Dass bei ei­nem Au­di Q3 2.0 TDI quat­tro nur dann, wenn das Fahr­zeug bei ei­ner Ge­schwin­dig­keit von 70–80 km/h im sieb­ten Gang leicht be­schleu­nigt wird, kurz­zei­tig ein Ge­räusch auf­tritt, das nach ei­nem an­ge­hen­den Ge­trie­be­scha­den klingt, be­rech­tigt den Käu­fer nicht zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Zwar kann ein Ge­räusch, das den Ver­dacht ei­nes – in Wahr­heit nicht ge­ge­be­nen – tech­ni­schen De­fekts be­grün­det, grund­sätz­lich ein Sach­man­gel i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB sein. Ein Man­gel liegt aber auch bei ei­nem hoch­wer­ti­gem Fahr­zeug nicht vor, wenn das Ge­räusch nur un­ter ganz be­stimm­ten Um­stän­den kurz­zei­tig auf­tritt und dann von ei­nem nicht da­für sen­si­bi­li­sier­ten Fahr­zeug­in­sas­sen kaum wahr­ge­nom­men oder gar als stö­rend emp­fun­den wird.

LG Müns­ter, Ur­teil vom 15.11.2016 – 015 O 152/15

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt von der Be­klag­ten, die ein Au­to­haus be­treibt, die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kfz-Kauf­ver­tra­ges. Die Her­stel­le­rin des Fahr­zeugs ist dem Rechts­streit auf­sei­ten der Be­klag­ten als Streit­hel­fe­rin bei­ge­tre­ten.

Mit Kauf­ver­trag vom 26.10.2011 kauf­te der Klä­ger von der Be­klag­ten ei­nen Au­di Q3 2.0 TDI quat­tro zum Preis von 40.186,23 €. Das Fahr­zeug wur­de dem Klä­ger am sel­ben Tag über­ge­ben.

Knapp ein Jahr spä­ter, am 17.10.2012, stell­te der Klä­ger das Fahr­zeug der Be­klag­ten vor. Er teil­te mit, dass sich be­reits nach kur­zer Zeit ge­zeigt ha­be, dass bei ei­ner Ge­schwin­dig­keit von et­wa 70–80 km/h und ei­ner Fahrt im sieb­ten Gang un­ge­wöhn­li­che Ge­räu­sche auf­trä­ten. Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 08.01.2013 ließ der Klä­ger die Be­klag­te zur Nach­bes­se­rung auf­for­dern. Die Be­klag­te wies Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che des Klä­gers zu­rück.

Dar­auf­hin lei­te­te der Klä­ger ein selbst­stän­di­ges Be­weis­ver­fah­ren ein, in der Sach­ver­stän­di­ge S un­ter dem 21.11.2013 ein Gut­ach­ten er­stat­te­te. S stell­te fest, dass „fahr­zeug­spe­zi­fi­sche Ge­räu­sche“ zu hö­ren sei­en, wenn das Fahr­zeug des Klä­gers mit ei­ner Ge­schwin­dig­keit von 70–80 km/h und im sieb­ten Gang ge­fah­ren wer­de. Sei­ne Wahr­neh­mun­gen be­schrieb S nach ei­ner Pro­be­fahrt da­hin, dass bei ei­ner Dreh­zahl von cir­ca 1.400 U/min. bei ge­rin­ger Be­schleu­ni­gung ein mah­len­des, grol­len­des Ge­räusch zu hö­ren ge­we­sen sei, das bei be­triebs­war­mem Mo­tor fort­wäh­rend ha­be re­pro­du­ziert wer­den kön­nen und am deut­lichs­ten aus dem Be­reich des Ver­teil­er­ge­trie­bes wahr­zu­neh­men ge­we­sen sei. Nach dem Ein­druck des Sach­ver­stän­di­gen war das Ge­räusch dem bei ei­nem Ge­trie­be­scha­den auf­tre­ten­den Ge­räusch ver­gleich­bar. Des­halb ließ der Sach­ver­stän­di­ge in ei­ner Au­di-Ver­trags­werk­statt das Ge­trie­be­öl und das Öl aus dem Ver­teil­er­ge­trie­be ab und fing es auf, um fest­zu­stel­len, ob sich Me­tall­spä­ne im Öl be­fan­den. Dies war nicht der Fall. Ei­nen mit dem auf­ge­tre­te­nen Ge­räusch in Ein­klang ste­hen­den tech­ni­schen De­fekt fand S nicht; aus wel­chem Grund das Ge­räusch ent­stan­den war, ver­moch­te er nicht zu er­klä­ren. S er­mit­tel­te je­doch an­hand ei­nes Ver­gleichs­fahr­zeugs, dass ein Ge­trie­be­aus­tausch das Ge­räusch nicht be­sei­ti­gen wür­de.

