1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ner Neu­wa­gen ist je­den­falls des­halb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft, weil er – ent­ge­gen der Er­war­tung ei­nes Durch­schnitts­käu­fers – die ein­schlä­gi­gen (Eu­ro-5-)Emis­si­ons­grenz­wer­te nur auf dem Prüf­stand und dort auch nur des­halb ein­hält, weil ei­ne Soft­ware für ei­ne Ver­rin­ge­rung des Schad­stoff­aus­sto­ßes sorgt, so­bald sie er­kennt, dass das Fahr­zeug ei­nen Emis­si­ons­test ab­sol­viert.
  2. Dass ein Neu­wa­gen so, wie ihn der Käu­fer be­stellt und er­hal­ten hat, mitt­ler­wei­le nicht mehr pro­du­ziert wird, macht ei­ne Er­satz­lie­fe­rung (§ 439 I Fall 2 BGB) auch dann nicht i. S. des § 275 I BGB un­mög­lich, wenn der Kfz-Kauf­ver­trag kei­nen Än­de­rungs­vor­be­halt i. S. des § 308 Nr. 4 BGB ent­hält. Viel­mehr kann der Ver­käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs auch in die­sem Fall ver­pflich­tet sein, dem Käu­fer ein Fahr­zeug der ak­tu­el­len Ge­ne­ra­ti­on zu lie­fern. Denn dass es mitt­ler­wei­le nur noch ei­ne in be­stimm­ten Punk­ten ge­än­der­te oder ver­bes­ser­te Ver­si­on des ur­sprüng­lich be­stell­ten und ge­lie­fer­ten Fahr­zeugs gibt, darf nicht zu­las­ten des Käu­fers ge­hen.
  3. Auf ei­ne Nach­bes­se­rung durch In­stal­la­ti­on ei­nes Soft­ware­up­dates kann dann nicht oh­ne er­heb­li­che Nach­tei­le für den Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Neu­wa­gens zu­rück­ge­grif­fen wer­den, wenn öf­fent­lich in­ten­siv und kon­tro­vers dis­ku­tiert wird, ob sich das Up­date in tech­ni­scher Hin­sicht ne­ga­tiv auf das Fahr­zeug aus­wirkt. Denn die aus die­ser Dis­kus­si­on re­sul­tie­ren­de Un­si­cher­heit kann den Wie­der­ver­kaufs­wert des Fahr­zeugs auch dann min­dern, wenn das Up­date tat­säch­lich nicht zu Fol­ge­pro­ble­men führt.

LG Det­mold, Ur­teil vom 11.05.2017 – 9 O 140/16

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­stell­te bei der Be­klag­ten, ei­ner frei­en Kfz-Händ­le­rin, am 01.10.2013 ei­nen VW Ti­gu­an 2.0 TDI Sport & Style zum Preis von 30.137 €. Das Fahr­zeug, das vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen ist, wur­de ihm am 27.11.2013 über­ge­ben.

Es ist mit ei­nem EA189-Die­sel­mo­tor (Eu­ro 5) aus­ge­stat­tet, des­sen Ab­gas­rück­füh­rungs­sys­tem über zwei soft­ware­ge­steu­er­te Be­triebs­mo­di ver­fügt. Mo­dus 1 ist – nur – ak­tiv, so­bald die Soft­ware er­kennt, dass das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand ei­nen Emis­si­ons­test ab­sol­viert und da­für den Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus (NEFZ) durch­fährt. In die­sem Mo­dus ist die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te hö­her und des­halb der Stick­oxid(NOX)-Aus­stoß ge­rin­ger als im Mo­dus 0, in dem das Fahr­zeug in nor­ma­len Stra­ßen­ver­kehr be­trie­ben wird.

Laut ei­ner Pres­se­mit­tei­lung vom 16.10.2015 ver­tritt das Kraft­fahrt-Bun­des­amt die Auf­fas­sung, dass es sich bei der vor­ste­hend be­schrie­be­nen Soft­ware um ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung han­delt. Es hat da­her den Rück­ruf al­ler vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge an­ge­ord­net und dem je­wei­li­gen Her­stel­ler auf­ge­ge­ben, die Fahr­zeu­ge in den vor­schrifts­mä­ßi­gen Zu­stand zu ver­set­zen.

