Ein Neu­wa­gen ist man­gel­haft, wenn er beim Fah­ren im öf­fent­li­chen Stra­ßen­ver­kehr le­dig­lich ei­ne Mo­tor­leis­tung von (ma­xi­mal) 108,6 kW zu er­brin­gen ver­mag, im Kauf­ver­trag die Mo­tor­leis­tung aber mit 120 kW/163 PS („lt. Fahr­zeug­brief“) an­ge­ge­ben ist. Denn in die­sem Fall ha­ben die Par­tei­en des Kauf­ver­trags ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. des § 434 I 1 BGB ge­trof­fen, von der das Fahr­zeug zum Nach­teil des Käu­fers ab­weicht.

LG Nürn­berg-Fürth, Ur­teil vom 06.06.2014 – 12 O 8712/12

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten über die Rück­ab­wick­lung ei­nes Neu­wa­gen­kaufs.

Mit Kauf­ver­trag vom 14.04.2012 er­warb der Klä­ger von der Be­klag­ten ei­nen Pkw Hy­un­dai ix35 zum Preis von 27.490 €. Für Son­der­zu­be­hör wur­den dem Klä­ger  1.123,44 € in Rech­nung ge­stellt, und für die Zu­las­sung des Fahr­zeugs zahl­te der Klä­ger wei­te­re 109 €.

Das Fahr­zeug ver­fügt über ein 6-Gang-Au­to­ma­tik­ge­trie­be. In der dem Kauf­ver­trag zu­grun­de lie­gen­den ver­bind­li­chen Be­stel­lung des Pkw, der dem Klä­ger am 27.04.2012 über­ge­ben wur­de, heißt es un­ter an­de­rem: „kW (PS) lt. Fzg.-Brief: 120 (163)“.

Der Klä­ger hat be­haup­tet, er ha­be be­reits kur­ze Zeit nach Über­nah­me des Fahr­zeugs fest­ge­stellt, dass es äu­ßerst durch­zugs­schwach sei und nicht aus­rei­chend be­schleu­ni­ge. Ob­wohl dies schon an­de­re Kun­den be­män­gelt hät­ten, ha­be ihn die Be­klag­te im Rah­men der Ver­kaufs­ge­sprä­che nicht dar­auf hin­ge­wie­sen. Viel­mehr ha­be man ihm er­klärt, dass das ver­äu­ßer­te Fahr­zeug mit Ben­zin­mo­tor dem – vom Klä­ger Pro­be ge­fah­re­nen – Fahr­zeug mit Die­sel­mo­tor eben­bür­tig sei. Hier­auf ha­be er, der Klä­ger, sich ver­las­sen.

Nach­dem ei­ne Man­gel­be­sei­ti­gung durch die Be­klag­te nicht er­folgt sei, ha­be er ei­ne Leis­tungs­mes­sung durch den ADAC Nord­bay­ern e. V. durch­füh­ren la­sen. Da­bei sei fest­ge­stellt wor­den, dass das Fahr­zeug le­dig­lich ei­ne Leis­tung von 104,2 kW (141,6 PS). Trotz mehr­fa­cher Auf­for­de­rung sei die Be­klag­te nicht zur Be­sei­ti­gung die­ses Man­gels be­reit ge­we­sen.

Der Klä­ger hat mit Schrei­ben vom 09.11.2012 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klärt.

Sei­ne im We­sent­li­chen auf Er­stat­tung des Kauf­prei­ses ge­rich­te­te Kla­ge hat­te über­wie­gend Er­folg.

Aus den Grün­den: I. … Der Klä­ger hat ge­gen die Be­klag­te ei­nen An­spruch ge­mäß §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 346 I BGB.

1. Un­strei­tig ha­ben die Par­tei­en am 14.04.2012 ei­nen Kauf­ver­trag über die Ver­äu­ße­rung ei­nes Neu­fahr­zeugs vom Typ Hy­un­dai ix35 ge­schlos­sen. Das Fahr­zeug wur­de am 27.04.2012 an den Klä­ger über­ge­ben und be­fin­det sich seit­dem in des­sen Be­sitz.

