1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nes Fahr­zeug (hier: ein Au­di Q3 2.0 TDI), in dem ei­ne Soft­ware die Op­ti­mie­rung der Stick­oxid­emis­sio­nen be­wirkt, so­bald sich das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand be­fin­det, ist un­ab­hän­gig da­von man­gel­haft, ob es sich bei der „Schum­mel­soft­ware“ um ei­ne ver­bo­te­ne Ab­schalt­ein­rich­tung han­delt. Denn je­den­falls kann ein Käu­fer i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB er­war­ten, dass in dem Fahr­zeug kei­ne Soft­ware zum Ein­satz kommt, de­ren ein­zi­ger Sinn dar­in be­steht, nied­ri­ge Ab­gas­wer­te vor­zu­täu­schen.
  2. Die in der Lie­fe­rung ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs lie­gen­de Pflicht­ver­let­zung des Ver­käu­fers ist auch dann nicht i. S. von § 323 V 2 BGB un­er­heb­lich, wenn ei­ne Nach­bes­se­rung durch Auf­spie­len ei­nes Soft­ware­up­dates je Fahr­zeug mit ei­nem Kos­ten­auf­wand von nur 100 € ver­bun­den ist. Denn we­der dür­fen die Kos­ten für die Ent­wick­lung des Soft­ware­up­dates in Hö­he von rund 70.000.000 € un­be­rück­sich­tigt blei­ben, wenn es um die Kos­ten der Nach­bes­se­rung geht, noch ist es zu­läs­sig, die Ent­wick­lungs­kos­ten an­tei­lig auf ein ein­zel­nes Fahr­zeug um­zu­le­gen.

LG Ham­burg, Ur­teil vom 16.11.2016 – 301 O 96/16

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin er­warb von der be­klag­ten Kfz-Händ­le­rin am 10.03.2014 ei­nen Au­di Q3 2.0 TDI zum Preis von 34.202,28 €. Das Fahr­zeug wur­de der Klä­ge­rin am 12.05.2014 über­ge­ben. Es ist mit ei­nem Die­sel­mo­tor vom Typ EA189 und ei­ner Soft­ware aus­ge­stat­tet, die je nach­dem, ob sich das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand be­fin­det oder im rea­lem Fahr­be­trieb be­nutzt wird, un­ter­schied­li­che Ab­gas­rei­ni­gungs­mo­di in Gang setzt. Auf ei­nem Prüf­stand (Mo­dus 1) ist die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te hö­her als im rea­len Fahr­be­trieb (Mo­dus 0); des­halb ist der Aus­stoß von Stick­oxi­den auf dem Prüf­stand nied­ri­ger als im rea­len Fahr­be­trieb.

Über die­se Um­stän­de un­ter­rich­te­te die Her­stel­le­rin des Fahr­zeugs, die AU­DI AG, die Klä­ge­rin im Fe­bru­ar 2016. In dem ent­spre­chen­den Schrei­ben heißt es un­ter an­de­rem:

„Wir möch­ten Sie dar­über in­for­mie­ren, dass der in Ih­rem Fahr­zeug ein­ge­bau­te Die­sel­mo­tor mit ei­ner Soft­ware aus­ge­stat­tet ist, durch die die Stick­oxid­wer­te (NOX) im Ver­gleich zwi­schen Prüf­stands­lauf (NEFZ) und rea­lem Fahr­be­trieb ver­schlech­tert wer­den.“

Wei­ter heißt es:

„Wir kön­nen Ih­nen aber be­reits jetzt mit­tei­len, dass ab­hän­gig von der in Ih­rem Fahr­zeug ver­bau­ten Mo­to­ri­sie­rung die In­stand­set­zung für die 2.0 l-Ag­gre­ga­te ab KW 09/16 bzw. für die 1.6 l-Ag­gre­ga­te ab KW 36/16 in den Werk­stät­ten star­ten wird.“

