Landgericht nicht berücksichtigten Hilfsantrag – vollumfänglich weiter. Er ist der Ansicht, er habe mit dem Beklagten einen Kaufvertrag geschlossen, der den Beklagte verpflichte, ihm – dem Kläger – das angebotene Fahrzeug gegen Zahlung von 15 € zu übergeben und zu übereignen. Die Willenserklärung des Beklagten sei nicht gemäß § 118 BGB nichtig. Er – der Kläger – habe durch seine Reaktion auf die elektronische Nachricht des Beklagten zum Ausdruck gebracht, dass er das Angebot, den Wagen für 15 € zu kaufen, ernst nehme. Dies habe der Beklagte erkennen müssen; er sei deshalb verpflichtet gewesen, ihn – den Kläger – über eine etwa fehlende Ernstlichkeit der ursprünglichen Erklärung aufzuklären. Hierzu hätte der Beklagte seine zweite Nachricht als Scherz kennzeichnen müssen. Jedenfalls aber sei der Hilfsantrag begründet, weil er – der Kläger – auf die Gültigkeit der Erklärung des Beklagten vertraut habe.
Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung des Klägers gemäß § 522 II ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Aus den Gründen: II. … Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinerlei Ansprüche gegen den Beklagten.
1. Die vom Eingangsgericht gelieferte Begründung für die Abweisung des Hauptantrags ist zutreffend. Der Senat teilt die Ansicht des Landgerichts in jeder Hinsicht. Aus den Umständen des Falls ergibt sich zweifelsfrei, dass es sich bei den vom Beklagten abgegebenen Erklärungen in seinen beiden elektronischen Mitteilungen vom 12.08.2015 um Scherzerklärungen i. S. von § 118 BGB gehandelt hat. Die Berufung zeigt keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine abweichende Bewertung auf.
Der Beklagte musste die Antwort des Klägers auf seine erste Nachricht nicht als ernsthafte Annahme eines vermeintlichen Kaufvertragsangebots ansehen. Dafür war der Inhalt der ersten Nachricht viel zu absurd. Er durfte die Reaktion seines Gegenübers vielmehr als ein Sicheinlassen auf eine Scherzkonversation verstehen.
Die Anwendbarkeit von § 118 BGB scheitert im vorliegenden Fall auch nicht daran, dass die Scherzerklärungen in Textform abgegeben wurden. Zwar mag es sein, dass die Erwartung eines Erklärenden, dass der Mangel der Ernstlichkeit seiner Erklärung nicht verkannt werden werde, bei Willenserklärungen unter Abwesenden im Einzelfall eher unberechtigt sein kann, als wenn der Erklärende in der Lage ist, seine Erklärung durch Tonfall, Mimik und Gestik als Scherz zu kennzeichnen. Der vorliegende Fall ist aufgrund der vom Landgericht herausgearbeiteten Umstände allerdings so eindeutig, dass diese Einschränkungen keine Rolle spielen.
Aus diesem Grund war es auch nicht erforderlich, die fehlende Ernsthaftigkeit der Erklärungen mit Icons oder Ähnlichem zu betonen oder in irgendeiner Weise nachträglich aufzudecken.
2. Es kann offenbleiben, ob die Zurückweisung des Hilfsantrags verfahrensfehlerhaft erfolgte, wie der Kläger meint, denn auch der Hilfsantrag ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz eines etwaigen Vertrauensschadens gemäß § 122 I BGB, denn diese Schadensersatzpflicht tritt gemäß Absatz 2 dieser Norm nicht ein, wenn der Beschädigte den Grund der Nichtigkeit kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Aus den Umständen des Falls ergibt sich eindeutig, dass der Kläger die fehlende Ernstlichkeit der Erklärung des Beklagten kannte oder zumindest hätte kennen müssen. Es ist, wie das Landgericht hervorhebt, abwegig, dass der Beklagte sein Fahrzeug tatsächlich für 15 € verkaufen wollte. Es gab für den Beklagten keinen Grund, sein Fahrzeug angesichts eines Verkehrswerts von 11.500 € für nur 15 € an den ihm völlig unbekannten Kläger zu verkaufen. Diese Umstände sind für jedermann und damit auch für den Kläger offensichtlich. Sie bedürfen keines weiteren Beweises.
Dass der Kläger nach der Konversation mit dem Beklagten diesen – jetzt ernsthaft – zur Herausgabe seiner Kontodaten aufgefordert, einen Rechtsanwalt beauftragt und die vorliegende Klage eingereicht hat, belegt nicht, dass er entgegen jeglichen gesunden Menschenverstands das Scherzangebot ernst genommen hat. Das beschriebene Verhalten des Klägers beruht offenkundig auf einer Verkennung der Rechtslage, gepaart mit dem Umstand, dass die Prozessführung wegen der Deckungszusage seiner Rechtsschutzversicherung für ihn persönlich risikolos war. …
Hinweis: Die Berufung wurde zurückgenommen.