1. Der Ver­käu­fer kann sich in­so­weit nicht mit Er­folg auf ei­nen Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss be­ru­fen, wie kauf­ver­trag­lich ei­ne be­stimm­te Be­schaf­fen­heit der Kauf­sa­che (hier: die Un­fall­frei­heit ei­nes Ge­braucht­wa­gens) ver­ein­bart wur­de und die­se fehlt (im An­schluss an (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VI­II ZR 92/06, NJW 2007, 1346).
  2. Ver­ein­bart ist ei­ne Be­schaf­fen­heit, wenn der Ver­käu­fer aus Sicht ei­nes ver­stän­di­gen Drit­ten in der Po­si­ti­on des Käu­fers ver­trag­lich ver­pflich­tet ist, die Kauf­sa­che in ei­nem be­stimm­ten Zu­stand zu über­eig­nen. Ein be­son­de­rer Ein­stands­wil­le des Ver­käu­fers, wie er frü­her für die Zu­si­che­rung ver­langt wur­de (§ 459 II BGB a.F.), ist für ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung nicht er­for­der­lich.
  3. Kei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung, son­dern nur ei­ne Wis­sens­mit­tei­lung liegt vor, wenn sich der Ver­käu­fer be­züg­lich ei­ner Be­schaf­fen­heit des Kauf­ge­gen­stan­des aus­drück­lich auf ei­ne be­stimm­te Quel­le be­zieht und da­mit zum Aus­druck bringt, dass es sich da­bei nicht um ei­ge­nes Wis­sen han­delt. So führt die Er­klä­rung „Un­fall­schä­den laut Vor­be­sit­zer: nein“ nicht zu ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung.

AG Bü­din­gen, Ur­teil vom 13.12.2013 – 2 C 1/13
(nach­fol­gend: LG Gie­ßen, Ur­teil vom 07.05.2014 – 1 S 14/14)

Sach­ver­halt: Der Klä­ger kauf­te von der Be­klag­ten mit schrift­li­chem Ver­trag vom 06.06.2010 ei­nen ge­brauch­ten Pkw Au­di A3 für 3.650 €. Der Kauf­ver­trag ent­hielt den Hin­weis, das Fahr­zeug wer­de „ge­kauft wie be­sich­tigt, oh­ne Ga­ran­tie oder Ge­währ­leis­tung“.

Am 15.08.2011 er­stell­te der Sach­ver­stän­di­ge S ein Gut­ach­ten in ei­nem selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­ren. Er kam zu dem Er­geb­nis, dass an dem Au­di A3 di­ver­se Un­fall­schä­den, un­ter an­de­rem min­des­tens ei­nen mas­si­ver Scha­den im vor­de­ren rech­ten Rad-/Achs- und Kot­flü­gel­be­reich, vor­lä­gen. In Er­gän­zung sei­nes Gut­ach­tens stell­te der Sach­ver­stän­di­ge am 12.03.2012 fest, dass die Schä­den bei ei­ner ers­ten Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs durch ei­nen Lai­en nicht so­fort auf­fie­len, die Be­klag­te sie aber auf­grund der stän­di­gen Nut­zung des Fahr­zeugs (z. B. beim Wa­schen) hät­te be­mer­ken müs­sen.

Mit Schrei­ben vom 04.10.2011 hat der Klä­ger den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klärt und die Be­klag­te (er­folg­los) zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw, auf­ge­for­dert.

Der Klä­ger hat be­haup­tet, bei Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges ha­be die Be­klag­te auf Nach­fra­ge er­klärt, der Pkw sei bis auf ei­ne klei­ne Be­schä­di­gung am Heck­spoi­ler, die sie beim Ein­par­ken ver­ur­sacht ha­be, ab­so­lut un­fall­frei.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg; die Be­ru­fung des Klä­gers war er­folg­reich.

Aus den Grün­den: Der Klä­ger hat … kei­nen An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges, da ein Nach­weis der arg­lis­ti­gen Täu­schung durch die Be­klag­te nicht er­folgt ist.