Mit An­walts­schrei­ben vom 26.02.2016 rüg­te die Klä­ge­rin ge­gen­über der AU­DI AG die in Re­de ste­hen­de Soft­ware als Sach­man­gel. Sie for­der­te die Adres­sa­tin des Schrei­bens auf, bis spä­tes­tens 11.03.2016 ei­ne Män­gel­be­sei­ti­gung vor­zu­neh­men, wo­bei das Fahr­zeug durch Nach­bes­se­rungs­maß­nah­men kei­nen Leis­tungs­ver­lust er­lei­den dür­fe. Da dies – so die Klä­ge­rin – nach Pres­se­be­rich­ten tech­nisch al­ler­dings nicht mög­lich sei, er­klä­re sie den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Sie for­der­te die Adres­sa­tin des Schrei­bens auf, ihr den Kauf­preis ab­züg­lich von Nut­zungs­vor­tei­len Zug um Zug ge­gen Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs zu er­stat­ten.

Die Ver­käu­fe­rin des Fahr­zeugs, die H-GmbH, trat mit An­walts­schrei­ben vom 16.03.2016 der For­de­rung der Klä­ge­rin ent­ge­gen. Sie ver­wies auf die mitt­ler­wei­le an­ge­lau­fe­ne Rück­ruf­ak­ti­on der Volks­wa­gen AG und dar­auf, dass die Nach­bes­se­rung für das Fahr­zeug der Klä­ge­rin nur ei­nen sehr ge­rin­gen Zeit- und Kos­ten­auf­wand ver­ur­sa­che. Der Klä­ge­rin sei es zu­zu­mu­ten ab­zu­war­ten, ins­be­son­de­re, weil ihr kei­ner­lei mess­ba­ren Nach­tei­le ent­stün­den. Es sei der­zeit nicht ab­zu­se­hen, wann das klä­ge­ri­sche Fahr­zeug zur Nach­bes­se­rung auf­ge­ru­fen wer­de. Ge­währ­leis­tungs- und ins­be­son­de­re Rück­tritts­rech­te stün­den der Klä­ge­rin nicht zu.

Die Klä­ge­rin for­der­te die Ver­käu­fe­rin mit Schrei­ben vom 17.03.2016 auf, bis zur Klä­rung der Rechts­la­ge hin­sicht­lich der gel­tend ge­mach­ten Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che auf die Ein­re­de der Ver­jäh­rung zu ver­zich­ten, was die Ver­käu­fe­rin mit Schrei­ben vom 23.03.2016 un­ter Hin­weis auf be­reits er­folg­te Er­klä­run­gen der Volks­wa­gen AG ab­lehn­te.

Die Klä­ge­rin meint, das von der Be­klag­ten ge­kauf­te Fahr­zeug sei schon des­halb man­gel­haft, weil dar­in ei­ne „Schum­mel­soft­ware“ zum Ein­satz kom­me. Zu­dem lie­ge ein Man­gel dar­in, dass bei dem Fahr­zeug der Stick­oxid­aus­stoß hö­her sei, als bei Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges als als Be­schaf­fen­heit ver­ein­bart wor­den sei.

Mit Schrift­satz vom 12.10.2016 hat die Be­klag­te mit­ge­teilt, dass ein Up­date für das Fahr­zeug der Klä­ge­rin nun­mehr zur Ver­fü­gung ste­he.

Die Kla­ge hat­te über­wie­gend Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Die Klä­ge­rin hat ge­gen die Be­klag­te ei­nen An­spruch auf Zah­lung von 20.901,39 € aus §§ 346 I, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB.

1. Das er­wor­be­ne Fahr­zeug war bei Über­ga­be mit ei­nem Sach­man­gel be­haf­tet, da es nicht die Be­schaf­fen­heit auf­wies, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach Art der Sa­che er­war­ten konn­te (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).

