- Der Erfüllungsort der Nacherfüllung ist in den Fällen, in denen es – werkvertraglich – um die mangelhafte Reparatur eines Kraftfahrzeugs geht, regelmäßig an dem Ort anzusiedeln, an dem der Werkunternehmer zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses seine gewerbliche Niederlassung (§ 269 II BGB) hatte. Es ist Sache des Bestellers, dem Werkunternehmer das angeblich mangelhaft reparierte Fahrzeug zur Verfügung zu stellen, damit der Werkunternehmer es überprüfen und die Berechtigung des Nacherfüllungsverlangens prüfen kann.
- Transportiert der Werkunternehmer das vermeintlich mangelhafte Fahrzeug selbst zu seiner Werkstatt und erweist sich das Nacherfüllungsverlangen als unberechtigt, hat der Besteller dem Werkunternehmer die diesem für den Transport des Fahreugs entstandenen Kosten zu ersetzten. Darauf, ob dieser Anspruch aus § 670 BGB oder aus §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) folgt oder ob es sich um einen bereicherungsrechtlichen Anspruch (§ 812 I 1 Fall 1 BGB) handelt, kommt es nicht an.
LG Saarbrücken, Urteil vom 20.09.2013 – 13 S 77/13
Sachverhalt: Der Kläger ist Eigentümer eines am 17.03.2000 erstzugelassenen VW Golf IV 1.4. Dieses Fahrzeug brachte er am 15.07.2010 in die Werkstatt der Beklagten. Nachdem die Beklagte verschiedene Arbeiten an dem Pkw durchgeführt hatte, wollte der Kläger damit noch am selbenin Urlaub fahren. Er blieb allerdings in der Nähe von Speyer liegen. Das Fahrzeug wurde in die nächstgelegene VW-Werkstatt abgeschleppt, wo eine erste Diagnose einen möglichen Motorschaden ergab. Davon unterrichtete der Kläger die Beklagte am folgenden Tag. Der VW Golf wurde anschließend von der Beklagten zu deren Betriebssitz abgeschleppt und dort von der Beklagten repariert.
Als der Kläger den reparierten Pkw bei der Beklagten abholen wollte, verlangte diese neben den Reparaturkosten (741,33 €) Abschleppkosten in Höhe von 502,77 €. Da der Kläger die Zahlung der Abschleppkosten verweigerte, lehnte die Beklagte eine Herausgabe des Fahrzeugs ab.
Mit seiner Klage hat der Kläger ursprünglich die Herausgabe seines Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie eine Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit vom 26.07. bis zum 10.10.2010 in Höhe von (77 Tage × 29 € =) 2.233 € verlangt. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Beklagte habe ein eigenes Interesse an der Feststellung der Schadensursache gehabt, sodass er davon habe ausgehen dürfen, dass sie sein Fahrzeug kostenfrei abholt. Einer entgeltlichen Verbringung habe er nie zugestimmt. Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts
durch die Beklagte sei im Übrigen unverhältnismäßig.
Die Beklagte hat ursprünglich widerklagend neben den Reparatur- und Abschleppkosten in Höhe von (502,77 € + 741,33 € =) 1.244,10 € Standgebühren für die Zeit vom 20.08. bis zum 30.11.2010 und vom 01.01. bis zum 08.04.2011 in Höhe von 2.591,24 €, mithin insgesamt 3.835,34 €, geltend gemacht. Außerdem hat sie die Feststellung beantragt, dass der Kläger mit der Entgegennahme des Fahrzeugs in Verzug sei. Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger habe sie mit der Verbringung seines Fahrzeugs beauftragt. Standgebühren seien in Höhe von 11,50 € netto für jeden Werktag und in Höhe von 5 € netto für jeden Sonn- oder Feiertag geschuldet. Das Fahrzeug des Klägers müsse an Werktagen morgens aus ihrer – der Beklagten – Halle heraus- und abends wieder hineingefahren werden. Hierdurch entstehe ein nicht unerheblicher Arbeitsaufwand.
