1. Es ge­hört re­gel­mä­ßig zu den Min­des­ter­for­der­nis­sen des gut­gläu­bi­gen Er­werbs ei­nes ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeugs, dass sich der Er­wer­ber die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II (Fahr­zeug­brief) vor­le­gen lässt, um die Ver­fü­gungs­be­rech­ti­gung des Ver­äu­ße­rers zu prü­fen. Bei ei­nem pri­va­ten Di­rekt­ge­schäft ist der Er­wer­ber in der Re­gel als gut­gläu­big an­zu­se­hen, wenn er die­se Min­dest­an­for­de­run­gen in gu­tem Glau­ben er­füllt hat (im An­schluss an OLG Braun­schweig, Urt. v. 01.09.2011 – 8 U 170/10, ju­ris Rn. 34).
  2. Der pri­va­te Käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens, dem ge­fälsch­te Fahr­zeug­pa­pie­re vor­ge­legt wer­den, ist in­so­weit nur dann nicht in gu­tem Glau­ben (§ 932 I 1, II BGB), wenn die Fäl­schung au­gen­schein­lich und auf den ers­ten Blick zu er­ken­nen ist. Da­für ge­nügt es nicht, dass der Fahr­zeug­schein (Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil I) und der Fahr­zeug­brief (Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II) vor­geb­lich von ver­schie­de­nen Be­hör­den aus­ge­stellt wur­den, bei­de aber die glei­che Un­ter­schrift auf­wei­sen. Denn dies muss ei­nem Lai­en, der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gun­gen nur kurz­fris­tig beim Er­werb ei­nes Fahr­zeugs in den Hän­den hält, nicht auf­fal­len.
  3. Zwar ge­bie­tet der Stra­ßen­ver­kauf im Ge­braucht­wa­gen­han­del be­son­de­re Vor­sicht, weil er er­fah­rungs­ge­mäß das Ri­si­ko der Ent­de­ckung ei­nes ge­stoh­le­nen Fahr­zeugs min­dert. Ein Stra­ßen­ver­kauf, der sich für den Er­wer­ber als nicht wei­ter auf­fäl­lig dar­stellt, führt aber als sol­cher nicht zu wei­te­ren Nach­for­schungs­pflich­ten für den Er­wer­ber (im An­schluss an BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, ju­ris Rn. 15).
  4. Es gibt kei­nen Er­fah­rungs­satz des In­halts, dass es bei ei­nem pri­va­ten Di­rekt­ge­schäft un­üb­lich ist, den Kauf­preis für ei­nen Ge­braucht­wa­gen (hier: 22.250 €) bar zu zah­len. Aus die­sem Grund muss der Käu­fer nicht des­halb an der Ver­fü­gungs­be­rech­ti­gung des Ver­äu­ße­rers zwei­feln, weil die­ser Bar­zah­lung ver­langt.
  5. Bei ei­nem Ge­braucht­wa­gen­kauf spielt die Iden­ti­tät ei­nes für den Ver­äu­ße­rer (hier: als Bo­te) auf­tre­ten­den Drit­ten für den Er­wer­ber des Fahr­zeugs ei­ne un­ter­ge­ord­ne­te Rol­le. Dass sich der Drit­te nicht aus­wei­sen kann, ist des­halb für sich ge­nom­men nicht ver­däch­tig.

