1. Dass der private Veräußerer eines Gebrauchtwagens nicht in der Zulassungsbescheinigung Teil II als Halter des Fahrzeugs ausgewiesen ist, steht einem gutgläubigen Erwerb des Eigentums an dem Fahrzeug (§ 929 Satz 1, § 932 I 1, II BGB) nicht entgegen, wenn der Erwerber diesen Umstand ausdrücklich thematisiert und vom Veräußerer eine glaubhafte und überzeugende Erklärung erhält (hier: Erklärung des Verkäufers, er verkaufe das Fahrzeug im Auftrag des angegebenen Halters).
  2. Ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums an einem Gebrauchtwagen ist nicht per se deshalb ausgeschlossen, weil der Veräußerer dem Erwerber nicht sämtliche Fahrzeugschlüssel übergeben kann. Vielmehr ist ein gutgläubiger Erwerb möglich, wenn der Veräußerer das Vorhandensein eines Zweitschlüssels nicht generell verneint, sondern – hier: mit einem Umzug – erklärt, warum der Zweitschlüssel gerade nicht verfügbar sei, und dem Erwerber (schriftlich) zusagt, er werde den Zweitschlüssel kurzfristig nachreichen (im Anschluss an OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.05.2017 – 2 U 72/16).
  3. Der Käufer eines Gebrauchtwagens handelt nicht ohne Weiteres grob fahrlässig i.S. von § 932 II BGB, weil er weitere Nachforschungen unterlässt, obwohl ihm der Käufer einen Preisnachlass von 2.600 € gewährt, nachdem er zunächst einen ausdrücklich als „Verhandlungsbasis“ bezeichneten Kaufpreis von 29.900 € genannt hatte, die Verkaufsverhandlungen nicht bei dem Verkäufer zu Hause, sondern auf einem öffentlichen Parkplatz stattfinden und der Verkäufer dem Käufer nicht sämtliche Fahrzeugschlüssel übergeben kann.
  4. Dass sich der Erwerber eines Gebrauchtwagens vom Veräußerer keine Übereinstimmungsbescheinigung (Certificate of Conformity – COC) vorlegen lässt, begründet nicht einmal den Vorwurf leichter Fahrlässigkeit und hindert deshalb einen gutgläubigen Erwerb des Eigentums an dem Fahrzeug nicht.
  5. Wer geltend macht, jedenfalls gutgläubig das Eigentum an einem Kraftfahrzeug gemäß § 929 Satz 1, § 932 I 1, II BGB erworben zu haben, muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihm der Veräußerer das Fahrzeug übergeben und eine Einigung über den Eigentumsübergang i. S. von § 929 Satz 1 BGB stattgefunden hat. Es ist dann Sache desjenigen, der einen (zumindest gutgläubigen) Eigentumserwerb in Abrede stellt, darzulegen und zu beweisen, dass das Fahrzeug nicht dem Veräußerer gehörte und der Erwerber nicht in gutem Glauben war, etwa weil er gebotene Nachforschungen unterlassen habe. Bestand wegen einer „Verdachtssituation“ Anlass zu weiteren Nachforschungen, so muss derjenige, der sich auf einen (zumindest gutgläubigen) Eigentumserwerb beruft, darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er die gebotenen Nachforschungen angestellt hat.
  6. Wer gemäß § 929 Satz 1, § 932 I 1, II BGB gutgläubig Eigentümer eines Gebrauchtwagens geworden ist, aber nur über eine gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) verfügt, hat gegen den bisherigen Eigentümer des Fahrzeugs – hier: einer Leasinggesellschaft – einen Anspruch auf Herausgabe der echten Zulassungsbescheinigung Teil II (§ 985 BGB i. V. mit § 952 II BGB in zumindest analoger Anwendung).

LG Stuttgart, Urteil vom 18.01.2019 – 23 O 166/18

Sachverhalt: Der Kläger begehrt von der beklagten Leasinggesellschaft hauptsächlich die Herausgabe der zu einem Mercedes-Benz E 220 d gehörenden Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief). Widerklagend verlangt die Beklagte von dem Kläger die Herausgabe des ursprünglich dem L verleasten Fahrzeugs.