2. Die Kauf­sa­che wies im Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs ei­nen Sach­man­gel i. S. von § 434 I 1 BGB auf. Dies steht zur Über­zeu­gung des Ge­richts nach Durch­füh­rung der Be­weis­auf­nah­me fest.

a) Die Par­tei­en ha­ben die Be­schaf­fen­heit des ver­kauf­ten Pkw in der Wei­se ver­ein­bart, dass der im Fahr­zeug her­stel­ler­sei­tig ver­bau­te Mo­tor ei­ne Ma­xi­mal­leis­tung von 120 kW (= 163 PS) er­bringt. Die … vor­leg­te Ver­trags­ur­kun­de ent­hält ei­ne Be­schrei­bung der tech­ni­schen Merk­ma­le des Fahr­zeugs. Die Mo­tor­kraft ge­hört dem­nach zur Be­schaf­fen­heit des Fahr­zeugs (vgl. Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 72. Aufl., § 434 Rn. 10). Sie ist durch die Par­tei­en auch ver­ein­bart wor­den, zu­min­dest ist der Klä­ger hier­auf kon­klu­dent ein­ge­gan­gen. Dar­an än­dert die An­ga­be „lt. Fzg.-Brief“ nicht. Sie kann nicht ein­schrän­kend als blo­ße Wis­sens­er­klä­rung der Be­klag­ten ver­stan­den wer­den. Bei ei­nem Neu­wa­gen­kauf vom Ver­trags­händ­ler darf ein Ver­brau­cher da­von aus­ge­hen, dass die vom Ver­käu­fer an­ge­ge­be­ne Mo­tor­leis­tung oh­ne Wei­te­res Teil der ge­schul­de­ten Be­schaf­fen­heit wird. In­so­fern un­ter­schei­det sich die Kon­stel­la­ti­on vom Ge­braucht­wa­gen­kauf und der Be­zug­nah­me auf An­ga­ben des Vor­be­sit­zers.

Ob die Par­tei­en den Ge­sichts­punk­te der Mo­tor­leis­tung im Rah­men der Ver­kaufs­ge­sprä­che be­son­ders auf­ge­grif­fen ha­ben, ist nicht ent­schei­dend. Eben­so we­nig kommt es auf die vor 2002 er­ör­ter­te Fra­ge an, ob in der ge­nann­ten An­ga­be im Ver­trags­for­mu­lar die Zu­si­che­rung ei­ner Ei­gen­schaft zu se­hen ist (vgl. hier­zu BGH, Urt. v. 04.06.1997 – VI­II ZR 243/96, NJW 1997, 2318).

b) Von der ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit weicht das ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug zu­las­ten des Klä­gers ab.

aa) Die Be­weis­auf­nah­me hat er er­ge­ben, dass die ma­xi­ma­le Mo­tor­leis­tung von 120 kW laut Her­stel­ler­an­ga­ben bei ei­ner Dreh­zahl von 6.200 U/min er­reicht wer­den soll (s. Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil I). Die­se Nenn­dreh­zahl lässt sich mit dem un­ter­such­ten Fahr­zeug im Fahr­be­trieb je­doch nicht rea­li­sie­ren, weil das Au­to­ma­tik­ge­trie­be vor Er­rei­chen der er­for­der­li­chen Dreh­zahl in den nächst­hö­he­ren Gang schal­tet, oh­ne dass dies durch den Fah­rer be­ein­flusst wer­den kann. Im vier­ten Gang schal­tet das Ge­trie­ben bei ei­ner Mo­tor­dreh­zahl von 5.500 U/min in den fünf­ten Gang. Hier­durch er­höht sich im Fahr­be­trieb zwar die Ge­schwin­dig­keit des Pkw, es kommt aber gleich­zei­tig zu ei­nem Dreh­mo­men­t­ab­fall an den Rä­dern. Der fünf­te und sechs­te Gang des Ge­trie­bes kön­nen ma­nu­ell an­ge­wählt wer­den. Im fünf­ten Gang wird je­doch le­dig­lich ei­ne Dreh­zahl von ca. 5.250 U/min rea­li­siert, im sechs­ten Gang von nur 4.300 U/min. Da­mit lässt sich zwar die Höchst­ge­schwin­dig­keit des Fahr­zeugs er­zie­len, nicht aber ei­ner Mo­tor­leis­tung von 120 kW. Mit an­de­ren Wor­ten kann die für die ma­xi­ma­le Mo­tor­leis­tung er­for­der­li­che Nenn­dreh­zahl in kei­nem der Gän­ge des Au­to­ma­tik­ge­trie­bes er­reicht wer­den. Im fünf­ten Gang ließ sich le­dig­lich ei­nes Ma­xi­mal­leis­tung von 108,6 kW mes­sen.