OLG Braun­schweig, Ur­teil vom 10.11.2016 – 9 U 50/16

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin ver­langt von dem Be­klag­ten die Her­aus­ga­be ei­nes als ge­stoh­len ge­mel­de­ten Fahr­zeugs.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge aus § 985 BGB statt­ge­ge­ben (LG Göt­tin­gen, Urt. v. 13.04.2016 – 5 O 153/15). Es hat da­hin­ste­hen las­sen, ob das Fahr­zeug tat­säch­lich ab­han­den­ge­kom­men ist, und ge­meint, der Be­klag­te ha­be das Fahr­zeug je­den­falls nicht gut­gläu­big i. S. des § 932 BGB er­wor­ben. Zwar ha­be dem Be­klag­ten nicht auf­fal­len müs­sen, dass ihm ge­fälsch­te Fahr­zeug­pa­pie­re vor­ge­legt wor­den sei­en; es ge­be aber wei­te­re In­di­zi­en, die zwar nicht für sich ge­nom­men, aber in ih­rer Ge­samt­heit An­lass ge­ge­ben hät­ten, an der Red­lich­keit des Ver­käu­fers zu zwei­feln. Hier­zu zähl­ten un­ter an­de­rem die Ver­kaufs­si­tua­ti­on (Stra­ßen­ver­kauf), der Um­stand, dass dem Be­klag­ten der in den Fahr­zeug­pa­pie­ren Ein­ge­tra­ge­ne nicht per­sön­lich ge­kannt ge­we­sen sei, und die Tat­sa­che, dass der Be­klag­te die Iden­ti­tät des für den Ver­äu­ße­rer Han­deln­den nicht ha­be über­prü­fen kön­nen. Dar­über hin­aus ha­be sich die­se Per­son als nicht un­be­dingt se­ri­ös prä­sen­tiert, und es ha­be nur ein Ex­em­plar des Kauf­ver­trags ge­ge­ben.

Die Be­ru­fung des Be­klag­ten hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Ein An­spruch der Klä­ge­rin ge­gen den Be­klag­ten auf Her­aus­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs … be­steht nicht. Der Her­aus­ga­be­an­spruch aus § 985 BGB setzt vor­aus, dass die Klä­ge­rin Ei­gen­tü­me­rin des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs ist. Dies ist sie nicht mehr. Der Be­klag­te hat das Fahr­zeug gut­gläu­big ge­mäß §§ 929 Satz 1, 932 BGB er­wor­ben.

Ei­ne Ei­ni­gung über den Ei­gen­tums­über­gang i. S. des § 929 Satz 1 BGB ist zwi­schen dem Be­klag­ten und der Per­son, die un­ter dem Na­men des V auf­trat, er­folgt. Die Über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs an den Be­klag­ten schei­tert da­her nicht dar­an, dass der vor Ort auf­tre­ten­de, sich als Bru­der des V aus­ge­ben­de B nicht von V be­voll­mäch­tigt war und die­ser das Rechts­ge­schäft auch nicht ge­neh­migt hat, zu­mal B nicht als Ver­tre­ter des Ver­äu­ße­rers auf­ge­tre­ten ist, son­dern viel­mehr le­dig­lich als Bo­te. Dies könn­te nicht deut­li­cher wer­den als in sei­ner Wei­ge­rung, den vom ver­meint­li­chen Ver­äu­ße­rer be­reits vor­un­ter­schrie­be­nen Kauf­ver­trag mit zu un­ter­schrei­ben.

Auch die Kauf­preis­min­de­rung wur­de nicht mit dem vor Ort an­we­sen­den B, son­dern te­le­fo­nisch mit dem ver­meint­li­chen Ver­äu­ße­rer aus­ge­han­delt.

Der Be­klag­te hat das Fahr­zeug auch gut­gläu­big er­wor­ben. Bei ei­ner nach § 929 Satz 1 BGB er­folg­ten Über­eig­nung wird der Er­wer­ber auch dann Ei­gen­tü­mer, wenn die Sa­che nicht dem Ver­äu­ße­rer ge­hört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach die­ser Vor­schrift das Ei­gen­tum er­wer­ben wür­de, nicht in gu­tem Glau­ben ist (§ 932 I 1 BGB). Nach § 932 II BGB ist der Er­wer­ber nicht in gu­tem Glau­ben, wenn ihm be­kannt oder in­fol­ge gro­ber Fahr­läs­sig­keit un­be­kannt ist, dass die Sa­che nicht dem Ver­äu­ße­rer ge­hört.

Un­ter der hier nur in Be­tracht kom­men­den Al­ter­na­ti­ve der gro­ben Fahr­läs­sig­keit wird im All­ge­mei­nen ein Han­deln ver­stan­den, bei dem die er­for­der­li­che Sorg­falt den ge­sam­ten Um­stän­den nach in un­ge­wöhn­lich gro­ßem Ma­ße ver­letzt wor­den ist und bei dem das­je­ni­ge un­be­ach­tet ge­blie­ben ist, was im ge­ge­be­nen Fall je­dem hät­te ein­leuch­ten müs­sen (BGH, Urt. v. 18.06.1980 – VI­II ZR 119/79, BGHZ 77, 274, 276; Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 11).

