1. Der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen – und des­halb mög­li­cher­wei­se man­gel­haf­ten – Neu­wa­gens ist grund­sätz­lich al­len­falls zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag be­rech­tigt, nach­dem er dem Ver­käu­fer er­folg­los ei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung ge­setzt hat.
  2. Ei­ne Nach­bes­se­rung (§ 439 I Fall 1 BGB) ist dem Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Neu­wa­gens nicht des­halb un­zu­mut­bar, weil er sich von der – am Kauf­ver­trag nicht be­tei­lig­ten – Fahr­zeug­her­stel­le­rin arg­lis­tig ge­täuscht fühlt.
  3. Die blo­ße Be­fürch­tung des Käu­fers ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Pkw, dass sich sein Fahr­zeug durch ein Soft­ware­up­date nicht in ei­nen ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stand ver­set­zen las­se, son­dern das Soft­ware­up­date (un­ter an­de­rem) zu ei­nem hö­he­ren Kraft­stoff­ver­brauch und hö­he­ren CO2-Emiss­sio­nen füh­ren wer­de, recht­fer­tigt kei­nen „so­for­ti­gen“ Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Viel­mehr ist der Käu­fer zu­nächst ge­hal­ten, sich auf ei­ne Nach­bes­se­rung ein­zu­las­sen und ab­zu­war­ten, ob die­se er­folg­reich ist.

LG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 24.10.2016 – 21 O 10/16

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von der Be­klag­ten, ei­ner Au­di-Ver­trags­händ­le­rin, mit Kauf­ver­trag vom 02.01.2014 ei­nen Au­di Q3 2.0 TDI quat­tro zum Preis von 44.500 €. Bei Über­ga­be wies das Fahr­zeug ei­ne Lauf­leis­tung von 10 km auf.

In dem SUV be­fin­det sich ein EA189-Die­sel­mo­tor; das Fahr­zeug ist des­halb vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen. Ei­ne Soft­ware er­kennt, ob das Fahr­zeug auf ei­nem Rol­len­prüf­stand ei­nen ge­norm­ten Fahr­zy­klus durch­fährt oder ob es re­gu­lär im Stra­ßen­ver­kehr be­trie­ben wird. In ei­ner Test­si­tua­ti­on auf dem Rol­len­prüf­stand be­wirkt die Soft­ware, dass die ein­schlä­gi­gen Emis­si­ons­grenz­wer­te ein­ge­hal­ten wer­den. Da­für ak­ti­viert sie ei­nen Be­triebs­mo­dus, in dem die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te hö­her ist und in dem in­fol­ge­des­sen die Stick­oxid(NOX-)Emis­sio­nen we­sent­lich nied­ri­ger sind als in dem Mo­dus, der beim nor­ma­len Be­trieb des Fahr­zeugs im Stra­ßen­ver­kehr ak­tiv ist. Die vor­ge­ge­be­nen und im tech­ni­schen Da­ten­blatt auf­ge­führ­ten Emis­si­ons­wer­te wer­den nur in ei­ner Test­si­tua­ti­on auf dem Prüf­stand ein­ge­hal­ten; un­ter rea­len Be­din­gun­gen wer­den die auf dem Prüf­stand er­ziel­ten NOX-Wer­te über­schrit­ten.

Mit An­walts­schrei­ben vom 09.12.2015 er­klär­te der Klä­ger den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und for­der­te die Be­klag­te auf, ihm bis zum 29.12.2015 den Kauf­preis ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung zu­rück­zu­zah­len. Dass der Klä­ger der Be­klag­ten vor der Er­klä­rung des Rück­tritts kei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung ge­setzt hat­te, be­grün­de­te er da­mit, dass nach dem (da­mals) ak­tu­el­len Stand der Be­richt­er­stat­tung ei­ne Nach­bes­se­rung des Fahr­zeugs mit ei­ner er­heb­li­chen Leis­tungs­ein­bu­ße ein­her­ge­hen wer­de, so­dass ihm – dem Klä­ger – ei­ne Nach­bes­se­rung un­zu­mut­bar sei. Glei­ches gel­te mit Blick dar­auf, dass sich die Ge­braucht­wa­gen­prei­se der vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge sub­stan­zi­ell ne­ga­tiv ent­wi­ckel­ten, und des­halb trotz Nach­bes­se­rung ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert ver­blei­ben wer­de.

