1. Auch bei ei­nem Ver­brauchs­gü­ter­kauf muss der Käu­fer be­wei­sen, dass der Tur­bo­la­der ei­nes Ge­braucht­wa­gens schon bei Über­ga­be des Fahr­zeugs de­fekt war und das Fahr­zeug des­halb spä­ter (hier: fünf Mo­na­te nach der Über­ga­be) lie­gen ge­blie­ben ist. Ei­ne Be­weis­last­um­kehr, wie sie § 476 BGB vor­sieht, kommt in­so­weit nicht in Be­tracht, weil ein De­fekt an ei­nem Tur­bo­la­der je­der­zeit ein­tre­ten und auch ver­schleiß­be­dingt sein kann.
  2. Fin­det ge­mäß § 476 BGB ei­ne Be­weis­last­um­kehr zu­guns­ten des Käu­fers statt, muss die­ser dem Ver­käu­fer den Be­weis er­mög­li­chen, dass die Kauf­sa­che bei Über­ga­be an den Käu­fer man­gel­frei war. Die­sen Be­weis des Ge­gen­teils ver­ei­telt der Käu­fer fahr­läs­sig, wenn er nicht da­für sorgt, dass die von ihm mit dem Aus­tausch ei­nes de­fek­ten Tur­bo­la­ders be­auf­trag­te Werk­statt die­sen auf­be­wahrt.

AG Fried­berg, Ur­teil vom 24.04.2015 – 2 C 1639/14 (12)

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von dem ge­werb­lich han­deln­den Be­klag­ten am 28.02.2014 ei­nen Pkw BMW 320d, der am 04.12.2007 erst­zu­ge­las­sen wor­den war und ei­nen Ki­lo­me­ter­stand von 195.000 auf­wies. Im schrift­li­chen Kauf­ver­trag heißt es un­ter an­de­rem: „Das Fahr­zeug wird un­ter Aus­schluss jeg­li­cher Ge­währ­leis­tung ver­kauft.“

Am 24.07.2014 be­fand sich der Klä­ger mit dem Fahr­zeug auf ei­ner Ur­laubs­rei­se in die Tür­kei. Ge­gen 1:00 Uhr nachts blieb das Fahr­zeug in Ös­ter­reich fahr­un­tüch­tig lie­gen und wur­de zur Fir­ma F ver­bracht. Dort wur­de der Tur­bo­la­der aus­ge­tauscht. Mit Rech­nung vom 25.07.2014, auf der ein Ki­lo­me­ter­stand von 200.528 fest­ge­hal­ten ist, wur­den dem Klä­ger da­für 1977,98 € be­rech­net.

Die im We­sent­li­chen auf Er­stat­tung die­ser Re­pa­ra­tur­kos­ten ge­rich­te­te Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Dem Klä­ger steht kein Scha­dens­er­satz in Form der ver­aus­lag­ten Re­pa­ra­tur­kos­ten we­gen des De­fekts am Tur­bo­la­der zu (vgl. §§ 433 ff. BGB).

Da­bei ist das Ge­richt be­reits der Auf­fas­sung, dass die zu­guns­ten des Käu­fers ei­nes hier un­strei­tig vor­lie­gen­den Ver­brauchs­gü­ter­kaufs ein­grei­fen­de Be­weis­last­um­kehr­re­ge­lung des § 476 BGB vor­lie­gend nicht zur An­wen­dung kommt. Der Man­gel am Tur­bo­la­der zeig­te sich un­strei­tig erst im Ju­li 2014. Ein De­fekt am Tur­bo­la­der kann ty­pi­scher­wei­se je­der­zeit ein­tre­ten und ver­schleiß­be­ding­te Ur­sa­chen ha­ben. Ge­mäß § 476 BGB … sind sol­che Män­gel von der Be­weis­last­um­kehr nicht er­fasst. Es gibt kei­nen hin­rei­chend wahr­schein­li­chen Rück­schluss auf ein Vor­lie­gen des Man­gels (hier des De­fekts des Tur­bo­la­ders) be­reits zum Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs. Das gilt auch für die vom Klä­ger vor­ge­tra­ge­ne Be­haup­tung, die Ur­sa­che des spä­te­ren Man­gels, der so­ge­nann­te „Grund­man­gel“, ha­be be­reits bei Über­ga­be des Fahr­zeugs im Fe­bru­ar 2014 vor­ge­le­gen. Es be­steht die ernst­haf­te Mög­lich­keit ei­ner Man­ge­l­ent­ste­hung nach Aus­lie­fe­rung des Fahr­zeugs, et­wa durch ver­schleiß­be­ding­te Ver­än­de­run­gen oder aber durch un­zu­rei­chen­de War­tung. Da­mit ver­bleibt die Be­weis­last für das Vor­lie­gen ei­nes Man­gels be­reits bei Ge­fahr­über­gang beim Klä­ger.

