1. Die in der Lie­fe­rung ei­nes Un­fall­wa­gens lie­gen­de Pflicht­ver­let­zung ei­nes Kfz-Ver­käu­fers ist i. S. von § 323 V 2 BGB un­er­heb­lich und recht­fer­tigt des­halb kei­nen Rück­tritt vom Kauf­ver­trag, wenn sich der – un­be­heb­ba­re – Man­gel „Un­fall­wa­gen“ al­lein in ei­nem mer­kan­ti­len Min­der­wert des Fahr­zeugs aus­wirkt und die­ser we­ni­ger als ein Pro­zent des Kauf­prei­ses be­trägt.
  2. Rechts­an­walts­kos­ten, die ei­nem Kfz-Käu­fer schon für die Gel­tend­ma­chung von Nach­er­fül­lungs­an­sprü­chen und nicht erst – nach ei­nem Rück­tritt vom Kauf­ver­trag – für die Durch­set­zung von Rück­ge­währan­sprü­chen ent­ste­hen, hat der Ver­käu­fer ge­mäß § 439 II BGB ver­schul­dens­un­ab­hän­gig zu er­set­zen.

LG Kle­ve, Ur­teil vom 10.10.2014 – 3 O 53/14

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen Ge­braucht­wa­gen.

Der Klä­ger kauf­te von dem Be­klag­ten, der ge­werb­lich mit Fahr­zeu­gen han­delt, mit Ver­trag vom 19.03.2013 ei­nen ge­brauch­ten Pkw (Re­nault Méga­ne Coupé) zum Preis von 8.990 €. Schrift­lich wur­de fest­ge­hal­ten, dass die­ses Fahr­zeug „le­dig­lich fol­gen­de Be­schä­di­gun­gen oder Un­fall­schä­den (Zahl, Art und Um­fang) er­lit­ten“ ha­be: „Vor­ne links Aus­tausch Kot­flü­gel und Fel­ge; Ach­se ver­mes­sen“.

Mit Schrei­ben vom 22.10.2013 for­der­te der Klä­ger den Be­klag­ten un­ter an­de­rem zur Be­sei­ti­gung ei­nes Man­gels in Ge­stalt ei­nes de­fek­ten Kom­pres­sors der Kli­ma­an­la­ge auf. Nach­dem der Be­klag­te ei­ne Män­gel­be­sei­ti­gung ab­ge­lehnt hat­te, hol­te der Klä­ger ein Gut­ach­ten des Sach­ver­stän­di­gen Dipl.-Ing. (FH) L ein. Die­ser führ­te un­ter an­dem aus:

„Das Fahr­zeug hat­te ei­nen in­stand ge­setz­ten Front­scha­den. Hier wa­ren, so­weit er­sicht­lich, der Kot­flü­gel links er­neu­ert und die Tü­re links in­stand ge­setzt und la­ckiert wor­den. Die Achs­hälf­te links mit An­triebs­wel­le und Quer­len­ker so­wie Fe­der­bein und der Vor­der­achs­trä­ger wa­ren er­neu­ert wor­den. Die Bo­den­grup­pe links hat ei­ne Ver­for­mung und ist als Rest­un­fall­spur an­zu­se­hen.“

Wei­ter heißt es in dem Gut­ach­ten:

„Die Ver­for­mung des Bo­den­blechs links deu­tet dar­auf hin, dass das Vor­der­rad in den Rad­kas­ten ge­schla­gen war und hier die Ver­for­mung her­vor­ge­ru­fen hat­te … Es ist da­von aus­zu­ge­hen, dass nach die­ser Re­pa­ra­tur­maß­nah­me das Fahr­zeug im Front­be­reich ei­nen er­heb­li­chen Un­fall­scha­den er­litt, der die o. a. Re­pa­ra­tur er­for­der­te … Es ist zu ver­mu­ten, dass zu die­sem Zeit­punkt durch den An­stoß der Mo­tor nach rechts ge­gen den Längs­trä­ger ge­drückt und hier­bei der Kli­ma­kom­pres­sor be­schä­digt wur­de. Bei fol­gen­dem Be­trieb des Fahr­zeugs wur­de letzt­end­lich durch die de­fek­te An­triebs­schei­be des Kli­ma­kom­pres­sors der An­triebs­rie­men be­schä­digt, bis die­ser sei­ne Funk­ti­on auf­gab und der Man­gel durch den An­spruch­stel­ler fest­ge­stellt wur­de.“