Der VW-Kon­zern hat für den Mo­tor­typ des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs ein Soft­ware­up­date ent­wi­ckelt, das die be­schrie­be­ne Um­schalt­lo­gik zwi­schen den zwei Be­triebs­mo­di be­sei­ti­gen und gleich­zei­tig er­mög­li­chen soll, dass die für die Eu­ro-5-Ab­gas­norm maß­geb­li­chen Emis­si­ons­grenz­wer­te ein­ge­hal­ten wer­den. Am 21.07.2016 gab das Kraft­fahrt-Bun­des­amt un­ter an­de­rem die vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Mo­del­le des VW Ti­gu­an mit ei­nem 2,0-TDI-Mo­tor zur tech­ni­schen Über­ar­bei­tung frei.

Mit Schrei­ben vom 14.12.2015 for­der­te der Klä­ger die Be­klag­te ge­stützt auf §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB auf, ihm bis zum 25.01.2016 ei­nen zu­las­sungs­fä­hi­gen, man­gel­frei­en und ver­trags­ge­mä­ßen Neu­wa­gen zu lie­fern. Dies lehn­te die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 04.01.2016 ab.

Der Klä­ger hält sein Fahr­zeug für man­gel­haft und be­haup­tet, ei­ne Nach­bes­se­rung durch In­stal­la­ti­on ei­nes Soft­ware­up­dates sei nicht mög­lich. Je­den­falls sei ihm – dem Klä­ger – dies an­ge­sichts der un­strei­tig öf­fent­lich dis­ku­tier­ten ne­ga­ti­ven Aus­wir­kun­gen, die das Up­date ha­ben kön­ne, nicht zu­mut­bar. Zu­dem ver­blei­be auch nach der In­stal­la­ti­on des Soft­ware­up­dates ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert.

Die Be­klag­te ist dem­ge­gen­über der An­sicht; die in dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw zum Ein­satz kom­men­de Soft­ware, bei der es sich nicht um ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung han­de­le, be­grün­de nicht die Man­gel­haf­tig­keit des Fahr­zeugs. Je­den­falls aber sei ihr – der Be­klag­ten – ei­ne Er­satz­lie­fe­rung un­mög­lich, da der VW Ti­gu­an so, wie ihn der Klä­ger be­stellt und er­hal­ten ha­be, seit Ju­ni 2015 nicht mehr her­ge­stellt wer­de. Die Lie­fe­rung ei­nes fa­brik­neu­en VW Ti­gu­an aus der ak­tu­el­len Se­rie kom­me nicht in Be­tracht, weil ein sol­ches Fahr­zeug ein ali­ud sei. Dar­über hin­aus hält sich die Be­klag­te für be­rech­tigt, die be­gehr­te Er­satz­lie­fe­rung nach § 439 III BGB zu ver­wei­gern, da sie mit un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Kos­ten ver­bun­den sei. Die Nach­bes­se­rung des Pkw durch In­stal­la­ti­on ei­nes Soft­ware­up­dates – so be­haup­tet die Be­klag­te – las­se sich in ei­ner Werk­statt in we­ni­ger als ei­ner Stun­de durch­füh­ren; die hier­für an­fal­len­den Kos­ten be­lie­fen sich auf we­ni­ger als 100 €.

Die Kla­ge hat­te weit über­wie­gend Er­folg.

Aus den Grün­den: I. So­weit der Klä­ger Fest­stel­lung be­gehrt, dass sich die Be­klag­te im Ver­zug mit der vom Klä­ger be­gehr­ten Nach­lie­fe­rung be­fin­det, ist die Kla­ge un­zu­läs­sig.

