Wer – sei es von einem Kfz-Händler, sei es von einer Privatperson – einen Gebrauchtwagen kauft, muss sich mindestens die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) vorlegen lassen und diese prüfen. Unterlässt der Erwerber dies, handelt er schon allein aus diesem Grund grob fahrlässig i. S. von § 932 II BGB.
LG Berlin, Urteil vom 04.07.2013 – 37 O 190/12
(nachfolgend: KG, Beschluss vom 27.03.2014 – 8 U 114/13)
Sachverhalt: Die Klägerin begehrt von dem beklagten Autohändler die Herausgabe eines ihr sicherungsübereigneten Fahrzeugs. Für den Fall, dass der Beklagte das Fahrzeug nicht herausgibt, verlangt die Klägerin Schadensersatz.
Mit kreditvertraglicher Vereinbarung vom 22.12.2010/03.01.2011 gewährte die Klägerin Herrn M (nachfolgend nur „Darlehensnehmer“) ein Darlehen zur Finanzierung eines gebrauchten Pkw. Zur Sicherung des gewährten Darlehens vereinbarten die Parteien des Darlehensvertrages die Sicherungsübereignung des finanzierten Fahrzeugs. In diesem Zusammenhang übergab der Darlehensnehmer der Klägerin die Zulassungsbescheinigung Teil II im Original, die diese treuhänderisch bei der T-GmbH verwahren ließ.
Die Klägerin zahlte das Darlehen aus, und der Darlehensnehmer bestätigte der Klägerin die ordnungsgemäße Abnahme des finanzierten Fahrzeugs.
Am 19.10.2011 veräußerte der Darlehensnehmer das sicherungsübereignete Fahrzeug an den Beklagten. Der „Fahrzeugschein“ lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Ferner sah der Beklagte im Zuge des Erwerbes nicht den Motorraum ein.
Da der Darlehensnehmer in der Folgezeit seinen Zins- und Tilgungsverpflichtungen nicht vertragsgemäß nachkam, kündigte die Klägerin den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 07.03.2012 fristlos und forderte den Darlehensnehmer auf, das sicherungsübereignete Fahrzeug spätestens am 21.03.2012 an sie herauszugeben. Sodann erfuhr die Klägerin, dass der Darlehensnehmer eine neue Zulassungsbescheinigung Teil II erhalten hatte, nachdem er diese zuvor als gestohlen gemeldet hatte. Die hieraufhin von der Klägerin beauftragte Sicherstellung blieb ohne Erfolg.
Mit Schreiben vom 21.03.2012 forderte die Klägerin schließlich den Beklagten zur Herausgabe des sicherungsübereigneten Fahrzeugs auf. Dies lehnte der Beklagte mit dem Hinweis ab, dass er das Fahrzeug gutgläubig erworben habe.
Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg.
Aus den Gründen: I. Die Klägerin kann als Eigentümerin von dem Beklagten als Besitzer die Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemäß § 985 BGB verlangen.
1. Die Klägerin ist Eigentümerin des im Tenor genannten Pkw Audi S6. Dabei ist es unstreitig, dass sie das Eigentum gemäß §§ 929, 930 BGB im Wege der Sicherungsübereignung von dem Darlehensnehmer erhalten hat. Denn gemäß … de[n] Darlehensbedingungen hatte sie sich mit diesem geeinigt, dass das finanzierte Fahrzeug als Sicherheit an sie übereignet und ihr der mittelbare Besitz eingeräumt werden sollte.
Die Klägerin hat dieses Sicherungseigentum nicht verloren. Insbesondere steht dem nicht der zwischen dem Darlehensnehmer und dem Beklagten geschlossene Kaufvertrag vom 19.10.2011 entgegen. Denn aufgrund des nach wie vor bestehenden Sicherungseigentums der Klägerin war der Darlehensnehmer nicht berechtigt, das Eigentum an dem streitgegenständlichen Fahrzeug an den Beklagten zu übertragen, sodass es jedenfalls an einer Einigung zwischen dem Berechtigten und dem Beklagten i. S. des § 929 BGB fehlt.
Anders als der Beklagte meint, hat dieser das Eigentum auch nicht gemäß § 932 BGB erworben. Denn dies würde voraussetzen, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Besitzerlangung hinsichtlich der Berechtigung des Darlehensnehmers im guten Glauben war. Daran fehlt es, weil die behauptete Unkenntnis des Beklagten von der Nichtberechtigung des Darlehensnehmers jedenfalls auf grob fahrlässigem Verhalten i. S. des § 932 II BGB beruht. Unter grober Fahrlässigkeit ist ein Handeln zu verstehen, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich hätte jedem aufdrängen müssen (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. v. 09.02.2005 – VIII ZR 82/03, NJW 2005, 1365). So liegt es hier.