Am 03.02.2018 schlossen die Beklagte als Leasinggeberin und L als Leasingnehmer einen Leasingvertrag über den streitgegenständlichen Mercedes-Benz E 220 d, und die Beklagte überließ L das Fahrzeug.

Am 24.04.2018 entdeckte der Kläger auf der Internetplattform „mobile.de“ ein Inserat, in dem der Mercedes-Benz E 220 d für 29.900 € zum Kauf angeboten wurde. Am selben Tag fuhr er mit seiner Ehefrau zu dem Verkäufer, der sich „Amin Farin“ nannte, nach Dortmund und schloss – nach Besichtigung des Fahrzeugs – einen schriftlichen Kaufvertrag über den Mercedes-Benz E 220 d. In diesem Vertrag ist die „Pass-Nr.“ des Verkäufers vermerkt. Außerdem heißt es im Kaufvertrag, der Kläger (Käufer) habe das Fahrzeug nebst Schlüsseln und Kennzeichen, die Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) und Teil II (Fahrzeugbrief) und Bescheinigungen über die letzte Haupt- und die letzte Abgasuntersuchung erhalten. Unter „Besondere Vereinbarungen“ ist vermerkt: „Der 2. Schlüssel wird innerhalb einer Woche zugesendet!“

Wie sich später herausstellte, ist die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief), die der Kläger am 24.04.2018 erhielt, eine Fälschung.

Spätere Ermittlungen ergaben, dass sich der Verkäufer „Amin Farin“ und L mit anderen Personen zu einer – mutmaßlich osteuropäischen und vornehmlich in Nordrhein-Westfalen agierenden – Bande zusammengeschlossen hatten, um hochwertige Kraftfahrzeuge (insbesondere) zu stehlen und zu unterschlagen.

Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde am 22.05.2018 unter Vorlage der – nicht als Fälschung erkannten – Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) mit neuem Kennzeichen auf den Kläger zugelassen.

Am selben Tag wurde das in einer Tiefgarage abgestellte Fahrzeug zwischen 10.00 Uhr und 11.30 Uhr gestohlen. Zu einem Fahrzeugdiebstahl war es in der Vergangenheit auch bei anderen von der osteuropäischen Bande Geschädigten gekommen; der Bande war es so möglich, das jeweilige Fahrzeug ein zweites Mal zu verkaufen. Nachdem der Kläger noch am 22.05.2018 Strafanzeige erstattet hatte, konnte der Mercedes-Benz E 220 d am 27.05.2018 per GPS in Dortmund geortet und polizeilich sichergestellt werden; es gelang jedoch nicht, „Amin Farin“ dingfest zu machen.

Der Kläger ließ das Fahrzeug nachfolgend außer Betrieb setzen. Die gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) behielt die Polizei ein, und der Kläger erfuhr in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte Besitzerin der originalen Zulassungsbescheinigung Teil II ist. Deren Herausgabe verlangte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 30.07.2018. Die Beklagte – vertreten durch die AKM Deutschland GmbH – verlangte ihrerseits von dem Kläger unter dem 09.08.2018 die Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

Der Kläger macht geltend, es habe keine Umstände gegeben, die seinen Argwohn hätten wecken und ihm vom Erwerb des Mercedes-Benz E 220 d abhalten müssen; er habe das Eigentum an dem Fahrzeug deshalb gutgläubig erworben. In dem „mobile.de“-Inserat sei der angegebene Kaufpreis (29.900 €) als „Verhandlungsbasis“ bezeichnet gewesen. Der Verkäufer habe schon mit Blick auf seine – des Klägers – Fahrt von Baden-Württemberg nach Dortmund und auf bereits bei der telefonischen Kontaktaufnahme genannte fällige Reparaturen (Bremsen, Reifen) einen Preisnachlass angeboten Letztlich habe es einen Nachlass auch wegen einer Beschädigung der Karosserie oberhalb des rechten Frontscheinwerfers und wegen seines – des Klägers – Verhandlungsgeschicks gegeben; der Kaufpreis habe schließlich, wie im schriftlichen Kaufvertrag festgehalten, 27.300 € betragen. Er – der Kläger – und seine Ehefrau seien davon ausgegangen, dass der im (gefälschten) Fahrzeugbrief eingetragene „Amin Farin“ Eigentümer des Mercedes-Benz E 220 d gewesen sei.

