1. Ein vertraglich vereinbarter Gewährleistungsausschluss bezieht sich nicht auf Angaben zur Beschaffenheit eines Fahrzeugs, die dessen Verkäufer ausdrücklich gemacht hat. Der Verkäufer kann nämlich nicht einerseits eine bestimmte Beschaffenheit des Fahrzeugs (hier: die Ausstattung mit Sitzheizung und Tempomat) im Rahmen eines Verkaufsangebots ausdrücklich angeben und sich andererseits auf den Gewährleistungsausschluss berufen, wenn das Fahrzeug diese Beschaffenheit nicht aufweist.
  2. Bei Arglist des Kfz-Verkäufers liegt regelmäßig keine unerhebliche Pflichtverletzung i. S. des § 323 V 2 BGB, die einen Rücktritt des Käufers ausschließen würde, vor.

AG München, Urteil vom 11.12.2009 – 122 C 6879/09

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags, nachdem er den Rücktritt von diesem Vertrag erklärt hat.

Die Beklagte bot das streitgegenständliche Fahrzeug über die Internetplattform X in Form der Ersteigerung zum Kauf an. Im Rahmen der Beschreibung gab sie an, dass sich das Fahrzeug in einem gebrauchten, aber sehr gut erhaltenen Zustand befinde, und dass es unfallfrei und scheckheftgepflegt sowie mit einer Standheizung und einem Tempomat ausgestattet sei.

Am 03.02.2009 ersteigerte der Kläger den Pkw für 3.100 €. Am 06.02.2009 wurde zudem mittels eines ADAC-Kaufvertragsformulars ein schriftlicher Kaufvertrag zwischen den Parteien abgeschlossen. Da der linke Außenspiegel des Fahrzeugs beschädigt war, einigte man sich auf einen um 50 € reduzierten Kaufpreis in Höhe von 3.050 €. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am gleichen Tag durch den Ehemann der Beklagten übergeben. Gleichzeitig zahlte der Kläger den Kaufpreis in bar.

Das streitgegenständliche Fahrzeug wies bei der Übergabe einen Kilometerstand von 233.000 auf. Es war weder mit einer Standheizung noch mit einem Tempomaten ausgestattet. Laut Serviceheft erfolgte die letzte Wartung in einer Werkstatt bereits am 12.01.2004 bei einem Kilometerstand von 195.648. Eine weitere Inspektion bzw. Wartung bei Kilometerstand 220.000 war entgegen der Empfehlung der Werkstatt nicht durchgeführt worden.

Mit Schreiben vom 07.02.2009 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit Schreiben vom 12.02.2009 fordere der Klägervertreter die Beklagte auf, bis zum 18.02.2009 den Kaufpreis in Höhe von 3.050 € Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs samt Fahrzeugpapieren zurückzuzahlen.

Die Klage hatte weitestgehend Erfolg.

Aus den Gründen: I. … 1. Der Kläger hat gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 440, 323, 346, 348 BGB gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

Der Kläger ist von dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag wirksam zurückgetreten.

a) Das streitgegenständliche Fahrzeug weist einen Mangel i. S. des § 434 I BGB auf, da es unstreitig nicht über eine Sitzheizung und einen Tempomaten verfügt. Beides war jedoch nach dem Inhalt des Kaufvertrags geschuldet.

Die Beklagte hat bei der Fahrzeugbeschreibung im Rahmen ihres Angebots bei X unter dem Punkt „Komfortausstattung“ angegeben, dass das Fahrzeug über Standheizung und Tempomat verfügt. Der Kläger hat mit der Beklagten am 03.02.2009 über die Internetplattform von X einen wirksamen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug getroffen. Mit dem „Zuschlag“ bei X schließen der Freischaltende des Angebots und der Höchstbietende nach den §§ 145 ff. BGB einen rechtsverbindlichen Kaufvertrag i. S. des § 433 BGB ab (vgl. BGH, NJW 2005, 53).

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Sitzheizung und der Tempomat in dem schriftlichen ADAC-Kaufvertragsformular vom 06.02.2009 nicht aufgeführt werden. Die Parteien haben am 06.02.2009 keinen neuen Kaufvertrag geschlossen. Vielmehr stellte dies lediglich eine Abänderung des bereits zuvor wirksam geschlossenen Kaufvertrags dar, soweit dort abweichende Angaben enthalten waren, was jedoch hinsichtlich Sitzheizung und Tempomat nicht der Fall war. Es ist davon auszugehen, dass die Parteien im Rahmen der Vereinbarung vom 06.02.2009 den geschlossenen Vertrag nur hinsichtlich des Preises modifizieren wollten. Die geringfügige Preisreduzierung von 3.100 € auf 3.050 € beruht nach unbestrittenem Vortrag der Beklagten darauf, dass der linke Außenspiegel des Fahrzeugs beschädigt war. Es lässt sich dem ADAC-Kaufvertragsformular nicht entnehmen, dass die Beklagte sich von den ihm Rahmen ihres X-Angebots getätigten Beschaffenheitsangaben lossagen wollte und der Kläger hiermit einverstanden gewesen wäre – insbesondere da im ADAC-Kaufvertragsformular unter dem Punkt „Der Verkäufer garantiert“ vermerkt wurde „gekauft wie bei X angeboten Auktion vom 3.2.2009 13:18 h“. Dies zeigt deutlich, dass die Parteien sich darüber einig waren, dass insoweit auch der Vertragsschluss über die Internetplattform maßgeblich und bindend sein sollte.