Zwar hat der Beklagte vorgetragen, dass er das streitgegenständliche Fahrzeug „seinerzeit“ unter Vorlage einer Zulassungsbescheinigung Teil II erworben habe, wobei er nicht habe erkennen können, dass es sich um eine Fälschung handelte. Nachdem die Klägerin jedoch selbst die Vorlage der gefälschten Zulassungsbescheinigung Teil II bestritten hat, ist der insoweit beweisbelastete Beklagte für diese Behauptung jedenfalls beweisfällig geblieben. Dabei gilt zwar im Rahmen des § 932 BGB, dass derjenige, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft, grundsätzlich nur den Erwerbstatbestand darlegen und beweisen muss, nicht jedoch auch seine Gutgläubigkeit. Vielmehr obliegt es demjenigen die Bösgläubigkeit darzulegen und zu beweisen, der sich darauf beruft (Palandt/Bassenge, BGB, 72. Aufl. [2013] § 932 Rn. 15). Etwas anderes gilt aber dann, wenn für den Erwerber Nachforschungsobliegenheiten bestanden haben. In diesem Fall muss er beweisen, dass er die Eigentumsverhältnisse ausreichend überprüft hat (jurisPK-BGB/Beckmann, 6. Aufl. [2012], § 932 Rn. 54). Eine solche Nachforschungspflicht besteht beim Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs darin, die Eigentumsverhältnisse mindestens durch die Vorlage des Fahrzeugbriefs bzw. der nunmehrigen Zulassungsbescheinigung Teil II zu überprüfen. Dies stellt die Mindestanforderung für den gutgläubigen Erwerb im Bereich des Fahrzeughandels dar, wobei sich aus den Umständen des Einzelfalls auch weitere Überprüfungsobliegenheiten ergeben können. Aus diesem Grund hätte es hier dem Beklagten oblegen, Beweis für das Vorliegen der Zulassungsbescheinigung Teil II im Zeitpunkt des Erwerbs anzubieten. Dies ist nicht geschehen. Unzureichend ist in diesem Zusammenhang der zur Akte gereichte Kaufvertrag. Zwar wird in diesem angegeben, dass der Beklagte bei Übergabe des Fahrzeugs sowohl den Fahrzeugschein als auch den Fahrzeugbrief erhalten hat. Hierdurch ist aber lediglich der Beweis erbracht, dass die Kaufvertragsparteien Entsprechendes erklärt haben, nicht jedoch, ob dies tatsächlich der Fall war. Entsprechendes zeigt sich bereits nach dem Vortrag des Beklagten in Bezug auf den Fahrzeugschein, da er diesen laut Kaufvertrag erhalten haben will, obgleich er – seinem eigenen Vortrag zufolge – beim Erwerb nicht vorgelegen hat. Vielmehr will der Beklagte diesen erst später erhalten haben, und zwar als er gemeinsam mit dem Darlehensnehmer bei der Zulassungsstelle dessen Neuausstellung unter Vorlage des „gefälschten Fahrzeugscheins“ (gemeint ist offenbar der Fahrzeugbrief bzw. die Zulassungsbescheinigung Teil II) beantragt hat. Insoweit ergeben sich aus diesem Vortrag im Übrigen auch erhebliche Zweifel, ob nicht auch die gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil II erst anlässlich des gemeinsamen Termins bei der Zulassungsstelle übergeben worden ist.
