Zeigt sich bei einem fast 13 Jahre alten Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von fast 150.000 km, der zum Preis von 2.100 € verkauft wurde, innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer ein Defekt des Anlassers, so kann nicht gemäß § 477 BGB vermutet werden, dass das Fahrzeug bereits bei der Übergabe mangelhaft war. Diese Vermutung ist vielmehr mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar, weil – was sich auch in dem niedrigen Kaufpreis widerspiegelt – bei dem genannten Fahrzeugalter und der genannten Laufleistung jederzeit damit gerechnet werden muss, dass einzelne Fahrzeugteile kaputtgehen, und weil ein Anlasser ein Verschleißteil ist.

AG Buxtehude, Urteil vom 07.03.2019 – 31 C 538/18

Sachverhalt: Die Klägerin verlangt die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags.

Sie kaufte von dem Beklagten, der gewerblich mit Kraftfahrzeugen handelt, mit schriftlichem Vertrag vom 28.02.2018 einen gebrauchten Opel Corsa zum Preis von 2.100 €. Der Pkw war am 20.07.2005 erstzugelassen worden; seine Laufleistung betrug bei Abschluss des Kaufvertrags 147.000 km. Das Fahrzeug wurde der Klägerin nach Zahlung des Kaufpreises am 05.03.2018 übergeben.

Ende April 2018 trat ein Defekt am Anlasser des Pkw auf, der daraufhin von dem Beklagten instand gesetzt wurde. Kurz darauf war der Anlasser wieder defekt. Die Klägerin brachte ihr Fahrzeug deshalb am 27.05.2018 zu dem Beklagten und holte es dort am 29.05.2018 als repariert wieder ab. Der Opel Corsa machte jedoch bereits wieder Probleme, als die Klägerin damit das Betriebsgelände des Beklagten verließ: Der Motor machte sonderbare Geräusche und erbrachte keine Leistung, Lüftung und Klimaanlage funktionierten nicht mehr, und der Anlasser war wieder defekt. Die Klägerin stellte das Fahrzeug deshalb sofort wieder auf dem Betriebsgelände des Beklagten ab und übergab diesem die Fahrzeugschlüssel. Sie verlangte mit der Erklärung, sie habe kein Interesse mehr an dem Pkw, die Rückzahlung des Kaufpreises. Der Beklagte lehnte eine Rückabwicklung des Kaufvertrags ab.

Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 04.06.2018 den Rücktritt vom Kaufvertrag und hilfsweise die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Der Beklagte lehnte eine Rückabwicklung des Kaufvertrags abermals ab, reparierte jedoch erneut den Anlasser und forderte die Klägerin auf, ihr Fahrzeug bei ihm abzuholen. Dieser Aufforderung leistete die Klägerin Folge, nachdem sie gegen den Beklagten Klage erhoben hatte und die Klageschrift dem Beklagten zugestellt worden war.

Die Klägerin macht geltend, dass ihr Fahrzeug mangelhaft sei und der Beklagte das Vorliegen eines Mangels durch seine wiederholten Versuche, den Anlasser zu reparieren, anerkannt habe. Da die Reparaturversuche sämtlich erfolglos geblieben seien, habe sie – die Klägerin – das Recht gehabt, von dem mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zurücktzutreten. Abgesehen davon liege eine arglistige Täuschung vor, denn dem Beklagten als Kfz-Händler hätte auffallen müssen, dass der Anlasser des streitgegenständlichen Fahrzeugs Schwierigkeiten macht und der Pkw insoweit mangelhaft sei.

Der Beklagte behauptet, der streitgegenständliche Pkw sei bei der Übergabe an die Klägerin mangelfrei gewesen. Der Anlasser sei ein typisches Verschleißteil; er – der Beklagte – habe ihn lediglich aus Kulanz repariert. Nachdem der erste Reparaturversuch nicht erfolgreich gewesen sei, habe er einen neuen Anlasser bestellt und in das Fahrzeug der Klägerin eingebaut. Dieser Anlasser sei indes defekt gewesen. Er – der Beklagte – habe ihn deshalb beim Hersteller reklamiert und von diesem Ersatz erhalten. Der neue Anlasser befinde sich mittlerweile im Fahrzeug der Klägerin, das seitdem in Ordnung sei.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Zum Zeitpunkt des erklärten Rücktritts vom Kaufvertrag bestand kein Rücktrittsrecht nach § 437 Nr. 2 Fall 1, § 440 BGB.

Die Klägerin kann den Beweis, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe am 05.03.2018 mangelhaft war, nicht führen. Unstreitig fuhr das Fahrzeug nach Übergabe noch bis Ende April, das heißt, der Anlasser kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht defekt gewesen sein. Eine Sachverständigenuntersuchung, ob der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe bereits angelegt war, ist auch nicht mehr möglich, denn unstreitig wurde der Anlasser durch den Beklagten repariert und ein neuer eingebaut. Dies hat der Beklagte persönlich in der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2019 erklärt, was klägerseits nicht bestritten wurde. Das Gericht hat dies versehentlich nicht in das Sitzungsprotokoll aufgenommen.

Die Beweislastumkehr des § 477 BGB greift vorliegend nicht. Zwar trat der Defekt des Anlassers innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein; die Vermutung, dass der Anlasser bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, ist jedoch mit der Art der Sache oder des Mangels i. S. von § 477 BGB unvereinbar.

Bei der Kaufsache handelt es sich um einen fast 13 Jahre alten Opel Corsa mit einer Laufleistung von fast 150.000 km. Bei diesem Alter und der Fahrleistung muss jederzeit damit gerechnet werden, dass einzelne Fahrzeugteile kaputtgehen. Dies spiegelt sich auch in dem niedrigen Kaufpreis von 2.100 € wieder. Insofern handelt es sich bei dem Anlasser gerade unter Berücksichtigung des Alters und der Laufleistung des Fahrzeugs um ein sogenanntes Verschleißteil. Bei der Laufleistung kann ein Anlasser jederzeit kaputtgehen, ohne dass dies vorher im Besonderen feststellbar wäre.

Insofern kann dem Beklagten auch nicht der Vorwurf gemacht werden, er hätte als gewerblicher Kfz-Händler das Fahrzeug nicht genau untersucht, und ein etwaiger Mangel hätte ihm auffallen müssen.

Die Tatsache, dass der Beklagte den Anlasser kostenfrei repariert hat, stellt kein Anerkenntnis hinsichtlich eines Sachmangels bei Gefahrübergang dar. Die Reparatur kann insoweit auch aus reiner Kulanz erfolgt sein, was vom Beklagten vorgetragen wurde. Ein Anerkenntnis mit seinen weitreichenden Rechtsfolgen kann darin nicht gesehen werden.

Die Tatsache, dass der Beklagte den unstreitig Ende April defekten Anlasser zunächst repariert hat, begründete jedoch Ansprüche der Klägerin auf Reparatur des Anlassers, was der Beklagte jedoch nunmehr tatsächlich durchgeführt hat. …

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