Nachdem sich die Parteien außergerichtlich entsprechend geeinigt hatten, hinterlegte der Kläger am 06.04.2011 den Betrag für die Standgebühren und erhielt von der Beklagten am 08.04.2011 gegen Zahlung der Reparaturkosten (741,33 €) sein Fahrzeug.
Im Anschluss daran haben die Parteien den Rechtsstreit im Hinblick auf das Herausgabeverlangen des Klägers und dessen Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten für erledigt erklärt, und die Beklagte hat ihren Zahlungsantrag um 741,33 € ermäßigt. Ihren Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs des Klägers hat die Beklagte nicht weiterverfolgt.
Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 730,73 € stattgegeben und den Kläger auf die Widerklage der Beklagten verurteilt, an die Beklagte 741,33 € nebst Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 741,33 € seit dem 21.08.2010 abzüglich eines am 06.04.2011 gezahlten Betrages in Höhe von 741,33 € zu zahlen. Im Übrigen wurden Klage und Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass zwischen den Parteien ein Werkvertrag über das Abschleppen des klägerischen Fahrzeugs zustande gekommen sei. Zwar müsse ein Unternehmer keine kostenlosen Leistungen erbringen. Hier habe aber im Raum gestanden, dass die ursprüngliche Werkleistung der Beklagten mangelhaft gewesen sei. Zu deren Gunsten habe daher kein Zurückbehaltungs- oder Werkunternehmerpfandrecht bestanden, sodass sie auch nicht die Zahlung von Standgebühren beanspruchen könne. Demgegenüber habe der Kläger Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung; er könne allerdings nur Vorhaltekosten in Höhe von täglich 9,49 € verlangen.
Mit ihrer Berufung hat die Beklagte weiterhin die vollständige Klageabweisung erreichen wollen. Ihren widerklagend geltend gemachten Zahlungsanspruch hat sie insoweit weiterverfolgt, wie er in erster Instanz keinen Erfolg hatte.
Der Kläger hat Anschlussberufung eingelegt und damit seine Klage um einen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit vom 11.10.2010 bis zum 06.04.2011 in Höhe von (176 Tage × 9,49 € =) 1.670,24 € erweitert.
Nur das Rechtsmittel der Beklagten hatte – teilweise – Erfolg.
Aus den Gründen: II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und teilweise begründet, die nach § 524 ZPO zulässige Anschlussberufung des Klägers unbegründet.
Die Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Ersatz von Abschleppkosten in Höhe von 502,77 € und Standgebühren in Höhe von 494,03 €, mithin insgesamt 996,80 €. Der Kläger kann demgegenüber gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung geltend machen.
1. Allerdings steht der Beklagten gegen den Kläger kein Anspruch auf Ersatz von Abschleppkosten als Vergütung aus einem Werkvertrag über die Reparatur des klägerischen Fahrzeugs zu (§ 631 I BGB).
a) Wendet sich ein Auftraggeber – wie hier der Fall – nach Abnahme der Werkleistung unter Hinweis auf einen Defekt erneut an den Werkunternehmer, so ist im Wege der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu ermitteln, ob er einen weiteren, entgeltlichen Reparaturauftrag erteilen oder eine unentgeltlich zu erbringende Nacherfüllung geltend machen will. Ein Nacherfüllungsverlangen muss nicht ausdrücklich gestellt werden. Es genügt, dass der Auftraggeber den Mangel hinreichend konkret bezeichnet und erkennen lässt, dass er Abhilfe erwartet (vgl. BGH, Urt. v. 20.04.1978 – VII ZR 143/77, WM 1978, 953; LG Saarbrücken, Urt. v. 28.03.2013 – 13 S 196/12; MünchKomm-BGB/Busche, 6. Aufl. [2012], § 635 Rn. 8 f.; BeckOK-BGB/Voit, Stand 01.08.2013, § 635 Rn. 18). Für ein Nachbesserungsverlangen kann etwa das tatsächliche Bestehen von Gewährleistungsansprüchen (vgl. BGH, Urt. v. 10.06.2003 – X ZR 86/01, BGHReport 2003, 1254; LG Saarbrücken, Urt. v. 28.03.2013 – 13 S 196/12) oder ein Tätigwerden im Rahmen einer Garantievereinbarung (vgl. BGH, Urt. v. 17.05.1982 – VII ZR 193/81, WM 1982, 1053; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.06.1994 – 18 U 4/94, MDR 1995, 152; LG Saarbrücken, Urt. v. 28.03.2013 – 13 S 196/12) sprechen. Für eine neue Auftragserteilung kann hingegen sprechen, dass der Werkunternehmer die Erbringung von Gewährleistungsarbeiten bereits abgelehnt hat (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 27.11.1992 – 26 U 171/92, juris; OLG Celle, Urt. v. 08.05.2002 – 7 U 47/00, BauR 2003, 265; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.05.2003 – 17 U 193/02, MDR 2003, 1108; LG Saarbrücken, Urt. v. 28.03.2013 – 13 S 196/12).