Der Klä­ger selbst hat vor­ge­tra­gen, dass Män­gel nicht sicht­bar ge­we­sen sei­en. Erst das Ein­ho­len ei­nes Gut­ach­tens durch ei­nen Sach­ver­stän­di­gen er­gab, dass gra­vie­ren­de Män­gel am Fahr­zeug vor­han­den wa­ren. Der Klä­ger selbst hat die­se bei der Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs nicht er­kannt. Auch bei der kurz nach dem Kauf er­folg­ten Vor­füh­rung des Fahr­zeugs beim TÜV hat die­ser kei­ne gra­vie­ren­den Män­gel fest­ge­stellt …

Es spre­chen da­her kei­ner­lei An­zei­chen da­für, dass die Be­klag­te Kennt­nis von vor­he­ri­gen Un­fall­schä­den am Fahr­zeug hat­te bzw. hät­te ha­ben müs­sen. Ins­be­son­de­re führt auch der Sach­ver­stän­di­ge in sei­nem Gut­ach­ten vom 12.03.2012 aus, dass die Män­gel durch ei­nen Lai­en nicht er­kenn­bar ge­we­sen sei­en. Die Män­gel wur­den erst durch die De­mon­ta­ge von Kot­flü­gel, Rad­hau­sin­nen­scha­le, Stoß­fän­ger vor­ne, Mo­tor­schutz so­wie Heck­stoß­fän­ger sicht­bar. Ei­ne sol­che De­mon­ta­ge wur­de si­cher­lich von der Be­klag­ten nicht durch­ge­führt.

Der Klä­ger konn­te so­mit nicht nach­wei­sen, dass die Be­klag­te beim Ver­kauf des Fahr­zeugs Män­gel ihm ge­gen­über arg­lis­tig ver­schwie­gen hät­te. Ein Rück­tritt vom Ver­trag schei­det da­her aus …

Hin­weis: Die Be­ru­fung des Klä­gers hat­te Er­folg. In sei­nem Ur­teil vom 07.05.2014 – 1 S 14/14 – hat das LG Gie­ßen un­ter an­de­rem aus­ge­führt:

„We­gen des der Ent­schei­dung zu­grun­de zu le­gen­den Le­bens­sach­ver­halts wird auf die tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen im an­ge­foch­te­nen Ur­teil Be­zug ge­nom­men (§ 540 I Nr. 1 ZPO). Kon­kre­te An­halts­punk­te, die Zwei­fel an der Rich­tig­keit oder Voll­stän­dig­keit der erst­in­stanz­li­chen Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen be­grün­den und des­halb ei­ne er­neu­te Fest­stel­lung ge­bie­ten (§ 529 ZPO), be­stan­den al­ler­dings in­so­weit, als das Amts­ge­richt den Vor­trag des Klä­gers, die Be­klag­te ha­be auf Nach­fra­ge hin mit­ge­teilt, dass der Pkw ab­so­lut un­fall­frei sei bis auf ei­ne klei­ne Be­schä­di­gung am Heck­spoi­ler, als strei­tig be­zeich­net hat. Die­ser Tat­sa­chen­vor­trag ist un­strei­tig ge­blie­ben.

Un­ter Zu­grun­de­le­gung des fest­ge­stell­ten Sach­ver­halts war das an­ge­foch­te­ne Ur­teil ab­zu­än­dern und die Be­klag­te zur Zah­lung von 3.332,08 € nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des ge­kauf­ten Pkw, … zu ver­ur­tei­len (§ 540 I Nr. 2 ZPO).

Der Zah­lungs­an­spruch des Klä­gers er­gibt sich aus §§ 433 I, 437 Nr. 2, 323 I, 346 I BGB. Der Klä­ger war be­rech­tigt, vom Kauf­ver­trag zu­rück­zu­tre­ten, weil das Fahr­zeug man­gel­haft war.

Die Par­tei­en ha­ben ei­ne be­stimm­te Be­schaf­fen­heit des Fahr­zeu­ges, näm­lich des­sen Un­fall­frei­heit (mit Aus­nah­me des Scha­dens am Heck­spoi­ler) ver­ein­bart, wel­che das Fahr­zeug al­ler­dings nicht auf­weist, weil es un­ter an­de­rem ei­nen mas­si­ven Front­scha­den hat­te.

Die Be­klag­te kann sich nicht auf den ver­ein­bar­ten Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss be­ru­fen. Nach höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung, der die Kam­mer folgt, greift ein Haf­tungs­aus­schluss dann nicht ein, wenn die Par­tei­en des Ver­tra­ges ei­ne be­stimm­te Be­schaf­fen­heit ver­ein­bart ha­ben (§ 434 I 1 BGB) und die­se ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit fehlt (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VI­II ZR 92/06, NJW 2007, 1346).

Ver­ein­bart ist ei­ne Be­schaf­fen­heit, wenn der Ver­trag die Ver­pflich­tung ent­hält, die Sa­che in die­ser Be­schaf­fen­heit zu über­tra­gen. Er­klä­run­gen und Hand­lun­gen sind im Hin­blick auf die Fra­ge, ob ei­ne Ver­ein­ba­rung ge­trof­fen wur­de, nach dem Emp­fän­ger­ho­ri­zont zu be­ur­tei­len (Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 72. Aufl., § 434 Rn. 15). Nicht er­for­der­lich ist ein be­son­de­rer Ein­stands­wil­le des Ver­käu­fers, wie er frü­her für die Zu­si­che­rung ver­langt wur­de (OLG Ko­blenz, Urt. v. 29.10.2010 – 8 U 169/10; MünchKomm-BGB/H. P. Wes­ter­mann, 5. Aufl., § 434 Rn. 12).

