1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nes Fahr­zeug ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft, weil es nicht die Be­schaf­fen­heit auf­weist, die der Käu­fer er­war­ten kann. Ein Käu­fer darf da­von aus­ge­hen, dass das Fahr­zeug den zur Er­lan­gung der Typ­ge­neh­mi­gung er­for­der­li­chen Emis­si­ons­test un­ter Ein­hal­tung der vor­ge­ge­be­nen Be­din­gun­gen er­folg­reich ab­sol­viert hat. Dem wi­der­spricht es, wenn das Fahr­zeug die ein­schlä­gi­gen Emis­si­ons­grenz­wer­te nur des­halb ein­ge­hal­ten hat, weil ei­ne ei­gens zu die­sem Zweck kon­zi­pier­te Soft­ware wäh­rend des Tests ei­ne Ver­rin­ge­rung des Stick­oxid­aus­sto­ßes be­wirkt hat.
  2. Ein Neu­wa­gen­käu­fer hat kei­nen An­spruch auf die er­satz­wei­se Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Fahr­zeugs (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB), wenn das Fahr­zeug so, wie der Käu­fer es ur­sprüng­lich be­stellt hat­te, we­gen ei­nes Mo­dell­wech­sels nicht mehr her­ge­stellt wird und al­le auf dem Markt noch ver­füg­ba­ren gleich­ar­ti­gen und gleich­wer­ti­gen Fahr­zeu­ge eben­falls man­gel­haft sind. In die­sem Fall ist dem Ver­käu­fer ei­ne Er­satz­lie­fe­rung i. S. des § 275 I BGB un­mög­lich; ein Fahr­zeug der neu­es­ten Ge­ne­ra­ti­on muss er dem Käu­fer nicht lie­fern.
  3. Da­durch, dass Soft­ware­ent­wick­ler der Volks­wa­gen AG in vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeu­gen ei­ne Soft­ware in­stal­liert ha­ben, die (nur) wäh­rend ei­nes Emis­si­ons­tests für ei­ne Ver­rin­ge­rung des Stick­oxid­aus­sto­ßes sorgt, kann bei den Käu­fern die­ser Fahr­zeu­ge i. S. des § 263 I StGB ein Irr­tum dar­über er­regt oder un­ter­hal­ten wor­den sein, dass die Typ­ge­neh­mi­gung le­gal er­langt wur­de.
  4. Die Haf­tung ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son (hier: der Volks­wa­gen AG) aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB setzt vor­aus, dass ein ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter i. S. des § 31 BGB den ob­jek­ti­ven und sub­jek­ti­ven Tat­be­stand des § 826 BGB ver­wirk­licht hat. Der Vor­wurf der Sit­ten­wid­rig­keit lässt sich in­des nicht da­durch be­grün­den, dass un­ter An­wen­dung der Grund­sät­ze der Wis­sens­zu­rech­nung und -zu­sam­men­rech­nung auf die „im Hau­se“ der ju­ris­ti­schen Per­son vor­han­de­nen Kennt­nis­se ab­ge­stellt wird.

LG Bay­reuth, Ur­teil vom 20.12.2016 – 21 O 34/16
(nach­fol­gend: OLG Bam­berg, Be­schluss vom 02.08.2017 – 6 U 5/17)

Sach­ver­halt: Der Klä­ger schloss mit der Be­klag­ten zu 1, ei­ner selbst­stän­di­gen Kfz-Händ­le­rin, die im ei­ge­nen Na­men und auf ei­ge­ne Rech­nung Fahr­zeu­ge der Volks­wa­gen AG (Be­klag­te zu 2) ver­treibt, am 31.03.2015 ei­nen Kauf­ver­trag über ei­nen VW Ti­gu­an 2.0 TDI BMT Sport & Style. Der Kauf­preis be­trug 31.350 €. Das Fahr­zeug wur­de dem Klä­ger am 31.07.2015 über­ge­ben.