Zwi­schen den Par­tei­en ist un­strei­tig, dass das Fahr­zeug mit ei­ner Um­schalt­lo­gik aus­ge­stat­tet ist, die die Ab­gas­rück­füh­rung in zwei ver­schie­de­nen Mo­di be­treibt, je nach­dem, ob es sich auf dem Prüf­stand (Mo­dus 1) oder im rea­len Fahr­be­trieb (Mo­dus 0) be­fin­det. Die mit­hil­fe die­ser Vor­rich­tung auf dem Prüf­stand er­ziel­ten Ab­gas­wer­te wei­chen da­mit nicht nur des­halb von den­je­ni­gen im rea­len Fahr­be­trieb ab, weil der durch­ge­führ­te Fahr­zy­klus nicht dem rea­len Fahr­be­trieb ent­spricht, son­dern weil die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te im Prüf­be­triebs­mo­dus (Mo­dus 1) hö­her ist als auf der Stra­ße (Mo­dus 0). Die AU­DI AG er­klärt in ih­rem Schrei­ben aus dem Fe­bru­ar 2016, die Stick­oxid­wer­te (NOX) wür­den im Ver­gleich zwi­schen Prüf­stands­lauf (NEFZ) und rea­lem Fahr­be­trieb ver­schlech­tert. Der Sinn und Zweck der von der Klä­ge­rin be­an­stan­de­ten Vor­rich­tung be­steht ein­zig dar­in, nied­ri­ge­re Ab­gas­wer­te vor­zu­täu­schen. Mit ei­ner sol­chen Um­schalt­lo­gik ver­se­he­ne Fahr­zeu­ge sind – ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten – nicht vor­schrifts­mä­ßig. Dies lässt sich dem Schrei­ben des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes vom 01.06.2016 ent­neh­men, in dem es heißt, dass die von den Her­stel­lern vor­ge­stell­ten Än­de­run­gen der Ap­pli­ka­ti­ons­da­ten ge­eig­net sei­en, die „Vor­schrifts­mä­ßig­keit der ge­nann­ten Fahr­zeu­ge her­zu­stel­len“. Hier­aus folgt zwin­gend, dass die Fahr­zeu­ge oh­ne die­se Än­de­run­gen, das heißt oh­ne die Durch­füh­rung der Nach­bes­se­rung (Än­de­run­gen der Ap­pli­ka­ti­ons­da­ten), vor­schrifts­wid­rig sind. Ob die­se Vor­schrifts­wid­rig­keit oh­ne ih­re Be­sei­ti­gung letzt­lich zum Ent­zug der EU-Typ­ge­neh­mi­gung führt oder nicht, kann bei der Fra­ge, ob ein Sach­man­gel vor­liegt, eben­so da­hin­ste­hen, wie die Fra­ge, ob es sich bei der Um­schalt­lo­gik um ei­ne i. S. von Art. 3 Nr. 10, 5 II VO (EG) 715/2007, Abs. 2.16, 5.​1.​2.​1 UN/ECE Re­ge­lung Nr. 83 ver­bo­te­ne Ab­schalt­ein­rich­tung han­delt oder nicht.

Das Vor­han­den­sein der be­schrie­be­nen Um­schalt­lo­gik im Sys­tem des er­wor­be­nen Fahr­zeugs stellt ei­ne ne­ga­ti­ve Ab­wei­chung von der üb­li­chen Be­schaf­fen­heit ver­gleich­ba­rer Fahr­zeu­ge dar (vgl. auch die hier­zu er­gan­ge­ne Recht­spre­chung, zu­sam­men­ge­stellt von LG Ha­gen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16, ju­ris Rn. 24). Der Durch­schnitts­käu­fer ei­nes Neu­fahr­zeugs darf ob­jek­tiv er­war­ten, dass in dem von ihm er­wor­be­nen Fahr­zeug ei­ne sol­che auf Täu­schung der zu­stän­di­gen Kon­troll­in­stan­zen an­ge­leg­te und vor­schrifts­wid­ri­ge Vor­rich­tung nicht vor­han­den ist.