Vor­lie­gend ent­hält zwar der schrift­li­che Kauf­ver­trag kei­ne Aus­sa­ge be­züg­lich der Un­fall­frei­heit, es liegt aber ei­ne aus­drück­li­che münd­li­che Ab­spra­che vor. Die Be­klag­te hat mit der auf Nach­fra­ge er­folg­ten An­ga­be, dass das Fahr­zeug mit Aus­nah­me der klei­nen Be­schä­di­gung am Heck­spoi­ler ab­so­lut un­fall­frei sei, ei­ne Er­klä­rung ab­ge­ge­ben, die aus Sicht des Klä­gers ein wich­ti­ger Um­stand ist und ei­ne wert­be­stim­men­de Be­deu­tung hat. Zwar liegt ei­ne Ver­ein­ba­rung über ei­ne be­stimm­te Be­schaf­fen­heit dann nicht vor, wenn sich der Ver­käu­fer be­züg­lich ei­ner Be­schaf­fen­heit des Kauf­ge­gen­stan­des aus­drück­lich auf ei­ne be­stimm­te Quel­le be­zieht und da­mit zum Aus­druck bringt, wo­her er die An­ga­be ent­nom­men hat (OLG Ko­blenz, Urt. v. 29.10.2010 – 8 U 169/10). So führt die An­ga­be ‚Un­fall­schä­den laut Vor­be­sit­zer: nein‘ nicht zu ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung. Ei­ne da­hin ge­hen­de Ein­schrän­kung hat die Be­klag­te hin­ge­gen nicht ge­macht.

Et­was an­de­res gilt auch nicht des­halb, weil es sich um ei­nen pri­va­ten Ver­kauf han­delt (das LG Müns­ter, Urt. v. 06.05.2011 – 9 S 106/10, hat in ei­nem Fall, in dem auf dem Kauf­ver­trags­for­mu­lar an­ge­kreuzt war: ‚Un­fall­frei: ja‘ ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung ab­ge­lehnt; s. auch AG Hom­burg, Urt. v. 19.12.2003 – 4 C 250/02, ZfS 2004, 411). Man­gels Hin­wei­ses dar­auf, dass die Be­ant­wor­tung der Fra­ge nur nach frem­dem Wis­sen er­folgt, kann die Be­schrei­bung als ‚un­fall­frei‘ auch von ei­ner Pri­vat­per­son nicht als rei­ne Wis­sens­mit­tei­lung aus­ge­legt wer­den, son­dern als Er­klä­rung ei­ge­nen Wis­sens. Dies gilt ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund, dass das Vor­lie­gen von Un­fall­schä­den ein ganz we­sent­li­ches Kauf­kri­te­ri­um dar­stellt, wes­halb es auch dem pri­va­ten Ver­käu­fer, der an­sons­ten die Ge­währ­leis­tung aus­schießt, zu­zu­mu­ten ist, hier kor­rek­te An­ga­ben zu ma­chen. Dies ent­spricht auch der Er­war­tung des Käu­fers, hät­te er doch mög­li­cher­wei­se bei ei­ner blo­ßen Wis­sens­mit­tei­lung selbst ei­nen Sach­ver­stän­di­gen zu­ra­te ge­zo­gen, be­vor er das Fahr­zeug – un­ter Aus­schluss der Ge­währ­leis­tung – kauft. Wür­de man dies an­ders se­hen, müss­te auch bei ei­ner Lauf­leis­tungs­an­ga­be be­tref­fend ei­nes nicht aus ers­ter Hand stam­men­den Fahr­zeugs mit der glei­chen Ar­gu­men­ta­ti­on kei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung, son­dern ei­ne blo­ße Wis­sens­mit­tei­lung ge­se­hen wer­den. Der BGH nimmt hier aber eben­falls ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung an (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VI­II ZR 92/06, NJW 2007, 1346).

Der Klä­ger kann da­her Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses un­ter Ab­zug von 317,92 € als Nut­zungs­wert­er­satz für ge­fah­re­ne 13.000 km (0,67 % des Kauf­prei­ses pro ge­fah­re­ner 1.000 km), Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Pkw ver­lan­gen (§§ 346 I, 348 BGB) …“

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