- Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB) kann auch der – in einem normierten Verfahren ermittelte oder tatsächliche – Kraftstoffverbrauch eines Pkw sein.
- Eine Beschaffenheitsvereinbarung bezüglich des tatsächlichen Kraftstoffverbrauchs kann angenommen werden, wenn der Verkäufer bei den Vertragsverhandlungen ohne Einschränkungen erklärt hat, die Verbrauchsangaben im Prospekt des Fahrzeugherstellers entsprächen dem tatsächlichen Kraftstoffverbrauch im normalen Fahrbetrieb, sie seien also realistisch. Insoweit ist aber Zurückhaltung angebracht. Denn jedenfalls ein Verkäufer, der nicht selbst Hersteller ist, wird zum Verbrauch eines Neuwagens häufig aus eigenem Wissen erkennbar keine Angaben machen können. Es liegt deshalb nahe, in einer mündlichen Auskunft zum Kraftstoffverbrauch eine bloße Wissensmitteilung zu sehen, die ihre Grundlage in den Herstellerangaben hat.
- Der Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung steht nicht der Hinweis entgegen, dass Angaben zum Kraftstoffverbrauch sich „nicht auf ein einzelnes Fahrzeug“ beziehen, sondern „allein Vergleichszwecken“ dienen und „nicht Bestandteil des Angebots“ sind (im Anschluss an LG Stuttgart, Urt. v. 22.06.2007 – 8 O 180/06, DAR 2009, 149).
- Ein Neuwagenkäufer muss damit rechnen, dass das Fahrzeug tatsächlich erheblich mehr Kraftstoff verbraucht, als es die – allein Vergleichszwecken dienenden – Herstellerangaben vermuten lassen. Auf den fehlenden Realitätsbezug der Herstellerangaben muss der Käufer nur so deutlich hingewiesen werden, wie es die Pkw-EnVKV verlangt.
OLG Brandenburg, Urteil vom 27.03.2014 – 5 U 70/12
Sachverhalt: Die Klägerin begehrt die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags mit der Behauptung, der Kraftstoffverbrauch des erworbenen Fahrzeugs sei zu hoch.
Sie kaufte von der Beklagten im Dezember 2009 einen Neuwagen (Dacia Sandero), der ihr am 06.01.2010 zusammen mit einer EG-Übereinstimmungsbescheinigung übergeben wurde.
Schon vor Abschluss des Kaufvertrags hatte sich die Klägerin nach den Herstellerangaben zum Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs erkundigt; ein Prospekt des Fahrzeugherstellers lag beim Verkaufsgespräch vor. Darin sowie in einem Datenblatt des Herstellers zum Modell Sandero hieß es zum Kraftstoffverbrauch im Wesentlichen identisch:
„Verbrauch städtisch/außerstädtisch/kombiniert (l/100 km)** 7,6/4,9/5,9
…
** Die angegebenen Werte wurden nach den vorgeschriebenen Messverfahren RL (EG) 80/1268 (Euro 4) bzw. VO (EG) 715/2007 (Euro 5) in der jeweils gegenwärtig geltenden Fassung und ohne Zusatzausstattung ermittelt. Die Werte dienen allein Vergleichszwecken und beziehen sich weder auf ein einzelnes konkretes Fahrzeug noch sind sie Bestandteil des Angebots. Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch … können dem ‚Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen‘ entnommen werden, der bei allen Renault Partnern und bei der Deutsche Automobil Treuhand (DAT) erhältlich ist. Der Leitfaden steht außerdem als Download zur Verfügung.“
Die Klägerin hat behauptet, sie habe sich entgültig zum Kauf des Fahrzeugs entschlossen, nachdem ihr der Verkäufer V im Verkaufsgespräch genau die Verbrauchwerte genannt habe, die sich auch aus den Materialien des Herstellers ergäben. Mit Blick auf den außerstädtischen Kraftstoffverbrauch (4,9 l/100 km) habe V erklärt, das Fahrzeug sei mit diesem Verbrauch genau richtig für die Klägerin. Unstreitig hat V nicht darauf hingewiesen, dass es sich bei den Angaben des Herstellers um „Laborwerte“ handelt, die in der Praxis kaum zu erzielen sind.