Es ist mit ei­ner Soft­ware aus­ge­stat­tet, die im­mer dann, wenn das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand ei­nem Emis­si­ons­test un­ter­zo­gen wird, den Aus­stoß von Stick­oxid (NOX) so op­ti­miert, dass die ein­schlä­gi­gen Emis­si­ons­grenz­wer­te ein­ge­hal­ten wer­den. Im nor­ma­len Fahr­be­trieb fin­det kei­ne Op­ti­mie­rung des NOX-Aus­sto­ßes statt. Der Klä­ger wand­te sich nach Be­kannt­wer­den die­ser Tat­sa­che mit An­walts­schrei­ben vom 20.10.2015 an die Be­klag­te zu 1, mach­te kauf­recht­li­che Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che gel­tend und for­der­te die Be­klag­te zu 1 auf, ei­nen Ver­jäh­rungs­ver­zicht zu er­klä­ren. Dem kam die Be­klag­te zu 1 nicht nach.

Der Klä­ger hält sein Fahr­zeug für man­gel­haft, weil ihm hin­sicht­lich der Schad­stoff­emis­sio­nen ei­ne ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit i. S. des § 434 I 1 BGB feh­le. Er ver­langt des­halb von der Be­klag­ten zu 1 in ers­ter Li­nie die Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Fahr­zeugs (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB) und hilfs­wei­se Nach­bes­se­rung (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 1 BGB). Dar­über hin­aus ist der Klä­ger der Auf­fas­sung, dass ihn die Be­klag­te zu 2 über die Ei­gen­schaf­ten des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs ge­täuscht ha­be und sie ihm – was der Klä­ger fest­ge­stellt ha­ben will – den dar­aus re­sul­tie­ren­den Scha­den er­set­zen müs­se.

Nur die ge­gen die Be­klag­te zu 1 ge­rich­te­te Kla­ge hat­te – teil­wei­se – Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Die Kla­ge ge­gen die Be­klag­te zu 1 ist nur nach dem Hilfs­an­trag zu 4 [= Nach­bes­se­rungs­ver­lan­gen] be­grün­det.

1. Der Haupt­an­trag ist un­be­grün­det, denn der Klä­ger hat kei­nen An­spruch auf Nach­lie­fe­rung des ge­for­der­ten Pkw nach §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2, 434 I 2 Nr. 2 BGB.

a) Der Pkw weist ei­nen Sach­man­gel nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf.

Ei­ne Sa­che ist da­nach frei von Sach­män­geln, wenn ei­ne Be­schaf­fen­heit nicht ver­ein­bart ist, sie sich aber für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen glei­cher Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann.

Der Pkw eig­net sich zwar trotz des Ein­baus der Ab­schalt­ein­rich­tung für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung, da er tech­nisch si­cher und ver­kehrstaug­lich ist. Er weist aber nicht die Be­schaf­fen­heit auf, wel­che der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann. Ein durch­schnitt­li­cher Käu­fer kann da­von aus­ge­hen, dass ein Pkw zu­min­dest den für ei­ne Typ­ge­neh­mi­gung er­for­der­li­chen Test un­ter den ge­setz­lich fest­ge­leg­ten La­bor­be­din­gun­gen oh­ne Zu­hil­fe­nah­me ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung zur Re­du­zie­rung der Stick­oxid­wer­te er­folg­reich ab­sol­viert. Die Ein­hal­tung der Grenz­wer­te un­ter Ver­wen­dung ei­ner da­für kon­zi­pier­ten Soft­ware kann die­sen Er­war­tun­gen nicht ge­recht wer­den.

b) Der An­spruch auf Nach­lie­fe­rung ist we­gen ob­jek­ti­ver Un­mög­lich­keit aus­ge­schlos­sen.

Der Nach­er­fül­lungs­an­spruch stellt ei­nen mo­di­fi­zier­ten Er­fül­lungs­an­spruch dar und kann nicht wei­ter rei­chen als der ur­sprüng­li­che Er­fül­lungs­an­spruch. Er be­schränkt sich auf die Nach­lie­fe­rung ei­ner gleich­ar­ti­gen und gleich­wer­ti­gen Sa­che (Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 75. Aufl., § 439 Rn. 15).