Die Be­klag­te teil­te mit Schrei­ben vom 14.12.2015 mit, dass sie gro­ßes Ver­ständ­nis da­für ha­be, dass ih­re Kun­den auf­grund der ak­tu­el­len Be­richt­er­stat­tung über die in EA189-Die­sel­mo­to­ren ver­wen­de­te Soft­ware be­sorgt sei­en. Sie neh­me die Sor­ge sehr ernst, wei­se aber auch dar­auf hin, dass die be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge wei­ter­hin tech­nisch si­cher und fahr­be­reit so­wie un­ein­ge­schränkt im Stra­ßen­ver­kehr nutz­bar sei­en, was das Kraft­fahrt-Bun­des­amt am 15.10.2015 be­stä­tigt ha­be. Zu­dem er­hiel­ten die Fahr­zeu­ge nach Ab­stim­mung mit dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt ein Soft­ware­up­date. Sie – die Be­klag­te – ver­si­che­re, dass Au­di mit Hoch­druck an die­sem Up­date ar­bei­te und schnellst­mög­lich über die ge­plan­ten Maß­nah­men un­ter­rich­ten wer­de. In der Zwi­schen­zeit bit­te sie den Klä­ger um Ge­duld und Ver­ständ­nis da­für, dass Au­di al­le not­wen­di­gen Schrit­te mit dem ge­bo­te­nen Tem­po, aber auch mit der Gründ­lich­keit an­ge­he, die er jetzt er­war­ten dür­fe. Vor die­sem Hin­ter­grund kön­ne sie der Bit­te des Klä­gers, das Fahr­zeug zu­rück­zu­neh­men, nicht ent­spre­chen. Sie ver­zich­te bis zum 31.12.2016 im Hin­blick auf Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che, die dem Klä­ger im Zu­sam­men­hang mit der in Re­de ste­hen­den Soft­ware zu­ste­hen könn­ten, auf die Er­he­bung der Ver­jäh­rungs­ein­re­de, so­weit et­wai­ge An­sprü­che bis­her nicht ver­jährt sei­en.

Das an­ge­kün­dig­te Soft­ware­up­date wur­de mitt­ler­wei­le von der Fahr­zeug­her­stel­le­rin ent­wi­ckelt und vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt am 21.07.2016 frei­ge­ge­ben. Nun­mehr muss je­des ein­zel­ne Fahr­zeug von der Her­stel­le­rin für den Rück­ruf in ei­ne Ver­trags­werk­statt frei­ge­ge­ben wer­den. Ei­ne sol­che Frei­ga­be ist für das Fahr­zeug des Klä­gers bis­her nicht er­folgt.

Der Klä­ger be­haup­tet, für ihn sei das „öko­lo­gi­sche Ge­wis­sen“ (nied­ri­ger Ver­brauch, nied­rigs­te Schad­stoff­emis­sio­nen) kauf­ent­schei­dend ge­we­sen. Sein Fahr­zeug über­schrei­te in­des im re­gu­lä­ren Be­trieb im Stra­ßen­ver­kehr al­le ein­schlä­gi­gen Grenz­wer­te min­des­tens um das 4,7-Fa­che. Da­mit er­fül­le es nicht ein­mal die An­for­de­run­gen der Eu­ro-3-Ab­gas­norm; die CO2-Emis­sio­nen lä­gen zu­dem ober­halb der Grenz­wer­te für die Be­mes­sung der Kfz-Steu­er.

