Der Ver­käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens, der weiß oder zu­min­dest für mög­lich hält, dass die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs we­sent­lich hö­her ist als vom Ki­lo­me­ter­zäh­ler an­ge­zeigt, muss den Käu­fer über die­sen Um­stand auf­klä­ren, wenn er sich nicht dem Vor­wurf ei­ner arg­lis­ti­gen Täu­schung aus­set­zen will.

LG Ber­lin, Ur­teil vom 01.12.2015 – 19 O 17/15

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin er­warb von dem Be­klag­ten am 17.05.2011 ei­nen ge­brauch­ten BMW X5, der am 18.05.2003 erst­zu­ge­las­sen wor­den war. Im schrift­li­chen Kauf­ver­trag war als Ki­lo­me­ter­stand „113.748“ fest­ge­hal­ten.

Die Be­klag­te hat­te den Pkw ih­rer­seits mit schrift­li­chem Kauf­ver­trag vom 26.03.2011, in dem ein Ki­lo­me­ter­stand von 113.000 ein­ge­tra­gen ist, er­wor­ben und am 21.04.2011 in ei­ner BMW-Nie­der­las­sung den Fahr­zeug­schlüs­sel aus­le­sen las­sen. Da­bei war ein Ki­lo­me­ter­stand von 113.744 aus­ge­le­sen wor­den.

Die Klä­ge­rin be­haup­tet, das Fahr­zeug ha­be im Mai 2011 tat­säch­lich be­reits ei­ne Lauf­leis­tung von min­des­tens 450.000 km auf­ge­wie­sen. Dies er­ge­be sich aus ei­ner Da­ten­bank des Her­stel­lers, in der im Zu­sam­men­hang mit ei­ner Re­pa­ra­tur des Fahr­zeugs am 16.03.2007 be­reits ein Ki­lo­me­ter­stand von 347.975 er­fasst wor­den sei, so­wie un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Um­stands, dass der Pkw nach die­ser Re­pa­ra­tur wei­ter be­nutzt wor­den sein dürf­te.

Die Klä­ge­rin meint, sie sei von der Be­klag­ten über die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs ge­täuscht wor­den; je­den­falls ha­be die Be­klag­te sie, die Klä­ge­rin, im Un­kla­ren über die ihr, der Be­klag­ten, zur Ver­fü­gung ste­hen­den In­for­ma­tio­nen ge­las­sen. Au­ßer­dem be­haup­tet die Klä­ge­rin, dass die Be­klag­te schon an­ge­sichts der Ab­nut­zungs­er­schei­nun­gen, die das Fahr­zeug auf­wei­se, ha­be er­ken­nen kön­nen, dass es nicht le­dig­lich die im Kauf­ver­trag vom 17.05.2011 an­ge­ge­be­ne Lauf­leis­tung auf­wei­se.

Die im We­sent­li­chen auf Scha­dens­er­satz in Hö­he von 25.980 € nebst Zin­sen (Min­der­wert und Auf­wen­dun­gen für Re­pa­ra­tu­ren) ge­rich­te­te Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Die Kla­ge ist … nicht be­grün­det.

Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che bzw. Scha­dens­er­satz­an­sprü­che auf­grund ei­ner arg­lis­ti­gen Täu­schung der Be­klag­ten ste­hen der Klä­ge­rin nicht zu, da ei­ne sol­che arg­lis­ti­ge Täu­schung auf­sei­ten der Be­klag­ten nicht fest­ge­stellt wer­den kann. Sons­ti­ge Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che der Klä­ge­rin sind ver­jährt.

Im Hin­blick auf die Ver­jäh­rungs­vor­schrif­ten des § 438 BGB kom­men un­strei­tig Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che bzw. Scha­dens­er­satz­an­sprü­che der Klä­ge­rin nur dann in Be­tracht, wenn die Be­klag­te ei­nen Man­gel des Fahr­zeu­ges arg­lis­tig ver­schwie­gen hat (§ 438 I Nr. 3, II, III 1 BGB).