2. Der von der Klä­ge­rin er­klär­te Rück­tritt ist wirk­sam.

a) Zwar hat die Klä­ge­rin mit ih­rem Schrei­ben vom 26.02.2016 die Auf­for­de­rung zur Nach­bes­se­rung so­wie die Rück­tritts­er­klä­rung zu­nächst ge­gen­über der Her­stel­le­rin (AU­DI AG) er­klärt und nicht ge­gen­über ih­rer Ver­trags­part­ne­rin, der Be­klag­ten. Dies ist in­des un­schäd­lich. Denn aus­weis­lich des Schrei­bens der Be­klag­ten vom 16.03.2016 ist die­ser das Schrei­ben vom 26.02.2016 nicht nur zu­ge­gan­gen (vgl. hier­zu MünchKomm-BGB/Ernst, 7. Aufl., § 323 Rn. 192), son­dern will die­se die Nach­bes­se­rungs­auf­for­de­rung und die Rück­tritts­er­klä­rung auch sich selbst ge­gen­über gel­ten las­sen. Dies lässt sich dem Pro­zess­vor­trag der Be­klag­ten ent­neh­men, die aus­führt, die Klä­ge­rin ha­be „der Be­klag­ten le­dig­lich ei­ne Frist von zwei Wo­chen zur Ab­hil­fe ge­setzt“. Letzt­lich ist die Rück­tritts­er­klä­rung ge­gen­über der Be­klag­ten spä­tes­tens durch Kla­ger­he­bung er­folgt (vgl. MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 193).

b) Der Sach­man­gel ist auch nicht le­dig­lich ge­ring­fü­gig. Die in der Man­gel­haf­tig­keit der Kauf­sa­che lie­gen­de Pflicht­ver­let­zung ist nicht un­er­heb­lich i. S. des § 323 V 2 BGB (vgl. zur Be­griff­lich­keit BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VI­II ZR 94/13, ju­ris Rn. 16).

Die Be­ur­tei­lung der Fra­ge, ob ei­ne Pflicht­ver­let­zung un­er­heb­lich i. S. des § 323 V 2 BGB ist, er­for­dert ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung auf der Grund­la­ge der Um­stän­de des Ein­zel­falls (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VI­II ZR 94/13, ju­ris Rn. 16). Für die Fra­ge der Er­heb­lich­keit ei­nes Man­gels ist – so­fern es sich um be­heb­ba­re Män­gel han­delt – grund­sätz­lich auf die Kos­ten der Män­gel­be­sei­ti­gung ab­zu­stel­len und nicht auf das Aus­maß der Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung. Auf Letz­te­res kommt es nur dann an, wenn der Man­gel nicht oder nur mit ho­hen Kos­ten be­heb­bar oder die Man­gel­ur­sa­che im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung un­ge­klärt ist, et­wa auch, weil der Ver­käu­fer sie nicht fest­stel­len konn­te (BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VI­II ZR 202/10, ju­ris Rn. 21). Maß­geb­lich ist der Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung (vgl. BGH, Urt. v. 15.06.2011 – VI­II ZR 139/09, ju­ris Rn. 9).

aa) Hier­nach schei­det ei­ne Un­er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung schon des­halb aus, weil im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung der Klä­ge­rin vom 26.02.2016, die bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung erst nach Ab­lauf der ge­setz­ten Frist vom 11.03.2016 wirk­sam wer­den soll­te, nach ei­ge­nem Vor­trag der Be­klag­ten ei­ne Be­heb­bar­keit des Man­gels noch nicht ge­ge­ben war. Denn erst mit nach­fol­gen­der Mit­tei­lung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes vom 01.06.2016 hat­te die­ses be­stä­tigt, dass die von der Volks­wa­gen AG vor­ge­stell­te Än­de­rung der Ap­pli­ka­ti­ons­da­ten ge­eig­net sei, die Vor­schrifts­mä­ßig­keit des Fahr­zeugs her­zu­stel­len. Die­se Er­klä­rung war nach dem Vor­trag der Be­klag­ten auch not­wen­dig, weil die Her­stel­le­rin die Män­gel­be­sei­ti­gung nicht in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung durch­füh­ren konn­te, son­dern ei­ne Frei­ga­be des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes be­nö­tig­te. Hier­nach war selbst bei An­nah­me, ei­ne wirk­sa­me Rück­tritts­er­klä­rung ge­gen­über der Be­klag­ten sei erst in der Klag­schrift vom 04.05.2016 zu er­bli­cken, die der Be­klag­ten am 27.05.2016 zu­ge­stellt wor­den ist, in die­sem Zeit­punkt ei­ne Be­heb­bar­keit des Man­gels noch nicht ge­ge­ben.

bb) Aber selbst bei An­nah­me ei­ner Be­heb­bar­keit des Sach­man­gels im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung steht der Wirk­sam­keit des er­klär­ten Rück­tritts die Vor­schrift des § 323 V 2 BGB nicht ent­ge­gen.