Ungeachtet der vorstehenden Gründe liegen die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs aber selbst dann nicht vor, wenn dem Beklagten die gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil II im Zeitpunkt des Erwerbs vorgelegen hat. Denn auch dann darf sich ein Erwerber über ihm bekannte und offenliegende, mühelos erkennbare Verdachtsgründe nicht hinwegsetzen. Vielmehr obliegen ihm hierauf bezogen weitere Nachforschungspflichten. Derartige Verdachtsgründe ergaben sich vorliegend in mehrerer Hinsicht. So hätte es der Beklagte beispielsweise zum Anlass für weitere Nachforschungen nehmen müssen, dass der Darlehensnehmer ihm gegenüber behauptete, die Zulassungsbescheinigung Teil I sei abhandengekommen und müsse daher neu beantragt werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte ausweislich seines Auftretens einen „Kfz-Handel“ betreibt und in diesem Kontext auch das streitgegenständliche Fahrzeug erworben hat. Insoweit liegt ein weiterer Verdachtsmoment darin, dass der Darlehensnehmer das streitgegenständliche Fahrzeug als Audi RS 6 verkauft hat, obwohl es sich tatsächlich um ein Audi S6 handelte, der sich – wie die Klägerin im Einzelnen dargelegt hat – nicht nur äußerlich, sondern auch im Hinblick auf die technische Ausstattung wesentlich von dem zuerst genannten Fahrzeugtyp unterscheidet. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang behauptet, er habe bislang noch nie mit einem Fahrzeug des Typs Audi gehandelt, ist dies nicht beachtlich. Denn wie die Klägerin vorträgt, lässt sich eine Vielzahl der technischen Daten bereits aus der Fahrgestellnummer herauslesen, welche der Beklagte aber seinem eigenen Vorbringen nach überhaupt nicht geprüft hat. Dies wäre jedoch von einem gewerblichen Kfz-Händler nicht nur zu erwarten gewesen, sondern ist auch im Hinblick auf die oben genannte Mindestvoraussetzung des gutgläubigen Erwerbs eines Kraftfahrzeugs unumgänglich. Hiernach muss sich der Erwerber mindestens die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lassen. Dabei geht es aber nicht um die Vorlage dieser Bescheinigung ihrer selbst willen, sondern darum, dass der Erwerber hiermit einen Rückschluss auf die Eigentümerstellung ziehen kann, was jedoch einen gewissen Datenabgleich erfordert. Dies beinhaltet jedenfalls auch einen Abgleich, ob es sich bei dem infrage stehenden Fahrzeug um das Fahrzeug handelt, hinsichtlich dessen sich der Verkäufer als rechtmäßiger Eigentümer ausgibt. Eine solche Überprüfung kann lediglich anhand der Fahrgestellnummer erfolgen. Offenbar hat der Beklagte die im Kaufvertrag notierte Nummer aber lediglich „auf gut Glück“ aus dem Fahrzeugbrief übernommen, da es unstreitig ist, dass er den Motorraum nicht in Augenschein genommen hat.
2. Der Beklagte ist schließlich auch Besitzer des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Er selbst hat seine Besitzstellung zu keinem Zeitpunkt bestritten …
3. Schließlich steht dem Beklagten kein Recht zum Besitz zu. Ein solches wird durch den Beklagten weder ausdrücklich behauptet, noch ist ein solches aus dem Vortrag der Parteien im Übrigen ersichtlich.
II. Soweit der Beklagte zur Herausgabe verurteilt wird, ist ihm gemäß § 255 ZPO i. V. mit § 281 BGB eine Frist zur Erfüllung dieses Anspruchs zu bestimmen …
III. Für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs steht der Klägerin schließlich der begehrte Schadensersatzanspruch gemäß §§ 989, 990 BGB zur Seite.
Dieser Anspruch kann nach überwiegender Auffassung unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO mit dem Herausgabebegehren in einem Prozess verbunden werden. Insoweit liegen die Voraussetzungen des § 259 ZPO vor. Denn der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist durch die eventuelle Nichterfüllung des Herausgabeanspruches bedingt. Zudem besteht die Besorgnis, dass der Beklagte sich der rechtzeitigen Bewirkung seiner Herausgabepflicht entziehen wird, wobei die Annahme einer solchen Besorgnis keinen bösen Willen des Schuldners voraussetzt. Vielmehr ist es bereits ausreichend, wenn dieser den Anspruch ernstlich bestreitet, was vorliegend der Fall ist.
Schließlich steht der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz der Klägerin sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu. Denn nach dem bisher Gesagten besteht zwischen den Parteien einen Vindikationslage, da die Klägerin das Eigentum an dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht verloren hat und der Beklagte jedenfalls ab dem Herausgabeverlangen der Klägerin vom 21.03.2012 bösgläubig ist. Ebenso wenig steht ihm ein Recht zum Besitz zur Seite. Im Hinblick auf die Höhe des geltend gemachten Anspruches hat die Klägerin nachvollziehbar … vorgetragen, dass das Fahrzeug einen Restwert von mindestens 28.050 € gehabt hätte, ohne dass der Beklagte dem substanziiert entgegengetreten ist.