Mit Schrei­ben vom 13.01.2014 er­klär­te der Klä­ger den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Zu­gleich setz­te er dem Be­klag­ten ei­ne Frist zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung in Hö­he von 240,67 €, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs, bis zum 24.01.2014.

Auf te­le­fo­ni­sche Nach­fra­ge des Klä­gers er­klär­te der Be­klag­te am 19.02.2014, dass ei­ne Rück­ab­wick­lung nicht er­fol­gen wer­de.

Der Klä­ger be­haup­tet, dass der Be­klag­te in den Ver­kaufs­ge­sprä­chen und bei Ver­trags­schluss von ei­nem be­ho­be­nen leich­ten Scha­den vor­ne links in Form ei­nes aus­ge­tausch­ten Kot­flü­gels und ei­ner Fel­ge ge­spro­chen ha­be. Er, der Klä­ger, ha­be den Be­klag­ten mehr­fach nach wei­te­ren Schä­den, ins­be­son­de­re auf­grund des Scha­dens vor­ne links am Fahr­zeug, ge­fragt; wei­te­re Schä­den ha­be der Be­klag­te ver­neint.

Die Kla­ge hat­te über­wie­gend Er­folg.

Aus den Grün­den: (1) Der Klä­ger hat ge­gen den Be­klag­ten ei­nen An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags ge­mäß §§ 433, 437 Nr. 2, 346 BGB.

(a) Mit Schrei­ben vom 13.01.2014 hat der Klä­ger ge­mäß § 349 BGB sei­nen Rück­tritt vom Kauf­ver­trag, den die Par­tei­en am 19.03.2013 ge­schlos­sen hat­ten, er­klärt.

(b) Ein Rück­tritts­grund i. S. von §§ 433, 437 Nr. 2, 323, 326 V BGB lag vor.

(aa) Ein Sach­man­gel liegt vor. Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug hat­te bei Ge­fahr­über­gang nicht die ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit i. S. von § 434 I 1 BGB.

Es kann hier­bei of­fen­ge­las­sen wer­den, ob die An­ga­be ei­nes be­stimm­ten Scha­dens zu ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung führt, wo­nach kei­ne wei­te­ren Schä­den vor­han­den sind (vgl. hier­zu Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 73. Aufl. [2014], § 434 Rn. 78 m. w. Nachw.). Die Be­weis­auf­nah­me hat im vor­lie­gen­den Fall er­ge­ben, dass der Be­klag­te im Rah­men der Ver­trags­ver­hand­lun­gen und bei Ver­trags­schluss er­klärt hat, dass ne­ben dem – bei­den Par­tei­en be­kann­ten – Scha­den an dem lin­ken Kot­flü­gel und der Fel­ge kein wei­te­rer Scha­den am streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug vor­han­den ist. Ob das Fahr­zeug nach dem Un­fall fach­ge­recht re­pa­riert wor­den ist, ist nicht von Be­deu­tung (BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VI­II ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 18; Urt. v. 10.10.2007 – VI­II ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 20 m. w. Nachw.).

