Die Amtspflichten, die einen Sachverständigen bei der Untersuchung eines Kraftfahrzeugs im Rahmen der Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO treffen, dienen nicht dem Schutz des Vermögens eines zukünftigen Fahrzeugkäufers.
LG Düsseldorf, Urteil vom 17.03.2016 – 3 O 54/15
(nachfolgend: OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.03.2017 – I-18 U 46/16)
Sachverhalt: Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, einem Vertragspartner der Gesellschaft für Technische Überwachung mbH (GTÜ), Schadensersatz.
Sie beabsichtigte, von dem Zeugen V einen Mercedes-Benz CL 500 zu erwerben. V bat den Beklagten, das Fahrzeug zu überprüfen und es einer Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO zu unterziehen. Nachdem der Beklagte den Pkw am 05.09.2013 überprüft hatte, wurde als Ergebnis der Hauptuntersuchung „ohne festgestellte Mängel“ festgehalten und dem Fahrzeug eine Prüfplakette zugeteilt.
In ihren Vertragsverhandlungen mit V machte die Klägerin deutlich, dass für sie die Mangelfreiheit des Fahrzeugs übergeordnete Bedeutung habe und kaufentscheidend sei. V pries den Mercedes-Benz CL 500 mit Blick auf den von dem Beklagten erstellten Untersuchungsbericht als mangelfrei an und verkaufte der Klägerin das Fahrzeug schließlich am 08.09.2013.
Am 26.09.2013 suchte die Klägerin mit ihrem Fahrzeug eine Mercedes-Benz-Vertragswerkstatt auf. Dort wurden verschiedene Mängel festgestellt. Die Klägerin ließ den Pkw deshalb von der DEKRA Automobil GmbH prüfen, die in ihrem Bericht vom 06.11.2013 das Vorliegen erheblicher Mängel feststellte.
Ausweislich eines Kostenvoranschlages vom 06.11.2013 würde die Beseitigung dieser Mängel einen Kostenaufwand von 9.597,87 € erfordern. Diesen Betrag zahlte der Beklagte trotz Aufforderung nicht.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte sei darüber informiert gewesen, dass das Ergebnis der Prüfung des Mercedes-Benz CL 500 einem potenziellen Käufer übermittelt werden sollte. Die von der DEKRA Automobil GmbH festgestellten Mängel hätten bereits bei Durchführung der Hauptuntersuchung am 05.09.2013 vorgelegen. Dem streitgegenständlichen Fahrzeug hätte niemals eine „TÜV-Plakette“ zugeteilt werden dürfen; es sei zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Beklagten nicht verkehrssicher gewesen. Der Mercedes-Benz CL 500 sei bewusst falsch begutachtet worden. Es sei davon auszugehen, dass der Angestellte des Beklagten, der den Pkw begutachtet habe, kollusiv mit V zusammengewirkt und aus Gefälligkeit seinen Bericht so erstellt habe, dass V das Fahrzeug überhaupt habe verkaufen können.
Die hauptsächlich auf Zahlung von 9.597,87 € nebst Zinsen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: I. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 9.597,87 € unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1. Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 280 I BGB in Verbindung mit den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, der allein in Betracht kommenden vertraglichen Anspruchsgrundlage.
Ein Vertag mit Schutzwirkung zugunsten der Klägerin liegt nicht vor. Zwar besteht Drittschutz auch dann, wenn der Gläubiger an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages ein besonderes Interesse hat und der Vertrag dahin ausgelegt werden kann, das der Vertragsschutz in Anerkennung dieses Interesses auf den Dritten ausgedehnt werden soll. Schutzpflichten zugunsten Dritter können daher auch bei der Beauftragung von Sachverständigen oder sonstigen Fachleuten bestehen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 328 Rn. 17a, 34). Die Amtspflichten, die einen Sachverständigen bei der Untersuchung eines Kraftfahrzeugs im Rahmen der Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO treffen, dienen jedoch nicht dem Schutz des Vermögens des zukünftigen Fahrzeugerwerbers. Der Schutzbereich der Vorschrift des § 29 StVZO ist erkennbar auf die Allgemeinheit, nämlich auf den Schutz der öffentlichen Sicherheit, gerichtet. Die Vorschrift betrifft nur Fahrzeuge, die auf öffentlichen Verkehrsflächen benutzt werden. Sie dient der Abwehr von Gefahren, die der Allgemeinheit drohen können, und hat damit polizeilichen Charakter. Zweck des § 29 StVZO ist es nicht, den Käufer eines Kraftfahrzeugs vor Vermögensschäden zu bewahren, die er dadurch erleidet, dass er trotz Untersuchung ein mangelhaftes Fahrzeug erwirbt, weil der Sachverständige diese Mängel bei der Untersuchung übersehen hat. Dies gilt jedenfalls für den Fall des Klägers, der – wie hier – nur einen Vermögensschaden erlitten haben will (vgl. BGH, Urt. v. 11.01.1973 – III ZR 32/71, juris; Beschl. v. 30.09.2004 – III ZR 194/04, juris).