Es sei – so be­haup­tet der Klä­ger wei­ter – un­mög­lich, das Fahr­zeug mit ei­nem Soft­ware­up­date so nach­zu­bes­sern, dass es – wie es § 38 I BIm­SchG ver­lan­ge – beim be­stim­mungs­ge­mä­ßen Be­trieb im Stra­ßen­ver­kehr die ein­schlä­gi­gen Grenz­wer­te tat­säch­lich ein­hal­te. Denn wür­den die NOX-Emis­sio­nen ver­min­dert, stie­gen au­to­ma­tisch der Kraft­stoff­ver­brauch und der CO2-Aus­stoß, wenn es nicht zu sub­stan­ti­el­len Leis­tungs­ein­bu­ßen kom­men sol­le.

Sein Fahr­zeug ha­be auch nie­mals über ei­ne recht­mä­ßig er­teil­te EG-Typ­ge­neh­mi­gung und ei­ne dar­auf be­ru­hen­de Be­triebs­er­laub­nis ver­fügt. Je­den­falls sei die Be­triebs­er­laub­nis nach § 19 I 2 Nr. 3 StV­ZO au­to­ma­tisch von Ge­set­zes we­gen er­lo­schen und das Fahr­zeug nach § 8 FZV­ZO nicht zu­las­sungs­fä­hig. Der Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­ter be­las­se die vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen – um­welt­ge­fähr­den­den – Fahr­zeu­ge gleich­wohl oh­ne er­sicht­li­che Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge im Stra­ßen­ver­kehr. Dies än­de­re je­doch nichts an der Tat­sa­che, dass das Fahr­zeug kraft ge­setz­li­cher An­ord­nung nicht am öf­fent­li­chen Stra­ßen­ver­kehr teil­neh­men dür­fe. In­fol­ge­des­sen ge­nie­ße er – der Klä­ger – auch kei­nen Haft­pflicht­ver­si­che­rungs­schutz, da die­ser vor­aus­set­ze, dass die Be­triebs­er­laub­nis nicht er­lo­schen sei.

Der Klä­ger ist der Auf­fas­sung, ei­ner Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung ha­be es aus den im Rück­tritts­schrei­ben ge­nann­ten Grün­den nicht be­durft.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Der Klä­ger hat ge­gen die Be­klag­te kei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses in Hö­he von 44.500 € ab­züg­lich ge­zo­ge­ner Nut­zun­gen Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Pkw …, und zwar we­der aus §§ 346 I, 348 BGB i. V. mit §§ 437 Nr. 2 Fall 1440, 323 BGB noch aus sonst ei­nem Rechts­grund.

1. Der Klä­ger hat ge­gen die Be­klag­te kei­nen Rück­zah­lungs­an­spruch aus §§ 346 I, 348 BGB i. V. mit §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 BGB.

Da­bei kann die Kam­mer of­fen­las­sen, ob die Ma­ni­pu­la­ti­on der Ab­gas­wer­te durch ei­ne Soft­ware des Her­stel­lers ei­nen Man­gel des Fahr­zeugs i. S. von § 434 BGB be­grün­det. Denn dem Rück­tritt steht be­reits ent­ge­gen, dass der Klä­ger der Be­klag­ten kei­ne nach §§ 323 I, 440 BGB er­for­der­li­che Frist zur Nach­er­fül­lung ge­setzt hat. Zwar ent­hält das An­walts­schrei­ben vom 09.12.2015 an die Be­klag­te ei­ne Frist­set­zung, die­se be­zieht sich aber nicht auf die Nach­er­fül­lung, son­dern auf die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses Zug um Zug ge­gen Rück­nah­me des Pkw.

Ei­ne Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung war ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klä­gers nicht ent­behr­lich.