Die An­nah­me, dass im vor­lie­gen­den Fall ei­ne be­son­de­re Ver­dachts­la­ge ge­ge­ben ge­we­sen sei, die den Be­klag­ten ver­pflich­tet ha­be, wei­te­re Er­kun­di­gun­gen ein­zu­zie­hen, über­spannt die sich aus § 932 II BGB er­ge­ben­den Sorg­falts­an­for­de­run­gen:

Re­gel­mä­ßig zu den Min­des­ter­for­der­nis­sen gut­gläu­bi­gen Er­werbs ei­nes Fahr­zeugs ge­hört es, dass sich der Er­wer­ber den Kraft­fahr­zeug­brief vor­le­gen lässt, um die Be­rech­ti­gung des Ver­äu­ße­rers zu prü­fen (BGH, Urt. v. 13.05.1996 – II ZR 222/95, NJW 1996, 2226, 2227). Dies hat der Be­klag­te ge­tan. B hat­te die Fahr­zeug­pa­pie­re da­bei (Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil I und Teil II), in de­nen je­weils V ein­ge­tra­gen war. Dass es sich bei den Fahr­zeug­pa­pie­ren um Fäl­schun­gen han­del­te, muss­te der Be­klag­te nicht er­ken­nen. Nach den kri­mi­nal­tech­ni­schen Un­ter­su­chun­gen steht fest, dass die ver­wen­de­ten For­mu­la­re für die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil I und Teil II je­weils echt sind und aus ei­ner Se­rie ent­wen­de­ter Blan­ko­for­mu­la­re stam­men. Der Um­stand, dass die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil I von der Stadt Frei­burg aus­ge­stellt war, wäh­rend die am glei­chen Tag aus­ge­stell­te Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II von der Bun­des­haupt­stadt Ber­lin aus­ge­stellt war, und bei­de trotz­dem die glei­che Un­ter­schrift auf­wei­sen, muss­te dem Be­klag­ten als Lai­en nicht auf­fal­len, zu­mal sein Prü­fungs­in­ter­es­se der Per­son des Ver­äu­ße­rers und nicht der Aus­stel­lungs­be­hör­de galt. Bei dem hier vor­lie­gen­den Di­rekt­ge­schäft zwi­schen Pri­vat­leu­ten ist ein Pri­vat­käu­fer, der die dar­ge­stell­ten Min­dest­an­for­de­run­gen in gu­tem Glau­ben er­füllt hat, in der Re­gel als red­lich an­zu­se­hen (OLG Braun­schweig, Urt. v. 01.09.2011 – 8 U 170/10, ju­ris Rn. 34, un­ter Ver­weis auf Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 10. Aufl., Rn. 2264). Denn er ist Pri­vat­käu­fer, der nur bei Er­werb ei­nes Fahr­zeugs kurz­fris­tig die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung in den Hän­den hält. Au­gen­schein­lich und auf den ers­ten Blick war die Fäl­schung nicht zu er­ken­nen.

Ein be­son­de­res Ver­dachts­mo­ment aus Sicht des Käu­fers stellt auch nicht der Um­stand dar, dass das Ge­schäft auf der Stra­ße ab­ge­wi­ckelt wor­den ist. Zwar ge­bie­tet der Stra­ßen­ver­kauf im Ge­braucht­wa­gen­han­del be­son­de­re Vor­sicht, weil er er­fah­rungs­ge­mäß das Ri­si­ko der Ent­de­ckung ei­nes ge­stoh­le­nen Fahr­zeugs min­dert (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, ju­ris Rn. 15; Urt. v. 09.10.1991 – VI­II ZR 19/91, NJW 1992, 310). Ein Stra­ßen­ver­kauf führt aber als sol­cher noch nicht zu wei­ter­ge­hen­den Nach­for­schungs­pflich­ten, wenn er sich für den Er­wer­ber als nicht wei­ter auf­fäl­lig dar­stellt (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, ju­ris Rn. 15). Vor­lie­gend hat sich der Ver­käu­fer nicht als Fahr­zeug­händ­ler aus­ge­wie­sen, bei dem man üb­li­cher­wei­se ein Ge­schäfts­lo­kal er­war­ten kann. Hier han­del­te es sich um ei­nen Pri­vat­ver­kauf. Der Treff­punkt lag in ei­ner Wohn­ge­gend, nur cir­ca 500 m ent­fernt von der aus den Fahr­zeug­un­ter­la­gen er­sicht­li­chen Adres­se des Ver­äu­ße­rers. Dass zu der an­ge­ge­be­nen Adres­se auch ein Park­platz ge­hört, ist noch nicht ein­mal vor­ge­tra­gen. Es ist durch­aus üb­lich, dass pri­va­te Hal­ter ih­re Pkw in der Nä­he der Woh­nung an der Stra­ße ab­stel­len.