Ins­be­son­de­re die Aus­sa­ge des Zeu­gen Z hat den Klä­ger­vor­trag be­stä­tigt. Der Zeu­ge hat de­tail­liert und für das Ge­richt nach­voll­zieh­bar den Her­gang des Ver­kaufs­ge­sprächs dar­ge­legt, wo­nach der Klä­ger den Be­klag­ten mehr­fach nach wei­te­ren Schä­den an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ge­fragt hat. Im Rah­men sei­ner Aus­sa­ge hat der Zeu­ge Z deut­lich zwi­schen den Tat­sa­chen dif­fe­ren­ziert, die ihm be­kannt und nicht mehr be­kannt wa­ren. Un­ter an­de­rem hat er dar­ge­legt, dass er in sei­nem Bei­sein nur be­wusst die Ge­sprä­che über den Kot­flü­gel und die Fel­ge mit­be­kom­men hat, ein mög­li­ches Ge­spräch über die Achs­ver­mes­sung hin­ge­gen nicht. Auch in den fol­gen­den Fra­gen durch das Ge­richt und durch die bei­den Par­tei­ver­tre­ter hat der Zeu­ge Z deut­lich zwi­schen den un­strei­tig bei­den Par­tei­en be­kann­ten Män­geln (Kot­flü­gel, Fel­ge) und den wei­te­ren Schä­den dif­fe­ren­ziert.

Der Vor­trag der Be­klag­ten­sei­te, dass der Klä­ger nicht nach wei­te­ren Schä­den an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ge­fragt hat, über­zeugt das Ge­richt nicht. Ei­ner­seits sind be­reits die Aus­füh­run­gen der Be­klag­ten­sei­te wi­der­sprüch­lich. Im Schrift­satz vom 07.04.2014 wird vor­ge­tra­gen, dass al­len Be­tei­lig­ten auf­grund der ver­ein­bar­ten Ach­sen­ver­mes­sung be­kannt ge­we­sen sein soll­te, dass ein er­heb­li­cher Scha­den vor­ge­legt ha­ben müs­se, und ei­ne Ach­sen­ver­mes­sung nur vor­ge­nom­men wird, wenn auch ein Achs­scha­den ge­ge­ben war. In der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 22.09.2014 führt die Be­klag­ten­sei­te hin­ge­gen aus, dass ei­ne Ach­sen­ver­mes­sung durch den Be­klag­ten im­mer durch­ge­führt wird, wenn neue Rei­fen mon­tiert wer­den; zu­dem sei nur über die Män­gel Kot­flü­gel, Fel­ge und vier Rä­der ge­spro­chen wor­den. An­de­rer­seits ent­spricht es auch nicht der all­ge­mei­nen Le­bens­er­fah­rung, dass ein po­ten­zi­el­ler Käu­fer nicht nach wei­te­ren Män­geln fragt, wenn ihm be­reits leich­te Män­gel an ei­nem Ge­braucht­wa­gen be­kannt sind.

(bb) Ei­ne vor­an­ge­hen­de Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung be­durf­te es nicht, weil der vor­lie­gen­de Man­gel sich nicht durch ei­ne Nach­bes­se­rung kor­ri­gie­ren lässt; ei­ne Er­satz­lie­fe­rung ist bei dem hier vor­lie­gen­den Ge­braucht­wa­gen­kauf re­gel­mä­ßig nicht mög­lich (BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VI­II ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 21 m. w. Nachw.).

(cc) Die Pflicht­ver­let­zung ist auch er­heb­lich i. S. von § 323 V 2 BGB.

Die „Pflicht­ver­let­zung“, die in der Lie­fe­rung ei­nes Ge­braucht­wa­gens mit dem un­be­heb­ba­ren Man­gel der Ei­gen­schaft als Un­fall­wa­gen liegt, ist i. S. von § 323 V 2 BGB un­er­heb­lich, wenn sich der Man­gel al­lein in ei­nem mer­kan­ti­len Min­der­wert des Fahr­zeugs aus­wirkt und die­ser we­ni­ger als ein Pro­zent des Kauf­prei­ses be­trägt (vgl. hier­zu u. a. BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VI­II ZR 253/05, NJW 2008, 1517 m. w. Nachw.). Im vor­lie­gen­den Fall kann es of­fen­ge­las­sen blei­ben, in wel­cher Hö­he ge­ge­be­nen­falls ein mer­kan­ti­len Min­der­wert des Fahr­zeugs auf­grund des deut­lich um­fang­rei­che­ren Scha­dens vor­liegt, weil be­reits ein ma­te­ri­el­ler Scha­den in nicht un­er­heb­li­cher Hö­he vor­liegt. Die In­stand­set­zung in Form der Er­neue­rung des Kli­ma­kom­pres­sors so­wie des Rip­pen­rie­mens und die In­stand­set­zung des Längs­trä­gers ein­schließ­lich der La­ckie­rung be­trägt rund 1.400 € net­to.

