Wird ein Kraftfahrzeug, das kurz zuvor eine „Oldtimerzulassung“ erhalten hat, mit der Klausel „positive Begutachtung nach § 21c StVZO (Oldtimer) im Original“ verkauft, liegt darin eine Beschaffenheitsvereinbarung, dass sich das Fahrzeug in einem Zustand befindet, der die erteilte positive Begutachtung als Oldtimer (vgl. jetzt § 23 StVZO) rechtfertigt.
BGH, Urteil vom 13.03.2013 – VIII ZR 172/12
(vorhergehend: OLG Hamm, Urteil vom 24.04.2012 – I-28 U 197/09)
Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten, einer Autohändlerin, Schadensersatz aufgrund des Ankaufs eines Oldtimers.
Die Beklagte hatte das erstmals im Jahr 1969 zugelassene Fahrzeug im Jahr 2004 von der Voreigentümerin erworben und dabei ein im Oktober 2001 ausgestelltes TÜV-Gutachten erhalten. Dieses hatte die Erteilung einer Plakette über die Hauptuntersuchung unter anderem wegen erheblicher Korrosionsschäden am Rahmen und an tragenden Teilen abgelehnt. Diese Schäden hatte die Voreigentümerin nicht beseitigt.
Die Beklagte legte das Fahrzeug am 28.10.2004 zunächst still. Am 12.10.2005 ließ sie es zum Zweck der Begutachtung nach § 21c StVZO a.F. beim TÜV Singen vorführen. Dieser beanstandete Korrosionsschäden an Rahmen und tragenden Teilen sowie unsachgemäß durchgeführte Schweißarbeiten und ordnete die Wiedervorführung des Fahrzeugs nach Behebung der festgestellten Mängel an. Am 14.10.2005 stellte die Beklagte das Fahrzeug erneut vor und erhielt nunmehr eine die Hauptuntersuchung ersetzende positive Begutachtung nach § 21c I 5 StVZO. Das an diesem Tag erteilte Gutachten enthält den Hinweis „Korrosionsspuren am Unterboden sichtbar; wurde mehrfach geschweißt“.
Die Beklagte inserierte das Fahrzeug im Internet unter anderem mit dem Hinweis, dass die Karosserie komplett überarbeitet und neu lackiert sei und das Fahrzeug über eine Oldtimerzulassung verfüge. Der Kläger ließ das Fahrzeug am 17.11.2005 von dem Sachverständigen M untersuchen, dem dabei auch das TÜV-Gutachten vom 14.10.2005 zur Verfügung gestellt wurde. Der Sachverständige bewertete das Fahrzeug insgesamt mit der Zustandsnote 3 („Normale Spuren der Jahre. Kleinere Mängel, aber voll fahrbereit. Keine Durchrostungen. Keine sofortigen Arbeiten notwendig. Nicht schön, aber gebrauchsfertig.“) und führte in seinem Gutachten aus:
„Anmerkungen zur Fahrzeugunterseite
Die Begutachtung konnte nur nach der äußeren Inaugenscheinnahme erfolgen. Daher verbleibt ein Risiko auf eventuell verdeckte Mängel, die erst nach einer entsprechenden umfangreichen Demontage diverser Bauteile, oder einer Prüfung der Hohlräume mittels Endoskop, erkennbar und genauer beurteilbar sind …
7.9.1. Fahrzeugboden/Rahmenbodenanlage
Der Fahrzeugboden ist weitestgehend ohne erkennbare, gravierende Rostschäden. Anrostungen an Blechfalzen sind stellenweise erkennbar. Im Bereich der tragenden Teile (Querträger vorn rechts ersetzt, Verstärkungsböden der vorderen Radhäuser, Schwellerspitzen vorn und hinten, Längsträger im Bereich der Längslenkeraufnahmen, sowie beide hintere Endspitzen) sind Schweißarbeiten ausgeführt worden. Qualitativ sind sie als Reparaturschweißungen anzusehen und erreichen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die Haltbarkeit von aufwändigem, vollständigem Ersatz korrodierter Rahmenteile …“
Am 06.12.2005 kaufte der Kläger das Fahrzeug für 17.900 €. Die dem Kaufvertrag zugrunde liegende „Verbindliche Bestellung“ enthält die handschriftlichen Zusätze „positive Begutachtung nach § 21c StVZO (Oldtimer) im Original“ sowie „ohne Gewährleistung“. Die Rubrik „Das Fahrzeug ist fahrbereit“ ist mit „ja“ angekreuzt. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 10.12.2005 übergeben; zu diesem Zeitpunkt erhielt er auch die beiden negativen TÜV-Berichte aus den Jahren 2001 und 2005.