2. Eine persönliche deliktische Haftung des Beklagten kommt bereits wegen der Haftungsüberleitung gemäß § 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG nicht in Betracht. Es ist anerkannt, dass die Haftung für Pflichtverletzungen im Rahmen der Untersuchung gemäß § 29 StVZO nicht den Prüfer selbst oder seinen Arbeitgeber trifft, sondern das Land, das ihm die amtliche Anerkennung erteilt hat (BGH, Urt. v. 10.04.2003 – III ZR 266/02, juris; OLG Hamm, Urt. v. 17.06.2009 – 11 U 112/08; Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 839 Rn. 135). Der Mitarbeiter des Beklagten hat die Hauptuntersuchung namens und für Rechnung der GTÜ (Gesellschaft für Technische Überwachung mbH) durchgeführt, welche ihrerseits als Beliehene hoheitliche Aufgaben wahrnimmt. Die Haftungsüberleitung nach § 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG findet auch beim Tätigwerden von Beliehenen Anwendung (vgl. BGH, Nichtannahmebeschl. v. 25.10.2001 – III ZR 237/00, juris).
Sofern die Klägerin vorträgt, der Beklagte habe bewusst eine falsche Begutachtung vorgenommen, ändert dies nichts an der Haftungsüberleitung gemäß § 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG. In einem solchen Fall mag zwar eine Drittbezogenheit der bestehenden Amtspflicht im Rahmen des § 839 BGB bejaht werden, da insofern eine umfassende Verantwortung des Dienstherrn gegenüber jedem Betroffenen besteht (vgl. BGH, Urt. v. 11.01.1973 – III ZR 32/71, juris). Die Haftungsüberleitung des § 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG wird davon aber nicht berührt.
II. Mangels Hauptanspruch besteht auch der geltend gemachte Zinsanspruch nicht. Ebenfalls scheidet daher ein Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus. …
Hinweis: Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das OLG Düsseldorf hat sie mit Urteil vom 08.03.2017 – I-18 U 46/16 – zurückgewiesen und ausgeführt:
„II. … 1. Anhaltspunkte für eine Haftung des Beklagten nach § 280 I BGB in Verbindung mit den Grundsätzen … eines Vertrages [mit Schutzwirkung] zugunsten Dritter liegen, so das Landgericht zu Recht, nicht vor.
2. Der Beklagte ist nicht passivlegitimiert. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Beklagte, indem er als amtlich anerkannter Sachverständiger im Rahmen der nach § 29 StVZO vorzunehmenden Prüfung tätig wurde, hoheitlich handelte. Es ist anerkannt, dass die Haftung für hierbei begangene Pflichtverletzungen nicht den Prüfer selbst oder seinen Arbeitgeber, sondern das Land trifft, das ihm die amtliche Anerkennung erteilt hat (vgl. BGH, Urt. v. 11.01.1973 – III ZR 32/71, juris Rn. 12; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 839 Rn. 135 m. w. Nachw.). Danach ist, so das Landgericht zu Recht, die Klage gegen den Beklagten persönlich unbegründet. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Verstoß des Prüfers gegen § 826 BGB im Raum steht, denn nur dann wird unbedingt von einer Drittbezogenheit des § 29 StVZO ausgegangen. Im Rahmen fahrlässigen Handelns des Prüfers besteht eine Haftung nur in eingeschränkten Umfang.
3. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte in einer anderen Funktion als der des Prüfers im Rahmen des § 29 StVZO beauftragt war oder gehandelt hat, bestehen nicht. …“