(dd) Die von der Klä­ger­sei­te mit ei­nem Be­trag in Hö­he von 240,67 € be­zif­fer­te Nut­zungs­ver­gü­tung ist zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig und der Rück­ge­währan­spruch des ge­zahl­ten Kauf­prei­ses in ent­spre­chen­der Hö­he zu re­du­zie­ren.

(2) An­nah­me­ver­zug liegt im vor­lie­gen­den Fall hin­sicht­lich der Rück­nah­me des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs seit dem 19.02.2014 ge­mäß § 295 Satz 1 BGB vor, weil der Be­klag­te an die­sem Tag ei­ne Rück­ab­wick­lung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trags ein­deu­tig und end­gül­tig ab­lehn­te.

(3) Der Klä­ger hat ge­gen den Be­klag­ten ei­nen An­spruch auf Er­stat­tung der Sach­ver­stän­di­gen­kos­ten in Hö­he von 938,15 € ge­mäß § 439 II BGB. Die­se Vor­schrift er­fasst ver­schul­dens­un­ab­hän­gig auch Sach­ver­stän­di­gen­kos­ten, die ei­nem Käu­fer ent­ste­hen, um die Ur­sa­che der Man­gel­er­schei­nun­gen des Kauf­ge­gen­stands auf­zu­fin­den und auf die­se Wei­se zur Vor­be­rei­tung ei­nes die Nach­er­fül­lung ein­schlie­ßen­den Ge­währ­leis­tungs­an­spruchs die Ver­ant­wort­lich­keit für den Man­gel zu klä­ren (BGH, Urt v. 30.04 2014 – VI­II ZR 275/13, DNotZ 2014, 603; Pa­landt/Wei­den­kaff, a. a. O., § 439 Rn. 11).

(4) Eben­falls aus § 439 II BGB er­gibt sich der An­spruch des Klä­gers ge­gen den Be­klag­ten auf Er­stat­tung der au­ßer­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 887,02 €, die be­reits für die Gel­tend­ma­chung von Nach­er­fül­lungs­an­sprü­chen und nicht erst bei der Durch­set­zung der nun­mehr gel­tend ge­mach­ten Rück­ge­währan­sprü­che an­ge­fal­len sind (vgl. Pa­landt/Wei­den­kaff, a. a. O., § 439 Rn. 11 …).

(5) Ein An­spruch des Klä­gers ge­gen den Be­klag­ten auf Er­satz der Um­mel­de- und Schil­der­kos­ten in Hö­he von ins­ge­samt 107,90 € be­steht ge­mäß § 284 BGB; § 284 BGB ist auf­grund des § 325 BGB ne­ben den Rück­ab­wick­lungs­vor­schrif­ten der §§ 346 ff. BGB an­wend­bar (OLG Köln, Urt. v. 17.10.2006 – 24 U 185/05, BeckRS 2007, 04179).

(6) Die Ab­schlepp­kos­ten in Hö­he von 148,75 € sind vom Be­klag­ten … nicht zu er­stat­ten. Hin­sicht­lich der Vor­aus­set­zun­gen der Er­stat­tungs­fä­hig­keit trifft den Klä­ger die Dar­le­gungs- und Be­weis­last. Die Be­klag­ten­sei­te hat mit ih­rem Hin­weis im Schrift­satz vom 07.04.2014, die an­ge­fal­le­nen Ab­schlepp­kos­ten sei­en nicht nach­voll­zieh­bar, in zu­läs­si­ger Wei­se das Vor­lie­gen der durch die Klä­ger­sei­te nicht nä­her kon­kre­ti­sier­ten tat­säch­li­chen Vor­aus­set­zun­gen der Er­stat­tungs­fä­hig­keit be­strit­ten …

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