Das vom Her­stel­ler Hy­un­dai an­ge­ge­be­ne ma­xi­ma­le Dreh­mo­ment von 194 N m bei 4.600 U/min wur­de bei al­len durch­ge­führ­ten Mes­sun­gen deut­lich über­schrit­ten. Es be­trug im vier­ten Gang so­gar 214 N m.

Der Sach­ver­stän­di­ge hat wei­ter aus­ge­führt, dass bei ma­the­ma­ti­scher Fort­ent­wick­lung sei­ner Mes­sung – al­so bei An­nah­me ei­ner stei­gen­den Dreh­zahl und kon­stant blei­ben­dem Dreh­mo­ment – sich ei­ne Leis­tung von ca. 123 kW bei 6.200 U/min er­gä­be. Selbst bei ei­nem Ab­fall des Dreh­mo­ments im hö­he­ren Dreh­zahl­be­reich – das heißt bei ei­nem de­gres­si­ven Leis­tungs­ver­lauf – sei noch mit ei­ner Leis­tung von ca. 115 kW bei 6.200 U/min zu rech­nen. Die tat­säch­li­che Norm­leis­tung lie­ge al­so in­ner­halb ei­nes To­le­ranz­ban­des von ± 5 %.

Die Mes­sung durch den Sach­ver­stän­di­gen K wur­de nur teil­wei­se nach den Vor­ga­ben der Richt­li­nie 80/1269/EWG durch­ge­führt. Es wur­de Re­fe­renz­kraft­stoff ver­wen­det, kein sog. „E10“. Die Au­ßen­tem­pe­ra­tur be­trug 23° C, der Luft­druck 1001 hPa. Im Üb­ri­gen gilt die ge­nann­te Richt­li­nie zwin­gend nur im Ver­fah­ren zu Er­lan­gung der Ty­pen­ge­neh­mi­gung. Im Sach­män­gel­pro­zess sind durch­aus auch an­de­ren Me­tho­den denk­bar, et­wa auf ei­nem Rol­len­prüf­stand (vgl. OLG Köln, Urt. v. 02.12.2010 – 21 U 18/10, ju­ris). Letz­te­res ist im vor­lie­gen­den Fall er­folgt.

Die Kam­mer schließt sich im Üb­ri­gen den über­zeu­gen­den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen K an. Der Sach­ver­stän­di­ge ist dem Ge­richt als fach­kun­dig und fo­ren­sisch er­fah­ren be­kannt. Es be­steht kei­ne Ver­an­las­sung, an sei­nen Gut­ach­ten zu zwei­feln.

bb) Da­nach steht fest, dass das vom Klä­ger er­wor­be­ne Fahr­zeug zwar über ei­nen Mo­tor ver­fügt, der ei­ne Leis­tung von min­des­tens 115 kW zu er­brin­gen im­stan­de ist. Die­se Leis­tung kann je­doch im tat­säch­li­chen Fahr­be­trieb nicht er­reicht wer­den, weil

  • sich die er­for­der­li­che Mo­tor­dreh­zahl (Nenn­dreh­zahl) im vier­ten, fünf­ten und sechs­ten Gang nicht rea­li­sie­ren lässt;
  • ein ma­nu­el­les An­wäh­len (nur) des vier­ten Gan­ges nicht mög­lich ist;
  • sich im ma­nu­ell schalt­ba­ren fünf­ten und sechs­ten Gang auf­grund ei­nes Ge­schwin­dig­keits­be­gren­zers kei­ne hö­he­ren Mo­tor­dreh­zah­len er­zie­len las­sen.