In­wie­weit der „nicht ge­rin­ge Kauf­preis“ von 22.250 € zur be­son­de­ren Auf­merk­sam­keit an­hal­ten muss­te, ist nicht nach­voll­zieh­bar. Dass der Kauf­preis dem Wert des Fahr­zeugs nicht an­ge­mes­sen war, ist von kei­ner Sei­te vor­ge­tra­gen. In­so­weit be­grün­det ein an­ge­mes­se­ner oder zu ho­her Preis auch kei­ne Ver­dachts­si­tua­ti­on, die­se wä­re viel­mehr bei ei­nem of­fen­kun­dig güns­ti­gen Preis ge­ge­ben.

Ein Ver­dacht be­grün­det hier auch nicht der Um­stand, dass der Be­klag­te den Kauf­preis in Hö­he von 22.250 € in bar ge­zahlt hat. Das Ver­lan­gen ei­ner Bar­zah­lung soll zwar ei­nen Ver­dacht be­grün­den, wenn es sich um be­son­ders hoch­wer­ti­ge Kauf­sa­chen han­delt, so et­wa in ei­nem Fall des in­ter­na­tio­na­len Han­dels­ver­kehrs, in dem der Ver­käu­fer den Kauf­preis von 477.700 DM in bar ver­lang­te, weil ei­ne Bar­zah­lung in sol­cher Hö­he im in­ter­na­tio­na­len Han­dels­ver­kehr un­üb­lich ist (OLG Mün­chen, Urt. v. 19.09.1996 – 29 U 5689/95, OLGR 1997, 59). Ein ver­gleich­ba­rer Fall liegt hier je­doch schon we­gen des weit­aus ge­rin­ge­ren Kauf­prei­ses nicht vor. Ein Er­fah­rungs­satz der­art, dass ei­ne Bar­zah­lung in der Hö­he im Ver­kauf zwi­schen Pri­va­ten un­üb­lich sei, gibt es nicht. Auch ist nicht vor­ge­tra­gen, dass der Ver­äu­ße­rer die Bar­zah­lung ver­langt hät­te.