Oh­ne Er­folg be­ruft sich die Be­klag­te dar­auf, die Pflicht­ver­let­zung sei un­er­heb­lich, weil die Kos­ten der Nach­bes­se­rung für das Fahr­zeug der Klä­ge­rin, wie für al­le an­de­ren Fahr­zeu­ge glei­chen Mo­tor­typs, le­dig­lich cir­ca 100 € be­trü­gen. Es greift be­reits zu kurz, le­dig­lich auf den blo­ßen Auf­wand der Fach­werk­statt ab­zu­stel­len, der im Rah­men der tat­säch­li­chen Nach­bes­se­rungs­ar­bei­ten ent­steht. Dies lie­ße zu Un­recht den ganz er­heb­li­chen und kos­ten­träch­ti­gen Auf­wand zur Ent­wick­lung der Nach­bes­se­rungs­maß­nah­men un­be­rück­sich­tigt, der bei dem Her­stel­ler des Mo­tors/des Fahr­zeugs ent­stan­den ist. Nach dem Vor­trag der Be­klag­ten dien­ten die kos­ten­aus­lö­sen­den Ent­wick­lun­gen ein­zig der Be­he­bung des Man­gels nach Vor­ga­be des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes. Es ist da­her kein ver­nünf­ti­ger Grund er­sicht­lich, bei der Be­wer­tung der Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten i. S. des § 323 V 2 BGB die­sen Kos­ten­block un­be­rück­sich­tigt zu las­sen. Be­reits die­se er­heb­li­chen Ent­wick­lungs­kos­ten von bis zu 70.000.000 € für die durch­zu­füh­ren­den Nach­bes­se­rungs­maß­nah­men ste­hen der An­nah­me, die Pflicht­ver­let­zung sei un­er­heb­lich, ent­ge­gen.

Der Be­klag­ten ist ins­be­son­de­re nicht dar­in zu fol­gen, die Un­er­heb­lich­keit des Man­gels er­ge­be sich auch un­ter Ein­schluss die­ser Ent­wick­lungs­kos­ten, da die­se, um­ge­legt auf al­le be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge, nur we­ni­ge Eu­ro je Ein­heit be­trü­gen. Zwar schei­det nach der Recht­spre­chung des BGH ei­ne Er­heb­lich­keit ei­nes Man­gels je­den­falls dann aus, wenn die Kos­ten der Män­gel­be­sei­ti­gung le­dig­lich knapp ein Pro­zent im Ver­hält­nis zum Kauf­preis be­tra­gen (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VI­II ZR 202/10, ju­ris Rn. 19). Zu­gleich ist bei ei­nem be­heb­ba­ren Sach­man­gel die Er­heb­lich­keits­schwel­le des § 323 V 2 BGB im Rah­men der in­so­weit auf der Grund­la­ge der Ein­zel­fal­l­um­stän­de vor­zu­neh­men­den In­ter­es­sen­ab­wä­gung je­den­falls in der Re­gel be­reits dann als er­reicht an­zu­se­hen, wenn der Man­gel­be­sei­ti­gungs­auf­wand ei­nen Be­trag von fünf Pro­zent des Kauf­prei­ses über­schrei­tet (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VI­II ZR 94/13, ju­ris Rn. 12). Die­se Gren­ze wä­re bei von der Be­klag­ten be­haup­te­ten Kos­ten in Hö­he von höchs­tens 100 € und dem die­sen Kos­ten ge­gen­über­zu­stel­len­dem Kauf­preis für das klä­ge­ri­sche Fahr­zeug von über 34.000 € noch nicht über­schrit­ten. Gleich­wohl über­zeugt die­se Ge­gen­über­stel­lung von Kauf­preis und Kos­ten im Streit­fall nicht. So­weit die Be­klag­te meint, die Ent­wick­lungs­kos­ten von bis zu 70.000.000 € sei­en auf je­de män­gel­be­haf­te­te Ein­heit um­zu­le­gen, lässt sie un­be­rück­sich­tigt, dass die Fra­ge der recht­li­chen (Un-)Er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung nicht da­von ab­hän­gen kann, wie vie­le Fahr­zeu­ge des­sel­ben Her­stel­lers mit dem ge­rüg­ten Man­gel be­haf­tet sind. Es mag be­triebs­wirt­schaft­lich zu­tref­fend sein, dass die Hö­he der fi­xen Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten pro Fahr­zeug von der An­zahl der ei­ner Nach­bes­se­rung zu un­ter­zie­hen­den Fahr­zeu­ge ab­hän­gig ist und sich dem­ge­mäß im Streit­fall bei zehn Mil­lio­nen Fahr­zeu­gen ein An­teil von 7 € er­rech­net. Wä­ren al­ler­dings nicht zehn Mil­lio­nen Fahr­zeu­ge, son­dern et­wa nur 10.000 Ein­hei­ten mit dem Man­gel be­haf­tet, be­trü­gen die um­ge­leg­ten 70.000.000 € Ent­wick­lungs­kos­ten nicht 7 €, son­dern 7.000 € pro Ein­heit – die Pflicht­ver­let­zung wä­re in die­sem Fall nach der Ar­gu­men­ta­ti­on der Be­klag­ten un­ter Be­ach­tung der Recht­spre­chung des BGH und bei un­ver­än­der­tem Sach­man­gel und iden­ti­schen Nach­bes­se­rungs­maß­nah­men nicht un­er­heb­lich. Dass dies nicht rich­tig sein kann, liegt auf der Hand und führt vor­lie­gend da­zu, dass bei der Be­ur­tei­lung der Er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung ei­ne Um­la­ge der Ent­wick­lungs­kos­ten auf die ein­zel­nen Fahr­zeu­ge zu un­ter­blei­ben hat.