Das Landgericht hat der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens stattgegeben und ausgeführt, dass die Klägerin wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten sei, weil ihr Fahrzeug außerorts nicht wie vereinbart 4,90 l/100 km, sondern 6,59 l/100 km verbrauche. Außerdem sei die Beklagte der Klägerin wegen des Mehrverbrauchs von 1,69 l/100 km zum Schadensersatz in Höhe von 1.292,40 € verpflichtet.
Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß § 346 BGB, weil sie nicht wirksam gemäß §§ 434, 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 BGB vom Kaufvertrag zurückgetreten ist. Dafür hätte die Klägerin den Nachweis eines Sachmangels nach § 434 I BGB führen müssen, der ihr indessen nicht gelungen ist.
Eine Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Ist die Beschaffenheit nicht vereinbart, so ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 I BGB).
1. Im Streitfall kann nicht festgestellt werden, dass die Vertragsparteien eine Beschaffenheitsvereinbarung zu den tatsächlichen Verbrauchswerten des verkaufen Fahrzeugs getroffen haben.
Eine Beschaffenheit ist i. S. von § 434 I 1 BGB vereinbart, wenn der Inhalt des Kaufvertrags von vornherein oder nachträglich die Pflicht des Verkäufers bestimmt, die gekaufte Sache in dem Zustand zu übereignen, wie ihre Beschaffenheit im Vertrag festgelegt ist (sog. Sollbeschaffenheit). Diese Vereinbarung kommt nur in einem eindeutigen Fall in Betracht und kann auch konkludent und stillschweigend zustande kommen. Einseitig gebliebene Vorstellungen des Käufers genügen nicht, auch wenn sie dem Verkäufer bekannt sind; erforderlich ist die zustimmende Reaktion des Verkäufers (Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl. [2014], § 434 Rn. 14 ff.).
Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung kann bei einem Pkw auch der Kraftstoffverbrauch sein.
Bei einem Neuwagen begründet ein Kraftstoffmehrverbrauch von mehr als 10 % gegenüber den Herstellerangaben eine nicht unerhebliche Tauglichkeitsminderung (§ 323 V 2 BGB), die zum Rücktritt berechtigt (vgl. BGH, Beschl. v. 08.05.2007 – VIII ZR 19/05, NJW 2007, 2111).
a) Durch Bezugnahme auf Prospekte oder andere Unterlagen ist keine Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts getroffen worden, dass der verkaufte Pkw außerorts einen tatsächlichen Verbrauch von 4,9 l/100 km aufweist. Die EG-Übereinstimmungsbescheinigung kann für eine entsprechende Vereinbarung schon deshalb nicht herangezogen werden, weil sie unstreitig erst mit Auslieferung des Fahrzeugs übergeben wurde und nicht vorgetragen worden ist, dass in diesem Zeitpunkt noch eine nachträgliche Vereinbarung (§ 311 I BGB) getroffen wurde.