Die ver­trag­lich ver­ein­bar­te Leis­tung von 120 kW bleibt al­so ein theo­re­ti­scher Wert. Der Mo­tor des ver­äu­ßer­ten Fahr­zeugs ist für sich ge­se­hen man­gel­frei. Es wur­de je­doch nicht al­lein ein Mo­tor ver­kauft, son­dern ein voll­stän­di­ges Fahr­zeug ein­schließ­lich ei­nes Mo­tors und Ge­trie­bes. In die­ser Kon­fi­gu­ra­ti­on kann ei­ne Leis­tung von 120 kW nicht er­reicht wer­den. Wie § 434 I 2 Nrn. 1 und 2 BGB zei­gen, ist der kauf­recht­li­che Sach­man­gel­be­griff ver­wen­dungs­be­zo­gen aus­ge­stal­tet. Es kommt al­so nicht dar­auf an, ob ei­ne Kauf­sa­che un­ter theo­re­ti­schen Be­din­gun­gen der ver­trag­lich ge­schul­de­ten Be­schaf­fen­heit ent­spricht, son­dern ob dies auch bei be­stim­mungs­ge­mä­ßer Ver­wen­dung der Kauf­sa­che der Fall ist.

Nur so kann im Üb­ri­gen die Leis­tungs­an­ga­be in der Kauf­ver­trags­ur­kun­de bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung in­ter­pre­tiert wer­den. Zwei­fel­los sind die Par­tei­en still­schwei­gend da­von aus­ge­gan­gen, dass ei­ne Mo­tor­leis­tung von 120 kW bei se­ri­en­mä­ßi­ger Kon­fi­gu­ra­ti­on auch im All­tags­ge­brauch „ab­ge­ru­fen“ wer­den kann. Es gilt hier nichts an­de­res als bei Her­stel­ler­an­ga­ben zur Höchst­ge­schwin­dig­keit ei­nes Fahr­zeugs (vgl. hier­zu OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 07.09.2005 – I-3 U 8/04, NJW 2005, 3504). Beim Fah­ren im öf­fent­li­chen Stra­ßen­ver­kehr ver­mag der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw je­doch le­dig­lich ei­ne Mo­tor­leis­tung von ma­xi­mal 108,6 kW zu er­brin­gen.

Ob das tat­säch­lich zu er­rei­chen­de Dreh­mo­ment deut­lich über den vom Her­stel­ler ver­öf­fent­lich­ten tech­ni­schen Da­ten liegt, ist nicht ent­schei­dend. Denn zum ei­nen ha­ben die Par­tei­en kei­ne Be­schaf­fen­heit hin­sicht­lich der Dreh­mo­ment­zahl ver­ein­bart. Zum an­de­ren ist das Dreh­mo­ment nur ein für die Norm­leis­tung maß­ge­ben­der Fak­tor. Hin­zu kommt die Dreh­zahl und da­mit mit­tel­bar die Ge­trie­be­über­set­zung bzw. die Steue­rung der Ge­trie­be­au­to­ma­tik. Im Grun­de sind es die­se zu­letzt ge­nann­ten Pa­ra­me­ter, die ei­ner vol­len Leis­tungs­ent­fal­tung des Mo­tors im hier ent­schie­de­nen Fall ent­ge­gen­ste­hen. Er­gän­zend hat der Sach­ver­stän­di­ge K aus­ge­führt, dass für das Be­schleu­ni­gungs- und Durch­zugs­ver­hal­ten ent­schei­dend ist, die höchst­mög­li­che Dreh­zahl zu er­rei­chen. Ein Gang­wech­sel bei Er­rei­chen der je­wei­li­gen Dreh­mo­mentspit­ze sei dies­be­züg­lich eher nach­tei­lig.