Doch selbst wenn ent­ge­gen der zu­vor dar­ge­leg­ten Über­zeu­gung des Ge­richts ent­ge­gen dem Wort­laut des § 476 BGB und ent­ge­gen der amt­li­chen Be­grün­dung zur Ein­füh­rung die­ser Vor­schrift da­von aus­zu­ge­hen wä­re, dass die Ver­mu­tung des § 476 BGB sich auch auf die Ur­sa­che ei­nes sich in­ner­halb von sechs Mo­na­ten zei­gen­den Sach­man­gels er­stre­cken wür­de, un­ter­lä­ge die Kla­ge der Ab­wei­sung.

Nach höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung (BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VI­II ZR 43/05, ju­ris), von der ab­zu­wei­chen das AG Fried­berg (Hes­sen) kei­ne Ver­an­las­sung sieht, lä­ge ei­ne fahr­läs­si­ge Be­weis­ver­ei­te­lung durch den Klä­ger im Hin­blick auf den vom Be­klag­ten zu füh­ren­den Ent­las­tungs­be­weis ei­nes ver­schleiß­be­ding­ten Scha­dens des Tur­bo­la­ders vor.

Der Klä­ger ist – dies zeigt der Ver­gleich der Ki­lo­me­ter­stän­de bei Ver­kauf und bei Auf­nah­me der Re­pa­ra­tur­werk­statt – mit dem Fahr­zeug (ähn­lich wie in dem vom BGH ent­schie­de­nen Fall) ca. 5.500 km ge­fah­ren. Oh­ne dass der aus­ge­bau­te, de­fek­te Tur­bo­la­der ei­ner nä­he­ren Un­ter­su­chung zu­gäng­lich ist, lässt sich kein Be­weis dar­über füh­ren, was die ge­naue Ur­sa­che der Schad­haf­tig­keit ge­we­sen ist. Es ist un­auf­klär­bar, ob das Bau­teil be­reits bei Ge­fahr­über­gang mit ei­nem Sach­man­gel be­haf­tet ge­we­sen ist, der sich erst spä­ter aus­ge­wirkt hat, oder aber ob ei­ne in An­be­tracht der Lauf­leis­tung rein ver­schleiß­be­ding­te Ur­sa­che oder aber ein Fahr­feh­ler zum Aus­fall ge­führt hat. Der Klä­ger hät­te – auch als ju­ris­ti­scher Laie – er­ken­nen müs­sen, dass die be­auf­trag­te Werk­statt das de­fek­te Teil auf­be­wah­ren muss (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VI­II ZR 43/05, ju­ris). Er hät­te an ei­ne ent­spre­chen­de An­wei­sung der Werk­statt den­ken müs­sen und dar­an, dass ei­ne Er­stat­tung der auf­ge­wen­de­ten Kos­ten im We­ge des Scha­dens­er­sat­zes nur dann er­folg­reich sein kann, wenn der de­fek­te Tur­bo­la­der ei­ner spä­te­ren Un­ter­su­chung zur Ver­fü­gung steht. Oh­ne die­se Vor­aus­set­zung ist es auch für den vom Ge­richt, wie be­reits aus­ge­führt, nicht an­ge­nom­me­nen Fall ei­ner Be­wei­s­ent­las­tung durch den Ver­käu­fer un­mög­lich, die Ur­sa­che des De­fekts zu er­mit­teln. Da­mit liegt ein Fall der fahr­läs­si­gen Be­weis­ver­ei­te­lung vor.

Aus ähn­li­chen ge­la­ger­ten Pro­zes­sen des er­ken­nen­den Ge­richts, aber auch aus den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung, die sich mit die­sem Pro­blem­kreis be­schäf­tigt hat (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VI­II ZR 43/05, ju­ris; OLG Stutt­gart, Urt. v. 31.01.2005 – 5 U 153/04 u. A.) ist ge­richts­be­kannt, dass oh­ne Hin­zu­tre­ten wei­te­rer An­zei­chen ein ver­schleiß­be­ding­ter Aus­fall min­des­tens ge­nau­so wahr­schein­lich ist wie ein be­reits bei Ver­kauf an­ge­leg­ter Man­gel des Tur­bo­la­ders.

Ab­ge­se­hen da­von, dass dem Klä­ger im Hin­blick auf sei­nen Vor­trag zur Vor­stel­lung des Pkw in ei­ner Ha­nau­er Werk­statt mit Schrift­satz vom 11.03.2015 kein Schrift­satz­nach­lass ge­währt wor­den ist (§ 296a ZPO), ist die­ses Vor­brin­gen auch oh­ne Sub­stanz ge­blie­ben. Wel­che Ar­bei­ten kon­kret durch­ge­führt wor­den sind, bleibt un­klar. Der Vor­trag, dass kei­ne si­gni­fi­kan­te Bes­se­rung der Sym­pto­me nach Ver­brin­gung des Fahr­zeugs zum Be­klag­ten … ein­ge­tre­ten sei, steht in Wi­der­spruch zur Äu­ße­rung des Klä­gers im Rah­men sei­ner per­sön­li­chen An­hö­rung, das Fahr­zeug sei an­schlie­ßend „nor­mal“ ge­lau­fen …

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