Im September 2007 wurde der Kläger anlässlich verschiedener durchzuführender Arbeiten auf erhebliche Durchrostungsschäden aufmerksam. Der von ihm daraufhin eingeschaltete Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass an dem Fahrzeug massive Korrosionsschäden nicht fachgemäß repariert und durch starken Auftrag von Unterbodenschutz kaschiert worden seien. Mit Schreiben vom 07.12.2007 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung vergeblich zur Beseitigung der festgestellten Mängel auf.
Der Kläger begehrt Zahlung der nach seiner Behauptung für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Oldtimers erforderlichen Kosten, insgesamt 34.344,75 € nebst Zinsen.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Betrags von 33.300 € stattgegeben und die weitergehende Klage sowie die auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Aus den Gründen: [10] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
[11] Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 437 Nr. 3, 281 BGB zu, weil die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung mit dem vom Kläger behaupteten Inhalt nicht getroffen hätten. Aus der Formulierung im schriftlichen Kaufvertrag „positive Begutachtung gemäß § 21c StVZO (Oldtimer) im Original“ könne der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten. Bei verständiger Würdigung sei damit lediglich die Aushändigung des Dokuments vom 14.10.2005 (Begutachtung nach § 21c StVZO) gemeint. Dieses Dokument habe der Kläger erhalten. Ein weitergehender Inhalt als die reine Beschaffung der Bescheinigung sei der Vereinbarung nicht beizumessen; dies folge aus der Formulierung „im Original“. Zudem habe der Kläger nicht erwarten können, dass die Beklagte für vom TÜV nicht entdeckte Rostschäden habe einstehen wollen. Dass es das Risiko verdeckter Mängel gegeben habe, sei dem Kläger aufgrund des von ihm vor dem Abschluss des Kaufvertrags eingeholten „Classic-DATA“-Gutachtens bewusst gewesen.
[12] Dem Kläger stehe auch kein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zu. Eine solche Haftung komme angesichts des Vorrangs der Gewährleistungsvorschriften nur im Fall arglistigen Verhaltens in Betracht, das der Beklagten indes nicht zur Last falle.
[13] II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein auf Erstattung von Repara-turkosten gerichteter Schadensersatzanspruch gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB nicht verneint werden.
[14] 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erschöpft sich die Bedeutung der im schriftlichen Kaufvertrag enthaltenen Klausel „positive Begutachtung nach § 21c StVZO (Oldtimer) im Original“ nicht in einer Verpflichtung zur Aushändigung einer entsprechenden Bescheinigung des TÜV. Vielmehr haben die Parteien damit eine Beschaffenheitsvereinbarung dahin geschlossen, dass das Fahrzeug sich in einem Zustand befindet, der die wenige Wochen vor Abschluss des Kaufvertrags auf Veranlassung der Beklagten erfolgte positive Begutachtung als Oldtimer nach § 21c StVZO rechtfertigt.
[15] Allerdings obliegt die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der Würdigung des Tatrichters, die vom Revisionsgericht nur eingeschränkt auf die Verletzung von gesetzlichen oder allgemein anerkannten Auslegungsregeln, Denkgesetzen und Erfahrungssätzen überprüft werden kann (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urt. v. 07.11.2011 – VIII ZR 213/00, NJW 2002, 506 [unter II 1] m. w. Nachw.). Ein derartiger Rechtsfehler ist dem Berufungsgericht hier aber unterlaufen. Denn seine Annahme, mit der im Kaufvertrag über die positive TÜV-Begutachtung getroffenen Vereinbarung werde lediglich eine Verpflichtung zur Übergabe einer entsprechenden Bescheinigung begründet, aber keine Beschaffenheitsvereinbarung über einen die Erteilung der Bescheinigung rechtfertigen-en Zustand des Fahrzeugs getroffen, ist mit dem Grundsatz der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung nicht zu vereinbaren.