Un­maß­geb­lich ist fer­ner, dass be­son­ders leis­tungs­star­ke sog. Pre­mi­um­fahr­zeu­ge in der Re­gel bei ei­ner Ge­schwin­dig­keit von 250 km/h elek­tro­nisch ab­ge­re­gelt wer­den und de­ren ho­he Mo­tor­leis­tung im All­tags­be­trieb nicht „er­fah­ren“ wer­den kann. Im vor­lie­gen­den Fall kann die ver­ein­bar­te Mo­tor­leis­tung auch des­halb nicht rea­li­siert wer­den, weil der vier­te Gang des Ge­trie­bes nicht ma­nu­ell ge­schal­tet wer­den kann und sich da­her die er­for­der­li­che Mo­tor­dreh­zahl un­ab­hän­gig von Ge­schwin­dig­keit und Ab­re­ge­lung nicht er­rei­chen lässt. Im Üb­ri­gen wür­de die ge­schul­de­te Be­schaf­fen­heit auch dann feh­len, wenn sie ein­zig und al­lein durch die elek­tro­nisch er­fol­gen­de Ge­schwin­dig­keits­re­ge­lung ver­hin­dert wür­de. Denn auch letz­te­res ist Teil ei­nes Ge­samt­fahr­zeugs, wel­ches man­gel­frei zu funk­tio­nie­ren hat. Hier ist es je­doch so, dass sich die elek­tro­ni­sche Ge­schwin­dig­keits­be­gren­zung im tat­säch­li­chen Fahr­be­trieb über­haupt nicht be­merk­bar macht, weil der Wert von 190 km/h über der vom Her­stel­ler an­ge­ge­be­nen Höchst­ge­schwin­dig­keit (182 km/h) liegt. Dass sie er­for­der­li­che Dreh­zahl und die da­mit ver­bun­de­ne Leis­tung von 120 kW im All­tags­be­trieb nicht er­reicht wird, wird folg­lich über­haupt nicht vom Ge­schwin­dig­keits­be­gren­zer be­ein­flusst.

Die Kam­mer ist schließ­lich auch nicht der Auf­fas­sung, dass ein durch­schnitt­li­cher Fahr­zeug­käu­fer weiß oder da­mit rech­nen muss, dass die Leis­tungs­an­ga­ben des Her­stel­lers ei­nen nur iso­liert auf den Mo­tor be­zo­ge­nen Wert dar­stel­len und er – zu­mal in Kom­bi­na­ti­on mit ei­nem Au­to­ma­tik­ge­trie­be – nicht un­er­heb­li­che Leis­tungs­de­fi­zi­te in Kauf neh­men muss. Hier­auf hät­te viel­mehr der Ver­käu­fer hin­zu­wei­sen. Ins­be­son­de­re ist die Kam­mer nicht der An­sicht, dass die Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung der Par­tei­en in der Wei­se zu ver­ste­hen ist, dass los­ge­löst von je­der prak­ti­schen Ver­wen­dung des Fahr­zeugs le­dig­lich ei­ne an der Kur­bel­wel­le zu mes­sen­de „Nutz­leis­tung“ i. S. der Richt­li­nie 80/1269/EWG vor­han­den sein muss. So sind die Kauf­ver­trags­an­ga­ben von ei­nem durch­schnitt­li­chen Ver­brau­cher auch nicht zu in­ter­pre­tie­ren.

3. Nach­dem die Be­klag­te ei­ne Be­sei­ti­gung des Man­gels ab­ge­lehnt hat, war der Klä­ger zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag be­rech­tigt (§ 323 I BGB).

a) Das Rück­tritts­recht ist nicht ge­mäß § 323 V 2 BGB aus­ge­schlos­sen. Denn der ge­nann­ten Man­gel ist nicht un­er­heb­lich. Zum ei­nen ge­hört die Mo­tor­leis­tung ei­nes Pkw nicht zu den un­ter­ge­ord­ne­ten Be­schaf­fen­heits­merk­ma­len und stellt durch­aus ein Kauf­kri­te­ri­um dar. Dies gilt auch für sog. SUV, da die­se hier­zu­lan­de üb­li­cher­wei­se aus­schließ­lich im nor­ma­len Stra­ßen­ver­kehr ein­ge­setzt wer­den. Durch den Ver­stoß ge­gen die Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung wird die Er­heb­lich­keit in­di­ziert (vgl. BGH, Urt. v. 17.02.2010 – VI­II ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289; Urt. v. 06.02.2013 – VI­II ZR 374/11, NJW 2013, 1365). Des Wei­te­ren sind nicht be­heb­ba­re Män­gel in der Re­gel er­heb­lich (vgl. Faust, JuS 2009, 373 [374]).

