- Ein Gebrauchtwagen ist unfallfrei, wenn er keinen als erheblich anzusehenden Schaden erlitten hat. Ob ein Schaden erheblich ist, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung, die nur geringfügige, ausgebesserte Blechschäden und „Schönheitsfehler“ als unerheblich ansieht.
- Vermerkt ein Gebrauchtwagenverkäufer nach mehrmaligen Nachfragen des Käufers im schriftlichen Kaufvertrag, ein Fahrzeug sei unfallfrei, so kann anzunehmen sein, dass er eine Garantie i. S. des § 444 Fall 2 BGB für die Beschaffenheit des Fahrzeugs übernehmen und deshalb für alle Folgen des Fehlens der Unfallfreiheit einstehen will.
LG Coburg, Urteil vom 06.02.2014 – 41 O 555/13
Sachverhalt: Die Klägerin verlangte die Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrags.
Sie erwarb als Verbraucherin (§ 13 BGB) von der X-GbR aufgrund eines schriftlichen Kaufvertrags vom 26.03.2012 einen Gebrauchtwagen zum Preis von 6.500 €. Die Beklagten sind die Gesellschafter der X-GbR und betreiben seit Jahren einen Kraftfahrzeughandel.
Der Kaufvertrag enthält den handschriftlichen Eintrag „unfallfrei“. Weiter heißt es in dem Vertrag, dem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der X-GbR zugrunde lagen, unter anderem:
„Dem Verkäufer sind auf andere Weise Unfallschäden bekannt: ( ) ja (×) nein“.
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der X-GbR enthalten unter anderem folgende Regelung:
„VI. Sachmangel
1. Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.“
Das Fahrzeug wurde der Klägerin am 27.03.2013 gegen Zahlung des Kaufpreises übergeben.
Mit Anwaltsschreiben vom 08.08.2013 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag und begründete dies damit, dass das erworbene Fahrzeug bei Übergabe nicht unfallfrei gewesen sei.
Die Klägerin hat behauptet, dass der unmittelbare Vorbesitzer des Fahrzeugs, der Zeuge Z, in einen Auffahrunfall verwickelt gewesen sei, bei dem der Pkw massiv beschädigt worden sei. Der Schaden, von dem der Beklagte zu 1. Kenntnis gehabt habe und dessen fachgerechte Beseitigung einen Kostenaufwand von 4.000 € bis 5.000 € erfordert hätte, sei nicht ordnungsgemäß beseitigt worden.
Die Beklagten haben eingewandt, dass das veräußerte Fahrzeug bei Übergabe an die Klägerin nicht mit einem der Klägerin unbekannten Unfallschaden behaftet gewesen sei. Sie hätten das Fahrzeug zwar von dem Zeugen Z mit leichten Beschädigungen, nämlich Kratzern und Dellen im vorderen rechten Kotflügel, erworben. Dieses Schadensbild sei der Klägerin vor Abschluss des Kaufvertrags jedoch vollumfänglich bekannt gewesen. Ein Unfallschaden, der mit einem Kostenaufwand von 4.000 € bis 5.000 € hätte repariert werden müssen, habe nicht vorgelegen.
Die Klage hatte Erfolg.
Aus den Gründen: A. … I. Leistungsantrag Hauptforderung.
1. Kaufpreis
Der Klägerin steht gemäß §§ 346, 323, 437 Nr. 2 BGB i. V. mit § 128 HGB analog ein Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises in Höhe von 6.500 € Zug um Zug gegen Rückgewähr des streitgegenständlichen Pkw zu.
a) Die Klägerin und die X-GbR haben unstrittig einen Kaufvertrag … geschlossen.
b) Der Pkw ist mangelhaft i. S. des 434 BGB, da er bei Übergabe nicht die vereinbarte Beschaffenheit im Sinne einer Unfallfreiheit aufgewiesen hat.
Der Begriff „Unfallfreiheit“ oder „unfallfrei“ besagt, dass ein Fahrzeug keinen Schaden erlitten hat, der als erheblich anzusehen ist. Die Erheblichkeit eines Schadens bestimmt sich dabei nach der Verkehrsauffassung, die nur geringfügige, ausgebesserte Blechschäden und „Schönheitsfehler“ aus dem Begriff der Unfallfreiheit ausklammert.