Zu­läs­si­ger Ge­gen­stand ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge kön­nen ein­zel­ne sich aus ei­nem Rechts­ver­hält­nis er­ge­ben­de Rech­te und Pflich­ten sein, nicht aber blo­ße Ele­men­te oder Vor­fra­gen ei­nes Rechts­ver­hält­nis­ses, rei­ne Tat­sa­chen oder et­wa die Wirk­sam­keit von Wil­lens­er­klä­run­gen oder die Rechts­wid­rig­keit ei­nes Ver­hal­tens (vgl. BGH, Urt. v. 03.05.1977 – VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331 [332]). Der Schuld­ner­ver­zug nach § 284 BGB ist ein Un­ter­fall der Ver­let­zung der Leis­tungs­pflicht, näm­lich die rechts­wid­ri­ge Ver­zö­ge­rung der ge­schul­de­ten Leis­tung aus ei­nem vom Schuld­ner zu ver­tre­ten­den Grund. Zu­gleich ist er ei­ne ge­setz­lich de­fi­nier­te Vor­aus­set­zung un­ter­schied­li­cher Rechts­fol­gen, al­so le­dig­lich „Vor­fra­ge“ für die Be­ur­tei­lung die­ser Rechts­fol­gen. Ein ge­gen­über dem ur­sprüng­li­chen Schuld­ver­hält­nis ei­gen­stän­di­ges „Ver­zugs­ver­hält­nis“ kennt das Ge­setz nicht. Dass der nicht leis­ten­de Schuld­ner „in Ver­zug“ ist, be­deu­tet nicht mehr, als dass er ge­mahnt wur­de (nicht fest­stel­lungs­fä­hi­ge Tat­sa­che) und das wei­te­re Un­ter­blei­ben der Leis­tung zu ver­tre­ten hat. Letz­te­res ist blo­ßes Ele­ment ei­nes Rechts­ver­hält­nis­ses und folg­lich eben­so we­nig fest­stel­lungs­fä­hig wie et­wa die Rechts­wid­rig­keit ei­nes Ver­hal­tens (BGH, Urt. v. 19.04.2000 – XII ZR 332/97, NJW 2000, 2280 [2281]).

Auch die Er­wä­gun­gen, wel­che der Zu­läs­sig­keit ei­nes An­trags auf Fest­stel­lung ei­nes An­nah­me­ver­zugs zu­grun­de lie­gen, füh­ren hier zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Denn die Zu­läs­sig­keit ei­nes auf Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs ge­rich­te­ten An­trags stellt ei­ne Aus­nah­me dar, wel­che al­lein aus Grün­den der Zweck­mä­ßig­keit und mit dem schutz­wür­di­gen In­ter­es­se des Klä­gers zu recht­fer­ti­gen ist, den für die Voll­stre­ckung nach §§ 756, 765 ZPO er­for­der­li­chen Nach­weis des An­nah­me­ver­zugs be­reits im Er­kennt­nis­ver­fah­ren er­brin­gen zu kön­nen (vgl. BGH, Urt. v. 19.04.2000 – XII ZR 332/97, NJW 2000, 2280 [2281]).

Im Üb­ri­gen ist die Kla­ge zu­läs­sig, was aus den vor­ge­nann­ten Grün­den auch für den An­trag auf Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten gilt.

II. Die Kla­ge ist im We­sent­li­chen be­grün­det.

1 Der Klä­ger hat ei­nen An­spruch ge­gen die Be­klag­te auf Nach­lie­fe­rung aus §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB.

1.1 Zwi­schen den Par­tei­en ist am 01.10.2013 ein Kauf­ver­trag über das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug zu ei­nem Kauf­preis von 30.137 € zu­stan­de ge­kom­men.

1.2 Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug war bei Ge­fahr­über­gang man­gel­haft i. S. des § 434 I BGB. Denn es wies auf­grund der ver­wen­de­ten Soft­ware nicht die Be­schaf­fen­heit auf, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB; vgl. OLG Cel­le, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16; LG Arns­berg, Urt. v. 24.03.2017 – 2 O 375/16).

Wel­che Be­schaf­fen­heit des Kauf­ge­gen­stan­des ein Käu­fer an­hand der Art der Sa­che i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB er­war­ten darf, be­stimmt sich nach dem Emp­fän­ger­ho­ri­zont ei­nes Durch­schnitts­käu­fers und da­mit nach der ob­jek­tiv be­rech­tig­ten Käu­fe­rer­war­tung (BGH, Urt. v. 20.05.2009 – VI­II ZR 191/07 Rn. 14).

Ein Durch­schnitts­käu­fer ei­nes Pkw darf da­von aus­ge­hen, dass die an­ge­ge­be­nen Emis­si­ons­wer­te des Fahr­zeugs kor­rekt er­mit­telt wur­den. Er er­war­tet nicht, dass das Fahr­zeug vor­ge­schrie­be­ne Ab­gas­wer­te, die (nur) un­ter La­bor­be­din­gun­gen ein­ge­hal­ten wer­den müs­sen, nur des­halb nicht über­schrei­tet, weil ei­ne soft­ware­ge­steu­er­te Ma­ni­pu­la­ti­on er­folgt. Die Ab­gas­norm Eu­ro 5 konn­te vor­lie­gend nur durch die ver­wen­de­te Soft­ware ein­ge­hal­ten wer­den. Da­für, dass die Grenz­wer­te oh­ne die Soft­ware über­schrit­ten wor­den wä­ren, spricht die vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt an­ge­ord­ne­te Rück­ruf­ak­ti­on, die auch das streit­ge­gen­ständ­li­che Mo­dell um­fass­te. Die­se Rück­ruf­ak­ti­on wä­re nicht zu er­klä­ren, wenn die Ab­gas­norm auch oh­ne Soft­ware­up­date ein­ge­hal­ten wor­den wä­re, Es ist da­von aus­zu­ge­hen, dass oh­ne Up­date die Typ­ge­neh­mi­gung ent­zo­gen wor­den wä­re. Dass dies tat­säch­lich nicht er­folgt ist, da ein Maß­nah­men­plan ent­wi­ckelt wur­de, ist für die Fra­ge der Man­gel­haf­tig­keit ir­re­le­vant.