Nach der Be­haup­tung der Klä­ge­rin liegt vor­lie­gend ein Man­gel des Fahr­zeugs dar­in, dass die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung – ent­ge­gen der An­zei­ge des Ta­chos – weit­aus hö­her ist. Es kann … da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die­se Be­haup­tung der Klä­ge­rin zu­tref­fend ist, da be­reits ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung auf­sei­ten der Be­klag­ten nicht fest­ge­stellt wer­den kann.

Ei­ne Täu­schung der Be­klag­ten kommt vor­lie­gend der­ge­stalt in Be­tracht, dass die­se ei­ne tat­säch­lich hö­he­re Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs ge­gen­über der Klä­ge­rin ver­schwie­gen hat. Un­pro­ble­ma­tisch kann in die­sem Zu­sam­men­hang ei­ne Auf­klä­rungs­pflicht der Be­klag­ten be­jaht wer­den, da es sich bei der Lauf­leis­tung ei­nes Fahr­zeugs um ei­ne we­sent­li­che Ei­gen­schaft han­delt und der Käu­fer da­her nach Treu und Glau­ben un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­an­schau­ung red­li­cher­wei­se Auf­klä­rung er­war­ten darf. Im Rah­men der zu for­dern­den Arg­list auf­sei­ten der Be­klag­ten muss Vor­satz vor­lie­gen, wo­bei be­ding­ter Vor­satz ge­nügt. Dies be­deu­tet, dass der Han­deln­de, al­so die Be­klag­te, die Un­rich­tig­keit sei­ner An­ga­ben ken­nen oder zu­min­dest für mög­lich hal­ten muss (BGH, Urt. v. 11.05.2001 – V ZR 14/00, NJW 2001, 2326; Urt. v. 13.06.2007 – VI­II ZR 236/06, NJW 2007, 3057 Rn. 29). Be­ding­ter Vor­satz ist in­so­weit ge­ge­ben, wenn der Han­deln­de, ob­wohl er mit der mög­li­chen Un­rich­tig­keit sei­ner An­ga­ben rech­net, ins Blaue hin­ein un­rich­ti­ge Be­haup­tun­gen auf­stellt (stän­di­ge Recht­spre­chung des BGH, sie­he u. a. BGH, Urt. v. 06.11.2007 – XI ZR 322/03, NJW 2008, 644).

Auf den vor­lie­gen­den Fall über­tra­gen ist zu­nächst fest­zu­hal­ten, dass ei­ne po­si­ti­ve Kennt­nis von ei­ner et­wai­gen hö­he­ren Lauf­leis­tung auf­sei­ten der Be­klag­ten nicht dar­ge­tan oder sonst­wie er­sicht­lich ist – ei­ne Ma­ni­pu­la­ti­on des Ta­chos durch die Be­klag­te be­haup­tet die Klä­ge­rin selbst nicht. In Be­tracht kä­me da­her ein Vor­lie­gen von Arg­list auf­sei­ten der Be­klag­ten nur dann, wenn die­se zu­min­dest ei­ne hö­he­re Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs selbst für mög­lich ge­hal­ten hat und den­noch le­dig­lich die Lauf­leis­tung ge­mäß dem Ta­chostand an­ge­ge­ben hat.

In die­sem Zu­sam­men­hang ist zu­nächst fest­zu­hal­ten, dass die Be­klag­te selbst das Fahr­zeug erst re­la­tiv kurz vor dem An­kauf durch die Klä­ge­rin ih­rer­seits an­ge­kauft hat­te und hier­bei vom da­ma­li­gen Ver­käu­fer ei­ne Lauf­leis­tung von 113.000 km an­ge­ge­ben wor­den ist. Auf sol­cher­lei An­ga­ben darf die Be­klag­te grund­sätz­lich ver­trau­en, so­weit sich nicht An­halts­punk­te für de­ren Un­rich­tig­keit auf­drän­gen. Nur in ei­nem sol­chen Fall ist so­dann auch von ei­ner Un­ter­su­chungs­pflicht bzw. Nach­for­schungs­pflicht auf­sei­ten der Be­klag­ten aus­zu­ge­hen.