Auch in Zu­satz­gut­ach­ten vom 26.08.2014 und vom 28.04.2015 ge­lang­te der Sach­ver­stän­di­ge zu dem Er­geb­nis, dass sich die Ur­sa­che des fest­ge­stell­ten Ge­räuschs nicht oh­ne die Hil­fe der Fahr­zeug­her­stel­le­rin er­mit­teln las­se. Die­se se­he kei­ne Ab­hil­fe­maß­nah­men vor.

Mit Schrei­ben vom 24.09.2014 er­klär­te der Klä­ger ge­gen­über der Be­klag­ten den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Die Be­klag­te lehn­te ei­ne Rück­ab­wick­lung die­ses Ver­tra­ges ab. Am 12.10.2015 stell­te der Klä­ger fest, dass sein Fahr­zeug vom so­ge­nann­ten VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen ist.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ger kann von der Be­klag­ten nicht die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges ge­mäß §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 433, 434 I, 323 I, V 2, 346 I BGB ver­lan­gen. Ein er­heb­li­cher Man­gel des Fahr­zeu­ges, der ihn ge­mäß §§ 434 I, 437 Nr. 2 Fall 2, 323 I, V 2 BGB zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag be­rech­ti­gen wür­de, lässt sich nicht fest­stel­len. Ins­be­son­de­re kann in dem vom Klä­ger be­an­stan­de­ten, beim Be­trieb des Fahr­zeug auf­tre­ten­den Ge­räusch ein er­heb­li­cher Feh­ler, der den Wert des ver­kauf­ten Kraft­fahr­zeugs oder sei­ne Eig­nung zu der nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setz­ten Ver­wen­dung auf­hebt, nicht ge­se­hen wer­den. Auch in An­be­tracht des Vor­lie­gens des Ge­räuschs weist das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ei­ne Be­schaf­fen­heit auf, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach Art der Sa­che er­war­ten kann.

Zwi­schen den Par­tei­en ist un­strei­tig, dass bei dem Be­trieb des ver­kauf­ten Fahr­zeugs ein Ge­räusch auf­tritt, wenn das Fahr­zeug bei ei­ner Ge­schwin­dig­keit von 70–80 km/h im sieb­ten Gang leicht be­schleu­nigt wird (Dreh­zahl 1.400–1.500 U/min.), und dass ein hier­mit kor­re­spon­die­ren­der tech­ni­scher Man­gel nicht vor­liegt. Dies hat der Sach­ver­stän­di­ge S im Rah­men des selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­rens und auch an­läss­lich des Orts­ter­mins fest­ge­stellt. Das Vor­lie­gen ei­nes sol­chen Ge­räuschs wird durch die Be­klag­te nicht in Zwei­fel ge­zo­gen.