We­der der Man­gel an per­sön­li­cher Be­kannt­schaft des Be­klag­ten mit dem Ver­äu­ße­rer noch die feh­len­de Über­prü­fungs­mög­lich­keit der Iden­ti­tät und Be­rech­ti­gung des für den Ver­äu­ße­rer Auf­tre­ten­den stel­len Ver­dachts­mo­men­te dar. So­wohl der Ver­trags­schluss im schrift­li­chen We­ge als auch der Ver­trags­schluss durch Ein­schal­tung Drit­ter, Bo­ten oder Ver­tre­ter, sind im Rechts­ver­kehr üb­lich und be­grün­den für sich ge­nom­me­nen kein Ver­dachts­mo­ment. Ge­nau­so we­nig ist es üb­lich, sich bei Bar­geld­schäf­ten durch ein Ori­gi­nal­do­ku­ment aus­zu­wei­sen oder sei­ne Ver­tre­tungs­be­rech­ti­gung nach­zu­wei­sen. Für den Be­klag­ten bot sich hier auch kein An­lass, wei­te­re Er­kun­di­gun­gen ein­zu­ho­len. Viel­mehr hat der Be­klag­te das aus sei­ner Sicht Er­for­der­li­che ge­tan, um die Iden­ti­tät und die Be­rech­ti­gung des Ver­äu­ße­rers zu über­prü­fen. Denn für ihn als Er­wer­ber des Fahr­zeugs ist grund­sätz­lich die Über­ein­stim­mung der Na­men des Ver­äu­ße­rers und des aus den Fahr­zeug­pa­pie­ren er­sicht­li­chen Hal­ters von Be­lang (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 9). An der Be­rech­ti­gung des für den Ver­äu­ße­rer auf­tre­ten­den Drit­ten muss­te der Be­klag­te kei­ne Zwei­fel ha­ben. Des­sen Er­schei­nen war ihm an­ge­kün­digt, er war im Be­sitz des Fahr­zeugs, der ver­meint­lich da­zu­ge­hö­ri­gen Fahr­zeug­pa­pie­re und Schlüs­sel, ei­nes vor­ge­fer­tig­ten Kauf­ver­trags mit Ein­trag des zu­vor mit dem Ver­äu­ße­rer te­le­fo­nisch aus­ge­han­del­ten Kauf­prei­ses und ei­ner Fo­to­ko­pie des Aus­wei­ses des Ver­äu­ße­rers, und er te­le­fo­nier­te wäh­rend der Über­ga­be mit dem ver­meint­li­chen Ver­äu­ße­rer.

Die Iden­ti­tät des für den Ver­äu­ße­rer auf­tre­ten­den Drit­ten spielt für den Er­wer­ber ei­nes Fahr­zeugs ei­ne un­ter­ge­ord­ne­te Rol­le, so­dass al­lein die Tat­sa­che, dass sich der Drit­te nicht aus­wei­sen konn­te, kein Ver­dachts­mo­ment be­grün­de­te. Erst recht nicht ver­däch­tig ist der Um­stand, dass der Drit­te sei­ne Un­ter­schrift auf den Kauf­ver­trag ver­wei­ger­te, denn er trat ja aus­drück­lich nicht als Ver­tre­ter, son­dern als Bo­te auf und stell­te für das Ge­spräch über die Kauf­preis­min­de­rung ei­nen te­le­fo­ni­schen Kon­takt zu dem Ver­äu­ße­rer her. Schließ­lich lässt das Ein­ge­ständ­nis des Drit­ten, er ha­be sei­nen Füh­rer­schein ab­ge­ben müs­sen we­gen Ana­bo­li­ka­pro­ble­men, ihn nicht der­art un­se­ri­ös er­schei­nen, dass Vor­sicht wal­ten zu las­sen ge­we­sen wä­re. Ei­nen Er­fah­rungs­satz da­hin ge­hend, dass Men­schen, die ih­ren Füh­rer­schein ab­ge­ben muss­ten, zur Be­ge­hung von Ei­gen­tums- und/oder Ver­mö­gens­de­lik­ten nei­gen, gibt es nicht, zu­mal der of­fe­ne Um­gang mit dem Füh­rer­schein­ent­zug auch durch­aus ver­trau­ens­be­grün­dend zu be­wer­ten sein kann.

In An­be­tracht der Tat­sa­che, dass B auf der Pro­be­fahrt Ko­pier­mög­lich­kei­ten für den Kauf­ver­trag such­te, um ein Ex­em­plar zu be­hal­ten, ist die Vor­la­ge nur ei­nes Ex­em­plars nicht ver­däch­tig. Das Glei­che gilt für die feh­len­de Er­gän­zung der Kauf­preis­min­de­rung und Quit­tie­rung der Kauf­preis­zah­lung, denn bei­des fand in An­we­sen­heit zwei­er im La­ger des Be­klag­ten ste­hen­der Zeu­gen statt, so­dass die­ser im Fal­le ei­nes spä­te­ren Recht­streits sich sei­ner Be­weis­füh­rung si­cher sein konn­te.

Auch in der Zu­sam­men­schau al­ler von der Klä­ger­sei­te und dem Land­ge­richt an­ge­führ­ten In­di­zi­en er­gab sich kei­ne be­son­de­re Ver­dachts­la­ge, die den Be­klag­ten ver­pflich­tet hät­te, wei­te­re Er­kun­di­gun­gen ein­zu­zie­hen. Der Be­klag­te war gut­gläu­big i. S. des § 932 BGB.