b) Vorliegend war das Verhalten des Klägers unter Berücksichtigung aller Umstände als Nacherfüllungsverlangen zu verstehen. Der Kläger hat die Beklagte unmittelbar nach Eintritt des Kfz-Schadens auf seiner Fahrt in den Urlaub über das Vorkommnis unterrichtet. Dabei ging er – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – davon aus, dass der eingetretene Kfz-Schaden möglicherweise auf einer mangelhaft erbrachten Werkleistung der Beklagten am Vortrag beruhen könnte. Entsprechend musste die Beklagte das Begehren des Klägers auch dahin gehend deuten, dass er geltend machen wollte, die übernommene vertragliche Verpflichtung sei nicht mangelfrei erbracht worden und solle also kostenfrei nacherfüllt werden.
Dass der Kläger insoweit der Beklagten keinen gesonderten Auftrag zur Verbringung und Reparatur seines Fahrzeugs erteilen wollte, ergibt sich auch aus den weiteren Umständen. Denn das Fahrzeug des Klägers befand sich in deutlicher räumlicher Entfernung vom Betriebssitz der Beklagten und zudem in einer Fachwerkstatt, sodass eine Verbringung zur Beklagten offenkundig nur Sinn machte, wenn es dem Kläger darauf ankam, im Rahmen einer Nacherfüllung durch die Beklagte eine kostenfreie Reparatur zu erhalten. Dass die Beklagte – wie sie behauptet – selbst von einem unberechtigten Nacherfüllungsverlangen ausgegangen ist, ändert hieran nichts. Denn auf die Berechtigung zur Nacherfüllung kommt es bei der Frage, wie das Verhalten des Klägers zu deuten ist, nicht an.
2. Der Beklagten steht indes aus anderem Rechtsgrund ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Abschleppkosten in Höhe von 502,77 € zu.
a) Zwar sieht § 635 II BGB vor, dass der Unternehmer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen hat. Die Kostentragungspflicht nach dieser Vorschrift setzt allerdings einen Nacherfüllungsanspruch, mithin die Mangelhaftigkeit des Werks voraus (vgl. stellvertretend für alle: Palandt/Sprau, BGB, 72. Aufl., § 635 Rn. 6; Moufang/Koos, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 2. Aufl., § 635 Rn. 78). Davon kann hier aber nicht ausgegangen werden. Denn es ist unstreitig, dass der eingetretene Kfz-Schaden nicht auf eine mangelhafte Reparatur durch die Beklagte zurückzuführen ist.