cc) Der be­haup­te­ten Un­er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung steht schließ­lich ent­ge­gen, dass oh­ne Vor­nah­me der vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt ge­for­der­ten und letzt­lich ge­bil­lig­ten Nach­bes­se­rungs­maß­nah­men der Ent­zug der Typ­ge­neh­mi­gung droht. In die­sem Sin­ne ist der Vor­trag der Be­klag­ten zu ver­ste­hen, es sei nicht da­von aus­zu­ge­hen, dass die EG-Typ­ge­neh­mi­gung in der Zu­kunft ent­zo­gen wer­de, da das Kraft­fahrt-Bun­des­amt die von der Volks­wa­gen AG ent­wi­ckel­ten Maß­nah­men ak­zep­tiert ha­be und dies ent­spre­chend für Fahr­zeu­ge des Her­stel­lers Au­di gel­te. Hier­aus und aus dem Schrei­ben des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes vom 01.06.2016 kann oh­ne Wei­te­res der Schluss ge­zo­gen wer­den, dass oh­ne Durch­füh­rung der ent­spre­chen­den Maß­nah­men je­den­falls der Ent­zug der EG-Typ­ge­neh­mi­gung kon­kret dro­hen wür­de. In dem ge­nann­ten Schrei­ben heißt es näm­lich, die dort ge­nann­ten Maß­nah­men sei­en ge­eig­net, „die Vor­schrifts­mä­ßig­keit der ge­nann­ten Fahr­zeu­ge her­zu­stel­len“. Hier­aus folgt, wie be­reits aus­ge­führt, dass der Zu­stand der Fahr­zeu­ge oh­ne die Durch­füh­rung die­ser Maß­nah­me nicht vor­schrifts­mä­ßig ist.

dd) Dem­ge­gen­über ttritt der Um­stand, dass das Fahr­zeug nach dem Vor­trag der Be­klag­ten fahr­be­reit und voll funk­ti­ons­fä­hig ist, bei der Fra­ge der Er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung in den Hin­ter­grund.

c) Die Be­klag­te be­ruft sich oh­ne Er­folg dar­auf, die Frist zur Nach­bes­se­rung sei im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung noch nicht ab­ge­lau­fen ge­we­sen.