Die Beklagte behauptet demgegenüber, für den Kläger sei ersichtlich gewesen, dass er es mit einer gefälschten Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) zu tun gehabt habe, weil auf dem gefälschten Dokument der Barcode-Aufkleber mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer fehle. Außerdem hätte den Kläger misstrauisch machen müssen, dass als Voreigentümerin in der Zulassungsbescheinigung nur „Mercedes-Benz Niederlassung“ ohne Firmierung und Ortsangabe angegeben sei, er einen Preisnachlass von 2.600 € erhalten habe und der Verkäufer ihm keinen Zweitschlüssel habe übergeben können, sondern ihm diesen habe zusenden wollen. Darüber hinaus – so behauptet die Beklagte – habe der Kläger versäumt, die angegebene Fahrzeug-Identifizierungsnummer mit der am Fahrzeug angebrachten Nummer zu vergleichen, und er habe vom Verkäufer nicht die Vorlage einer Übereinstimmungsbescheinigung (Certificate of Conformity – COC) verlangt.

Die Klage hatte Erfolg, während die Widerklage erfolglos blieb.

Aus den Gründen: I. 1. Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 985 I BGB einen Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II zum streitgegenständlichen Kraftfahrzeug Mercedes-Benz E 220 d. Der Kläger ist gemäß § 929 Satz 1, § 932 I 1, II BGB Eigentümer des streitgegenständlichen Mercedes-Benz geworden. Dem Kläger steht als Eigentümer demzufolge analog § 952 I BGB ein Anspruch auf Herausgabe an der Zulassungsbescheinigung Teil II, die sich im Besitz der Beklagten befindet, zu, weil das Eigentum an der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) dem Eigentum zum zugehörigen Kraftfahrzeug nachfolgt (Palandt/Herrler, BGB, 77. Aufl., § 952 Rn. 7). Dem Vindikationsanspruch des Klägers gemäß § 985 BGB steht kein Recht der Beklagten zum Besitz gemäß § 986 BGB entgegen.

Die Beklagte hat hingegen keinen Anspruch auf Herausgabe des Kraftfahrzeugs gemäß § 985 BGB, weil sie ihr Eigentum durch den Erwerbsvorgang am 24.04.2018 gemäß § 929 Satz 1, § 932 I 1, II BGB verloren hat. Der Kläger hatte beim Erwerbsvorgang gemäß § 932 I 1, II BGB weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis davon, dass die Sache, das streitgegenständliche Kraftfahrzeug, nicht dem Veräußerer gehörte.

Der Kläger hat sich nach Überzeugung des Gerichts nach Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung mit dem Verkäufer, einem Herrn „Amin Farin“, in Dortmund über den Übergang des Eigentums an dem Mercedes-Benz geeinigt, der Verkäufer hat dem Kläger den unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug verschafft, und der Kläger war hierbei und bei Vollendung des Eigentumserwerbs gutgläubig (§ 929 Satz 1, § 932 I 1, II BGB). Der Kläger wusste nach § 932 II BGB nicht, dass der Mercedes-Benz nicht dem Verkäufer, sondern einem Dritten, der Beklagten, gehörte. Das Kraftfahrzeug war auch nicht gemäß § 935 I BGB abhandengekommen, weil es vom Leasingnehmer L zum Nachteil der Beklagten als Leasinggeberin unterschlagen worden war und unterschlagene Sachen bekanntlich nicht gemäß § 935 I BGB nicht abhandengekommen sind.

a) Der Kläger hat sich mit dem Verkäufer am 24.04.2018 unstreitig über den Übergang des Eigentums an dem Fahrzeug geeinigt. Die Übergabe der Sache an den Käufer fand ebenfalls unstreitig am 24.04.2018 statt (vgl. auch Kaufvertrag vom 24.04.2018 mit Empfangs- und Übergabebestätigung). Der Verkäufer „Amin Farin“ hat dem Kläger damit unstreitig den unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug verschafft.

b) Der Kläger war bei Vollendung des gerade genannten Eigentumserwerbs gutgläubig (§ 932 I 1, II BGB).