Dem Ei­gen­tums­er­werb durch den Be­klag­ten steht nicht ent­ge­gen, dass das Fahr­zeug ge­mäß § 935 I 2 BGB ab­han­den­ge­kom­men ist. Dem Zeu­gen V ist das Fahr­zeug nicht ab­han­den­ge­kom­men. Das Ab­han­den­kom­men setzt vor­aus, dass der Zeu­ge V den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz oh­ne sei­nen Wil­len ver­lo­ren hat. Das Ab­han­den­kom­men hat die Klä­ge­rin zu be­wei­sen. Die­sen Be­weis hat sie nicht ge­führt.

Nach der Be­weis­auf­nah­me ist das Ge­richt nicht da­von über­zeugt, dass der Zeu­ge den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz des Fahr­zeugs oh­ne sei­nen Wil­len ver­lo­ren hat. Die Zwei­fel dar­an be­ru­hen auf zahl­rei­chen ver­dachts­er­re­gen­den Um­stän­den die Tat be­tref­fend und un­auf­ge­klär­ten Wi­der­sprü­chen in dem Aus­sa­ge­ver­hal­ten des Zeu­gen.

So hat der Zeu­ge an­ge­ge­ben kurz vor dem Ver­lust sei­nes Fahr­zeugs sei­ne Bauch­ta­sche mit Fahr­zeug­schein und Fahr­zeug­schlüs­sel ver­lo­ren zu ha­ben. Hier­bei sei er sich si­cher, nicht Op­fer ei­nes Dieb­stahls ge­wor­den zu sein, denn er hät­te auf dem Weg von der Woh­nung zum Eis­ver­kauf mer­ken müs­sen, dass ihn je­mand an­fas­se. Ei­ne über­zeu­gen­de Er­klä­rung da­für, wie der spä­te­re Ver­käu­fer an den ver­lo­re­nen Schlüs­sel ge­langt ist, hat der Zeu­ge nicht ge­ben kön­nen. Es mu­tet selt­sam an, dass er spä­te­re Ver­käu­fer zu­fäl­lig die Bauch­ta­sche fin­det, ins­be­son­de­re dann, wenn es sich wie hier bei dem Ver­käu­fer um ei­nen Be­kann­ten des Zeu­gen han­delt, zu dem ei­ne der­art en­ge Ver­trau­ens­be­zie­hung be­steht, dass der Zeu­ge ihn das Fahr­zeug auch leiht.

Wei­ter ver­wun­dert, dass der Zeu­ge kei­nen Groll ge­gen­über sei­nem Be­kann­ten, B, we­gen sei­ner Mit­wir­kung beim Ver­kauf des Fahr­zeugs zu he­gen scheint. Er hat zwar aus­ge­sagt, mit B ge­strit­ten zu ha­ben, als die­ser ei­nen Un­fall mit dem Au­to ge­habt und das Au­to ei­ne Wo­che zu lang ein­be­hal­ten ha­be. Dass er ihn we­gen des Ver­kaufs zur Re­de ge­stellt ha­be, hat der Zeu­ge je­doch nicht be­kun­det. Viel­mehr hat er noch in der münd­li­chen Ver­hand­lung an­ge­ge­ben, sich nicht vor­stel­len zu kön­nen, dass B ei­ne sol­che Tat be­gan­gen hat.

Auch was sei­nen Kon­takt zu B nach dem Un­fall bzw. nach dem Ver­kauf sei­nes Fahr­zeugs an­geht, hat der Zeu­ge wi­der­sprüch­li­che An­ga­ben ge­macht. In der münd­li­chen Ver­hand­lung hat der Zeu­ge aus­ge­sagt, B nicht mehr ge­se­hen zu ha­ben, nach­dem ihm die­ser das Au­to zu­rück­ge­ge­ben ha­be, wäh­rend er in sei­ner po­li­zei­li­chen Ver­neh­mung zu Pro­to­koll ge­ge­ben hat, B nach dem an­ge­zeig­ten Dieb­stahl noch ein­mal ge­trof­fen zu ha­ben. Auf den Wi­der­spruch an­ge­spro­chen, hat er ei­ne aus­wei­chen­de Ant­wort ge­ge­ben.