Eine Unfallfreiheit in diesem Sinne liegt nicht vor. Die Beweisaufnahme hat hierzu ergeben, dass der streitgegenständliche Pkw zumindest zwei Unfälle erlitten hat. Zum einen ist hier das von dem Zeugen Z geschilderte Unfallgeschehen Ende 2011 zu nennen. Der Zeuge hat hierzu angegeben, beim Hausfahren aus der Garage mit dem Fahrzeug am Garagentor hängen geblieben zu sein. Zum anderen ist das Fahrzeug jedoch bereits im Februar 2011 in einen erheblichen Unfall verwickelt gewesen. Auch dies ergibt sich aus den Angaben des Zeugen Z, der letztendlich dieses Unfallgeschehen auch eingeräumt hat und insbesondere dargestellt hat, dass ein „großer Unfall“ vorgelegen hat.
Es kann keine Rede davon sein, dass die Klägerin Kenntnis von diesem Unfall und den hieraus resultierenden Schäden hatte. Dies wird von den Beklagten auch nicht geltend gemacht, die eine Kenntnis von diesem Unfall selbst in Abrede stellen.
c) Eine Fristsetzung i. S. des § 323 BGB ist bei dem gegenständlichen Sachverhalt entbehrlich gewesen. Des ergibt sich bereits daraus, dass eine Nachbesserung im Sinne einer Herstellung der Unfallfreiheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht möglich ist.
d) Die Klägerin hat auch mit Rechtsanwaltsschreiben vom 08.08.2013 den Rucktritt erklärt.
e) Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht verjährt nach VI. 1. der vereinbarten Verkaufsbedingungen.
Zwar war ab Ablieferung bis Klageerhebung bereits ein Jahr vergangen, bei Anwendung der Klausel ein Gewährleistungsanspruch mithin verjährt. Nach allgemeinem Kaufrecht kann sich der Verkäufer aber nach § 444 BGB auf Haftungsbeschränkungen, auch Verjährungserleichterungen, nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat (vgl. Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2014, § 475 Rn. 80). Bei Arglist des Verkäufers greift dann nach § 438 III BGB vielmehr die regelmäßigß Verjährungsfrist oder bei Garantie die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 I Nr. 3 BGB. ln beiden Fällen wäre der Anspruch der Klägerin nicht verjährt.
aa) Im gegenständlichen Fall kann ein arglistiges Verhalten schon deswegen festgestellt werden, weil der Beklagte zu 1., dessen Verhalten der Verkäuferin nach § 166 BGB zuzurechnen ist, im Rahmen der Vertragsverhandlungen den Unfall des Zeugen Z Ende 2011 – nämlich den Anstoß an der Garage – nicht offenbart hat. Selbstverständlich wäre der Beklagte zu 1. verpflichtet gewesen, nicht nur „Kratzer und Dellen“ zu offenbaren, sondern auch darauf hinzuweisen, dass ihm von dem Zeugen Z ein Unfall geschildert worden ist. Dies hat der Beklagte zu 1. zur Überzeugung des Gerichts unterlassen, weil er damit rechnete, dass die Käuferin den Mangel nicht kannte und bei Aufklärung über diesen Unfall den Vertrag nicht oder nur mit einem anderen Inhalt geschlossen hätte.
Den Beklagten zu 1. traf … auch eine umfassende Offenbarungspflicht. Die Klägerin hat unstrittig ausdrückllch danach gefragt, ob der Gebrauchtwagen in einen Unfall verwickelt gewesen sei. In einem solchen Fall ist der Verkäufer oder dessen Vertreter verpflichtet, nicht nur auf etwaige „Bagatellschäden“ hinzuweisen, sondern explizit auch auf den Umstand eines ihm bekannten Unfalls. Er hat es allein dem Käufer zu uberlassen, ob er bei der gebotenen Aufklärung das Fahrzeug dann überhaupt noch bzw. zu diesem Preis erwerben will.
Weiterhin hat die Beweisaufnahme ergeben, dass zwischen dem Zeugen Z und dem Beklagten zu 1. auch über einen größeren Schaden im Zusammenhang mit einem Unfall des streitgegenständlichen Pkw gesprochen worden ist. Der Zeuge hat hierzu nachvollziehbar bekundet, dass ein größerer Unfall Gesprächsgegenstand gewesen ist, der eben nicht nur zu Dellen und Kratzern geführt hat. Der Zeuge hat … bekundet, dass die Tatsache eines neuen Kotflügels von dem Beklagten zu 1. erkannt worden ist und dieser zudem auch „Spalten“ im vorderen Bereich des Kfz erkannt hat. Wie der Beklagte zu 1. in diesem Zusammehang gleichwohl vortragen lassen kann, dass der Schaden „durch Kratzer und Dellen im Kotflügel vorne rechts“ zu kennzeichnen gewesen sei, vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen. Der Beklagte zu 1. hat seine Kenntnis vom tatsächlichen Schadensumfang zur Überzeugung der Kammer nicht vollständig offenbart.
