- Der Rücktritt des Käufers eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs vom Kaufvertrag ist gemäß § 218 I BGB unwirksam, wenn er erst erklärt wird, nachdem der Nacherfüllungsanspruch (§§ 437 Nr. 1, 439 I BGB) des Käufers verjährt ist, und der Verkäufer sich auf die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs beruft.
- Der Nacherfüllungsanspruch, den der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs gegen den Verkäufer hat, verjährt auch dann nicht gemäß § 438 III 1 BGB in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 I BGB), wenn dem – mit dem Verkäufer nicht identischen – Fahrzeughersteller eine arglistige Täuschung zur Last fällt. Denn ein möglicherweise arglistiges Verhalten des Fahrzeugherstellers muss sich ein rechtlich vom Hersteller unabhängiger (Vertrags-)Händler nicht zurechnen lassen. Insbesondere ist der Hersteller grundsätzlich nicht Gehilfe des (Vertrags-)Händlers bei der Erfüllung von Verkäuferpflichten gegenüber dem Fahrzeugkäufer.
LG Krefeld, Urteil vom 01.03.2017 – 7 O 130/16
(nachfolgend: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.05.2017 – I-22 U 52/17)
Sachverhalt: Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, verlangt von der Beklagten, einer selbstständigen, nicht an den VW-Konzern angebundenen gewerblichen Audi-Händlerin im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages.
Die Beklagte lieferte der Klägerin am 07.05.2013 gegen Zahlung von 24.650 € brutto einen vom VW-Abgasskandal betroffenen Audi A3 Sportback 1.6 TDI Ambition. In dem Fahrzeug kommt eine seine Schadstoffemissionen manipulierende Software zum Einsatz, die (nur) während eines Emissionstests auf einem Prüfstand für eine Verringerung des Stickoxid(NOX-)Ausstoßes sorgt.
Mit Schreiben vom 19.01.2016 forderten die späteren Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte auf, „den durch die Manipulationssoftware vorliegenden Mangel“ bis zum 09.02.2016 „zu beheben“. Mit Schreiben vom 27.01.2016 wiesen die späteren Prozessbevollmächtigten der Beklagten das Ansinnen der Klägerin unter Verweis auf einen vom Kraftfahrt-Bundesamt angeordneten Rückruf mit dem Hinweis zurück, dass die von der Klägerin gesetzte Frist angesichts des Umfangs der Rückrufaktion zu kurz bemessen sei. Im Rahmen dieser Aktion werde auch das Fahrzeug der Klägerin nachgebessert; mit einer Nachbesserung sei frühestens im zweiten Quartal 2016 zu rechnen, und die – für alle Fahrzeughalter verbindliche – Rückrufaktion werde Ende 2016 abgeschlossen sein. Das Ziel einer Nachbesserung sei, dass das Fahrzeug der Klägerin die einschlägigen NOX-Emissionsgrenzwerte einhalte. Darüber hinaus erhob die Beklagte die Einrede der Verjährung und erklärte, sie werde sich hinsichtlich noch nicht verjährter Gewährleistungsansprüche der Klägerin bis zum 31.12.2017 nicht auf Verjährung berufen.
Daraufhin ließ die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 03.03.2016 gegenüber der Beklagten ihren Rücktritt vom Kaufvertrag und vorsorglich die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklären. Sie verlangte von der Beklagten unter Fristsetzung zum 31.03.2016 die Erstattung des um eine Nutzungsentschädigung (6.211,80 €) verminderten Kaufpreises nebst Zinsen (4.628,49 €), Zug um Zug gegen Rückgewähr des Fahrzeugs. Die Beklagte ließ den geltend gemachten Zahlungsanspruch mit anwaltlichem Schreiben vom 08.03.2016 zurückweisen und erhob abermals die Einrede der Verjährung.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr Fahrzeug leide wegen der die Schadstoffemissionen manipulierenden Software an einem erheblichen Mangel. Der Pkw habe bereits bei der Übergabe nicht die hinsichtlich seiner Abgasemissionen und seines Kraftstoffverbrauchs vereinbarte Beschaffenheit gehabt. Ihr – der Klägerin – sei es darauf angekommen, dass das Fahrzeug bestimmte Abgaswerte einhalte, und sie haben sich auf die entsprechenden Angaben der Beklagten in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung (COC) verlassen.