III. Die zuerkannten Zinsen haben ihre Grundlage in §§ 286, 288 BGB. Dabei kann der Verzug des Beklagten mit der Zahlung des (künftig) zuerkannten Betrages erst mit Ablauf der im Tenor … genannten Frist eintreten. Für den davor liegenden Zeitraum besteht kein Zinsanspruch, insbesondere auch nicht aus § 291 BGB, sodass die Klage insoweit im Übrigen unbegründet war.
IV. Soweit die Klägerin schließlich … die Feststellung begehrt, dass sich der Beklagte mit der Herausgabe des Fahrzeugs in Verzug befindet, unterlag die Klage der Abweisung, da sie bereits unzulässig ist. Denn grundsätzlich kann im Rahmen einer Feststellungsklage nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt werden. Hier begehrt die Klägerin jedoch die Feststellung, dass sich der Beklagte in Verzug befindet. Der Verzug eines Schuldners ist jedoch lediglich ein Unterfall der Verletzung der Leistungspflicht, nämlich die rechtswidrige Verzögerung der geschuldeten Leistung aus einem vom Schuldner zu vertreten Grund, und zugleich eine gesetzlich definierte Voraussetzung unterschiedlicher Rechtsfolgen und damit lediglich Vorfrage für die Beurteilung dieser Rechtsfolgen. Der Schuldnerverzug stellt damit kein Rechtsverhältnis dar. Etwas anderes lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass eine Klage auf Feststellung des Annahmeverzugs als zulässig erachtet wird, weil es sich hierbei lediglich um eine Ausnahme handelt, die allein aus Gründen der Zweckmäßigkeit und mit dem schutzwürdigen Interesse des Klägers zu rechtfertigen ist, den für die Vollstreckung nach §§ 756, 765 ZPO erforderlichen Nachweis des Annahmeverzugs bereits im Erkenntnisverfahren erbringen zu können (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 19.04.2000 – XII ZR 332/97, NJW 2000, 2280 [2281]) …
Hinweis: Mit Beschluss vom 22.05.2014 – 8 U 114/13 – hat das Kammergericht die Berufung des Beklagten durch Beschluss gemäß § 522 II ZPO zurückgewiesen, nachdem es die Parteien zuvor auf die beabsichtigte Zurückweisung und die Gründe dafür hingewiesen hatte. In dem Hinweisbeschluss vom 27.03.2014 heißt es unter anderem:
„Der Beklagte hat das streitgegenständliche Fahrzeug nicht gutgläubig erworben (§ 932 BGB). Ihm ist infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, dass das Fahrzeug nicht dem Veräußerer gehörte. Das Landgericht hat in jeder Hinsicht zutreffend in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass der Beklagte grob fahrlässig gehandelt hat, weil er das Fahrzeug gekauft hat, ohne sich die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) vorlegen zulassen.
Gemäß § 932 I 1 BGB wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn das Fahrzeug dem Veräußerer nicht gehört, es sei denn, dass er im Zeitpunkt der Übergabe nicht in gutem Glauben gewesen ist. Nach § 932 II BGB schließen nur positive Kenntnis und grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der fehlenden Eigentümerstellung des Veräußerers die Redlichkeit des Erwerbers aus. Unter grober Fahrlässigkeit ist ein Handeln zu verstehen, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urt. v. 09.02.2005 – VIII ZR 82/03, NJW 2005, 1365). Beim Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs besteht keine allgemeine Nachforschungspflicht. Die Übergabe und Prüfung der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) sind aber die Mindestanforderungen für einen gutgläubigen Erwerb von Kraftfahrzeugen (BGH, Urt. v. 13.09.2006 – VIII ZR 184/05, NJW 2006, 3488; Urt. v. 13.05.1996 – II ZR 222/95, NJW 1996, 2226; Urt. v. 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735). Wer einen Gebrauchtwagen kauft (ob vom Händler oder von einer Privatperson), ohne sich die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) vorlegen zu lassern, handelt schon allein aus diesem Grund grob fahrlässig i. S. von § 932 II BGB (jurisPK-BGB/Beckmann, 6. Aufl. [2012], § 932 Rn. 30).