bb) Zudem hat die Verkäuferin eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache – nämlich Unfallfreiheit – übernommen. Zum einen hat die Verkäuferin, vertreten durch den Beklagten zu 1., die Erklärung zur Unfallfreiheit auf ausdrückliches Verlangen der Käuferin abgegeben. Auf Grundlage der unstrittigen mehrmaligen Nachfragen der Klägerin zur Unfallfreiheit musste dem Beklagten zu 1. auch die Erheblichkeit dieses Aspektes für die Kaufentscheidung der Klägerin offenbar sein. Hierfür spricht auch, dass diese Erklärung schriftlich in den Kaufvertrag mit aufgenommen worden ist. Zum anderen hat die Klägerin – unbestritten durch die Beklagten – vorgetragen, dass es ihr bei diesem Pkw wichtig gewesen sei, dass er keine Mängel und keine Schäden hatte. Begründet hat dies die Klägerin mit dem Kauf eines Fahrzeugs bei den Beklagten ca. ein halbes Jahr vor dem streitgegenständlichen Kauf, „bei dem es Schwierigkeiten“ gegeben habe. In der Gesamtschau kann für die Kammer kein Zweifel bestehen, dass die Verkäuferin in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für das Vorhandefrsein der vereinbarten Beschaffenheit der Kaufsache – nämlich Unfallfreiheit – übernommen hat. Diese garantierte Beschaffenheit liegt nicht vor.
Auf Grundlage des berechtigten Rücktritts sind die Beklagten demgemäß aus ihrer Gesellschafterstellung verpflichtet, den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenstandlichen Pkw zurückzugewähren …
2. Zinserträge
Die Beklagten slnd weiterhin verpflichtet, gemäß §§ 346, 347 I BGB tatsächliche Zinserträge oder solche, die nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft hätten erzielt werden können, herauszugeben. Die Kammer schätzt dieZinshöhe hier auf 4 %. Im Übrigen sind die Beklagten dem Sachvortrag der Klägerin nicht entgegengetreten, er gilt demgemäß als zugestanden …
3. Verwendungen
Die Beklagten sind zudem gemäß §§ 346, 347 II 1 BGB i. V. mit § 128 HGB analog verpflichtet, der Klägerin die notwendigen Verwendungen zu erstatten. Die Klägerin hat mit Klageschrift vom 02.10.2013 hierzu umfassend vorgetragen und folgende Rechnungen vorgelegt:
Rechnung … vom 24.07.2013 | 526,58 € |
Rechnung … vom 30.06.2013 | 43,38 € |
Rechnung … vom 11.02.2013 | 101,15 € |
Rechnung … vom 13.11.2012 | 153,16 € |
Rechnung … vom 18.10.2012 | 218,86 € |
Rechnung … vom 14.08.2012 | 29,16 € |
Rechnung … vom 08.05.2012 | 78,00 € |
Gesamtsumme | 1.150,29 € |
Soweit die Beklagten die „Notwendigkeit“ bestritten haben, ist dieses Vorbringen unsubstanziiert. Bei dem hier gegebenen Sachverhalt wäre es erforderlich gewesen, zum Rechnungsinhalt im Einzelnen Stellung zu nehmen. Dies ist nicht erfolgt. Im Übrigen ergibt sich die Notwendigkeit der Verwendungen auch aus dem lnhalt der vorgelegten Rechnungen, da die zugrunde liegenden Arbeiten ersichtlich der Erhaltung, Wiederherstellurlg oder Verbesserung des streitgegenständlichen Pkw gedient haben …
4. Zulassungskosten
Die Klägerin ist berechtigt, gemäß §§ 437 Nr. 3, 284 BGB i. V. mit § 128 HGB analog von den Beklagten Ersatz der Zulassungskosten in Höhe von 100 € zu verlangen. Die Beklagten sind dem Sachvortrag der Klägerin zum Anfall dieser Aufwendungen nicht entgegengetreten, er gilt demgemäß als zugestanden (§ 138 III ZPO) …
5. Nutzungen
Die Klägerin lässt sich gezogene Gebrauchvorteile mit 896,35 € anrechnen. Soweit die Beklagten in diesem Zusammenhang den aktuellen Kilometerstand und die Restleistung bestreiten, ist dies unerheblich. Der Anspruch des Verkäufers auf Erstattung einer Nutzungsvergütung ist grundsätzlich von dem Verkäufer geltend zu machen und so in den Rechtsstreit einzuführen. Ein entsprechender Sachvortrag der Beklagten fehlt (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 17.09.2013 – 15 U 42/13, juris) …