aa) Die Darlegungs- und Beweislast verteilt sich wie folgt: Wer sich auf eigenen Eigentumserwerb gemäß § 932 I 1, II BGB beruft, muss die tatsächlichen Erwerbsvoraussetzungen des § 929 Satz 1 BGB beweisen, die hier unstreitig vorliegen. Wer den Eigentumserwerb bestreitet, hier die Beklagte, muss das Nichteigentum des Veräußerers und tatsächliche Umstände für die Bösgläubigkeit (z. B. das Bestehen einer besonderen Nachforschungspflicht) des Erwerbers, hier des Klägers, beweisen (OLG Hamm, Urt. v. 08.07.2013 – 5 U 111/12, NJW-RR 2014, 277, 279; BGH, Urt. v. 05.10.1981 – VIII ZR 235/80, NJW 1982, 38, 39). Bestehen ausnahmsweise besondere Nachforschungspflichten, muss der, der sich auf den Erwerb beruft, die Bösgläubigkeit des Erwerbers substanziiert bestreiten, indem er die getätigten Nachforschungen darlegt und beweist (Palandt/Herrler, a. a. O., § 932 Rn. 15).

bb) Nach Stimmen in der Literatur war und ist die Rechtsprechung zum gutgläubigen Erwerb von Kraftfahrzeugen unübersichtlich (statt vieler: Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2017, § 932 Rn. 139). Dies liege zum Teil daran, dass die meisten Fälle bei den Oberlandesgerichten und häufig unterschiedlich entschieden würden. Die Entscheidung hänge letztendlich von den jeweils konkreten Einzelumständen ab, die aus den publizierten Urteilsgründen nicht immer entnommen werden könnten (Staudinger/Wiegand, a. a. O., § 932 Rn. 139).

Nach der Rechtsprechung des BGH ist jedoch die Frage, ob ein Erwerber einer Sache sich eine grobe Fahrlässigkeit gemäß § 932 II BGB vorwerfen lassen muss, im Wesentlichen eine Tatfrage. Maßgebend sind jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls, was eine schematische Betrachtungsweise verbietet (BGH, Urt. v. 13.04.1994 – II ZR 196/93, NJW 1994, 2022, 2023 = juris Rn. 15). Die Nachprüfung durch das Revisionsgericht ist darauf beschränkt, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt wurde oder ob Verstöße gegen § 286 ZPO, Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen (BGH, Urt. v. 13.04.1994 – II ZR 196/93, NJW 1994, 2022, 2023 = juris Rn. 15; Urt. v. 11.05.1953 – IV ZR 170/52, BGHZ 10, 14, 16; Urt. v. 05.10.1989 – IX ZR 265/88, NJW 1990, 899, 900 m. w. Nachw.).

Zu einem vom OLG Stuttgart (Urt. v. 27.02.2013 – 3 U 140/12, WM 2013, 1481) entschiedenen Fall hat der BGH in Bestätigung des OLG Stuttgart einen gutgläubigen Erwerb des Käufers mit Urteil vom 13.12.2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 – beispielsweise ohne Weiteres angenommen. Der BGH führt in der genannten Entscheidung (Rn. 4) aus, dass der Erwerber nicht aufgrund der Antwort des Verkäufers auf die Frage nach dem Bordbuch und dem Servicescheckheft und auch nicht aufgrund der Umstände des Verkaufs habe misstrauisch werden müssen. Die Herabsetzung des Kaufpreises um 4.000 € von rund 46.000 € auf 42.000 € sei angesichts der Laufleistung des Kraftfahrzeugs von rund 2.000 km angemessen gewesen. Dass der Verkäufer nicht als Halter eines Fahrzeugs in den Zulassungspapieren aufgeführt gewesen sei, sei nicht ungewöhnlich bei einem Händler, da die Voreintragung aufwändig sei und die Eintragung zusätzlicher früherer Halter zu Wertverlusten führe. In dem vom BGH und vom OLG Stuttgart zu entscheiden Fall (OLG Stuttgart, Urt. v. 27.02.2013 – 3 U 140/12, WM 2013, 1481; BGH, Urt. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227) waren der Zweitschlüssel, das Bordbuch und das Scheckheft nicht im Fahrzeug, sondern diese Gegenstände wurden, insbesondere der Zweitschlüssel, vom Verkäufer dem dortigen Käufer und Erwerber des Fahrzeugs wenige Tage später, wie bei Übergabe des Fahrzeugs zugesagt, nachträglich zugesandt.