Dar­über hin­aus weicht die tat­säch­lich zu rea­li­sie­ren­de Leis­tung von der ver­trag­lich ge­schul­de­ten um ca. 10 % ab. Dies kann bei ei­nem Fahr­zeug der hier vor­lie­gen­den Leis­tungs­klas­se nicht mehr als ge­ring­fü­gig gel­ten (vgl. OLG Köln, Urt. v. 02.12.2010 – 21 U 18/10, ju­ris; LG Wup­per­tal, Urt. v. 16.11.2010 – 16 O 134/08, NJW-RR 2011, 1076). Die Er­heb­lich­keits­gren­ze ist bei Neu­wa­gen im Üb­ri­gen en­ger zu zie­hen als bei Ge­braucht­wa­gen (vgl. Be­ckOK-BGB/Schmidt, § 323 Rn. 39).

Zwar hat der Sach­ver­stän­di­ge K im Rah­men sei­ner münd­li­chen An­hö­rung er­klärt, ein Fah­rer spü­re qua­si nicht, ob der Fahr­zeug­mo­tor mit ei­ner Nenn­leis­tung von 120 kW der­zeit nur 108 kW leis­te. Die ver­min­der­te Be­schleu­ni­gung von 0 auf 100 km/h lie­ge im Be­reich we­ni­ger Zehn­tel­se­kun­den. In­des­sen kommt es in die­sem Zu­sam­men­hang nicht auf das sub­jek­ti­ve Ge­spür ei­nes Sach­ver­stän­di­gen oder ei­nes Durch­schnitts­fah­rers an. So­wohl § 434 I BGB als auch § 325 V 2 BGB sind sol­che Kri­te­ri­en fremd. Ab­zu­stel­len ist – bei al­ler ge­bo­te­nen Ab­wä­gung – auf mög­lichst ob­jek­ti­ve Fak­to­ren.

b) Der Rück­tritt ist ge­gen­über der Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 09.10.2012 er­klärt wor­den (§ 349 BGB).

4. In­fol­ge des Rück­tritts sind die bei­der­seits aus­ge­tausch­ten Leis­tun­gen zu­rück­zu­ge­wäh­ren (§ 346 I BGB).

a) Der Klä­ger schul­det hier­bei ne­ben der Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung der Kauf­sa­che auch die Her­ga­be der ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen ih­rem Wer­te nach (§§ 346 II Nr. 1, 100 BGB). Un­be­strit­ten ist hier­bei ei­ne Ge­samt­lauf­leis­tung von 200.000 km zu­grun­de zu le­gen. Bei ei­nem Brut­to­kauf­preis von 27.490 € er­gibt sich ein Wert­er­satz von 137,45 € pro ge­fah­re­ne 1.000 km. Die­ser Be­trag be­wegt sich in­ner­halb der üb­li­cher­wei­se an­ge­nom­me­nen Span­ne von 0,33–1 % des Brut­to­kauf­prei­ses pro 1.000 km (vgl. Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 72. Aufl., § 346 Rn. 10) und er­scheint auch an­ge­mes­sen (§ 287 II ZPO). Der Klä­ger hat auf Be­fra­gen im Ter­min vom 06.05.2014 er­klärt, dass er seit dem Er­werb 9.536 km zu­rück­ge­legt hat. Die ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen sind dem­nach mit 1.310,72 € zu be­wer­ten.

Die­ser Be­trag ist mit dem Brut­to­kauf­preis so­wie den Kos­ten für Son­der­zu­be­hör und Zu­las­sung zu ver­rech­nen. Die in­fol­ge des Rück­tritts be­ste­hen­den An­sprü­che stel­len nur un­selb­stän­di­ge Rech­nungs­pos­ten bei der Be­rech­nung des ei­nem der Be­tei­lig­ten zu­ste­hen­den Aus­gleichs­an­spruchs dar (vgl. BGH, NJW 1994, 1790). Die Ver­rech­nung er­folgt da­her von Amts we­gen, oh­ne dass es ent­spre­chen­der Er­klä­run­gen der Par­tei­en be­darf. Es er­gibt sich der im Te­nor ge­nann­te Be­trag von 27.411,72 €.

b)Die sich aus dem Rück­tritt er­ge­ben­den Ver­pflich­tun­gen der Par­tei­en sind Zug um Zug zu er­fül­len (§ 348 BGB).