Außerdem macht die Klägerin geltend, das Fahrzeug habe einen Wertverlust erlitten, weil es vom VW-Abgasskandal betroffen sei. Fahrzeugkäufer hätten das Vertrauen in die Marken des VW-Konzerns verloren; der Abgasskandal habe zu einem deutlichen Rückgang der Nachfrage nach VW- und Audi-Fahrzeugen geführt. Dies wirke sich bei einem Weiterverkauf des Fahrzeugs empfindlich auf den Kaufpreis aus, wobei dieser merkantile Minderwert 1.500 € betrage.
Die Klägerin hat in erster Linie beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 19.087,32 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs, und zur Freistellung von einer Vergütungsforderung ihrer Rechtsanwälte zu verurteilen sowie den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen. Hilfsweise hat die Klägerin erreichen wollen, dass die Beklagte an sie 1.500 € zahlen muss. Äußerst hilfsweise hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Nachbesserung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangt.
Die Beklagte hat insbesondere die Einrede der Verjährung erhoben. Außerdem hat sie geltend gemacht, die Klägerin habe ihre Rügeobliegenheit (§ 377 III HGB) verletzt. Der VW-Abgasskandal sei Ende September 2015 über die Medien zur Kenntnis der Fahrzeughalter gelangt. Ab dem 30.09.2015 habe jeder Halter im Internet anhand der Fahrzeug-Identifizierungsnummer überprüfen können, ob sein Fahrzeug vom VW-Abgasskandal betroffen sei. Angesichts dessen sei die mit Schreiben vom 19.01.2016 erhobene Mängelrüge der Klägerin nicht unverzüglich erfolgt.
Das Fahrzeug der Klägerin – so meint die Beklagte weiter – sei im Übrigen nicht mangelhaft, da es uneingeschränkt gebrauchstauglich und die EG-Typgenehmigung unverändert wirksam sei. Die in dem Fahrzeug zum Einsatz kommende Software sei keine unzulässige Abschalteinrichtung.
Hilfsweise macht die Beklagte geltend, dass das Fahrzeug der Klägerin mit Blick auf die in Rede stehende Software jedenfalls keinen erheblichen Mangel aufweise. Denn ein von der Fahrzeugherstellerin zur Verfügung gestelltes Softwareupdate könne mit einem minimalen Zeitaufwand von höchstens einer Stunde installiert werden, und diese Maßnahme sei mit einem Kostenaufwand von weniger als 100 € verbunden, sodass die Kosten ein Prozent des Kaufpreises nicht überstiegen. Darüber hinaus stehe einem wirksamen Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag entgegen, dass die Klägerin nicht ordnungsgemäß Nacherfüllung verlangt habe. Denn es wäre Sache der Klägerin gewesen, ihr – der Beklagten – das streitgegenständliche Fahrzeug zur Durchführung der Nachbesserung an ihrem Betriebssitz zur Verfügung zu stellen. Auch habe die Klägerin eine zu kurze Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Das Fahrzeug der Klägerin hätte nur nach entsprechenden Instruktionen vonseiten der Fahrzeugherstellerin technisch überarbeitet werden können. Wegen der Vielzahl der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge sei es zudem notwendig gewesen, die technische Überarbeitung der Fahrzeuge einer Gesamtkoordination und einem abgestimmten Zeitplan zu unterwerfen. Die Volkswagen AG sei insoweit – auch bezüglich der betroffenen Audi-Fahrzeuge – in enger Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt vorgegangen.
Die Klägerin behauptet hierzu, sie habe erst Ende 2015 erfahren, dass ihr Fahrzeug vom VW-Abgasskandal betroffen sei. Sie meint, ihr Rücktritt sei nicht gemäß § 218 I 1 BGB unwirksam. Vielmehr gelte für ihren Nacherfüllungsanspruch gemäß § 438 III 1 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 I BGB), weil die AUDI AG (auch) sie – die Klägerin – habe als Käuferin eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs arglistig getäuscht habe. Die Arglist der AUDI AG müsse sich die Beklagte zurechnen lassen, weil sie sich der AUDI AG zur Erfüllung ihrer Verkäuferpflichten gegenüber der Klägerin bedient habe.