Auch das OLG Saarbrücken hat im Anschluss an das Landgericht unlängst bei einem ähnlichen Sachverhalt (gefälschter Kfz-Brief, Verkaufsgespräche nicht beim Verkäufer, sondern auf einem Anwohnerparkplatz in Bonn, bei der Übergabe fehlender Zweitschlüssel u. a.) eine Bösgläubigkeit des Erwerbers verneint (OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.05.2017 – 2 U 72/16, juris Rn. 34, 36, 38 ff., 42 ff., 45 ff.).

Weder die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BGH (Urt. v. 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735) gemäß „§ 366 HGB, § 932 BGB“ im Falle eines „Kaufmanns“ (der hiesige Kläger ist Privatmann und Verbraucher), bei dem sich eine Erkundigungspflicht beim letzten eingetragenen Halter eines Fahrzeugs aufdrängen sollte (BGH, Urt. v. 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735, 736 f.), noch der von der Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Hinweisbeschluss des 12. Zivilsenats des OLG Stuttgart (12 U 10/17) zu einem dem Gericht hinsichtlich des Sachverhalts, der erstinstanzliche Feststellungen sowie etwaige Aussagen im Detail nicht bekannten Einzelfall hindert einen gutgläubigen Erwerb im konkreten Einzelfall entgegen der Auffassung der Beklagten.

cc) Gemessen an diesen Grundsätzen der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung und vornehmlich nach den konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalls konnte der Kläger die von der Beklagten vorgebrachten Umstände, die zu einer besonderen Nachforschungspflicht führen könnten, zur Überzeugung des Gerichts im Einzelnen und in der Gesamtschau eingehend entkräften (§ 286 ZPO). Der Kläger hatte weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis vom nicht bestehenden Eigentum des Verkäufers.

Der Kläger hat in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2018 aufgrund seines persönlichen Eindrucks, indes auch aufgrund seiner detaillierten und überzeugenden Angaben keine Hinweise oder Anhaltspunkte gegeben, dass von einem bösgläubigen Erwerb des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs auszugehen sein könnte. Der Kläger konnte umgekehrt zur Überzeugung des Gerichts gemäß § 286 ZPO etwaige Verdachtsmomente oder fehlende Nachforschungen/-fragen, die eine grob fährlässige Unkenntnis des Klägers beweisen könnten, glaubhaft widerlegen.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2018 angegeben, dass er das Inserat für den Mercedes-Benz E 220 d am 24.04.2018, also am Tag des Kaufs, in „mobile.de“ gefunden habe. Im Inserat habe ein Kaufpreis von 29.900 € gestanden, und der Kaufpreis sei gekennzeichnet gewesen mit dem Zusatz „Verhandlungsbasis“. Man habe bereits in dem Telefonat am 24.04.2018 über Mängel und etwaige Preisnachlässe gesprochen. Der Verkäufer „Amin Farin“ habe bereits im Telefonat angegeben, dass der Kläger für die Fahrt von Baden-Württemberg nach Dortmund einen Preisnachlass von rund 500 € erhalten werde und darüber hinaus noch Preisverhandlungen und Preisnachlässe vom Verkäufer für Mängel oder Verschleißerscheinungen (Bremsen und Reifen) möglich und Nachverhandlungen vor Ort möglich seien. Der Verkäufer gab dem Käufer, dem Kläger, am Telefon an, dass er direkt von der Arbeit käme und deshalb der Käufer vor Ort unter Umständen etwas warten müsse. Der Kläger wurde vom Verkäufer auf 19 Uhr zu der Örtlichkeit in Dortmund einbestellt, wohin er mit seiner Ehefrau am 24.04.2018 auch gefahren ist.

Der Verkäufer kam dann mit einer kleinen Verspätung mit dem inserierten Mercedes-Benz E 220 d und hat wegen Platzmangels gebeten, von der befahrenen Straße auf den gegenüberliegenden Pkw-Parkplatz zu fahren. Man habe sich dann über das Auto unterhalten und verhandelt. Der Kläger habe sich das Fahrzeug angesehen und bemerkt, dass die Bremsbeläge abgefahren waren, weil die Warnleuchte im Cockpit für die abgefahrenen Bremsen leuchtete. Auch die Reifen seien weitestgehend abgefahren gewesen. Der Verkäufer habe dann für die Kosten einer Bremsreparatur, für die Kosten für neue Reifen und eine Karosseriebeschädigung oberhalb des rechten Frontscheinwerfers nach Preisverhandlungen auf einen Kaufpreis von 27.300 € nachgegeben, den er – der Kläger – am Ende am 24.04.2018 nach Vertragsschluss auch bar bezahlt habe.