Der Pkw wird un­be­strit­ten nicht mehr her­ge­stellt. Bei ei­nem vom Ver­käu­fer be­stell­ten und vom Her­stel­ler nach des­sen in­di­vi­du­el­len Kon­fi­gu­ra­tio­nen ge­fer­tig­ten Neu­wa­gen ist da­von aus­zu­ge­hen, dass nach der über­ein­stim­men­den Vor­stel­lung der Par­tei­en der Er­fül­lungs­an­spruch auf ein die­sen Käu­fer­wün­schen ent­spre­chen­des Fahr­zeug ge­rich­tet und be­schränkt ist (vgl. OLG Nürn­berg, Urt. v. 15.12.2011 – 13 U 1611/11, ju­ris Rn. 60). Die Lie­fe­rung ei­nes Neu­wa­gens der zwei­ten Ge­ne­ra­ti­on mit ei­ner ge­än­der­ten Mo­to­ri­sie­rung ist des­halb nicht gleich­ar­tig und gleich­wer­tig. Der Käu­fer wür­de durch die Nach­lie­fe­rung ei­nes Nach­fol­ge­mo­dells ei­ne über den ur­sprüng­li­chen Er­fül­lungs­an­spruch hin­aus­ge­hen­de Leis­tung zu­ge­spro­chen be­kom­men. Zu­dem ist nicht er­sicht­lich, dass der Be­klag­ten die Be­schaf­fung des vom Klä­ger ge­for­der­ten Fahr­zeugs auf an­de­re Wei­se als durch den Di­rekt­be­zug vom Her­stel­ler mög­lich ist, da al­le ver­gleich­ba­ren am Markt ver­füg­ba­ren Pkw von dem Man­gel be­trof­fen sind.

2. Die … be­gehr­te Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs kann we­gen der feh­len­den Ver­pflich­tung des Ver­käu­fers zur Rück­nah­me des Fahr­zeugs nicht ver­langt wer­den.

3. Der Hilfs­an­trag zu 4 [= Nach­bes­se­rungs­ver­lan­gen] ist zu­läs­sig und be­grün­det.

Dem Klä­ger steht der hilfs­wei­se gel­tend ge­mach­te An­spruch auf Nach­bes­se­rung des Pkw ge­mäß §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 1, 434 I 2 Nr. 2 BGB zu. Das in­so­weit er­for­der­li­che Up­date der Soft­ware ist zwi­schen­zeit­lich vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt frei­ge­ge­ben, so­dass die Be­klag­te zu 1 die ge­for­der­te Nach­bes­se­rung durch­füh­ren kann.

4. Ein An­spruch auf Frei­stel­lung von vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­ge­büh­ren be­steht vor­lie­gend nicht, weil die Nach­bes­se­rung vor­ge­richt­lich nicht ver­wei­gert wor­den und des­halb die Be­auf­tra­gung der Klä­ger­ver­tre­ter zur Durch­set­zung der Nach­bes­se­rung nicht er­for­der­lich war.

II. Die Kla­ge ge­gen die Be­klag­te zu 2 ist un­be­grün­det.

1. Der Klä­ger hat schon dem Grun­de nach kei­nen An­spruch ge­gen die Be­klag­te zu 2.

a) Ein An­spruch des Klä­gers er­gibt sich nicht aus § 823 I BGB, denn es fehlt schon die hier­zu er­for­der­li­che Rechts­guts­ver­let­zung. Ei­ne Ei­gen­tums­ver­let­zung liegt we­gen der be­reits ur­sprüng­lich be­ste­hen­den Man­gel­haf­tig­keit des Pkw nicht vor. Ei­ne blo­ße Ver­mö­gens­schä­di­gung stellt kei­ne Rechts­guts­ver­let­zung dar.

b) Ein An­spruch des Klä­gers folgt auch nicht aus § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB.