Nach Ansicht der Klägerin war ein Nachbesserungsverlangen entbehrlich, weil ihr eine Nachbesserung des Fahrzeugs unzumutbar ist. Insoweit sei insbesondere zu berücksichtigen, dass Experten öffentlich geäußert hätten, dass sich eine Nachbesserung durch die Installation eines Softwareupdates negativ auf die Motorleistung, den Kraftstoffverbrauch und den Motorverschleiß eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs auswirke. Darüber hinaus habe sie – die Klägerin – angesichts der arglistigen Täuschung jedes Vertrauen in die Fahrzeugherstellerin verloren. Dass sie der Beklagten gleichwohl eine Frist zur Nachbesserung gesetzt habe, könne ihr nicht zum Nachteil gereichen.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Hinsichtlich des Klageantrags zu 4 war dieser so auszulegen, dass die Klägerin Schadensersatz i. S. der §§ 437 Nr. 3, 280 ff. BGB und nicht Nachbesserung i. S. des § 439 I Fall 1 BGB verlangt. Die Klägerin macht mit dem Antrag zu 1 Rechte aus einem erklärten Rücktritt geltend. Soweit der Rücktritt jedoch wirksam ist, ist der Nacherfüllungsanspruch erloschen (Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 437 Rn. 27). Es wäre unzulässig, als Hilfsantrag einen durch den eigenen Vortrag zum Hauptantrag unstreitig erloschenen Anspruch zur Entscheidung zu stellen. Hingegen ist der Schadensersatzanspruch auch neben dem Rücktritt denkbar (§ 325 BGB).
Im so verstandenen Umfang ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
Der Rücktritt der Klägerin ist gemäß § 218 I BGB unwirksam.
Nach § 218 I 1 BGB ist der Rücktritt als Gestaltungsrecht wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Der Anspruch der Klägerin auf Nacherfüllung aus dem Kaufvertrag mit der Beklagten ist verjährt.
Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin ihrer Rügeobliegenheit … gemäß § 377 III HGB rechtzeitig nachkam. Letztlich kann die hierfür relevante Frage, wann die Klägerin Kenntnis von dem Mangel des Fahrzeugs hatte, aber dahinstehen. Jedenfalls ist die kaufrechtliche Gewährleistungsfrist abgelaufen, und die Beklagte hat sich hierauf berufen.
Gemäß § 438 I Nr. 3 BGB verjährt der Anspruch auf Nacherfüllung beim Kauf beweglicher Sachen innerhalb von zwei Jahren. Die Frist begann gemäß § 438 II BGB i. V. mit § 187 I BGB am Tag nach der Übergabe des Fahrzeugs, am 08.05.2013, zu laufen und endete gemäß § 188 II BGB mit Ablauf des 07.05.2015. Damit war der Nacherfüllungsanspruch zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 07.07.2016 verjährt.
Der Nacherfüllungsanspruch verjährte vorliegend auch nicht innerhalb der Regelverjährung von drei Jahren gemäß § 438 III BGB. Dies hätte vorausgesetzt, dass die Beklagte den Mangel arglistig gegenüber der Klägerin verschwiegen hat. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte selbst keine Täuschung begangen und von dem Verbau einer Manipulationssoftware erst durch die Medien erfahren hat.
Die Beklagte muss sich ein arglistiges Verschweigen des Herstellers auch nicht zurechnen lassen.
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, die Beklagte habe sich zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeit aus § 433 I 2 BGB des Herstellers als Erfüllungsgehilfen i. S. des § 278 BGB bedient, kann dem nicht gefolgt werden. Dies würde voraussetzen, dass der Hersteller mit Wissen und Wollen der Beklagten in ihrem vertraglichen Pflichtenkreis tätig geworden ist. Diese Voraussetzungen scheitern bereits an der Chronologie des Falles. Die hierzu von der Klägerin angeführte Literaturmeinung zur Zurechnung in Handelsketten (Weller, NJW 2012, 2312 f.) ist vereinzelt geblieben.
Zwar ist es grundsätzlich denkbar, dass ein Hersteller bei wertender Betrachtung als Erfüllungsgehilfe eines Verkäufers anzusehen sein kann (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 280 Rn. 19 m. w. Nachw.); allerdings liegt diese Konstellation im vorliegenden Fall nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist der Lieferant des Verkäufers nicht dessen Gehilfe für die Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer, weshalb auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers ist, der die Sache an seine Kunden verkauft (BGH, Urt. v. 15.07.2008 – VIII ZR 211/07, BGHZ 177, 224 = NJW 2008, 2837 Rn. 29; Beschl. v. 14.01.2009 – VIII ZR 70/08, NJW 2009, 1660 Rn. 11; Urt. v. 19.06.2009 – V ZR 93/09, BGHZ 181, 317 = NJW 2009, 2674 Rn. 19).
Andere Zurechnungsnormen scheitern an der Unabhängigkeit der Beklagten vom Herstellerkonzern.
Es kann dahinstehen, ob die Beklagte sich hinsichtlich der Nacherfüllung zulässig auf § 275 I bis III, § 439 III BGB berufen kann. Dies ändert an der Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 I 1 BGB gemäß § 218 I 2 BGB im vorliegenden Fall nichts.