Es ist aber unstreitig, dass die Klägerin sich bereits vor dem Verkaufsgespräch kundig gemacht hatte und die Herstellerangaben zum Verbrauch … Gegenstand der Erörterungen waren. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich die Sollbeschaffenheit nach den – durch Bezugnahme und Erörterung mindestens konkludent einbezogenen – publizierten Herstellerangaben richten sollte. Es handelt sich insoweit jedenfalls um „öffentliche Äußerungen“ i. S. von § 434 I 3 BGB (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl. [2012], Rn. 599). Diese Angaben bezogen sich lediglich auf den Verbrauch in bestimmten Messverfahren und können deshalb auch dann, wenn die Klägerin dies anders verstanden haben sollte, nur mit diesem Inhalt Vertragsgegenstand geworden sein. Der Klägerin als Erklärungsempfängerin war damit jedenfalls erkennbar, dass die Herstellerangaben auf einer verobjektivierenden Grundlage beruhten und dass sich der bei individueller Fahrweise erzielte Kraftstoffverbrauch mit den angegebenen Werten nicht decken musste (vgl. BGH, Urt. v. 18.06.1997 – VIII ZR 52/96, BGHZ 136, 94). Die Klägerin konnte aufgrund dieser Beschaffenheitsvereinbarung demnach nur erwarten, dass die im Prospekt angegebenen Werte unter Testbedingungen reproduzierbar sind (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 07.02.2013 – 28 U 94/12, juris).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Verbrauchsangaben in einem Hinweisschild enthalten waren, welches auf einer entsprechenden Verpflichtung des Verkäufers aus der Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen und Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen (Pkw-EnVKV) beruhte; insbesondere war die Beklagte nicht zur näheren Erläuterung dieser Angaben verpflichtet. Die nach EG-Messvorschriften zu ermittelnden und nach der Pkw-EnVKV mitzuteilenden Verbrauchswerte und die bei individueller Fahrweise erreichbaren Verbrauchswerte müssen sich nicht decken. Erstere sind „Laborwerte“, Letztere werden von einer Vielzahl individueller Faktoren beeinflusst. In den Anlagen 1 bis 4 zu § 3 I Nr. 1 Pkw-EnVKV werden die äußere Gestaltung, Form und Größe der Hinweisschilder geregelt; Verstöße werden gemäß § 7 Pkw-EnVKV als Ordnungswidrigkeiten geahndet. Unter diesen Gegebenheiten ist es im Hinblick auf die kaufvertragliche Haftung nicht zu beanstanden, wenn Händler auf eine freiwillige nähere Erläuterung ihrer Angaben zum Kraftstoffverbrauch verzichten. Die Angabe des nach der Richtlinie ermittelten Verbrauchs ist für den Verbraucher auch nicht völlig wertlos. Zwar muss er damit rechnen, dass der tatsächliche Verbrauch erheblich höher liegt, das Messverfahren ermöglicht aber den Vergleich verschiedener Fahrzeugmodelle auf objektivierter Basis (OLG Karlsruhe, Urt. v. 01.02.2008 – 1 U 97/07, NZV 2008, 414). Von Herstellern und Händlern wird nicht verlangt, auf den fehlenden Realitätsbezug noch deutlicher hinzuweisen als durch die Pkw-EnVKV vorgegeben (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 608).
b) Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung hat die Klägerin eine mündliche Vereinbarung zum tatsächlichen Sollverbrauch bereits nicht schlüssig vorgetragen. Derartiger Vortrag wäre schlüssig und damit einer Beweisaufnahme zugänglich, wenn behauptet würde, bei den Vertragsverhandlungen habe der Verkaufsberater ohne Einschränkung erklärt, die Angaben im Prospekt entsprächen den tatsächlichen Verkaufswerten und diese Werte seien realistisch. Außer Eindeutigkeit des Erklärten ist auch Verbindlichkeit erforderlich; bei einem Verkäufer, der nicht selbst Hersteller ist, liegt häufig die Deutung nahe, in einer mündlichen Verbrauchsauskunft liege nur eine bloße Wissensmitteilung, die erkennbar ihre Grundlage in den Herstellerangaben hat (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 598).
Die Klägerin hat auch unter Berücksichtigung ihres ergänzenden Vortrags hierzu mit Schriftsatz vom 08.05.2013 nicht mit hinreichender Bestimmtheit vorgetragen, dass vereinbart worden wäre, die aus den Unterlagen ersichtlichen Verbrauchswerte seien auch im tatsächlichen Fahrbetrieb erzielbar. Ihr Vortrag geht lediglich dahin, dass der Verkäufer der Beklagten versichert habe, die angegebenen Verbrauchsdaten seien zutreffend und verlässlich, sie trägt aber nicht vor, dass insoweit auch ein Bezug zum tatsächlichen Fahrbetrieb hergestellt worden wäre. Das wäre aber erforderlich gewesen, zumal von Verkäufern im Hinblick auf die in der Pkw-EnVKV minutiös geregelten Hinweispflichten – wie ausgeführt – grundsätzlich nicht erwartet wird, zusätzlich noch gesondert auf den fehlenden Realitätsbezug der angegebenen Verbrauchsdaten hinzuweisen. Dementsprechend ist auch Zurückhaltung bei der Annahme einer entsprechenden positiven Beschaffenheitsvereinbarung angebracht. Damit fehlt es bereits an hinreichendem Vortrag dazu, dass verbindlich vereinbart wurde, die Prospektangaben seien im Fahrbetrieb zu erzielen. Die Versicherung der Richtigkeit bezieht sich lediglich darauf, dass die Verbrauchswerte in dem in Bezug genommenen Messverfahren richtig ermittelt und vom Hersteller zutreffend wiedergegeben wurden.
