- Durch die Klauseln VI Nr. 1 und Nr. 5 und VII Nr. 5 in den vom Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e. V. empfohlenen Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen kann die gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Sachmangels auch gegenüber einem Verbraucher wirksam von zwei Jahren (§ 438 I Nr. 3 BGB) auf ein Jahr abgekürzt werden.
- Erklärt ein Gebrauchtwagenhändler, ein zum Verkauf stehendes Fahrzeug sei „lt. Vorbesitzer“ unfallfrei, ist dies eine reine Wissenserklärung, die weder zu einer Beschaffenheitsvereinbarung noch zu einer Beschaffenheitsgarantie führt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05).
LG Lübeck, Urteil vom 16.02.2015 – 6 O 163/14
Sachverhalt: Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages.
Der Kläger erwarb von der Beklagten auf der Grundlage einer verbindlicher Bestellung vom 19.10.2012 einen gebrauchten Hyundai i30cw 1.6 zum Preis von 9.930 €. Das Fahrzeug sollte „lt. Vorbesitzer“ unfallfrei sein. In den Kfz-Kaufvertrag wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten einbezogen. Diese lauten auszugsweise wie folgt:
„VI. Sachmangel
1. Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.
Ist der Käufer eine juristische Person des öffentlichen Rechts, ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen oder ein Unternehmer, der bei Abschluss des Vertrages in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt, erfolgt der Verkauf unter Ausschluss jeglicher Sachmängelansprüche.
Weitergehende Ansprüche bleiben unberührt, soweit der Verkäufer aufgrund Gesetzes zwingend haftet oder etwas anderes vereinbart wird, insbesondere im Falle der Übernahme einer Garantie.
…
5. Abschnitt VI Sachmangel gilt nicht für Ansprüche auf Schadenersatz; für diese Ansprüche gilt Abschnitt VII Haftung.
VII. Haftung
…
5. Die Haftungsbegrenzungen dieses Abschnitts gelten nicht bei Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit“.
Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 23.10.2012 übergeben.
Die Beklagte hatte es ihrerseits mit Kaufvertrag vom 13.02.2012 von Herrn P erworben. In dem zwischen der Beklagten und Herrn P geschlossenen Kaufvertrag war das Fahrzeug ebenfalls als unfallfrei beschrieben worden.
Mit Schreiben vom 19.05.2014 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag, nachdem er dies bereits unter dem 06.12.2013 angekündigt hatte. Zur Begründung berief sich der Kläger darauf, dass das von ihm erworbene Fahrzeug bei der Übergabe entgegen dem Kaufvertrag nicht unfallfrei gewesen sei. Vielmehr habe es mindestens einen Unfall erlitten, in dessen Folge die hintere Stoßstange und die hintere linke Tür habe instand gesetzt werden müssen. Dies habe die Beklagte gewusst.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 9.000,06 € Zug um Zug gegen Rückgabe des erworbenen Gebrauchtwagens … aus §§ 437 Nr. 2, 323 I, 346 BGB zu. Der Rücktritt des Klägers war gemäß § 218 BGB unwirksam. Die Mängelgewährleistungsansprüche des Klägers waren bereits vor Erklärung des Rücktritts mit Schreiben vom 19.05.2014 verjährt.
Nach Abschnitt Vl Nr. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten verjährten Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln in einem Jahr ab der Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden. Vorliegend hatte der Kläger das Fahrzeug am 23.10.2012 erhalten, sodass die Verjährungsfrist im Oktober 2013 ablief, also deutlich vor dem Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 19.05.2014.
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wurden auch gemäß § 305 II BGB wirksam in den Kaufvertrag mit einbezogen. Der Kläger wurde in dem Kaufvertragsformular ausdrücklich auf die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten hingewiesen. Diese müssen dem Vertrag auch beigefügt gewesen sein, da der Kläger sie selbst mit seiner Klageschrift zusammen mit dem Kaufvertrag … zur Akte gereicht hat. Mit der Abgabe der Bestellung hat der Kläger der Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch zugestimmt.
Die Klausel in Abschnitt Vl Nr. 1 ist auch nicht wegen Verstoßes gegen §§ 309 Nr. 7a und b BGB unwirksam. In Abschnitt Vl Nr. 5 wurde klargestellt, dass die Verjährungsfrist in Abschnitt VI nicht für Ansprüche auf Schadensersatz gilt. Hierfür wird auf Abschnitt VII verwiesen. Unter Abschnitt Vll Nr. 5 wird dann die Haftungsbegrenzung für die Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit ausdrücklich ausgenommen. Im Übrigen stimmt die Klausel mit § 475 II 2 BGB überein.