Das nur in ei­nem ganz be­stimm­ten Be­triebs­zu­stand des Fahr­zeugs auf­tre­ten­de Ge­räusch – nur bei leich­ter Be­schleu­ni­gung im sieb­ten Gang bei ei­ner Ge­schwin­dig­keit von 70–80 km/h – stellt kei­ne we­sent­li­che Ab­wei­chung von der ver­trag­lich ge­schul­de­ten, dem Stand der Tech­nik ent­spre­chen­den Feh­ler­frei­heit des ver­kauf­ten Fahr­zeu­ges dar. Zwar hat der Sach­ver­stän­di­ge vor­lie­gend fest­ge­stellt, dass das vom Klä­ger mo­nier­te Ge­räusch so klin­ge, als ha­be das Fahr­zeug ei­nen an­ge­hen­den Ge­trie­be­scha­den. An­ge­sichts der un­strei­ti­gen tech­ni­schen Ein­wand­frei­heit des Fahr­zeugs reicht dies je­doch nach An­sicht des er­ken­nen­den Ge­richts nicht aus, um ei­nen Man­gel ge­mäß § 434 I BGB an­zu­neh­men, der die Er­heb­lich­keits­gren­ze des § 323 V 2 BGB über­schrei­tet.

Zwar kann ein Ge­räusch, das den Ver­dacht ei­nes De­fekts be­grün­det, ei­nen Sach­man­gel i. S. von § 434 I BGB dar­stel­len, auch wenn kein tech­ni­scher De­fekt vor­liegt (vgl. OLG Naum­burg, Urt. v. 06.11.2008 – 1 U 30/08, ju­ris Rn. 35). Wenn das Fahr­zeug so be­schaf­fen ist, dass der Ver­dacht be­steht, dass – mög­li­cher­wei­se – ein wei­ter­ge­hen­des und be­deut­sa­me­res Pro­blem im Mo­to­ren­be­reich be­steht, so führt dies da­zu, dass der Käu­fer das Fahr­zeug – et­wa nach ei­ner ge­wis­sen Ge­brauchs­zeit – schlech­ter hät­te ver­äu­ßern kön­nen, denn ein der­ar­ti­ger Ver­dacht wä­re so­dann auch bei Drit­ten ent­stan­den (OLG Naum­burg, Urt. v. 06.11.2008 – 1 U 30/08, ju­ris Rn. 33). Dies ist in­des vor­lie­gend nicht der Fall.

Nach dem per­sön­li­chen Ein­druck, den das Ge­richt im Rah­men des Orts­ter­mins am 31.10.2016 ge­won­nen hat, wirkt das auf­tre­ten­de Ge­räusch auf­grund sei­ner Laut­stär­ke oder Fre­quenz nicht in ei­nem nicht mehr hin­zu­neh­men­den Ma­ße stö­rend. Dies gilt auch in An­se­hung der Tat­sa­che, dass vor­lie­gend die An­for­de­run­gen an ein Fahr­zeug von dem Stan­dard, wie der Klä­ger es er­wor­ben hat, hö­her sind als bei Fahr­zeu­gen der Mit­tel­klas­se oder gar bei ei­nem Klein­wa­gen. Vor­lie­gend lässt sich nicht fest­stel­len, dass das dem Klä­ger ver­kauf­te Au­to hin­sicht­lich der Ge­räusch­ent­wick­lung im Fahr­be­trieb von dem für sol­che Fahr­zeu­ge gel­ten­den ho­hen Stan­dard we­sent­lich ab­weicht.