Zwar trifft zu, dass Ab­gas­wer­te nur auf dem Prüf­stand ge­mes­sen und ein­ge­hal­ten wer­den müs­sen, die Ein­hal­tung der vor­ge­schrie­be­nen Wer­te im rea­len Fahr­be­trieb da­her ir­re­le­vant ist. In­so­weit ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Ab­gas­wer­te un­ter La­bor­be­din­gun­gen auf­grund der Test­um­ge­bung und der Test­be­din­gun­gen im­mer güns­ti­ger sind als im Nor­mal­be­trieb des Fahr­zeugs. Hier­für hat sich der Ge­setz­ge­ber be­wusst ent­schie­den, nicht aber da­für, dass Fahr­zeu­ge ent­spre­chend prä­pa­riert wer­den, so­dass die Mo­tor­leis­tung im La­bor nicht mehr mit der Leis­tung im Nor­mal­be­trieb ver­gleich­bar ist. Ei­ne Prü­fung der Ab­gas­wer­te wür­de ad ab­sur­dum ge­führt, wenn durch ei­ne Ma­ni­pu­la­ti­on in zu­läs­si­ger Wei­se er­reicht wer­den könn­te, dass der Mo­tor­be­trieb sich an die Prüf­si­tua­ti­on an­passt.

Ob ein Man­gel des Fahr­zeugs dar­über hin­aus auch dar­in be­steht, dass es sich nicht zur ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dung eig­net, da es im Rah­men ei­ner Rück­ruf­ak­ti­on zwin­gend um­ge­rüs­tet wer­den muss, um wei­ter­hin die Zu­las­sung im Stra­ßen­ver­kehr zu er­hal­ten (so et­wa LG Fran­ken­thal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15), kann da­hin­ste­hen.

1.3 Auf­grund der Man­gel­haf­tig­keit des Fahr­zeugs konn­te der Klä­ger ge­mäß §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB zwi­schen der Be­sei­ti­gung des Man­gels und der Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che wäh­len. Der Käu­fer hat da­bei grund­sätz­lich die freie Wahl zwi­schen bei­den Ar­ten der Nach­er­fül­lung. Der Klä­ger hat sich hier für die Neu­lie­fe­rung ge­mäß § 439 I Fall 2 BGB ent­schie­den.

1.4 Die Be­klag­te kann sich im Zu­sam­men­hang mit der Nach­lie­fe­rung auch nicht mit dem Ar­gu­ment auf Un­mög­lich­keit ge­mäß § 275 I BGB be­ru­fen, Fahr­zeu­ge des streit­ge­gen­ständ­li­chen 'Typs wür­den mitt­ler­wei­le nicht mehr her­ge­stellt und die Fahr­zeu­ge der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on ge­hör­ten auf­grund ab­wei­chen­der Mo­tor­leis­tung und er­folg­ter tech­ni­scher Wei­ter­ent­wick­lun­gen nicht zur sel­ben Gat­tung wie der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw.

Hier­für ist un­er­heb­lich, ob – was zwi­schen den Par­tei­en strei­tig ist – der in Ab­schnitt IV Nr. 6 Satz 1 der von VW-Ver­trags­händ­lern üb­li­cher­wei­se ver­wen­de­ten Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen ge­re­gel­te Vor­be­halt für Än­de­run­gen wäh­rend der Lie­fer­zeit zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bart wor­den ist, wel­cher auf ei­nen Par­tei­wil­len da­hin ge­hend schlie­ßen lie­ße, dass Än­de­run­gen des Leis­tungs­ge­gen­stands so­wohl sei­tens des Kun­den im Rah­men der Lie­fe­rung als auch sei­tens des Händ­lers im Rah­men der Nach­bes­se­rung hin­zu­neh­men sind. Denn es darf im Er­geb­nis nicht zu­las­ten des Käu­fers ge­hen, wenn dem Ver­käu­fer die Neu­lie­fe­rung ei­nes Fahr­zeugs nur des­halb nicht mög­lich ist, weil es mitt­ler­wei­le ei­ne in be­stimm­ten Punk­ten ge­än­der­te und/oder ver­bes­ser­te Mo­dell­rei­he die­ses Fahr­zeugs gibt (vgl. LG Bo­chum, Urt. v. 01.03.2017 – I-4 O 244/16).