Der Klä­ger hat al­le Um­stän­de dar­zu­le­gen und zu be­wei­sen, aus de­nen sich die Ver­wirk­li­chung der ein­zel­nen Tat­be­stands­mer­krna­le des Schutz­ge­set­zes er­gibt. Die­sen Nach­weis hat der Klä­ger nicht er­bracht. Zwar kann man auf­grund des Ein­baus der Ab­schalt­ein­rich­tung ei­ne Täu­schungs­hand­lung ge­gen­über den be­trof­fe­nen End­kun­den in mit­tel­ba­rer Tä­ter­schaft da­hin ge­hend be­ja­hen, dass hier­in ein Irr­tum über die Er­lan­gung der Typ­ge­neh­mi­gung auf le­ga­lem We­ge her­vor­ge­ru­fen oder zu­min­dest nach in­ter­nem Be­kannt­wer­den der Ma­ni­pu­la­tio­nen er­hal­ten wur­de. Al­ler­dings ist vor­lie­gend schon nicht dar­ge­legt wor­den, wie das Ver­hal­ten der zu­stän­di­gen Soft­ware­ent­wick­ler der Be­klag­ten zu 2 zu­ge­rech­net wer­den kann. Ei­ne Zu­rech­nung der dies­be­züg­li­chen Hand­lun­gen Ein­zel­ner über § 31 BGB (ana­log) wird vom Klä­ger nicht hin­rei­chend dar­ge­legt.

c) Ein An­spruch er­gibt sich auch nicht aus § 823 II BGB in Ver­bin­dung mit der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007, da die­se Norm ih­rem Zweck nach der Voll­endung des Bin­nen­mark­tes dient. Der Klä­ger wä­re da­mit schon nicht vom sach­li­chen und per­sön­li­chen Schutz­be­reich der Norm er­fasst.

d) Schließ­lich schei­det ein An­spruch aus § 826 BGB we­gen sit­ten­wid­ri­ger vor­sätz­li­cher Schä­di­gung des Klä­gers durch die Be­klag­te zu 2 aus. Die Haf­tung ei­nes Un­ter­neh­mens nach § 826 BGB setzt vor­aus, dass der Vor­stand oder ein ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter in sei­ner Per­son den ob­jek­ti­ven und sub­jek­ti­ven Tat­be­stand ver­wirk­licht (BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, ju­ris Leit­satz 1 und Rn. 13). Die An­wen­dung der Grund­sät­ze der Wis­sens­zu­rech­nung und -zu­sam­men­rech­nung durch das Ab­stel­len auf die „im Hau­se“ der ju­ris­ti­schen Per­son vor­han­de­nen Kennt­nis­se reicht nicht (BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, Leit­satz 3 und Rn. 23, un­ter Ab­leh­nung der An­sicht von MünchKomm-BGB/Wag­ner, 6. Aufl., § 826 Rn. 36). Er­for­der­lich ist so­wohl die Fest­stel­lung der Sit­ten­wid­rig­keit in ei­ner kon­kre­ten Per­son im Sin­ne ei­nes mo­ra­li­schen Un­wert­ur­teils als auch ei­nes Schä­di­gungs­vor­sat­zes, der die Schä­di­gung des An­spruch­stel­lers er­kannt und in sei­nen Wil­len auf­ge­nom­men ha­ben muss (BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, ju­ris Rn. 23, 25 f.) . Da hier­zu schon ein kon­kre­ter Vor­trag das Klä­gers fehlt, kann auch kein An­spruch aus § 826 BGB zu­er­kannt wer­den.

e) Der Klä­ger hat auch kei­nen An­spruch aus § 831 I BGB, denn es fehlt be­reits an der Ver­wirk­li­chung der ob­jek­ti­ven Tat­be­stän­de ei­ner un­er­laub­ten Hand­lung nach §§ 823–826 BGB, 832 ff. BGB.

2. We­gen des feh­len­den ma­te­ri­el­len An­spruchs steht dem Klä­ger auch kein An­spruch auf Frei­stel­lung von den vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­ge­büh­ren ge­gen die Be­klag­te zu 2 zu. …

Hin­weis: Mit Be­schluss vom 02.08.2017 – 6 U 5/17 – hat das OLG Bam­berg dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es be­ab­sich­ti­ge, die Be­ru­fung des Klä­gers ge­mäß § 522 II ZPO zu­rück­zu­wei­sen, weil sie of­fen­sicht­lich kei­ne Aus­sicht auf Er­folg ha­be. Die Be­ru­fung wur­de so­dann mit Be­schluss des OLG Bam­berg vom 20.09.2017 – 6 U 5/17 – zu­rück­ge­wie­sen.

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