Aufgrund der Unwirksamkeit des Rücktritts konnte die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs nicht in Annahmeverzug kommen, sodass der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs abzuweisen war.
Der Antrag auf Zahlung von 1.500 € war ebenfalls abzuweisen. Zwar ist die Minderung grundsätzlich auch dann möglich, wenn der Rücktritt unwirksam ist (Palandt/Weidenkaff, a. a. O., § 437 Rn. 27); allerdings gilt dies nur dann, wenn die Unwirksamkeit des Rücktritts außerhalb der gemeinsamen Voraussetzungen der beiden Gestaltungsrechte begründet ist. Ebenso wie der Rücktritt ist auch die Minderung gemäß § 438 V BGB ausgeschlossen, wenn der Anspruch auf Nacherfüllung verjährt ist und der Schuldner sich darauf beruft.
Der als Schadenersatzverlangen auszulegende Antrag zu 4 war ebenfalls abzuweisen. Für die kaufrechtlichen Schadensersatzansprüche gelten ebenfalls die dargelegten Verjährungsregeln (§§ 437 Nr. 3, 438 I Nr. 3 BGB).
Mangels Vorliegens eines Hauptanspruchs konnte die Beklagte nicht verurteilt werden, die Klägerin von ihren Anwaltskosten in Höhe von 1.474,89 € freizustellen. …
Hinweis: Mit Beschluss vom 30.05.2017 – I-22 U 52/17 – hat das OLG Düsseldorf darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen. In dem Hinweisbeschluss heißt es:
„I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung i. S. von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
1. Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß § 346 I BGB i. V. mit §§ 433, 434 I 2 Nr. 2, 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 I BGB Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs steht der Klägerin nicht zu.
Denn der Rücktritt der Klägerin ist jedenfalls gemäß §§ 438 IV 1, 218 I 1 BGB unwirksam. Das ist nach den genannten Vorschriften der Fall, wenn zur Zeit des Zugangs der Rücktrittserklärung der Anspruch auf Nacherfüllung (§ 439 I BGB) verjährt ist und der Verkäufer die Verjährungseinrede wirksam erhebt (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 76. Aufl. [2017], § 438 Rn. 18).
Der Anspruch auf Nacherfüllung war zum Zeitpunkt des Zugangs der Rücktrittserklärung vom 03.03.2016 verjährt.
Dieser Anspruch verjährt bei einem Fahrzeug gemäß § 438 I Nr. 3, II BGB, sofern kein Fall des arglistigen Verschweigens eines Mangels bei Vertragsschluss vorliegt (§ 438 III BGB), binnen zweier Jahre, wobei die Frist mit Ablieferung der Sache zu laufen beginnt.
Die Ablieferung des Fahrzeugs ist am 07.05.2013 erfolgt, sodass Verjährung des Nachbesserungsrechts am 07.05.2015 erfolgt ist, weil es zuvor nicht zu Hemmungs- oder Unterbrechungstatbeständen gekommen ist.
Ein Fall des arglistigen Verschweigens eines Mangels bei Vertragsschluss ist nicht gegeben:
a) Unstreitig hat die Beklagte selbst keine Täuschung begangen und von dem vermeintlichen Einsatz einer Manipulationssoftware selbst erst nach Vertragsschluss im Jahr 2011 und nach Auslieferung des Fahrzeugs im Mai 2013 durch die Medien erfahren.
b) Die Beklagte muss sich auch nicht ein etwaiges arglistiges Verschweigen des Herstellers zurechnen lassen.
aa) Die insoweit darlegungsbelastete Klägerin hat bereits nicht die Voraussetzungen einer etwaigen Haftung des Herstellers nach § 31 BGB dargetan. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, wer konzernintern für die Entwicklung und den Einsatz der fraglichen Software verantwortlich war und wer hiervon Kenntnis hatte.
bb) Abgesehen davon muss sich die Beklagte ein arglistiges Verhalten der Herstellerin nicht zurechnen lassen.
(1) Eine Zurechnung des vermeintlichen Fehlverhaltens der Herstellerin gemäß § 123 II 1 BGB kommt nicht in Betracht. Die Beklagte hatte keine Kenntnis von der Täuschung gehabt oder haben müssen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass der Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt war oder sie es zumindest für möglich hielt, dass die Herstellerin des Fahrzeugs eine manipulative Software in den Verkehr gebracht hat.