1.5 Die Be­klag­te kann sich auch nicht auf die Ein­re­de aus § 439 III BGB be­ru­fen.

Nach § 439 III 1 BGB kann der Ver­käu­fer die vom Käu­fer ge­wähl­te Art der Nach­er­fül­lung ver­wei­gern, wenn sie nur mit un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Kos­ten mög­lich ist. Da­bei sind nach § 439 III 2 BGB bei der Be­ur­tei­lung der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ins­be­son­de­re der Wert der Sa­che in man­gel­frei­em Zu­stand, die Be­deu­tung des Man­gels und die Fra­ge zu be­rück­sich­ti­gen, ob auf die an­de­re Art der Nach­er­fül­lung oh­ne er­heb­li­che Nach­tei­le für den Käu­fer zu­rück­ge­grif­fen wer­den könn­te. Maß­geb­lich kommt es da­bei dar­auf an, ob die Kos­ten der Nach­er­fül­lung im Ver­hält­nis zu den Kos­ten der Nach­bes­se­rung un­ver­hält­nis­mä­ßig sind (re­la­ti­ve Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit).

Un­ab­hän­gig von den wei­te­ren in die Be­ur­tei­lung der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ein­zu­be­zie­hen­den Kri­te­ri­en schei­tert ein Recht der Be­klag­ten, die Nach­lie­fe­rung zu ver­wei­gern, dar­an, dass ei­ne Nach­bes­se­rung im Ver­gleich zur Nach­lie­fe­rung hier für den Klä­ger er­heb­lich nach­teil­haf­ter wä­re. Denn nach der­zei­ti­gen Stand ist un­ge­wiss, ob das vom VW-Kon­zern zur Ver­fü­gung ge­stell­te Soft­ware­up­date nach­tei­li­ge Aus­wir­kun­gen in tech­ni­scher Hin­sicht nach sich zie­hen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Fra­ge, ob und in­wie­weit ei­ne auf der streit­ge­gen­ständ­li­chen Soft­ware ba­sie­ren­de Pro­ble­ma­tik durch die be­reit­ge­stell­ten Soft­ware­up­dates fol­gen­los be­sei­tigt wer­den kann, der­zeit Ge­gen­stand in­ten­siv und kon­tro­vers ge­führ­ter Dis­kus­sio­nen ist Die­se in er­heb­li­chem Um­fang öf­fent­lich ge­äu­ßer­ten Be­den­ken hin­sicht­lich mög­li­cher Fol­ge­pro­ble­me der von dem VW-Kon­zern an­ge­bo­te­nen Nach­bes­se­rung füh­ren zu ei­ner Un­si­cher­heit, die sich auf den Wei­ter­ver­kaufs­wert der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge aus­wir­ken kann (vgl. LG Re­gens­burg, Urt. v. 04.01.2017 – 7 O 967/16; LG Arns­berg, Urt. v. 24.03.2017 – 2 O 375/16).

Ge­ra­de der Wert ei­nes Kraft­fahr­zeugs kann von sub­jek­ti­ven Vor­stel­lun­gen

be­ein­flusst sein (vgl. LG Arns­berg, Urt. v. 24.03.2017 – 2 O 375/16 m. w. Nachw.). Da hier­von selbst dann aus­zu­ge­hen ist, wenn sich her­aus­stel­len soll­te, dass die Nach­bes­se­rung im We­ge des Soft­ware­up­dates kei­ne wei­te­ren Fol­ge­pro­ble­me nach sich zieht, ist die Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens in­so­weit un­ge­ach­tet der Be­weis­an­ge­bo­te der Par­tei­en nicht er­for­der­lich.

Ein Recht der Be­klag­ten, die ein­zig mög­li­che Form der Ab­hil­fe we­gen (ab­so­lut) un­ver­hält­nis­mä­ßi­ger Kos­ten zu ver­wei­gern, be­steht im Rah­men ei­nes – hier vor­lie­gen­den – Ver­brauchs­gü­ter­kaufs i. S. der §§ 474 ff. BGB nicht (BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VI­II ZR 70/08).