b) Die angefallenen Abschleppkosten stellen sich danach als Kosten dar, die auf einem unberechtigten Nacherfüllungsverlangen des Klägers beruhen. Diese Kosten sind vorliegend von dem Kläger zu ersetzen. Dabei kann dahinstehen, ob Kosten aus der Überprüfung einer unberechtigten Mängelrüge des Bestellers allgemein ersatzfähig sind (vgl. bejahend OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.05.2003 – 17 U 193/02, BauR 2003, 1241; Moufang/Koos, in: Messerschmidt/Voit, a. a. O., § 635 Rn. 76 ff. m. w. Nachw.; ablehnend OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.1998 – 22 U 148/98, NJW-RR 1999, 746; LG Konstanz, Urt. v. 22.11.1996 – 1 S 156/96, NJW-RR 1997, 722; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearb. 2008, § 635 Rn. 5; offengelassen durch BGH, Urt. v. 02.09.2010 – VII ZR 110/09, NJW 2010, 3649). Denn die Abschleppkosten stellen sich hier nicht als Kosten der Überprüfung einer unberechtigten Mängelrüge dar, sondern als Aufwendungen, die erforderlich waren, um dem Unternehmer das vermeintlich mangelhafte Werk zu überlassen, damit dieser eine Mängelüberprüfung durchführen konnte.
aa) Im Kaufvertragsrecht ist anerkannt, dass der Verkäufer nicht verpflichtet ist, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm am Erfüllungsort der Nacherfüllung die Gelegenheit zu einer Mängeluntersuchung gegeben hat (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.2012 – VIII ZR 96/12, NJW 2013, 1074 Rn. 24 m. w. Nachw.). Will der Käufer Nacherfüllung bezüglich einer vermeintlich mangelhaften Kaufsache geltend machen, muss er dem Verkäufer danach die Kaufsache am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Verfügung stellen (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.2012 – VIII ZR 96/12, NJW 2013, 1074 Rn. 24). Entsprechendes gilt für Werkverträge wie hier. Denn auch das Nacherfüllungsverlangen nach § 635 BGB setzt voraus, dass der Werkunternehmer in die Lage versetzt wird, das erstellte Werk auf etwaige Mängel zu untersuchen. Insoweit trifft auch den Besteller im Rahmen eines Nacherfüllungsverlangens die Pflicht, dem Werkunternehmer das Werk zur Untersuchung auf etwaige Mängel zur Verfügung zu stellen (vgl. hierzu Palandt/Sprau, a. a. O., § 634 Rn. 2, § 635 Rn. 2; zur Obliegenheit des Bestellers zur Mitwirkung vgl. auch §§ 642, 643 BGB).
bb) Hiervon ausgehend traf den Kläger vorliegend die Obliegenheit, der Beklagten das Fahrzeug an deren Betriebssitz zur Verfügung zu stellen, um der Beklagten Gelegenheit zu geben, das Fahrzeug auf etwaige Mängel der am Vortag durchgeführten Reparatur untersuchen zu können. Der Erfüllungsort für eine etwaige Nacherfüllung war im Streitfall nämlich der Betriebssitz der Beklagten. Denn es ist anerkannt, dass die Nacherfüllung bei Kfz-Reparaturen an dem Ort durchzuführen ist, wo sich die Werkstatt befindet (vgl. nur OLG München, Beschl. v. 22.06.2005 – 22 AR 56/05, DAR 2006, 28; jurisPK-BGB/Kerwer, 6. Aufl., § 269 Rn. 18; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 29 ZPO Rn. 25 – Werkverträge).
cc) Indem die Beklagte das Fahrzeug des Klägers an ihren Betriebssitz abgeschleppt hat, hat sie demnach auch eine Obliegenheit des Klägers erfüllt. Jedenfalls unter den gegebenen Umständen steht ihr daher ein Anspruch auf Ersatz der insoweit entstandenen Kosten zu. Ob dieser Anspruch aus einem bedingt erteilten Auftrag (§ 670 BGB), aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB) oder aus Bereicherungsrecht (§ 812 I 1 Fall 1 BGB) folgt, bedarf dabei keiner Entscheidung (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.05.2003 – 17 U 193/02, BauR 2003, 1241; Moufang/Koos, in: Messerschmidt/Voit, a. a. O., § 635 Rn. 76 ff.; Kniffka, FS Heiermann, 1995, S. 201, 205). Substanziierte Bedenken gegen die Höhe der Abschleppkosten sind nicht geltend gemacht und auch im Übrigen nicht ersichtlich.