Aus­wei­chen­de Ten­den­zen zeig­te sein ge­sam­tes Aus­sa­ge­ver­hal­ten. Auf­ge­zeig­te Un­ge­reimt­hei­ten hat der Zeu­ge schlicht­weg igno­riert und nicht ge­stell­te, fik­ti­ve Fra­gen be­ant­wor­tet. So hat er auch nicht er­klärt, war­um er die all­ge­mei­ne Fra­ge, ob er B ken­ne, be­jaht und aus­ge­sagt hat, B hel­fe ihm beim Über­set­zen, was sich auf ei­ne ge­gen­wär­ti­ge Tä­tig­keit be­zieht, ob­wohl er da­nach er­klärt hat, ihn seit dem Un­fall nicht mehr ge­se­hen zu ha­ben. Ent­ge­gen der An­sicht der Klä­ge­rin weist die Ver­wen­dung von Prä­sens und Prä­te­ritum kei­ne „Spann­brei­te“ auf – was wohl im Sin­ne ei­nes In­ter­pre­ta­ti­ons­spiel­raums zu ver­ste­hen sein soll. Die Ver­b­form Prä­sens drückt die Ge­gen­warts­form aus, wäh­rend das Prä­te­ritum die Ver­gan­gen­heit be­schreibt. Ent­we­der es be­steht ak­tu­ell Kon­takt zu B oder es be­steht kei­ner. Ein Spiel­raum ist hier nicht ge­ge­ben. Der sich im Ver­gleich mit den An­ga­ben bei der Po­li­zei er­ge­be­ne Wi­der­spruch lässt sich je­den­falls nicht mit ei­ner „Spann­brei­te“ der Zeit­for­men er­klä­ren. Hier sind kon­kre­te Zweit­punk­te (nach Un­fall – nach „Dieb­stahl“) ge­nannt.

Gänz­lich un­plau­si­bel ist die Er­klä­rung des Zeu­gen zu der An­ga­be ver­schie­de­ner Tat­zeit­punk­te. In der Straf­an­zei­ge vom 09.06.2014 hat der Zeu­ge den Be­ginn der Tat­zeit mit dem 07.06.2014, im Fra­ge­bo­gen vom 25.07.2014 hin­ge­gen mit dem 06.06.2014 an­ge­ge­ben. Tat­säch­lich kann das Fahr­zeug nicht erst am 07.06.2014 „ge­stoh­len“ wor­den sein, weil der Ver­kauf an den Be­klag­ten be­reits am 06.06.2014 statt­ge­fun­den hat. Sei­ne An­ga­be, es sei ein an­de­res Fahr­zeug sei­nem gleich in der Nä­he sei­ner Woh­nung ab­ge­stellt ge­we­sen, er­klärt die An­ga­be ei­ner fal­schen Tat­zeit je­den­falls nicht. Denn spä­tes­tens an dem Mor­gen, an dem der Zeu­ge zu sei­nem ei­ge­nen Au­to ge­gan­gen sein will, muss ihm auf­ge­fal­len sein, dass er die Fahr­zeu­ge ver­wech­selt hat. Sei­ne man­geln­den Deutsch­kennt­nis­se er­klä­ren auch nicht den feh­ler­haf­ten Ein­trag, denn auch im Tür­ki­schen wer­den die Zah­len mit ara­bi­schen Zif­fern ge­schrie­ben. Auf­fäl­lig ist wei­ter­hin, dass er die Ge­schich­te mit ei­nem sei­nem Fahr­zeug glei­chen­den an­de­ren Fahr­zeug bei der Po­li­zei nicht er­wähnt hat.

Nach al­le­dem hält das Ge­richt we­der die An­ga­ben des Zeu­gen für glaub­haft noch sei­ne Per­son für glaub­wür­dig. Das Ge­richt ist da­her nicht da­von über­zeugt, dass das Fahr­zeug oh­ne den Wil­len des Zeu­gen den Be­sit­zer ge­wech­selt hat. …

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