Der Kläger hat sich vom Verkäufer, „Amin Farin“, bei Kaufvertragsabschluss auch den Pass zeigen lassen. Er hat gesehen, dass der Verkäufer des Kaufvertragsformular ausgefüllt hat und die Passnummer des Verkäufers abgelesen und im Kaufvertrag eingetragen worden ist.

Nach Überzeugung des Gerichts musste der Kläger auch keinen Argwohn hegen oder zu seinem Nachteil eine grob fahrlässige Unkenntnis bestehen, weil er sich darauf einließ, ihm den zweiten Kfz-Schlüssel noch nachsenden zu lassen (dies hinderte im Übrigen auch im Fall BGH, Urt. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 Rn. 2, 4, 7, einen gutgläubigen Erwerb nicht). Der Kläger hat dies bei den Verkaufsgesprächen und vor Übergabe des Pkw thematisiert, und der Verkäufer hat diese Frage dahin gehend beantwortet, dass er einen Umzug gehabt habe und der Zweitschlüssel erst nach Ausräumen der Umzugskartons innerhalb einer Woche dem Kläger nachgesendet werden könne. So habe man es auch in dem schriftlichen Kaufvertrag vereinbart und fixiert. Hierbei habe sich der Kläger, was für das Gericht ebenfalls nachvollziehbar ist, nichts Böses gedacht, weil Menschen (manchmal) umzögen. Das sei für den Kläger völlig „normal“.

Auch das von der Beklagten genannte Verdachtsmoment, dass sich der Kauf des Pkw und der Fahrzeugerwerb auf einem öffentlichen Parkplatz abgespielt hätten, kann keine Bösgläubigkeit bei Betrachtung dieses Gesichtspunkts und in der Gesamtschau belegen. Es ist nicht unüblich, dass Kraftfahrzeuge auch auf öffentlichen Parkplätzen verkauft werden, weil dort mehr Platz besteht und das Fahrzeug häufig besser besichtigt werden kann. Der Kläger hat auch überzeugend angegeben, dass er bereits einmal ein Fahrzeug von einem Arzt gekauft habe, wobei der Kauf auch auf einem öffentlichen Parkplatz stattgefunden habe. Der vom Verkäufer gegebene Erklärung, sich auf den öffentlichen Parkplatz zu begeben, weil dort mehr Platz sei, musste der Kläger nicht misstrauen. Ebenso wenig mussten sich grob fahrlässige Verdachtsmomente aufdrängen, dass der Verkäufer dem Kläger angab, er komme direkt von der Arbeit und wolle sich deshalb an der vom Verkäufer genannten Örtlichkeit treffen.

Es ist unstreitig, dass der Kläger sich keine „COC-Papiere“ hat vorlegen lassen, was für das Gericht jedoch keinerlei Hinweise für eine irgendwie geartete leichte oder grobe Fahrlässigkeit beim Gutgläubigkeitserwerb belegt. Weder dem Kläger noch dem Gericht war bekannt, dass es solche Papiere gibt oder dass es einer irgendwie gearteten Üblichkeit entspricht, sich „COC-Papiere“ bei Gebrauchtwagenkäufen vorlegen zu lassen.

Hingegen hat der Kläger sich die Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II, also den Kfz-Brief und den Kfz-Schein, von Herrn „Amin Farin“ zeigen und zur Kontrolle aushändigen lassen. Diese Dokumente hat er auch kontrolliert und diese waren korrekt, was auch die Beklagte nicht bestreitet. Er hat das Kennzeichen und die grüne Plakette an der Windschutzscheibe mit den Zulassungsbescheinigungen abgeglichen, was alles in Ordnung und identisch gewesen war. Allenfalls um eine leichte Fahrlässigkeit und keineswegs um eine grob fahrlässige Unkenntnis im Rahmen von § 932 I 1, II BGB könnte es sich handeln, wenn bei der Übergabe und beim Eigentumserwerb – wie hier – nicht die Fahrzeug-Identifizierungsnummer durch Öffnung der Motorhaube festgestellt und abgeglichen wird, was im Übrigen beim Gebrauchtwagenkauf häufig nicht stattfindet. Zudem hätte dadurch auch kein weiterer Erkenntnisgewinn für den Kläger bestanden, weil sowohl in der echten Zulassungsbescheinigung Teil II als auch in der gefälschten Zulassungsbescheinigung Teil II die korrekte und mit dem Fahrzeug identische Fahrzeug-Identifizierungsnummer ausgewiesen ist. Auch dies hatte die osteuropäische Bande bei Begehung ihrer Straftaten und bei den guten Fälschungen der Dokumente bedacht. Das von der Beklagten dem Kläger vorgehaltene Versäumnis hätte demnach, auch wenn man ein solches zulasten des Klägers unterstellte, nie kausal werden können.