a) Nach § 323 II Nr. 1 BGB ist die Frist­set­zung ent­behr­lich, wenn der Schuld­ner die Leis­tung ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert. Dies hat die Be­klag­te zu kei­nem Zeit­punkt ge­tan. Dass sie vor Aus­spruch des Rück­tritts des Klä­gers mit An­walts­schrei­ben vom 09.12.2015 nicht be­reit ge­we­sen wä­re, hin­sicht­lich der Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware nach­zu­er­fül­len, ist schon des­halb nicht er­sicht­lich, weil der Klä­ger, der ei­ne Nach­er­fül­lung für nicht zu­mut­bar hält, den Rück­tritt er­klärt hat, oh­ne die Be­klag­te zu­vor zur Nach­er­fül­lung auf­ge­for­dert zu ha­ben. Dass die Be­klag­te zur Nach­er­fül­lung be­reit ge­we­sen wä­re, er­gibt sich aus ih­rem Schrei­ben vom 14.12.2015. In die­sem hat die Be­klag­te dem Klä­ger un­miss­ver­ständ­lich mit­ge­teilt, dass das Fahr­zeug nach Ab­stim­mung mit dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt ein tech­ni­sches Up­date er­hal­te, an dem Au­di mit Hoch­druck ar­bei­te.

b) Auch die Vor­aus­set­zun­gen des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB lie­gen nicht vor. Da­nach be­darf es au­ßer in den Fäl­len des § 281 II BGB und § 323 II BGB der Frist­set­zung un­ter an­de­rem auch dann nicht, wenn dem Käu­fer die Nach­er­fül­lung un­zu­mut­bar ist. Da­bei ist die Un­zu­mut­bar­keit der Nach­er­fül­lung – im Ge­gen­satz zu den be­son­de­ren Um­stän­den, die un­ter Ab­wä­gung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen die so­for­ti­ge Gel­tend­ma­chung von Se­kun­där­rech­ten recht­fer­ti­gen (§ 281 II Fall 2 BGB, § 323 II Nr. 3 BGB) – al­lein aus der Per­spek­ti­ve des Käu­fers zu be­stim­men und kann sich aus der Per­son des Ver­käu­fers, der Art der Man­gel­haf­tig­keit so­wie den mit der Nach­er­fül­lung ver­bun­de­nen Be­gleit­um­stän­den er­ge­ben (Be­ckOK-BGB/Faust, Stand: 01.08.2014, § 440 Rn. 36 ff.).

Bei wer­ten­der Be­trach­tung der Ein­zel­fal­l­um­stän­de kann vor­lie­gend nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass dem Klä­ger ei­ne Frist­set­zung und ein Ab­war­ten der von der Be­klag­ten in Aus­sicht ge­stell­ten Nach­er­fül­lung im maß­geb­li­chen Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung un­zu­mut­bar wa­ren. Hier­aus folgt zu­gleich, dass ei­ne Frist­set­zung auch nach der all­ge­mei­nen Vor­schrift des § 323 II Nr. 3 BGB nicht ent­behr­lich war.

aa) Der Klä­ger be­ruft sich oh­ne Er­folg dar­auf, dass ihm ei­ne Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung nicht zu­mut­bar ge­we­sen sei, weil ihn die AU­DI AG arg­lis­tig ge­täuscht ha­be und die Be­klag­te sich die­se arg­lis­ti­ge Täu­schung zu­rech­nen las­sen müs­se.

