Ein VW-Neuwagen ist nicht deshalb mangelhaft i. S. des § 434 I BGB, weil das Fahrzeug vertragsgemäß über das – gegen Aufpreis erhältliche – Ausstattungsmerkmal Easy Open verfügt und dieses Ausstattungsmerkmal unbefugten Dritten eine (weitere) Möglichkeit bietet, das Fahrzeug illegal zu öffnen und zu entwenden.
AG Wolfsburg, Urteil vom 08.02.2017 – 22 C 370/16
(nachfolgend: LG Braunschweig, Beschluss vom 23.05.2017 – 4 S 90/17)
Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der Beklagten im Februar 2016 einen VW Touran als Neuwagen zum Preis von 40.951,80 €. Das Fahrzeug verfügt vereinbarungsgemäß über das (optionale) Ausstattungsmerkmal Easy Open; dafür wurde dem Kläger ein Aufpreis von 735 € in Rechnung gestellt.
Drei Wochen nach dem Fahrzeugkauf erfuhr der Kläger davon, dass VW-Fahrzeuge mit dem Ausstattungsmerkmal Easy Open nicht diebstahlssicher ist, sondern dieses Ausstattungsmerkmal es Dieben ermöglicht, das Fahrzeug einfach und unbemerkt zu öffnen. Darauf hatte die Beklagte den Kläger im Verkaufsgespräch nicht hingewiesen, obwohl es ihr seit Längerem bekannt war.
Der Kläger hält sein Fahrzeug für mangelhaft und meint, er habe den Kaufpreis um 4.000 € mindern dürfen, nachdem er der Beklagten – unstreitig – erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt gehabt habe. Die auf Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Der Kläger hat gegen die Beklagte keine Zahlungsansprüche gemäß §§ 346 I, 441 IV, 434 I BGB. Denn der Kläger war nicht zur Kaufpreisminderung berechtigt. Denn das streitgegenständliche Fahrzeug ist … nicht mit einem Sachmangel gemäß § 434 I BGB behaftet.
Gemäß § 434 I 1 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn die Sache bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat.
Unstreitig ist das vereinbarte Zusatzpaket Easy Open in seiner gedachten Komfortfunktion mangelfrei funktionsfähig. Dass die Parteien vereinbart haben, dass das streitgegenständliche Fahrzeug diebstahlssicher sein soll, wird nicht behauptet.
Es ist allgemein bekannt, dass Kfz auf verschiedenste Weise, teilweise ohne Spuren zu hinterlassen, von unberechtigten Dritten geöffnet und letztlich entwendet werden können. Die Tatsache, dass die streitgegenständliche Zusatzfunktion unberechtigten Dritten nunmehr eine (weitere) Möglichkeit der illegalen Öffnung des Fahrzeugs ermöglicht, macht das Fahrzeug deswegen nicht mangelhaft im Sinne des Gesetzes. Denn das Fahrzeug entspricht nach wie vor der vereinbarten Beschaffenheit; ebenso ist es für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung geeignet ebenso wie für die gewöhnliche Verwendung mit einer Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Denn das streitgegenständliche Fahrzeug ist nicht allein durch den Verbau der streitgegenständlichen Zusatzfunktion unverschlossen und damit besonders diebstahlgefährdet. Vielmehr bedarf es auch hier, wie in anderen Fällen, eines zusätzlichen illegalen Vorgehens unberechtigter Dritter. Dies auszuschließen, liegt jedoch nach der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien nicht in der Verantwortung der Beklagten. Die Beklagte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Kunden vor derartigen oder anderen Diebstahlsmöglichkeiten zu schützen. Sofern von den Kunden das Verhalten der Beklagten im Einzelfall jedoch insoweit für unzureichend empfunden wird, besteht hier allein die Möglichkeit der Regulierung über den Markt. …
Hinweis: Mit seiner Berufung gegen dieses Urteil hat der Kläger gerügt, das Amtsgericht habe verkannt, dass ein Käufer, der – gegen Aufpreis – ein Fahrzeug mit Easy-Open-Funktion erwerbe, zumindest erwarten könne, dass diese Funktion das Fahrzeug nicht unterdurchschnittlich in Bezug auf Diebstahlsicherheit mache. Daher – so hat der Kläger gemeint – bleibe sein Fahrzeug hinter der zu erwartenden Beschaffenheit zurück und sei daher mangelhaft (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).
Das LG Braunschweig als Berufungsgericht hat den Kläger darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, seine Berufung gemäß § 522 II ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. In dem Hinweisbeschluss vom 23.05.2017 – 4 S 90/17 – heißt es unter anderem:
„Zutreffend verneint das Amtsgericht einen Sachmangel.
Es wird zunächst Bezug genommen auf die amtsgerichtlichen Entscheidungsgründe. Nach § 434 I 1 BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
Zu Recht und insofern auch von der Berufung nicht gerügt stellt das Amtsgericht fest, dass eine Vereinbarung zwischen den Parteien, dass das streitgegenständliche Fahrzeug diebstahlsicher sein sollte, nicht vorgetragen ist. Einen Sachmangel i. S. des § 434 I 2 BGB konnte das Amtsgericht nicht erkennen. Dies hat es wie folgt begründet:
‚Es ist allgemein bekannt, dass Kfz auf verschiedenste Weise, teilweise ohne Spuren zu hinterlassen, von unberechtigten Driften geöffnet und letztlich entwendet werden können. Die Tatsache, dass die streitgegenständliche Zusatzfunktion unberechtigten Dritten nunmehr eine (weitere) Möglichkeit der illegalen Öffnung des Fahrzeugs ermöglicht, macht das Fahrzeug deswegen nicht mangelhaft im Sinne des Gesetzes. Denn das Fahrzeug entspricht nach wie vor der vereinbarten Beschaffenheit, ebenso ist es für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung geeignet ebenso wie für die gewöhnliche Verwendung mit einer Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann. Denn das streitgegenständliche Fahrzeug ist nicht allein durch den Verbau der streitgegenständlichen Zusatzfunktion unverschlossen und damit besonders diebstahlgefährdet. Vielmehr bedarf es auch hier, wie in anderen Fällen, eines zusätzlichen illegalen Vorgehens unberechtigter Dritter. Dies auszuschließen, liegt jedoch nach der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien nicht in der Verantwortung der Beklagten. Die Beklagte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Kunden vor derartigen oder anderen Diebstahlsmöglichkeiten zu schützen.‘
Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die Kammer nach eigener Beratung an. Auch die von Klägerseite zitierte Rechtsprechung des BGH vermag daran nichts zu ändern, da diese letztlich den Gesetzeswortlaut des § 434 I 2 BGB auslegt, jedoch keine abweichenden Kriterien aufstellt, die das Amtsgericht nicht berücksichtigt hätte.“