b) Die Parteien haben auch nicht wirksam die Gewährleistung ausgeschlossen. Soweit das Angebot bei X die Formulierung enthält „Da es sich hierbei um einen Privatverkauf handelt keine Garantie und Rücknahme möglich.“, bezog sich dies ersichtlich nicht auf die Beschaffenheitsangaben, die zuvor ausdrücklich von der Beklagten hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemacht worden waren. Dies wird im ADAC-Vertragsformular noch deutlicher, da dort vereinbart wurde: „Das Kraftfahrzeug wird unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkauft – soweit nicht nachfolgend eine Garantie übernommen wird (Ziff. 1).“ Unter Nr. I. 1. wurde sodann, wie bereits dargestellt, vermerkt, dass das Fahrzeug entsprechend dem Angebot bei X gekauft wird. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die Beklagte sich nicht durch widersprüchliches Verhalten von der Gewährleistungspflicht befreien kann. Sie kann nicht einerseits eine bestimmte Beschaffenheit des Fahrzeugs – hier die Ausstattung mit Sitzheizung und Tempomat – ausdrücklich im Rahmen ihres Verkaufsangebots angeben und sich andererseits für den Fall des Nichtvorliegens dieser Beschaffenheit auf den Gewährleistungsausschluss berufen.

Zudem wäre im vorliegenden Fall eine Vereinbarung des Gewährleistungsausschlusses gemäß § 444 BGB unwirksam. Der Verkäufer kann sich auf einen Haftungsausschluss gemäß § 444 Fall 1 BGB nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Arglistiges Vorspiegeln von Eigenschaften ist dem gleichzustellen (vgl. RGZ 83, 242). Die Beklagte handelte arglistig, als sie im Rahmen ihres X-Angebots angab, dass das Fahrzeug mit Sitzheizung und Tempomat ausgestattet sei. Hinsichtlich der Erklärung des Beklagtenvertreters, dass die unrichtige Beschreibung bei X darauf beruhe, dass die Standheizung und der Tempomat auch vom Vorbesitzes im Kaufvertrag angegeben war – was vonseiten des Klägers bestritten wurde –, blieb die Beklagte beweisfällig. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Beklagte hinsichtlich der Unrichtigkeit ihrer Angaben zumindest bewusst die Augen verschlossen hat. Dies genügt, um Arglist anzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 18.03.1981 – VIII ZR 44/80, NJW 1981, 1441; Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, NJW 2006, 2839).

c) Die Gewährleistungsrechte des Klägers sind auch nicht gemäß § 442 I BGB ausgeschlossen. Es fehlt bereits an einem Vortrag der Beklagten, dass der Kläger positive Kenntnis hinsichtlich des Nichtvorhandenseins von Sitzheizung und Tempomat hatte. Allein die Behauptung, der Kläger hätte bei genauer Betrachtung feststellen können, dass das Fahrzeug nicht mit Standheizung und Tempomat ausgestattet ist, genügt insoweit nicht, da eine eventuelle grob fahrlässige Unkenntnis hier keinen Gewährleistungsausschluss nach § 442 I BGB bewirkt, da wie bereits ausgeführt die Beklagte hinsichtlich dieser Beschaffenheitsmerkmale gerade arglistig handelte.

d) Der Rücktritt ist auch nicht nach § 323 V 2 BGB ausgeschlossen. Das Fehlen der Sitzheizung und des Tempomaten stellt erhebliche Mängel dar. Das Fehlen dieser Ausstattungselemente stellt auch bei einem Gebrauchtwagen nicht bloß eine unwesentliche Beeinträchtigung dar, zumal bei Arglist des Verkäufers regelmäßig die Unerheblichkeit zu verneinen ist (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.2006 – V ZR 173/05, NJW 2006, 1960).

e) Auch die fehlende Nacherfüllungsfristsetzung lässt das Rücktrittsrecht des Klägers nicht entfallen. Die Fristsetzung war nach § 440 Satz 1 BGB entbehrlich, da sie im Hinblick auf die vorangegangene arglistige Täuschung durch die Beklagte unzumutbar war (vgl. Palandt, BGB, § 440 Rn. 8). Mangels Schutzwürdigkeit der Beklagten war ein sofortiger Rücktritt gerechtfertigt.

f) Unstreitig hat der Kläger am 07.02.2009 gegenüber der Beklagten den Rücktritt erklärt …

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Erstattung der von ihm geltend gemachten vorprozessualen Anwaltskosten. Insbesondere stellen diese keinen Verzugsschaden dar, da die Beklagte sich zum Zeitpunkt des anwaltlichen Tätigwerdens noch nicht in Verzug befand. Vielmehr war das anwaltliche Schreiben vom 12.02.2009 erst verzugsbegründend …

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