Der Beklagte ist für die Behauptung, dass er das Fahrzeug unter Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) erworben habe, beweisfällig geblieben. Zwar enthält der Kaufvertrag vom 19.10.2011 die Bestätigung, dass er bei Übergabe des Fahrzeugs den Fahrzeugschein und den Kfz-Brief erhalten habe. Diese Bestätigung ist jedoch kein Beweis dafür, dass der Fahrzeugschein und der Fahrzeugbrief tatsächlich bei Abschluss des Kaufvertrages vorlagen. Zwar besteht grundsätzlich eine Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für alle über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 125 Rn. 21). Zutreffend hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung aber ausgeführt, dass durch den Kaufvertrag lediglich bewiesen ist, dass die Vertragsparteien Entsprechendes erklärt haben, nicht aber, dass Fahrzeugbrief und Fahrzeugschein tatsächlich übergeben worden sind. Dass die Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) entgegen den Festhaltungen im Kaufvertrag tatsächlich nicht bei Abschluss des Kaufvertrags übergeben worden ist und auch nicht vorlag, hat der Beklagte in der ersten Instanz … selbst eingeräumt. Entgegen der Auffassung des Beklagten war das Landgericht nicht verpflichtet, den Beklagten gemäß § 448 ZPO anzuhören. § 448 ZPO setzt voraus, dass die richterliche Gesamtwürdigung der Verhandlung und bisherigen Beweisaufnahme eine gewisse, nicht notwendig hohe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung erbringen, das heißt, es muss mehr für als gegen sie sprechen und bereits einiger Beweis erbracht sein (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 448 Rn. 4). Da vorliegend entgegen den Festhaltungen im Kaufvertrag die Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) bei Abschluss des Kaufvertrages nicht übergeben worden ist und der Beklagte dies zudem erst nach Durchführung der ersten mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, ist diese Wahrscheinlichkeit nicht ersichtlich.
Soweit der Beklagte meint, das Landgericht habe ihm jedenfalls einen richterlichen Hinweis erteilen müssen, hat er nicht vorgetragen, was er bei einem entsprechenden Hinweis vorgetragen hätte.
Der Beklagte hat aber auch dann grob fahrlässig i. S. von § 932 II BGB gehandelt, wenn ihm bei Abschluss des Kaufvertrages die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) vorgelegen haben sollte.
Der Beklagte hat es unstreitig unterlassen, die in der gefälschten Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) angegebene Fahrgestellnummer mit der Fahrgestellnummer des verkauften Fahrzeugs zu vergleichen. Der Beklagte irrt, wenn er meint, dazu nicht verpflichtet gewesen zu sein, weil die Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegen habe. Die Händlereigenschaft des Beklagten begründet eine gesteigerte Sorgfaltspflicht, die eine gewissenhafte Prüfung des vorgelegten Kfz-Briefes erfordert (OLG Braunschweig, Urt. v. 01.09.2011 – 8 U 170/10). Darüber hinaus ist der Beklagte als Händler zumindest verpflichtet, die Übereinstimmung der in der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) angegebenen Fahrgestellnummer mit der Fahrgestellnummer des Fahrzeugs zu vergleichen (BGH, Urt. v. 23.05.1966 – VIII ZR 60/64).
Der Beklagte hatte aber darüber hinaus auch Anlass, weitere Prüfungen vorzunehmen.
Für den Gebrauchtwagenhandel hat der BGH wegen der dort nicht selten vorkommenden Unregelmäßigkeiten in ständiger Rechtsprechung bei der Bewertung der Umstände, die für den Käufer eines gebrauchten Kraftfahrzeugs eine Nachforschungspflicht hinsichtlich der Verfügungsberechtigung des Veräußerers begründen, einen strengen Maßstab angelegt (BGH, Urt. v. 01.07.1987 – VIII ZR 331/86, NJW-RR 1987, 1456 [1457]). Unter Anlegung dieses strengen Maßstabes hätte sich der Beklagte veranlasst sehen müssen, weitere Prüfungen vorzunehmen, nachdem der Veräußerer des Fahrzeugs ihm die Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) mit dem Argument, diese sei abhandengekommen, bei Abschluss des Kaufvertrages nicht vorlegen konnte, und zwar ungeachtet der Frage, ob der Veräußerer erklärt hat, bei der Wiederbeschaffung des Dokumentes behilflich zu sein. Die einem Kraftfahrzeughändler obliegende gesteigerte Sorgfaltspflicht hätte es zumindest erfordert, dass der Beklagte sich unter anderem durch Öffnen der Motorhaube davon überzeugt, dass das in der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) angegebene Fahrzeug mit dem verkauften Fahrzeug identisch ist. Da er dies nicht getan hat, ist ihm auch diesem Grund grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen …“