- An einem Anlass zur Klageerhebung i. S. des § 93 ZPO fehlt es regelmäßig, wenn der Kläger Gewährleistungsrechte klageweise geltend macht, ohne dass er dem Beklagten vorher Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben hat.
- Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, seine Bereitschaft zur Mängelbeseitigung zu erklären, bevor ihm der Käufer Gelegenheit gegeben hat, die Sache auf die gerügten Mängel hin zu untersuchen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 01.07.2015 – VIII ZR 226/14, NJW 2015, 3455 Rn. 30).
- Die Verwendung gebrauchter Austauschteile bei der Reparatur eines Gebrauchtwagens kann fachgerecht sein; insbesondere entspricht der Einsatz generalüberholter Motoren dem technischen Standard.
OLG Hamm, Beschluss vom 15.12.2015 – 28 W 41/15
Sachverhalt: Die Parteien streiten um die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten eines vorangegangenen selbstständigen Beweisverfahrens.
Mit Kaufvertrag vom 18.01.2014 erwarb der Kläger von der Beklagten, einer freien Kfz-Händlerin, einen gebrauchten VW Passat. Aufgrund einer unmittelbar nach Übernahme des Fahrzeugs erfolgten Mängelrüge des Klägers (Aufleuchten der Öl-Warnleuchte) ersetzte die Beklagte den Turbolader dieses Fahrzeugs durch ein generalüberholtes Ersatzteil.
Mit Anwaltsschreiben vom 30.05.2014 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass am 31.03.2014 wiederum ein Defekt am Fahrzeug aufgetreten sei, und forderte sie unter Vorlage eines Kostenvoranschlags der B-GmbH zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 4.576,08 € auf. Dabei brachte er von dem im Kostenvoranschlag ausgewiesenen Reparaturbetrag einen Teilbetrag von 5.000 € in Abzug, weil sich zu dessen Übernahme ein Garantieversicherer bereit erklärt hatte.
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 04.06.2014 die Zahlung ab, erklärte sich aber zur Überprüfung des Fahrzeugs und zur Durchführung notwendiger Reparaturen bereit. Darauf ging der Kläger nicht ein. Vielmehr leitete er im Juli 2014 ein selbstständiges Beweisverfahren ein, in dem sich die Beklagte erneut bereit erklärte, das Fahrzeug auf Mängel zu untersuchen und gegebenenfalls durch den Einbau generalüberholter Teile instand zu setzen.
Der Sachverständige S stellte in seinem Gutachten vom 06.02.2015 einen Defekt des Ölpumpenantriebs fest.
Mit Anwaltsschreiben vom 26.03.2015 sagte die Beklagte dem Kläger zu, die im Beweisverfahren festgestellten Mängel auf Basis der Kostendeckungszusage des Garantieversicherers zu beseitigen. Nach Einholung eines durch Nachfragen des Klägers veranlassten Ergänzungsgutachtens vom 29.04.2015 beantragte sie unter dem 27.05.2015, dem Kläger gemäß § 494a I ZPO eine Frist zur Klageerhebung zu setzen.
Parallel dazu – mit Anwaltsschreiben vom 26.05.2015 – forderte der Kläger die Beklagte auf, bis zum 09.06.2015 schriftlich zu bestätigen, dass die Beklagte die Reparatur gemäß dem Gutachten kostenfrei ausführe. Dem kam die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 03.06.2015 nach. Sie nahm anschließend auch die eingeforderten Reparaturarbeiten vor.
Binnen der gerichtlich gesetzten, bis zum 17.08.2015 verlängerten Frist zur Klageerhebung hat der Kläger Klage erhoben und beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, sämtliche in dem Gutachten des Sachverständigen S vom 06.02.2015 festgestellten Mängel an seinem Pkw zu beseitigen.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Einleitung des Beweisverfahrens sei nach der Ablehnung der Kostenübernahmeerklärung durch die Beklagte vom 04.06.2014 erforderlich gewesen. Die Beklagte sei erst aufgrund des Beweissicherungsgutachtens bereit gewesen, die Reparatur auszuführen. Ihr Antrag nach § 494a I ZPO sei unzulässig gewesen.
Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung das Feststellungsbegehren anerkannt und beantragt, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, aufgrund ihres sofortigen Anerkenntnisses sei der Kläger gemäß § 93 ZPO mit den Kosten zu belasten. Sie habe keine Veranlassung zur Klage gegeben. Die Einleitung des Beweisverfahrens sei unnötig gewesen, weil sie, die Beklagte, das Nachbesserungsrecht des Klägers nie infrage gestellt habe. Der Kläger habe deshalb auch kein Feststellungsinteresse, während sie den Antrag auf Fristsetzung nach § 494a I ZPO habe stellen müssen, um eine Kostenentscheidung herbeizuführen.
Das Landgericht hat mit Anerkenntnisurteil vom 23.10.2015 der Beklagten als unterlegener Partei die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Es hat ausgeführt, eine Anwendung des § 93 ZPO komme nicht in Betracht, weil die Beklagte durch den Fristsetzungsantrag nach § 494a I ZPO Anlass zur Klageerhebung gegeben habe. Auch im selbstständigen Beweisverfahren habe die Beklagte kein sofortiges Anerkenntnis oder eine vergleichbare prozessuale Erklärung abgeben. Sie hätte spätestens im Rahmen der Erwiderung auf den Beweissicherungsantrag ihre Pflicht zur Mängelbeseitigung anerkennen müssen.
Auch die Regelung des § 96 ZPO rechtfertige es vorliegend nicht, dem Kläger die Kosten aufzuerlegen, weil das selbstständige Beweisverfahren nicht erfolglos gewesen sei; denn der Sachverständige habe den festgestellten Mangel auf eine mangelhafte bzw. provisorische Reparatur der Ölpumpe zurückgeführt.
Mit der sofortigen Beschwerde begehrt die Beklagte eine Änderung der Kostenentscheidung. Zur Begründung trägt sie vor, dass sie im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens kein sofortiges Anerkenntnis habe abgeben können, weil sie hierzu zunächst das Fahrzeug auf die gerügten Mängel hin hätte überprüfen müssen. Hierzu habe ihr der Kläger trotz der von ihr erklärten Bereitschaft zur Untersuchung und gegebenenfalls Nachbesserung keine Gelegenheit gegeben.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Das OLG Hamm hat sie demgegenüber für begründet erachtet und entschieden, dass der Kläger die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens trage.
Aus den Gründen: II. … Das Landgericht hat zu Unrecht der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Die (erstinstanzlichen) Kosten – einschließlich jener des vorangegangenen selbstständigen Beweisverfahrens – sind vielmehr gemäß § 93 ZPO dem Kläger aufzuerlegen.
Die Beklagte hat das Feststellungsbegehren des Klägers in der Klageerwiderung und damit sofort anerkannt, und sie hatte dem Kläger keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben.
Auch wenn die Beklagte in dem selbstständigen Beweisverfahren mit Schriftsatz vom 27.05.2015 beantragt hat, eine Frist zur Klageerhebung zu setzen, war das für den Kläger kein berechtigter Anlass, am 14.08.2015 eine Feststellungsklage zu erheben.
Veranlassung zur Klage besteht, wenn der Kläger aufgrund des vorprozessualen Verhaltens des Beklagten annehmen muss, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (st. Rspr., s. nur OLG Stuttgart, Beschl. v. 02.05.2012 – 13 W 16/12, NJW-RR 2012, 763 m. w. Nachw.; OLG Hamm, Beschl. v. 14.01.2013 – 6 W 1/13, NJW-RR 2013, 767).
Mit der Feststellungsklage hat der Kläger sein Interesse an einer für ihn günstigen Kostengrundentscheidung, die die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens umfasst, verfolgt. Ein solches Vorgehen wird als zulässig erachtet, wenn der Beklagte nach der selbstständigen Beweiserhebung eine Handlung vornimmt, die das Interesse des Klägers entfallen lässt, den Beklagten hierauf klageweise in Anspruch zu nehmen (BGH, Beschl. v. 08.10.2013 – VIII ZB 61/12, NJW 2013, 3586 Rn. 10; s. auch BGH, Beschl. v. 12.02.2004 – V ZB 57/03, NJW-RR 2004, 1005). Hintergrund ist, dass das Gesetz – abgesehen von dem Fall des § 494a II ZPO – nicht die Möglichkeit eröffnet, im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens eine Kostenentscheidung herbeizuführen, es insbesondere auch nicht statthaft ist, ein solches Verfahren für erledigt zu erklären.
Zur Erhebung einer solchen Feststellungsklage wegen der angefallenen Kosten hat ein Kläger dementsprechend nur dann Anlass, wenn er zuvor ein berechtigtes Interesse daran gehabt hatte, den Beklagten auf Nachbesserung gemäß dem Ergebnis des Beweisverfahrens klageweise in Anspruch zu nehmen Das setzt wiederum voraus, dass die Gegenseite durch ihr Verhalten Veranlassung zu einer solchen Leistungsklage gegeben hatte.
Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
Der Kläger konnte und durfte aufgrund des Verhaltens der Beklagten nicht davon ausgehen, dass er seinen gewährleistungsrechtlichen Nachbesserungsanspruch nicht ohne Klage würde durchsetzen können. Das ergab sich weder aus deren vorprozessualen Verhalten noch aus dem Vorbringen im selbstständigen Beweisverfahren. Die Beklagte hat vielmehr sowohl vorprozessual als auch während des Beweissicherungsverfahrens bekundet, zur Überprüfung der Mängelrügen und zur Nachbesserung etwaig vorhandener Mängel bereit zu sein. Mehr war von ihr entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht zu verlangen. Zum einen hatte der Kläger die Beklagte überhaupt nicht – weder vorprozessual noch vor Fertigstellung des Sachverständigengutachtens im Beweisverfahren – zur Nachbesserung aufgefordert; vielmehr hatte er mit dem Anwaltsschreiben vom 30.05.2014 ein mangels vorangegangener vergeblicher Nacherfüllungsaufforderung nicht berechtigtes Zahlungsverlangen gestellt. Zum anderen ist der Verkäufer einer Sache nicht verpflichtet, seine Bereitschaft zur Mängelbeseitigung zu erklären, bevor ihm der Käufer Gelegenheit gegeben hat, die Sache auf die gerügten Mängel hin zu untersuchen (BGH, Urt. v. 01.07.2015 – VIII ZR 226/14, NJW 2015, 3455 Rn. 30).
Der vom Kläger erhobene Einwand, die Beklagte habe seinen Mängelbeseitigungsanspruch vorprozessual „bestritten“, weil sie in ihrem Schreiben vom 04.06.2014 ausgeführt hat, wenn überhaupt habe der Kläger nur einen Anspruch auf einen gebrauchten Motor, geht fehl. Dieser Hinweis der Beklagten war und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Verwendung gebrauchter Austauschteile bei der Reparatur eines Gebrauchtfahrzeugs kann sehr wohl fachgerecht sein; insbesondere entspricht der Einsatz generalüberholter Motoren dem technischen Standard.
Ebenso wenig kann der Kläger der Beklagten vorhalten, dass sie nach Eingang des Hauptgutachtens im Beweisverfahren zunächst angekündigt hat, die Reparatur unter Einbeziehung der Kostenübernahmezusage des Garantieversicherers auszuführen. Damit knüpfte die Beklagte lediglich an das an, was der Kläger selbst vor Einleitung des Beweisverfahrens ins Auge gefasst hatte.
In der Gesamtschau durfte der Kläger deshalb den Fristsetzungsantrag der Beklagten nicht zum Anlass nehmen, die vorliegende Feststellungsklage zu erheben. Vielmehr musste er erkennen, dass die Beklagte mit diesem Antrag ihr berechtigtes Interesse daran verfolgte, eine für sie günstige gerichtliche Entscheidung über die Kosten des Beweisverfahrens herbeizuführen …