Zwar ist dem Klä­ger zu­zu­stim­men, dass im Fall ei­ner vom Ver­käu­fer bei Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags be­gan­ge­nen Täu­schungs­hand­lung in der Re­gel die für ei­ne Nach­er­fül­lung er­for­der­li­che Ver­trau­ens­grund­la­ge be­schä­digt ist und kei­ne Ver­an­las­sung be­steht, dem Ver­käu­fer nach Ent­de­cken des Man­gels durch den Käu­fer ei­ne zwei­te Chan­ce zu ge­wäh­ren (vgl. BGH, Beschl. v. 08.12.2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835 Rn. 12 ff.; Urt. v. 09.01.2008 – VI­II ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 16 ff.). Ob vor­lie­gend von ei­ner Täu­schungs­hand­lung aus­zu­ge­hen ist, kann aber of­fen­blei­ben, denn dass die Be­klag­te von der Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware vor und bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags am 02.01.2014 wuss­te und die­se dem Klä­ger ver­schwieg, ist nicht er­sicht­lich und wird vom Klä­ger auch nicht dar­ge­tan. Viel­mehr hat die Be­klag­te un­wi­der­spro­chen vor­ge­tra­gen, von der Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware erst im Sep­tem­ber 2015 über die Me­di­en­be­richt­er­stat­tung er­fah­ren zu ha­ben. Ein zeit­lich frü­he­res Wis­sen der AU­DI AG muss sich die Be­klag­te nicht zu­rech­nen las­sen. Die AU­DI AG ist als Her­stel­ler nicht Er­fül­lungs­ge­hil­fe der Be­klag­ten ge­mäß § 278 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 02.04.2014 – VI­II ZR 46/13, NJW 2014, 2183 Rn. 31). Die AU­DI AG war in kei­ner Wei­se am Zu­stan­de­kom­men des streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trags be­tei­ligt und konn­te auf die­sen kei­nen Ein­fluss neh­men. Die Be­klag­te han­del­te im ei­ge­nen Na­men und auf ei­ge­ne Rech­nung und ist ei­ne recht­lich un­ab­hän­gi­ge ju­ris­ti­sche Per­son oh­ne ge­sell­schafts­recht­li­che oder per­so­nel­le Ver­flech­tun­gen mit der AU­DI AG bzw. dem VW-Kon­zern. Al­lein der Um­stand, dass die Be­klag­te – wie in der münd­li­chen Ver­hand­lung er­ör­tert, le­dig­lich un­ter an­de­rem – Au­di-Ver­trags­händ­le­rin ist, be­grün­det kein be­son­de­res Ver­trau­ens- oder Nä­he­ver­hält­nis, das ei­ne Wis­sens­zu­rech­nung recht­fer­ti­gen wür­de. Als selbst­stän­di­ger Ver­trags­händ­ler ist sie kein Han­dels­ver­tre­ter, son­dern ein ei­gen­stän­di­ges Ab­satz­or­gan.

bb) Be­son­de­re Um­stän­de, die zu ei­nem so­for­ti­gen Rück­tritt vom Ver­trag oh­ne vor­he­ri­ge Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung be­rech­ti­gen, er­ge­ben sich hier auch nicht aus dem er­heb­li­chen Vor­lauf, den die Be­klag­te für die an­ge­kün­dig­te Rück­ruf­ak­ti­on und die Nach­bes­se­rung der Mo­tor­soft­ware be­nö­tigt.

Zum ei­nen liegt für den Käu­fer auf der Hand, dass sich ei­ne sol­che um­fas­sen­de Rück­ruf­ak­ti­on und auch die Ent­wick­lung ei­ner Soft­ware, die noch vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt zu ge­neh­mi­gen ist, nicht in­ner­halb we­ni­ger Wo­chen rea­li­sie­ren lässt. Von da­her er­gibt sich ei­ne Un­zu­mut­bar­keit nicht aus dem Um­stand, dass die Be­klag­te im Zeit­punkt der Er­klä­rung des Rück­tritts im De­zem­ber 2015 ei­nen Nach­er­fül­lungs­ter­min nicht be­nen­nen konn­te und ein Rück­ruf­ter­min selbst im Zeit­punkt der münd­li­chen Ver­hand­lung noch nicht mit­ge­teilt wor­den ist. Der Klä­ger war und ist nach wie vor in der La­ge, das Fahr­zeug bis zur Rück­ruf­ak­ti­on oh­ne für ihn spür­ba­re funk­tio­nel­le Be­ein­träch­ti­gun­gen wei­ter zu nut­zen, und auch ist kei­ne Still­le­gung des Fahr­zeugs durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt bis zum Rück­ruf­ter­min zu be­fürch­ten. Eben­falls halt­los ist die Be­fürch­tung des Klä­gers, er ge­nie­ße kei­nen Haft­pflicht­ver­si­che­rungs­schutz. Dass sei­ne Haft­pflicht­ver­si­che­rung auf die­sem Stand­punkt steht, hat er nicht dar­ge­tan.