Bei der Be­ur­tei­lung fand in­so­weit Be­rück­sich­ti­gung, dass das be­an­stan­de­te Ge­räusch zum ei­nen nicht stän­dig wäh­rend der Fahrt auf­tritt, son­dern nur in ei­nem ganz be­stimm­ten Be­triebs­zu­stand. Der Fah­rer muss im Be­reich von ei­ner Ge­schwin­dig­keit zwi­schen 70 km/h und 80 km/h im sieb­ten Gang leicht be­schleu­ni­gen. Au­ßer­dem ist das Ge­räusch so we­nig auf­fäl­lig, dass es von ei­nem nicht da­für sen­si­bi­li­sier­ten Fahr­zeug­in­sas­sen kaum wahr­ge­nom­men wird. So­gar das Ge­richt, das an­ge­sichts des ge­führ­ten Rechts­streits für die The­ma­tik sen­si­bi­li­siert und auf­ge­schlos­sen war, hat­te an­ge­sichts der üb­ri­gen nor­ma­len Fahr­ge­räu­sche Schwie­rig­kei­ten, das Ge­räusch beim Hö­ren zu iso­lie­ren und wahr­zu­neh­men. Ins­be­son­de­re konn­te das Ge­räusch von ei­nem tech­ni­schen Lai­en wie dem zu­stän­di­gen Ge­richt nicht als stö­rend emp­fun­den wer­den. Aus Sicht des Ge­richts konn­te hier kein un­ge­wöhn­li­ches oder auf­fäl­li­ges Ge­räusch fest­ge­stellt wer­den, das sich vom sons­ti­gen Klang­bild des Fahr­zeugs wäh­rend der Fahrt deut­lich un­ter­schied.

In die­sem Zu­sam­men­hang muss zwar Be­rück­sich­ti­gung fin­den, dass der Sach­ver­stän­di­ge S das Ge­räusch im Ge­gen­satz zum Ge­richt iden­ti­fi­zie­ren konn­te. Al­ler­dings räum­te auch der Sach­ver­stän­di­ge ein, dass das Ge­räusch bei ein­ge­schal­te­tem Ra­dio oder der Kli­ma­an­la­ge nicht oder zu­min­dest kaum hör­bar sei.

Ei­ne nur ge­le­gent­lich un­ter ganz be­stimm­ten Um­stän­den kurz­zei­tig auf­tre­ten­de Ver­än­de­rung des Mo­tor­ge­räuschs (leich­te Ver­än­de­rung des Klang­bil­des bei leich­ter Be­schleu­ni­gung im sieb­ten Gang und ei­ner Ge­schwin­dig­keit zwi­schen 70 km/h und 80 km/h), die zu­dem ei­nem un­be­fan­ge­nen Fahr­zeug­in­sas­sen nicht stö­rend auf­fällt und von die­sem al­len­falls über­haupt erst be­merkt wird, wenn er durch Be­schrei­bung und Hin­wei­se da­für sen­si­bi­li­siert wor­den ist, stellt auch bei ei­nem Fahr­zeug der Spit­zen­klas­se kei­ne nach­tei­li­ge Ab­wei­chung vom ver­trag­lich ge­schul­de­ten Stand der Tech­nik dar und ist des­halb auch nicht als Man­gel im Sin­ne des Ge­währ­leis­tungs­rechts an­zu­se­hen (vgl. OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 23.02.1996 – 22 U 202/95, NJW-RR 1997, 1211). Ab­zu­stel­len ist in­so­weit nicht auf die Wahr­neh­mun­gen und Emp­fin­dun­gen ei­nes fach­lich ge­schul­ten Be­ob­ach­ters, der in be­stimm­ten Be­triebs­zu­stän­den ge­zielt auf das Ge­räusch ei­nes Mo­tors ach­tet, nach­dem er über des­sen Ei­gen­art und die Um­stän­de sei­nes Auf­tre­tens un­ter­rich­tet wor­den ist, son­dern auf die Wahr­neh­mun­gen und Emp­fin­dun­gen ei­nes durch­schnitt­li­chen, nicht be­son­ders für das Ge­räusch sen­si­bi­li­sier­ten Fahr­zeug­füh­rers oder -in­sas­sen (OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 23.02.1996 – 22 U 202/95, NJW-RR 1997, 1211). Dar­an ge­mes­sen ist ein er­heb­li­cher Man­gel vor­lie­gend ab­zu­leh­nen.

So­weit der Klä­ger mit Schrift­satz vom 10.02.2016 den Rück­ab­wick­lungs­an­spruch auf ei­ne nicht vor­han­de­ne ord­nungs­ge­mä­ße Ab­gas­steue­rung ge­stützt hat, liegt er­sicht­lich kein sub­stan­zi­ier­ter Vor­trag vor. …

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