So­weit die Klä­ge­rin in die­sem Zu­sam­men­hang meint, die weit­aus hö­he­re Lauf­leis­tung hät­te sich auf­grund des sons­ti­gen Er­hal­tungs­zu­stan­des des Fahr­zeugs der Be­klag­ten auf­drän­gen müs­sen bzw. sei ei­ne sol­che weit­aus hö­he­re Lauf­leis­tung oh­ne Wei­te­res für die Be­klag­te er­kenn­bar ge­we­sen, ver­mag das Ge­richt dem nicht zu fol­gen.

Denn selbst Kfz-Händ­ler mit ei­ge­ner Werk­statt und den heu­te üb­li­chen … Dia­gno­se­ge­rä­ten sind in der Re­gel nicht in der La­ge, ei­ne ei­ni­ger­ma­ßen zu­ver­läs­si­ge Aus­sa­ge über die Ge­samt­lauf­leis­tung ge­brauch­ter Fahr­zeu­ge zu ma­chen (vgl. Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 12. Aufl. [2014], Rn. 1448). Zu­tref­fend mag in­so­weit sein, dass die ei­ge­nen Er­kennt­nis- und Prü­fungs­mög­lich­kei­ten ei­nes Händ­lers in der Re­gel bes­ser sind als die des pri­va­ten Durch­schnitts­käu­fers. Ein sol­cher Vor­sprung an Sach- und Er­fah­rungs­wis­sen des Händ­lers reicht in den meis­ten Fäl­len je­doch nicht aus, um sich ein ei­ni­ger­ma­ßen ver­läss­li­ches Bild von der tat­säch­li­chen Lauf­leis­tung von Fahr­zeug und/oder Mo­tor zu ma­chen. Oh­ne Mo­tor­mes­sung, wel­che von ei­nem Händ­ler im Hin­blick auf die nicht un­er­heb­li­chen Kos­ten nicht ver­langt wer­den kann, fällt in der Re­gel so­gar ei­nem Kfz-Sach­ver­stän­di­gen ei­ne an­nä­hernd ge­naue Be­ur­tei­lung schwer (Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 1453).

Der äu­ßer­lich sicht­ba­re All­ge­mein­zu­stand des Au­tos lie­fert oft nur va­ge An­halts­punk­te.

So­weit die Klä­ge­rin bzw. der Klä­ger­ver­tre­ter zu­letzt in der münd­li­chen Ver­hand­lung noch­mals dar­auf ab­ge­stellt hat, dass nach (be­strit­te­ner) Be­haup­tung die Lauf­leis­tung hier fast vier­mal so hoch ge­we­sen sein soll, mag es zu­tref­fend sein, dass in ei­nem sol­chen Fall auf­grund des äu­ße­ren Er­hal­tungs­zu­stan­des zu­min­dest Zwei­fel bei der Be­klag­ten hät­ten auf­kom­men kön­nen. Al­ler­dings fehlt es in die­sem Zu­sam­men­hang an jeg­li­chem sub­stan­zi­ier­ten Vor­trag der Klä­ge­rin da­hin ge­hend, wie kon­kret der äu­ße­re Er­hal­tungs­zu­stand des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs sei­ner­zeit ge­we­sen ist. Sie be­schränkt sich viel­mehr dar­auf, all­ge­mein vor­zu­tra­gen, dass ge­wis­se Tei­le ei­nes Fahr­zeugs dem Ver­schleiß un­ter­lie­gen und da­her ei­ne hö­he­re Lauf­leis­tung er­kenn­bar ge­we­sen sein sol­le. Dies reicht je­doch nicht aus, um ei­ne sol­che Er­kenn­bar­keit im kon­kre­ten Fall fest­stel­len zu kön­nen. Die Klä­ge­rin hät­te hier kon­kret vor­tra­gen müs­sen, wel­che Ge­brauchs- und Ver­schleiß­spu­ren am streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug vor­han­den ge­we­sen sind, an­hand de­rer die Be­klag­te so­dann hät­te die hö­he­re Lauf­leis­tung er­ken­nen kön­nen.