Etwas anderes lässt sich auch der Zeugenaussage des Ehemannes der Klägerin nicht entnehmen, die sie sich jedenfalls konkludent zu eigen gemacht hat. Der Zeuge hat angegeben, der Verkäufer habe bestätigt, „dass es [= das Auto] ausgesprochen günstige Verbrauchszahlen habe und dieses Fahrzeug praktisch minimal mehr als der bisherige Golf verbrauchen würde.“ Der Verkäufer habe „exakt gesagt …, 4,9 Liter, das sei ja das ideale Auto mit dem Verbrauch für unsere Wünsche.“ Auch diesen Bekundungen lässt sich nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen, dass es sich um real erzielbare Werte handelt.
2. Aus den unter 1 a genannten Gründen ist allerdings von einer Beschaffenheitsvereinbarung bezüglich der publizierten Herstellerangaben auszugehen. Der Annahme einer entsprechenden verbindlichen Beschaffenheitsvereinbarung steht nicht der sowohl im Datenblatt als auch dem Dacia-Prospekt enthaltene Hinweis entgegen, wonach die angegebenen Werte allein Vergleichszwecken dienen und sich weder auf ein einzelnes konkretes Fahrzeug beziehen noch Bestandteil des Angebots sind. Mit einem derartigen Hinweis kann kein wirksamer Haftungsausschluss herbeigeführt werden, da nach der Regelung in § 434 I 3 BGB Eigenschaften, die nach den öffentlichen Äußerungen des Herstellers/Verkäufers erwartet werden können, gerade zur Beschaffenheit der Kaufsache gehören (LG Stuttgart, Urt. v. 22.06.2007 – 8 O 180/06, DAR 2009, 149, Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 605 [für Beschaffenheitsvereinbarungen]).
Demnach ist eine Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts getroffen worden, dass das Fahrzeug den Prospektangaben entspricht, mithin die im Prospekt angegebenen Werte unter Testbedingungen reproduzierbar sind. Dass das Fahrzeug bei Gefahrübergang diese vereinbarte Beschaffenheit nicht hatte, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin jedoch nicht bewiesen. Ihre Behauptung, der Pkw habe bei Auslieferung am 06.01.2010 nach dem Messverfahren Richtlinie 80/1268/EWG in der seinerzeit geltenden Fassung folgende Kraftstoffverbrauchswerte nicht erfüllt: innerorts 7,6 l/100 km, außerorts 4,9 l/100 km, kombiniert 5,9 l/100 km, hat der Sachverständige L in seinem Gutachten vom 09.03.2012 nicht bestätigt. Der Sachverständige hat vielmehr eine Kraftstoffverbrauchsmessung auf einem Rollenprüfstand unter den für eine standardmäßige Kraftstoffverbrauchsmessung definierten Randbedingungen vorgenommen und dabei nachvollziehbar und widerspruchsfrei folgende Kraftstoffverbräuche ermittelt: innerorts 7,72 l/100 km, außerorts 4,9 l/100 km, kombiniert 5,93 l/100 km.
Aufgrund dieser auch von den Parteien nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen, die lediglich in Bezug auf den Kraftstoffverbrauch innerorts eine geringfügige Überschreitung der Katalogangaben ergeben, kann nicht festgestellt werden, dass bei Gefahrübergang ein Kraftstoffmehrverbrauch von mehr als 10 % gegenüber den Herstellerangaben vorlag. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug bei Beginn der Begutachtung durch den Sachverständigen bereits eine Laufleistung von 105.894 km aufwies und den sachverständigen Feststellungen zufolge aus technischer Sicht zu erwarten ist, dass sich mit steigender Laufleistung eines Pkw zumindest tendenziell eine Verschlechterung des Wirkungsgrades einstellt. …