Die weiteren Umstände, die die Beklagte vortragen lässt, dass etwa als Voreigentümerin nur „Mercedes-Benz Niederlassung“ ohne Firmierung oder Ortsangabe in der Zulassungsbescheinigung Teil II angegeben gewesen sei und dass sich ein Barcode-Aufkleber mit Fahrzeug-Identifizierungsnummer nicht auf der Zulassungsbescheinigung Teil II befunden habe, scheinen dem Gericht teilweise nahezu konstruiert und lebensfremd. Diese Umstände hätte wohl überhaupt kein Käufer/Erwerber entdeckt und führten nicht einmal zu einer leicht fahrlässigen Unkenntnis vom Nichteigentum eines Veräußerers.

Hingegen ist es ein zunächst beachtlicher Einwand der Beklagten, dem Kläger habe auffallen müssen, dass der im gefälschten Kfz-Brief aufgeführte Eigentümer L nicht identisch gewesen ist mit dem Verkäufer und Veräußerer am 24.04.2018, nämlich mit einem Herrn „Amin Farin“. Diesen Einwand bzw. dieses Verdachtsmoment konnte der Kläger jedoch ebenfalls zur Überzeugung des Gerichts entkräften. Der Kläger hat die Divergenz zwischen der Zulassungsbescheinigung Teil II und dem schriftlichen Kaufvertrag bemerkt und beim Eigentumserwerb ausdrücklich angesprochen, wobei dem Kläger für diesen glaubhaft und überzeugend angeben wurde, dass die Person im Kfz-Brief der Freund des Verkäufers gewesen sei und der Verkäufer für L, der (auch) im gefälschten Kfz-Brief stand, das Kraftfahrzeug verkaufe. Dieser Umstand muss, wie die Entscheidung des BGH (Urt. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13, BGHZ 199, 227 Rn. 2, 4, 6 und 7) zeigt, kein zwingender und ausreichender Grund für eine Bösgläubigkeit beim Eigentumserwerb sein.

Hinsichtlich der teilweise recht konstruierten Einwände der Beklagten (fehlender Barcode-Aufkleber mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer auf der Zulassungsbescheinigung Teil II oder Auffälligkeiten bei der Voreigentümerin „Mercedes-Benz Niederlassung“) ist festzustellen, dass diese – nach Auffassung der Beklagten – „Auffälligkeiten“ auch der Zulassungsbehörde beim Kläger zu Hause, beim Landratsamt Ostalbkreis in Aalen, bei der Zulassung am 22.05.2015 nicht ansatzweise aufgefallen sind, sondern das streitgegenständliche Kraftfahrzeug ohne Weiteres und ohne Beanstandungen unstreitig zugelassen wurde. Das Gericht geht davon aus, dass eine Zulassungsbehörde, die tagtäglich mit solchen Dokumenten umgeht, eine solche Unstimmigkeit, wenn es tatsächlich eine Unstimmigkeit wäre, aufgefallen wäre und hätte auffallen müssen. Dies war offensichtlich und augenscheinlich nicht der Fall, was dem Gericht einleuchtet.

Der Kläger konnte zu den Fragen des Zweitschlüssels und zu den besonderen Vereinbarungen im schriftlichen Kaufvertrag und auch zu der Frage des Beklagtenvertreters, warum seine Adresse in dem klägerischen Kaufvertragsexemplar nicht aufgeführt worden sei, zur Überzeugung des Gerichts unzweifelhaft ausführen und erklären, dass zwei Kaufvertragsformulare ausgefüllt worden seien und der Verkäufer sich beim Exemplar für den Kläger das Ausfüllen des Adressteils für den „Käufer“ teilweise „gespart“ hat.