5. Der Klä­ger hat ge­mäß §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB An­spruch auf Er­stat­tung der Man­gel­fol­ge­schä­den.

a) Hier­un­ter fal­len zum ei­nen die Kos­ten der Man­gel­fest­stel­lung. Der Klä­ger ist fahr­zeug­tech­ni­scher Laie. Es war da­her zur zweck­ge­rich­te­ten Rechts­ver­fol­gung er­for­der­lich und an­ge­mes­sen, ei­ne Leis­tungs­prü­fung durch den ADAC durch­füh­ren zu las­sen. Die hier­bei an­ge­fal­le­nen Kos­ten sind er­stat­tungs­fä­hig. Sie be­tra­gen 55 € brut­to.

b) Fer­ner sind die au­ßer­ge­richt­li­chen Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten zu er­stat­ten. Der Klä­ger hat­te sich zu­nächst per­sön­lich an die Be­klag­te ge­wandt. Nach­dem dies er­folg­los blieb, durf­te er zur Gel­tend­ma­chung sei­ner ge­setz­li­chen Sach­män­gel­an­sprü­che ei­nen Rechts­an­walt be­auf­tra­gen. Dies er­scheint eben­falls an­ge­mes­sen.

Al­ler­dings hat der Klä­ger nicht dar­ge­legt, wel­chen be­son­de­ren Um­fang oder wel­che Schwie­rig­keit die vor­lie­gen­de An­ge­le­gen­heit auf­weist, so­dass ein über die ge­setz­li­che Re­gel­ge­bühr hin­aus­ge­hen­der Be­trag ge­schul­det wä­re (An­mer­kung zu Nr. 2300 VV RVG). Ob die­se Vor­aus­set­zun­gen er­füllt wa­ren, un­ter­liegt der vol­len Über­prü­fung durch das Ge­richt. Es gibt kei­nen die­ser Prü­fung ent­zo­ge­nen Er­mes­sens­spiel­raum des Rechts­an­walts (vgl. BGH, NJW 2012, 2813).

Folg­lich ist ei­ne 1,3-fa­che Ge­schäfts­ge­bühr aus ei­nem Ge­gen­stands­wert von 27.854 € nebst Aus­la­gen­pau­scha­le und Mehr­wert­steu­er zu er­set­zen, mit­hin ein Be­trag von 1.196,43 €. Die teil­wei­se An­rech­nung die­ser Ge­bühr auf die im vor­lie­gen­den Rechts­streit an­ge­fal­le­nen Kos­ten (Vor­bem. 3 IV VV RVG) ist dem Kos­ten­fest­set­zungs­ver­fah­ren vor­be­hal­ten.

6. Al­le Zah­lungs­an­sprü­che sind ge­mäß §§ 286 I, 288 I BGB zu ver­zin­sen. In­fol­ge des Schrei­bens vom 09.10.2012 be­fand sich die Be­klag­te seit dem 24.10.2012 in Ver­zug.

II. Die Fest­stel­lungs­kla­ge ist zu­läs­sig und be­grün­det.

1. Das er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se (§ 256 I ZPO) ist im Hin­blick auf die be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen bei der Zwangs­voll­stre­ckung ei­ner Zug um Zug zu er­brin­gen­den Leis­tung (§§ 756 I, 765 Nr. 1 ZPO) ge­ge­ben.

2. Der Klä­ger hat­te mit Schrei­ben vom 09.10.2012 auch die Her­aus­ga­be des Fahr­zeugs an die Be­klag­te an­ge­bo­ten. Zu­tref­fend weist der Klä­ger dar­auf hin, dass die­se Her­aus­ga­be an sei­nem Wohn­sitz zu er­fol­gen hat­te, weil sich die Kauf­sa­che bei Aus­übung des Rück­tritts­recht ver­trags­ge­mäß dort be­fand (vgl. OLG Karls­ru­he, MDR 2013, 898). Die Be­klag­te ist dem nicht nach­ge­kom­men und be­fin­det sich so­mit im An­nah­me­ver­zug (§§ 293, 295 Satz 1 BGB) …

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