[16] Bei der Zulassung nach § 21c StVZO a.F. (sog. Oldtimerzulassung, vgl. jetzt § 23 StVZO) handelt es sich um eine besondere Zulassung für Fahrzeuge, die mindestens 30 Jahre alt sind und aufgrund ihres Pflege- und Erhaltungszustands als „kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut“ angesehen werden können. Voraussetzung für eine derartige Zulassung ist das Gutachten eines amtlichen Prüfers, das einen entsprechenden Pflege- und Erhaltungszu-stand des Fahrzeugs feststellt. Unter anderem erfordert dies, dass die Hauptbaugruppen an den damaligen Originalzustand angelehnt oder zeitgenössisch ersetzt sind und das Fahrzeug mindestens die Zustandsnote 3 der für Oldtimer verwendeten Bewertungsstufen erhält (vgl. im Einzelnen die „Richtlinie für die Begutachtung von Oldtimer-Fahrzeugen“, Verkehrsblatt 1997, S. 515, inzwischen ersetzt durch die Richtlinie zu § 23 StVZO vom 06.04.2011, Verkehrsblatt 2011, S. 257). Gleichzeitig ist im Rahmen der Begutachtung eine Hauptuntersuchung des Fahrzeugs nach § 29 StVZO durchzuführen (§ 21c I 5 StVZO a.F.).
[17] Die Interessen des Käufers, der ein Fahrzeug mit der Zusage einer „positiven Begutachtung nach § 21c StVZO“ erwirbt, gehen – für den Verkäufer erkennbar – dahin, dass die entsprechende amtliche Bescheinigung auch zu Recht erteilt wurde, dass mithin der Zustand des Fahrzeugs hinsichtlich der Verkehrssicherheit und der weitgehend originalen Beschaffenheit die Erteilung der „Oldtimerzulassung“ rechtfertigt. Jedenfalls dann, wenn der Verkäufer – wie hier die Beklagte – kurze Zeit vor dem Weiterverkauf eine aktuelle Begutachtung des Oldtimers veranlasst und diese zum Gegenstand des Kaufvertrags macht, kann der Käufer berechtigterweise davon ausgehen, dass er mit der versprochenen „Oldtimerzulassung“ nicht nur die formelle amtliche Erlaubnis zur Nutzung des Fahrzeugs im Straßenverkehr erhält, sondern dass ihm ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt wird, das die soeben erteilte Zulassung als Oldtimer aufgrund seines Erhaltungs- und Pflegezustandes auch zu Recht erhalten hat. Entsprechend hat der Senat für die ähnliche Interessenlage bei dem Kauf eines Gebrauchtwagens unter der Abrede „TÜV neu“ nicht nur das Versprechen des Verkäufers gesehen, eine Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO durchzuführen, sondern darüber hinaus eine Zusicherung nach § 459 II BGB a.F. angenommen, dass sich das Fahrzeug in dem nach § 29 StVZO geforderten Zustand befinde (Senat, Urt. v. 24.02.1988 – VIII ZR 145/87, BGHZ 103, 275 [280 ff.]).
[18] Die Revision macht deshalb zu Recht geltend, dass der dem Kläger verkaufte Oldtimer nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt mit einem Sachmangel behaftet war. Denn nach dem vom Berufungsgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen U befand sich der Wagen bereits im Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger wegen massiver Durchrostungen an Radhäusern und Innenschwellern in einem restaurationsbedürftigen Zustand („Zustandsnote 5“) und war deshalb nicht fahrbereit, sodass auch die kurz vor der Übergabe erfolgte TÜV-Prüfung nicht zu einem positiven Ergebnis hätte führen dürfen.
[19] 2. Das Urteil des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Ein etwaiger Gewährleistungsausschluss stünde einem Schadensersatzanspruch des Klägers wegen der eine positive Begutachtung nach § 21c StVZO ausschließenden Durchrostungen an tragenden Teilen schon deswegen nicht entgegen, weil ein zwischen den Kaufvertragsparteien vereinbarter Gewährleistungsausschluss nach der Rechtsprechung des Senats nicht für das Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit gilt (Senat, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 31).
[20] III. Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 I ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif und daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 I, III ZPO), weil das Berufungsgericht – vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig – keine Feststellungen zur Schadenshöhe getroffen hat.