(2) Eine Zurechnung nach § 278 BGB scheidet aus (sofern man diese Norm im Rahmen der hier maßgeblichen Zurechnung eines arglistigen Verhaltens überhaupt für anwendbar erachten wollte). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist der Vorlieferant des Verkäufers nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer; ebenso ist auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft (vgl. nur BGH, Urt. v. 02.04.2014 – VIII ZR 46/13, juris Rn. 31 m. w. Nachw., unter zutreffendem Hinweis darauf, dass diese ständige Rechtsprechung explizit in der Gesetzesbegründung im Rahmen der Schuldrechtsreform im Bezug genommen worden ist und somit weiterhin Gültigkeit hat; dies entspricht, soweit ersichtlich, auch der einhelligen Ansicht der bislang mit dem sogenannten Dieselskandal befassten Gerichte).
Die Ansicht der Berufungsbegründung, hierdurch würde die Beklagte einen unbilligen Haftungsvorteil erlangen, was eine unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht hinnehmbare Bevorzugung der Beklagten darstelle, vermag der Senat nicht zu folgen. Vielmehr standen der Klägerin (sofern denn alle übrigen Rücktrittsvoraussetzungen erfüllt waren, was hier dahinstehen kann) in unverjährter Zeit verschuldensunabhängige Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte zu, die nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch in zwei Jahren nach Ablieferung der Kaufsache verjährten.
(3) Eine Zurechnung eines etwaigen arglistigen Verhaltens der Herstellerin ergibt sich auch nicht aus § 123 I BGB, da die Herstellerin nicht im Lager der Beklagten, einer rechtlich unabhängigen Vertragshändlerin, steht, sondern Dritte i. S. von § 123 II BGB ist (so auch beispielsweise OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16, juris Rn. 8; LG Stralsund, Urt. v. 03.03.2016 – 6 O 236/15, juris Rn. 18; LG Ellwangen, Urt. v. 19.10.2016 – 3 O 55/16, juris Rn. 42 ff.; LG Hechingen, Urt. v. 10.03.2017 – 1 O 165/16, juris Rn. 17 ff.; LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, juris Rn. 25; Revilla, ZfS 2016, 10 [11]; a. A. für den hier nicht gegebenen Fall einer hundertprozentigen Konzerntochter LG München I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15). Die Herstellerin ist ein von der Beklagten unabhängiges Unternehmen und war am Kaufvertragsabschluss nicht beteiligt. Sie konnte darauf auch keinen Einfluss nehmen, sie steht in keinem geschäftlichen Kontakt zur Klägerin, der Vertragspartnerin der Beklagten, und verfolgt auch keine Interessen der Beklagten. Die Herstellerin ist auch nicht Vertrauensperson oder Repräsentantin der Beklagten und hat auch keine täuschenden Erklärungen mit Wissen und Wollen speziell für die Beklagte als Anfechtungsgegner abgegeben (vgl. LG Ellwangen, Urt. v. 19.10.2016 – 3 O 55/16, juris Rn. 42 ff.).
(4) Ebenso wenig kommt aus Billigkeitsgründen eine Wissenszurechnung im Verhältnis zwischen Vertragshändler und Hersteller in entsprechender Anwendung von § 166 BGB in Betracht (vgl. LG Hechingen, Urt. v. 10.03.2017 – 1 O 165/16, juris Rn. 17 ff.; LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, juris Rn. 25).
2. Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nach § 812 I 1 Fall 1 BGB besteht nicht. Die von der Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 03.03.2016 hilfsweise erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung geht ins Leere. Insoweit gilt das eben Ausgeführte hier entsprechend.
3. Nach alledem stehen der Klägerin auch keine deliktischen Schadensersatzansprüche aus § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB oder aus § 826 BGB zu.
II. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 II 1 Nr. 2 ZPO), noch ist eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 II 1 Nr. 3 ZPO).
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und die deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 543 Rn. 11). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn in Literatur und Instanzrechtsprechung zu einer Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und eine höchstrichterliche Beantwortung bislang noch aussteht (vgl. BeckOK-ZPO/Kessal-Wulf, 24. Edition [2017], § 543 Rn. 20).
Es ist nicht ersichtlich, dass sich im vorliegenden Fall eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinne stellt. Wie ausgeführt, sind die sich hier stellenden Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt und es besteht in der Instanzrechtsprechung keine Abweichung hiervon. Allein der Umstand, dass eine hohe Anzahl vermeintlich manipulierter Fahrzeuge von dem sogenannten Dieselskandal betroffen ist, vermag hieran nichts zu ändern. …“