Eine von Abschnitt Vl Nr. 1 abweichende Verjährungsfrist gilt nicht in Anwendung von § 438 III 1 BGB, weil die Beklagte arglistig gehandelt hätte. Der Kläger hat nicht zu beweisen vermocht, dass die Beklagte Kenntnis von den vorhandenen Unfallschäden hatte. Die Aussage des Zeugen P, der das streitgegenständliche Fahrzeug an die Beklagte veräußert hatte, war insoweit unergiebig. Er konnte zwar Unfallschäden bestätigen, konnte sich jedoch nicht daran erinnern, ob er diese beim Verkauf an die Beklagte mitgeteilt hatte.
Eine Arglist im Sinne einer Behauptung „ins Blaue hinein“ lässt sich auch nicht mit der Angabe im Kaufvertrag „lt. Vorbesitzer unfallfrei“ begründen. Bei dieser Formulierung handelt es sich lediglich um eine Wissenserklärung oder Wissensmitteilung, mit der die Beklagte die Angaben des Vorbesitzers wiedergegeben hat. Wer sich wie die Beklagte im Rahmen von Verkaufsverhandlungen für eine Aussage ausdrücklich auf eine bestimmte Quelle bezieht, bringt damit hinreichend deutlich zum Ausdruck, woher er die Angaben entnommen hat, und dass es sich dabei nicht um eigenes Wissen handelt (BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517).
Damit könnte lediglich … eine Arglist – auch im Sinne eines bedingten Vorsatzes – bestehen, wenn die Beklagte ohne jegliche Tatsachengrundlage diese Mitteilung fremden Wissens gemacht hätte. Dies lässt sich aber nicht feststellen. Ausweislich des … zur Akte gereichten Kaufvertrages der Beklagten mit dem Zeugen P wurde ihr das streitgegenständliche Kfz als unfallfrei verkauft. Der Zeuge P selbst konnte sich nicht mehr erinnern, ob er von der Beklagten nach Unfallschäden gefragt worden war. Damit kann auch nicht die positive Feststellung zugunsten des Klägers getroffen werden, dass eine solche Frage nicht erfolgt ist.
Soweit die Klägervertreterin in der letzten mündlichen Verhandlung sich für die Annahme der Arglist im vorliegenden Fall auf die Entscheidung des BGH vom 12.03.2008 (Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517) berufen hat, bleibt dies ohne Erfolg. Diese Entscheidung beschäftigt sich nicht mit dem Begriff der Arglist. Vielmehr wird hier lediglich die Angabe „unfallfrei lt. Vorbesitzer“ unter dem Gesichtspunkt einer Beschaffenheitsvereinbarung erörtert.
Der Kläger hat trotz des gerichtlichen Hinweises vom 28.11.2014 auch keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluss auf eine Verjährungshemmung oder gar einen Neubeginn der Verjährungsfrist zuließen. Das Schreiben vom 06.12.2013 erfolgte erst nach Ablauf der Verjährungsfrist und konnte daher – ungeachtet einer nicht vorgetragenen Reaktion der Beklagten hierauf – nicht mehr die Verjährung nach § 203 BGB hemmen. Soweit [der Kläger] behauptet hat, zwischenzeitlich sei fernmündlich verhandelt worden, ist bereits nicht ersichtlich, worauf sich „zwischenzeitlich“ beziehen soll. Insoweit ist nicht erkennbar, ob dies vor dem Schreiben vom 06.12.2013 erfolgt ist oder danach. Selbst wenn der Vortrag so verstanden werden müsste, dass eine fernmündliche Verhandlung vor dem 06.12.2013 erfolgt wäre, würde dies noch nicht bedeuten, dass diese Kommunikation auch vor dem Verjährungseintritt am 23.10.2013 erfolgt wäre.
Aus dem Schreiben vom 06.12.2013 ist lediglich zu entnehmen, dass die Beklagte bis zum 18.11.2013 um Stellungnahme gebeten worden ist, den Umfang des Unfallschadens mitzuteilen.
Schließlich hat der Kläger keinen Beweis dafür angetreten, dass entgegen der Behauptung der Beklagten über den geltend gemachten Mängelgewährleistungsanspruch verhandelt wurde und nicht lediglich über einen Rückkauf des Fahrzeugs auf Kulanzbasis.
Schließlich kann der Kläger sich nicht mit Erfolg auf eine Haftung der Beklagten aus einer Beschaffenheitsgarantie berufen, die nach Abschnitt Vl Nr. 1 Satz 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten von der kurzen Verjährungsfrist ausgenommen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt in der Angabe „unfallfrei lt. Vorbesitzer“ weder eine Beschaffenheitsvereinbarung noch eine Beschaffenheitsgarantie (BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517) …
Hinweis: Der BGH hat nach Erlass dieses Urteils entschieden, dass die (auch) hier verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die auf einer unverbindlichen Empfehlung des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e. V. mit Stand 3/2008 beruhen, hinsichtlich der Abkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr unwirksam sind (BGH, Urt. v. 29.04.2015 – VIII ZR 104/14).