Zum an­de­ren kann sich der Klä­ger auch nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, der er­heb­li­che Vor­lauf sei ihm nicht zu­zu­mu­ten, weil im De­zem­ber 2015 er­kenn­bar ge­we­sen sei, dass sich die Ge­braucht­wa­gen­prei­se der von dem so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge sub­stan­zi­ell ne­ga­tiv ent­wi­ckel­ten, so­dass ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert ent­ste­he, was auch für den Fall der Nach­bes­se­rung gel­te.

Die Kam­mer ver­kennt nicht, dass für die Be­ur­tei­lung der Zu­mut­bar­keit al­lein die Per­spek­ti­ve des Klä­gers im De­zem­ber 2015 maß­geb­lich ist, so­dass es auf die Be­haup­tung der Be­klag­ten, mitt­ler­wei­le ste­he fest, dass die von der Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge nicht an Wert ver­lo­ren hät­ten, es sei so­gar das Ge­gen­teil zu be­ob­ach­ten, nicht an­kommt.

Dass die Be­richt­er­stat­tung der Me­di­en im De­zem­ber 2015 den Klä­ger nach sei­nem Vor­trag be­fürch­ten ließ, er wer­de bei wei­te­rem Zu­war­ten auf die Nach­er­fül­lung durch die Be­klag­te ei­nen mer­kan­ti­len Wert­ver­lust sei­nes Fahr­zeugs hin­neh­men müs­sen, recht­fer­tigt es nicht, da­von aus­zu­ge­hen, ei­ne Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung sei un­zu­mut­bar. Denn auf­grund des von der Be­klag­ten er­klär­ten Ver­jäh­rungs­ver­zichts wä­ren dem Klä­ger, des­sen kauf­recht­li­che Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che ge­mäß § 438 I Nr. 3 BGB mit Ab­lauf des 02.01.2016 ver­jährt ge­we­sen wä­ren, kei­ne Rechts­nach­tei­le ent­stan­den, hät­te er der Be­klag­ten die Ge­le­gen­heit ge­ge­ben, bis da­hin den von ihm be­haup­te­ten Man­gel ab­zu­stel­len. Hät­te sich bis zum 31.12.2016 her­aus­ge­stellt, dass die Be­klag­te zur Nach­er­fül­lung nicht in der La­ge ge­we­sen wä­re, hät­te er den Rück­tritt dann im­mer noch er­klä­ren und die Rück­nah­me sei­nes Fahr­zeugs er­wir­ken kön­nen mit der Fol­ge, dass er ei­nen mer­kan­ti­len Min­der­wert nicht hät­te tra­gen müs­sen. An­ders lä­ge der Fall nur, wenn das Fahr­zeug des Klä­gers trotz er­folg­rei­cher Nach­er­fül­lung den­noch mit ei­nem mer­kan­ti­len Min­der­wert be­haf­tet wä­re. War­um das der Fall sein soll, wird vom Klä­ger be­haup­tet, aber we­der plau­si­bel noch mit Sub­stanz dar­ge­legt, wes­halb auch sei­nen dies­be­züg­li­chen Be­weis­an­ge­bo­ten nicht nach­zu­ge­hen war.

cc) Eben­falls oh­ne Er­folg be­ruft sich der Klä­ger dar­auf, der Man­gel an sei­nem Fahr­zeug wer­de sich durch ein Soft­ware­up­date nicht be­he­ben las­sen, son­dern es ver­blei­be bei ei­nem hö­he­ren Ver­brauch, hö­he­ren CO2-Wer­ten, ei­ner ver­mehr­ten Ruß­bil­dung und ei­nem schnel­le­ren De­fekt des Ruß­par­ti­kel­fil­ters als Fol­ge, denn wer­de in der Soft­ware ein Wert ver­än­dert, än­der­ten sich an­de­re Ab­gas­wer­te glei­cher­ma­ßen nach­tei­lig mit ab.