Die An­ge­mes­sen­heit der dem Schuld­ner ge­setz­ten Frist zur Nach­bes­se­rung be­stimmt sich nach den Um­stän­den des Ein­zel­falls. Bei ih­rer Be­ur­tei­lung ist in ers­ter Li­nie auf die Par­tei­ab­re­den ab­zu­stel­len (vgl. MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 71). Ab­zu­stel­len ist da­her zu­nächst auf die Er­klä­rung der AU­DI AG, die sich die Be­klag­te spä­ter zu ei­gen ge­macht hat, wo­nach ei­ne Nach­bes­se­rung des klä­ge­ri­schen Fahr­zeu­ges ab KW 09/2016 (= 22.02.–28.02.2016) er­fol­gen sol­le.

Die­se Er­klä­rung durf­te die Klä­ge­rin so ver­ste­hen, dass zwi­schen die­sem Zeit­punkt und der tat­säch­li­chen Nach­bes­se­rung je­den­falls kein er­heb­li­cher Zeit­raum mehr lie­gen wür­de (vgl. auch BGH, Urt. v. 13.07.2016 – VI­II ZR 49/15, ju­ris Rn. 36). Mag nach­fol­gend auch die ge­setz­te Nach­frist bis zum 11.03.2016 mit Schrei­ben vom 26.02.2016 zu kurz be­mes­sen sein, er­weist sich aber je­den­falls der bis zum Schrei­ben des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes vom 01.06.2016 ver­stri­che­ne Zeit­raum und erst recht der­je­ni­ge bis zur Er­klä­rung der Be­klag­ten vom 12.10.2016, nach der die Klä­ge­rin zur Durch­füh­rung des Up­dates bei der Be­klag­ten vor­stel­lig wer­den soll­te, als nicht mehr an­ge­mes­sen.

Des­sen un­ge­ach­tet kann sich die Be­klag­te aber auch des­we­gen nicht mit Er­folg auf feh­len­de An­ge­mes­sen­heit der ihr ge­setz­ten Frist be­ru­fen, weil die Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che der Klä­ge­rin mit Ab­lauf des 12.05.2016 zu ver­jäh­ren droh­ten und die Be­klag­te die An­re­gung der Klä­ge­rin, auf die Ein­re­de der Ver­jäh­rung zu ver­zich­ten, zu­rück­wies. Ein wei­te­res Zu­war­ten der Klä­ge­rin hät­te ih­ren Rück­tritt bei Er­he­bung der Ver­jäh­rungs­ein­re­de durch die Be­klag­te nach §§ 438 IV 1, 218 I BGB un­wirk­sam wer­den las­sen. Et­wai­ge Er­klä­run­gen der Volks­wa­gen AG, die als Ver­zicht auf die Er­he­bung der Ein­re­de der Ver­jäh­rung aus­zu­le­gen sein könn­ten, än­dern hier­an nichts, da sie nicht für das Rechts­ver­hält­nis zwi­schen der Klä­ge­rin und der Be­klag­ten wir­ken, die sich aus­weis­lich ih­res Schrei­bens vom 23.03.2016 die­se Er­klä­run­gen auch ge­ra­de nicht zu ei­gen ge­macht hat.

3. Nach al­lem steht der Klä­ge­rin in der Rechts­fol­ge ih­res er­klär­ten Rück­tritts ge­mäß § 346 I BGB die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich der ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen als Wert­er­satz (§ 346 II 1 Nr. 1 BGB) zu, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs. Der Nut­zungs­er­satz­an­spruch be­rech­net sich an­hand der zu schät­zen­den Ge­samt­fahr­leis­tung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs, die das Ge­richt mit 250.000 km an­setzt (vgl. hier­zu KG, Urt. v. 23.05.2013 – 8 U 58/12 m. w. Nachw.). Der Nut­zungs­er­satz wird er­mit­telt, in­dem der Kauf­preis durch die Rest­lauf­leis­tung di­vi­diert und der Quo­ti­ent mit den ge­fah­re­nen Ki­lo­me­tern mul­ti­pli­ziert wird (vgl. KG, Urt. v. 23.05.2013 – 8 U 58/12). Die Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs be­trug im Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung un­be­strit­ten 70.000 km. Es er­rech­net sich so­mit ein Wert von 13.300,89 €

\left({\frac{\text{34.202,28 €}\times\text{70.000 km}}{\text{180.000 km}}}\right)

der von dem Kauf­preis ab­zu­zie­hen ist. Hier­nach steht der Klä­ge­rin ein Be­trag von (34.202,28 € − 13.300,89 € =) 20.901,39 € zu . So­weit die Klä­ge­rin ei­nen dar­über hin­aus­ge­hen­den Be­trag gel­tend macht, der auf ei­ner an­ge­nom­me­nen Ge­samt­fahr­leis­tung des Fahr­zeu­ges von 300.000 km bei ei­ner Fahr­leis­tung im Zeit­punkt der Kla­ger­he­bung von 53.000 km be­ruht, ist die Kla­ge als un­be­grün­det ab­zu­wei­sen.

II. Der Fest­stel­lungs­an­trag der Klä­ge­rin … ist zu­läs­sig und be­grün­det. Sie hat der Be­klag­ten das Fahr­zeug spä­tes­tens seit der Kla­ger­he­bung wört­lich und da­mit aus­rei­chend an­ge­bo­ten (§§ 293, 295 BGB).

III. Zu­läs­sig und be­grün­det ist auch der Fest­stel­lungs­an­trag der Klä­ge­rin …, mit dem sie die Fest­stel­lung zu­künf­ti­gen Scha­dens­er­sat­zes be­gehrt.

Das nach § 256 I ZPO er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se liegt vor. Ein be­rech­tig­tes recht­li­ches und wirt­schaft­li­ches In­ter­es­se an der Fest­stel­lung des Be­ste­hens der Scha­dens­er­satz­ver­pflich­tung der Be­klag­ten ist der Klä­ge­rin nicht ab­zu­spre­chen. In­so­weit kann sie auch nicht auf die Leis­tungs­kla­ge ver­wie­sen wer­den, da ihr ei­ne Be­zif­fe­rung ih­rer An­sprü­che der­zeit nicht oh­ne Wei­te­res mög­lich ist.

Der An­trag ist auch be­grün­det. Die Klä­ge­rin hat in­fol­ge der Lie­fe­rung ei­nes man­gel­haf­ten Fahr­zeugs ge­gen die Be­klag­te ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch ge­mäß §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB. Es scheint zu­min­dest mög­lich, dass der Klä­ge­rin in­fol­ge des Rück­tritts und der da­mit ver­bun­de­nen Rück­ga­be des Fahr­zeu­ges Schä­den durch die An­schaf­fung ei­nes gleich­wer­ti­gen Er­satz­fahr­zeugs et­wa in Ge­stalt von Preis­er­hö­hun­gen ent­ste­hen wer­den. Das Ver­schul­den der Be­klag­ten für die Pflicht­ver­let­zung wird ver­mu­tet (§ 280 I 2 BGB). Die Be­klag­te hat sie ent­las­ten­de Um­stän­de nicht vor­ge­bracht.

IV. Der gel­tend ge­mach­te und zu­tref­fend nach dem Streit­wert von 34.202,28 € be­rech­ne­te Frei­hal­te­an­spruch be­tref­fend die vor­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten nebst ent­ste­hen­der Zin­sen ist ge­mäß §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB un­ter dem Ge­sichts­punkt der Rechts­ver­fol­gung be­grün­det. Die Klä­ge­rin durf­te sich an­ge­sichts der Kom­ple­xi­tät der Sach- und Rechts­la­ge zur Gel­tend­ma­chung ih­rer An­sprü­che vor­ge­richt­li­cher an­walt­li­cher Un­ter­stüt­zung be­die­nen (vgl. Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 75. Aufl., § 249 Rn. 57). Das Ver­schul­den der Be­klag­ten für die Pflicht­ver­let­zung des Kauf­ver­tra­ges wird ver­mu­tet (§ 280 I 2 BGB). Um­stän­de, die sie ent­las­ten, hat die Be­klag­te nicht vor­ge­bracht …

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