In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass sol­cher­lei Ge­brauchs- und Ver­schleiß­spu­ren nicht al­lein von der Lauf­leis­tung des Fahr­zeu­ges ab­hän­gen. Maß­ge­bend ist in die­sem Zu­sam­men­hang zu­dem das Al­ter des Fahr­zeugs, da Ver­schleiß­er­schei­nun­gen auch un­ab­hän­gig da­von auf­tre­ten, ob und wie in­ten­siv das Fahr­zeug ge­nutzt wird. Vor­lie­gend han­del­te es sich beim An­kauf durch die Klä­ge­rin um ein acht Jah­re al­tes Fahr­zeug, wes­halb un­ab­hän­gig von der kon­kre­ten Lauf­leis­tung von nicht un­er­heb­li­chen Ge­brauchs- und Ver­schleiß­spu­ren aus­zu­ge­hen ist.

Wei­ter ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass das Maß sol­cher Ge­brauchs- und Ver­schleiß­spu­ren auch maß­geb­lich da­von ab­hängt, in wel­cher Form das Fahr­zeug ge­nutzt wur­de so­wie wel­che Er­hal­tungs- und Pfle­ge­maß­nah­men er­grif­fen wur­den. Auch et­wai­ge Ab­nut­zungs­er­schei­nun­gen, bei­spiels­wei­se am Mo­tor, sind nicht aus­schließ­lich auf die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung zu­rück­zu­füh­ren, son­dern auch dar­auf, in wel­cher Form das Fahr­zeug ge­fah­ren wor­den ist. So ist da­von aus­zu­ge­hen, dass et­wa bei aus­ge­prägt sport­li­cher Fahr­wei­se, bei wel­cher das Fahr­zeug oft­mals in die obe­ren Dreh­zahl­be­rei­che ge­bracht wird, ei­ne stär­ke­re Ab­nut­zung des Mo­tors er­folgt als bei ei­ner ge­mä­ßig­ten Fahr­wei­se, so­dass Mo­to­ren mit iden­ti­scher Lauf­leis­tung völ­lig un­ter­schied­li­che Ab­nut­zungs­spu­ren vor­wei­sen kön­nen.

Letzt­lich fehlt aber ins­be­son­de­re auch hier jeg­li­cher kon­kre­ter Vor­trag auf­sei­ten der Klä­ge­rin da­hin ge­hend, in wel­cher Form beim streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug Ab­nut­zungs­spu­ren vor­han­den ge­we­sen sind, wel­che so­dann als so aus­ge­prägt oder un­ge­wöhn­lich qua­li­fi­ziert wer­den könn­ten, dass ein Rück­schluss auf ei­ne Kennt­nis ei­ner hö­he­ren Lauf­leis­tung auf­sei­ten der Be­klag­ten mög­lich wä­re oder zu­min­dest fest­ge­stellt wer­den könn­te, dass sich auf­sei­ten der Be­klag­ten ein Ver­dacht in die­se Rich­tung hät­te auf­drän­gen müs­sen.

In der Ge­samt­schau kann vor­lie­gend da­her ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung der Be­klag­ten nicht fest­ge­stellt wer­den, wes­halb die Kla­ge ab­zu­wei­sen war.

Die Rechts­aus­füh­run­gen der Klä­ger­sei­te im nicht nach­ge­las­se­nen Schrift­satz vom 16.11.2015 füh­ren zu kei­ner ab­wei­chen­den Be­ur­tei­lung. Die ein­ge­reich­te Ent­schei­dung des OLG Ol­den­burg ist auf den vor­lie­gen­den Fall nicht über­trag­bar. Im dor­ti­gen Fall hat­te es sich um ei­nen Man­gel ge­han­delt, der selbst bei ober­fläch­li­cher Sicht­prü­fung vom Au­to­händ­ler hät­te er­kannt wer­den kön­nen. Im vor­lie­gen­den Fall war je­doch die be­haup­te­te hö­he­re Lauf­leis­tung nicht oh­ne Wei­te­res er­kenn­bar; je­den­falls fehlt es am Vor­trag der Klä­ger­sei­te, wor­an im kon­kre­ten Fall dies hät­te er­kannt wer­den kön­nen (s. oben) …

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