Ob die Nach­er­fül­lung tat­säch­lich er­folg­los sein wür­de mit der Fol­ge der Still­le­gung sei­nes Fahr­zeugs, konn­te der Klä­ger im De­zem­ber 2015 nicht si­cher be­ur­tei­len. Von da­her war er auf­grund des gel­ten­den Grund­sat­zes des „Vor­rangs der Nach­er­fül­lung“ zu­nächst ge­hal­ten, sich auf die­se ein­zu­las­sen und ab­zu­war­ten, ob die­se er­folg­reich ist – wo­für im Üb­ri­gen der Um­stand spricht, dass das Kraft­fahrt-Bun­des­amt am 21.07.2016 be­stä­tigt hat, dass sich kei­ne der vom Klä­ger be­haup­te­ten ne­ga­ti­ven Aus­wir­kun­gen er­ge­ben ha­ben. Dies gilt auch vor dem Hin­ter­grund, dass es im Er­mes­sen des Ver­käu­fers steht, mit wel­chen Mit­teln und auf wel­chem We­ge er die Nach­er­fül­lung durch­führt (OLG Cel­le, Urt. v. 19.12.2012 – 7 U 103/12, BeckRS 2013, 01303). Soll­ten die Be­haup­tun­gen des Klä­gers nach dem Rück­ruf­ter­min tat­säch­lich zu­tref­fen und die Nach­er­fül­lung er­folg­los ver­lau­fen, was auch dann der Fall wä­re, wenn die Man­gel­be­sei­ti­gung gleich­zei­tig an­de­re Män­gel am Fahr­zeug her­vor­ru­fen wür­de, ste­hen dem Klä­ger dann, aber eben erst nach Er­folg­lo­sig­keit der Nach­er­fül­lungs­be­mü­hun­gen, ge­ge­be­nen­falls Ge­währ­leis­tungs­rech­te ge­gen die Be­klag­te zu.

dd) Auch so­weit der Klä­ger vor­trägt, maß­geb­li­cher Grund für den Kauf des Fahr­zeugs sei für ihn auf­grund sei­nes „öko­lo­gi­schen Ge­wis­sens“ ge­we­sen, dass es als be­son­ders um­welt­scho­nend ge­gol­ten ha­be, be­grün­det dies kei­ne Un­zu­mut­bar­keit, der Be­klag­ten ihr Recht zur Nach­er­fül­lung zu ge­wäh­ren. Ab­ge­se­hen da­von, dass nicht er­sicht­lich ist, dass die Ei­gen­schaft des Fahr­zeugs als „um­welt­scho­nend“ zum Ge­gen­stand ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung zwi­schen den Par­tei­en i. S. des § 434 I 1 BGB ge­macht wor­den ist, und die Kam­mer auch Zwei­fel hegt, ob für den Käu­fer ei­nes 177 PS star­ken SUV der Um­welt­as­pekt tat­säch­lich der­art im Vor­der­grund steht, kann auch nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass der be­an­stan­de­te hö­he­re Stick­oxid­aus­stoß im Stra­ßen­be­trieb für den Klä­ger ei­ne so gro­ße und un­er­träg­li­che Be­ein­träch­ti­gung dar­stellt, dass ihm ein Ab­war­ten auf das Soft­ware­up­date ver­bun­den mit ei­ner Wei­ter­nut­zung des Pkw un­zu­mut­bar ist.

2. Aus vor­ste­hen­den Grün­den be­steht auch kein An­spruch des Klä­gers auf Her­aus­ga­be des Kauf­prei­ses aus § 812 I 1 Fall 1 BGB, denn die Zu­wen­dung ist mit Rechts­grund er­folgt.

3. Auch ein An­spruch aus § 823 II BGB i. V. mit § 16 UWG be­steht nicht. Selbst wenn der für den Kauf des klä­ge­ri­schen Fahr­zeugs maß­geb­li­che Pro­spekt un­wah­re An­ga­ben ent­hal­ten soll­te, fehlt es be­reits dar­an, dass ein vor­sätz­li­ches Han­deln der Be­klag­ten nicht dar­ge­legt ist und ei­ne Zu­rech­nung ei­nes et­wai­gen vor­sätz­li­chen Han­delns des Her­stel­lers der Be­klag­ten nicht zu­re­chen­bar ist. Auf die Aus­füh­run­gen un­ter 1 b aa kann in­so­weit ver­wie­sen wer­den. …

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