Auch zu dem Preisnachlass von 2.600 € konnte der Kläger zur Überzeugung des Gerichts unzweifelhaft angeben, dass bereits in der Anzeige bei „mobile.de“ angegeben war „Verhandlungsbasis“. Alleine bei Angabe von „VHB“ oder „Verhandlungsbasis“ in einer Annonce ist davon auszugehen, dass ein Verkäufer bereit ist, einen kleineren oder unter Umständen beachtlichen Preisnachlass zu geben. Dies gilt erst recht im konkreten Einzelfall, weil nicht nur allgemeine Preisverhandlungen geführt wurden, und dies bereits im Telefonat zwischen dem Kläger und dem Verkäufer, sondern auch wegen bestehender Mängel und der eingetretenen Verschleißerscheinungen bei den Reifen und den Bremsen. Ein Preisnachlass von 2.600 € bei einem Fahrzeug von rund 30.000 € ist deshalb naheliegend und alles andere als lebensfremd. Die Klägerseite hat den Preisnachlass, wie ausgeführt, somit nicht nur auf die „Bremsen und einen Kratzer am rechten Scheinwerfer“ gestützt, weshalb der Beweisbehauptung und dem Beweisantritt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, ob (nur) diese beiden Punkte einen Preisnachlass von 2.600 € rechtfertigen könnten, nicht nachzugehen war. Der Preisnachlass erklärt sich ohne Weiteres und nach den überzeugenden Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung aufgrund der allgemeinen Preisverhandlungen (“Verhandlungsbasis“) und der weiteren Umständen, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung angeführt hat, nämlich weiterer Preisnachlassmomente: der abgefahrenen Bremsen, der Anfahrt von Baden-Württemberg nach Dortmund und anderes. Der Preisnachlass insgesamt war deshalb nach den überzeugenden Angaben des Klägers nicht nur auf die beiden unter Beweis gestellten Punkte der Beklagten gestützt, sondern auf andere Preisnachlasspunkte und mehr, sodass mit einem Sachverständigengutachten zu nur zwei Punkten nicht geklärt werden kann, ob ein Preisnachlass in der Summe wegen dieser und& noch weiterer Punkte gerechtfertigt ist.

Nach Bewertung aller Umstände und aller Einzelgesichtspunkte sowie der Bewertung in einer Gesamtschau ist eine grob fahrlässige Unkenntnis gemäß § 932 I 1, II BGB dem Kläger nicht zur Last zu legen, weshalb der Kläger am 24.04.2018 gutgläubig Eigentum gemäß § 929 Satz 1, § 932 I 1, II BGB erworben hat. Demzufolge ist der Kläger analog § 952 I BGB auch Eigentümer der Zulassungsbescheinigung Teil II, die er gemäß § 985 BGB als Eigentümer vom Besitzer, der Beklagten, vindizieren kann. Ein Recht zum Besitz gemäß § 986 BGB steht der Beklagten nicht zu.

2. Dem Kläger stehen sowohl gemäß §§ 280 I, 249 BGB als auch gemäß §§ 280 I und II, 286 ZPO die geltend gemachten Nebenforderungen in Form von notwendigen und erforderlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 12 € (Akteneinsichtskosten) und in Höhe von 1.209,35 € (vorgerichtliche Anwaltskosten) zu. Der Zinsanspruch für die Rechtshängigkeitszinsen in gesetzlicher Höhe ergibt sich aus §§ 291, 288 I 2 BGB. Die Klage wurde der Beklagten am 04.10.2018 zugestellt. Folglich stehen dem Kläger Rechtshängigkeitszinsen seit dem 05.10.2018 zu. …

Hinweis: Der Erwerber eines Gebrauchtwagens, dem eine gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) vorgelegt wird, muss sich den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nur gefallen lassen, wenn er ohne Weiteres erkennen konnte, dass er es mit einem gefälschten Dokument zu tun hat (s. etwa OLG Braunschweig, Urt. v. 01.09.2011 – 8 U 170/10; OLG Köln, Urt. v. 29.11.2017 – 16 U 86/17).

PDF erstellen