Enthält die Schilderung eines Schadensersatz begehrenden Klägers, wie er Besitzer eines bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs geworden ist, keinerlei Anhaltspunkte, die dem Prozessgegner die Prüfung ermöglichen, ob der Vortrag des Klägers der Wahrheit entspricht, wird nicht gemäß § 1006 I 1 BGB vermutet, dass der Kläger Eigentümer des verunfallten Fahrzeugs ist.
OLG Koblenz, Urteil vom 01.06.2015 – 12 U 991/14
Sachverhalt: Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am 27.11.2010 ereignet hat.
Die Beklagten haben geltend gemacht, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche schon deshalb nicht zu, weil er nicht ausreichend dargelegt habe, dass das verunfallte Fahrzeug sein Eigentum sei.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Klage ganz überwiegend stattgegeben. Es hat unter anderem ausgeführt, dass gemäß § 1006 I 1 BGB vermutet werde, dass der Kläger Eigentümer des bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs sei. Wie er das Eigentum an dem Fahrzeug erlangt habe, müsse der Kläger deshalb gerade nicht nachweisen.
Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Es fehlt bereits an der Aktivlegitimation des Klägers.
Der Kläger kann sich auf die Eigentumsvermutung des § 1006 I 1 BGB nicht berufen. Danach wird vermutet, dass der Besitzer einer beweglichen Sache auch Eigentümer dieser Sache ist. Nach allgemeiner Meinung verkürzt § 1006 BGB die Behauptungs- und Beweislast des Besitzers. Es wird vermutet, dass er bei Erwerb des Besitzes Eigenbesitz begründete, dabei unbedingtes Eigentum erwarb und es während der Besitzzeit behielt (vgl. für viele: Palandt/Bassenge, BGB, 74. Aufl., § 1006 Rn. 4).
Der BGH hat hierzu im Urteil vom 04.02.2002 – II ZR 37/00 – ausgeführt, dass § 1006 BGB den Besitzer nicht nur von der Beweis-, sondern auch von der Darlegungslast, wie er Eigentümer geworden ist, befreie. Damit sei allerdings nicht entschieden, inwieweit dem Besitzer nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast dann treffe, wenn sich der fragliche Eigentumswechsel ausschließlich in seiner (des Besitzers) Sphäre abgespielt hat. Eine solche Konstellation hat der BGH noch nicht entschieden. Auch im Urteil vom 16.10.2003 – IX ZR 55/02 – ist eine solche Entscheidung nicht getroffen worden. Hier lag der Besitzerwerb nicht in der ausschließlichen Sphäre des von der Vermutung des Begünstigten. Hier ging es vielmehr um den Besitz- und Eigentumserwerb einer GmbH und ihrer Organe.
Im vorliegenden Fall betont der Kläger, dass er das Auto im Umfallzeitpunkt gefahren sei, dass er die Schadensabwicklung vorangetrieben habe und in den Fahrzeugpapieren als Halter eingetragen sei. Damit ist nach seiner Auffassung sein Eigenbesitz dargetan und somit auch die Eigentumsvermutung i. S. des § 1006 BGB zu seinen Gunsten ausreichend dargelegt. Darüber hinaus hat er vorgetragen, zu Beginn des Jahres 2011 den streitgegenständlichen Mercedes bei einem Hofhändler …als Gebrauchtwagen durch ein Bargeschäft für 11.000 € erworben zu haben. Einen schriftlichen Kaufvertrag habe es nicht gegeben, an den Namen oder die genaue Geschäftsadresse des Händlers könne er sich nicht mehr erinnern. Ende November 2011 hat er den behaupteten Unfall erlitten und Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 gestellt. Die vorliegende Klage ist im Mai 2012 erhoben worden.
Auch wenn der Senat nachvollziehen kann, dass man beim Autokauf gegebenenfalls ein Bargeschäft abwickelt und auf einen schriftlichen Kaufvertrag verzichtet, erscheint es jedoch völlig unglaubhaft, dass man im Zeitraum von weniger als einem Jahr, der zwischen dem behaupteten Eigentumserwerb und dem Unfalltag lag, Adresse und Namen des Händlers vollständig vergisst und auch später durch Recherche nicht mehr ermitteln kann. Angesichts dieses Vortrags kann zur Überzeugung des Senats die Eigentumsvermutung des § 1006 I 1 BGB nicht zur Anwendung kommen. Würde man bei dieser allgemein gehaltenen, lückenhaften und unglaubwürdigen Schilderung des Besitzerwerbs des Klägers die Vermutung des § 1006 I 1 BGB ohne Einschränkung anwenden, wäre der Beklagten zu 2 grundsätzlich die Möglichkeit zum Gegenbeweis abgeschnitten, zunächst zu ermitteln und darauf darzulegen und zu beweisen, dass der Anspruchsteller nicht Eigentümer geworden ist. Die Schilderung des Klägers gibt der Beklagten nämlich keinen Anhaltspunkt, selbst zu recherchieren, ob die Darlegung des Klägers der Wahrheit entspricht (vgl. auch zur Beweisnot des Gegners: OLG Hamm, Beschl. v. 01.02.2013 – I- 9 U 238/12; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 1006 Rn. 49).
Daher findet die Vermutung des § 1006 I 1 BGB hier keine Anwendung. Der Kläger hat sein Eigentum am streitgegenständlichen Fahrzeug nicht bewiesen. Da die Ansprüche, die der Kläger geltend macht, seine Rechtstellung als Eigentümer voraussetzen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 823 Rn. 13), ist seine Aktivlegitimation nicht ausreichend dargelegt. Die Klage ist daher allein aus diesem Grund abzuweisen …