2 Der Klä­ger schul­det kei­nen Nut­zungs­er­satz nach §§ 439 IV, 346 II 1 Nr. 1 BGB. Denn bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trag han­delt es sich um ei­nen Ver­brauchs­gü­ter­kauf i. S. des § 474 I BGB. Im Fal­le der Nach­lie­fe­rung im Rah­men ei­nes Ver­brauchs­gü­ter­kaufs sind Nut­zun­gen ge­mäß §§ 474 V 1 BGB we­der her­aus­zu­ge­ben noch durch ih­ren Wert zu er­set­zen.

3 Die Be­klag­te be­fin­det sich in Ver­zug mit der Rück­nah­me des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs. Dies gilt un­ab­hän­gig da­von, ob in dem Schrei­ben der Klä­ger­ver­tre­ter vom 14.12.2015 ein hin­rei­chen­des An­ge­bot i. S. der §§ 294, 295 BGB ge­se­hen wer­den kann. Denn die Be­klag­te hat im Rah­men der in die­sem Ver­fah­ren ein­ge­reich­ten Schrift­sät­ze zu er­ken­nen ge­ge­ben, dass sie auf ih­rer Wei­ge­rung, das Fahr­zeug zu­rück­zu­neh­men, be­harrt. In die­sem Fall ist auch ein wört­li­ches An­ge­bot i. S. des § 295 BGB nicht er­for­der­lich, da es sich le­dig­lich um ei­ne lee­re Form han­deln wür­de (Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 76. Aufl. [2017], § 295 Rn. 4).

4 Der Klä­ger hat dem Grun­de nach ei­nen An­spruch auf Frei­stel­lung von vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten aus § 439 II BGB (vgl. Hk-BGB/Sa­en­ger, 9. Aufl. [2017], § 439 Rn. 3 m. w. Nachw.).

Un­ter Wür­di­gung al­ler Um­stän­de, ins­be­son­de­re des Um­fangs und der Schwie­rig­keit der an­walt­li­chen Tä­tig­keit und der Be­deu­tung der An­ge­le­gen­heit (§ 14 I RVG) er­ach­tet das Ge­richt hier je­doch le­dig­lich ei­ne 1,7-fa­che Ge­schäfts­ge­bühr nach Nr. 2300 VV RVG für an­ge­mes­sen. Da­bei ver­kennt das Ge­richt nicht die Kom­ple­xi­tät der im Rah­men des vor­lie­gen­den Sach­ver­halts zu wür­di­gen­den tat­säch­li­chen und recht­li­chen Ge­sichts­punk­te, die zu­dem auf­grund der Ak­tua­li­tät ei­ne stän­di­ge Ver­fol­gung neu­er Er­kennt­nis­se und ak­tu­el­ler Ent­wick­lun­gen er­for­dern. Al­ler­dings ist hier zu be­rück­sich­ti­gen, dass auf­grund par­al­lel ge­la­ger­ter Sach­ver­hal­te von ei­ner nicht un­er­heb­li­chen Re­du­zie­rung des Be­ar­bei­tungs­auf­wands für den vor­lie­gen­den Streit­fall aus­ge­gan­gen wer­den kann.

Die auf der nach § 315 III 2 BGB zu be­stim­men­de Ge­bühr ba­sie­ren­den vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten be­rech­nen sich wie folgt:

1,7 Ge­schäfts­ge­bühr (§§ 2, 13, 14 RVG; Nr. 2300 VV RVG) 1.594,60 €
0,7 Ge­schäfts­ge­bühr (An­rech­nung) 703,50 €
Pau­scha­le (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 €
Zwi­schen­sum­me net­to 911,10 €
19 % USt. (Nr. 7008 VV RVG) 173,11 €
Sum­me brut­to 1.084,21 €

Hin­sicht­lich des über den vor­ge­hend ge­nann­ten Be­trag hin­aus­ge­hen­den Frei­stel­lungs­an­spruchs war die Kla­ge ab­zu­wei­sen. …

Hin­weis: Die­ses Ur­teil hat mir freund­li­cher­wei­se der Kol­le­ge Dr. Ralf StollDr. Stoll & Sau­er Rechts­an­walts­ge­sell­schaft mbH – zu­kom­men las­sen, der es für den Klä­ger erstrit­ten hat.

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