3. Der Beklagten steht auch ein Anspruch auf Ersatz von Standgebühren gemäß § 304 BGB zu. Nach dieser Vorschrift darf der Schuldner im Falle des Gläubigerverzugs Ersatz der Mehraufwendungen verlangen, die er für das erfolglose Angebot sowie für die Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstands machen musste. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
a) Der Kläger befand sich mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug nach § 293 BGB.
aa) Die Beklagte hat dem Kläger die Herausgabe des Fahrzeugs so, wie sie zu bewirken wa, angeboten (§ 294 BGB), indem sie dem Kläger die Herausgabe des Fahrzeugs an ihrem Betriebssitz angeboten hat.
bb) Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte die Herausgabe an die Bedingung der Zahlung der Abschleppkosten gebunden hat. Der Beklagten stand nämlich – wie gezeigt – ein Anspruch auf Ersatz der Abschleppkosten zu, sodass sie die Herausgabe des Wagens an den Kläger bis zur Zahlung der Abschleppkosten verweigern durfte (§ 273 I BGB). Die Beklagte war insoweit lediglich zur Herausgabe Zug um Zug gegen Zahlung der Abschleppkosten verpflichtet (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 25.09.1985 – VIII ZR 270/84, WM 1985, 1421; KG, Urt. v. 07.01.2011 – 13 U 31/10, DWW 2011, 222).
Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch die Beklagte war auch nicht treuwidrig, wie der Kläger meint. Zwar ist anerkannt, dass das Zurückbehaltungsrecht nicht in einer gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßenden Weise ausgeübt werden darf. So widerspricht es dem Gebot von Treu und Glauben, wenn eine hochwertige Leistung zum Zwecke der Durchsetzung eines verhältnismäßig geringfügigen, möglicherweise sogar unsicheren Rechts zurückgehalten wird. Ferner kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts unangemessen sein, wenn der Gegner auf die Leistung angewiesen ist oder ihm ein unverhältnismäßiger Schaden droht oder die Durchsetzung der Hauptforderung auf lange Zeit vereitelt wäre, weil die Gegenforderung einer besonders umfangreichen zeitraubenden Klärung bedarf. Ob die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts danach angemessen ist, ist stets nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Recht auf Zurückbehalten nicht notwendig eine Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung voraussetzt; denn das Recht würde seinem Zweck, Druck ausüben zu können, nicht gerecht werden, wenn stets eine Gleichwertigkeit vorausgesetzt würde. Bei der Abwägung ist auch zu berücksichtigen, ob die geltend gemachte Gegenforderung überhöht und ob der Gegner auf die Leistung angewiesen ist. Ebenfalls ist aber auch die dem Gläubiger zur Verfügung stehende Möglichkeit der Abwendung des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 III BGB zu berücksichtigen (vgl. zu Vorstehendem KG, Urt. v. 07.01.2011 – 13 U 31/10, DWW 2011, 222 m. w. Nachw.).
Hiervon ausgehend verstieß die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts hier nicht gegen Treu und Glauben. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die von der Beklagten zu erbringende Leistung nicht teilbar war, da sie nur entweder den Pkw herausgeben und ihrerseits gegen den Kläger ihre berechtigte Forderung, notfalls gerichtlich, verfolgen oder aber die Herausgabe verweigern konnte. Zum anderen wird der Kläger nicht unverhältnismäßig belastet, wenn er darauf verwiesen wird, entweder die Forderung, die in der Regel nicht schwer aufzubringen ist, unter Vorbehalt zu zahlen oder für sie – wie letztlich erfolgt – Sicherheit zu leisten. Die Möglichkeit der Sicherheitsleistung gemäß § 273 III BGB ist gerade für den Fall, dass eine Gegenforderung streitig ist, vorgesehen. Sofern diese nicht unverhältnismäßig erschwert ist, etwa weil – anders als hier – die Gegenforderung besonders hoch ist, ist die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit zumutbar, auch wenn sie lästig sein mag (KG, Urt. v. 07.01.2011 – 13 U 31/10, DWW 2011, 222 [ebenfalls für Abschleppkosten]).
Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ist auch durch Zeitablauf wegen des fortschreitenden Nutzungsausfalls nicht unzulässig geworden. Dies wäre schon im Hinblick darauf nicht praktikabel, dass der Unternehmer nicht in der Lage sein wird, zu bewerten, welchen Wert ein Fahrzeug hat oder in welcher Höhe eine Nutzungsausfallentschädigung anfallen würde, was von dem Alter, der Bauart und der Ausstattung des jeweiligen Fahrzeugs abhängig ist. Eine andere Bewertung mag geboten sein, sofern sich nachträglich ein dringendes Bedürfnis für die sofortige Herausgabe ergibt (zu allem KG, Urt. v. 07.01.2011 – 13 U 31/10, DWW 2011, 222). Dafür liegen hier indes keine Anhaltspunkte vor.
b) Die Standgebühren stellen auch Mehraufwendungen i. S. des § 304 BGB dar.
Zu Mehraufwendungen nach dieser Vorschrift zählen auch Kosten der Aufbewahrung und Erhaltung (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 304 Rn. 2). Soweit allgemein gefordert wird, dass im Rahmen des § 304 BGB nur tatsächlich aufgewandte Beträge, die objektiv erforderlich waren, ersatzfähig sind, steht dies der Ersatzfähigkeit vorliegend nicht entgegen. Denn es ist anerkannt, dass ein Kaufmann – wie hier die Beklagte – grundsätzlich als Mehraufwendungen die üblichen Lagerkosten verlangen kann (vgl. BGH, Urt. v. 14.02.1996 – VIII ZR 185/94, WM 1996, 826 m. w. Nachw.).
c) Allerdings kann die Beklagte Standgebühren lediglich in Höhe von 494,03 € beanspruchen.
Die Kammer geht dabei im Rahmen des ihr zustehenden Schätzungsermessens nach § 287 I ZPO davon aus, dass für eine Unterstellmöglichkeit eines Fahrzeugs in der Region ein Betrag von monatlich 50 € angemessen ist. Dabei hat sich die Kammer insbesondere an den durchschnittlichen Mietpreisen für eine Garage in der Region orientiert, wie sie sich aus allgemein zugänglichen Quellen nachvollziehen lassen. Im Übrigen hält die Kammer einen Aufschlag auf diesen Betrag von monatlich 25 € für angemessen, aber auch ausreichend, um den zusätzlichen Aufwand, der mit der Verwahrung des Fahrzeugs für die Beklagte verbunden ist, auszugleichen. Insoweit berücksichtigt die Kammer insbesondere, dass das Fahrzeug nach den nicht substanziiert bestrittenen Ausführungen der Beklagten werktäglich morgens aus der Halle heraus- und abends wieder hineingefahren werden muss.
Danach ergibt sich ein Anspruch auf Standgebühren für die Zeit vom 20.08.2010 bis zum 30.11.2010 sowie vom 01.01.2011 bis zum 06.04.2011 (Zeitpunkt der Sicherheitsleistung durch den Kläger) in Höhe von 494,03 €.
4. Der Anspruch der Beklagten auf Ersatz von außergerichtlichen Anwaltskosten, die der Höhe nach nicht bestritten sind, folgt aus dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs (§§ 280 I, II, 286 BGB).
Der Ausspruch über die Zinsen resultiert aus § 288 I BGB, beschränkt durch den Antrag der Beklagten.
III. Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht auf § 92 I ZPO und – soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, was auch im Hinblick auf den nicht weiterverfolgten Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs des Klägers mit der Entgegennahme des Wagens gilt – auf § 91a ZPO. Im Hinblick auf die Kosten des erledigten Teils des Rechtsstreits hat die Kammer berücksichtigt, dass der Kläger seine Klage verloren und die Beklagte mit ihrem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs Erfolg gehabt hätte, da dem Kläger ein unbeschränkter Anspruch auf Herausgabe – wie gezeigt – nicht zustand. Es entspricht daher billigem Ermessen, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits insoweit aufzuerlegen.
Die Kostenentscheidung für die Berufung beruht auf § 92 I ZPO. …