1. Ein Man­gel, der dem dau­er­haf­ten Be­trieb ei­nes Kraft­fahr­zeugs ent­ge­gen­steht, weil er ei­ne TÜV-Ab­nah­me aus­schließt, kann un­ab­hän­gig vom er­for­der­li­chen Be­sei­ti­gungs­auf­wand nicht als un­er­heb­lich an­ge­se­hen wer­den.
  2. Un­ab­hän­gig von den vor­aus­sicht­li­chen Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten kann sich die Er­heb­lich­keit ei­nes Man­gels auch aus sei­ner sub­jek­ti­ven Be­deu­tung er­ge­ben. Des­halb ist ein Fahr­zeug, in dem sich die In­sas­sen we­gen ei­nes un­re­gel­mä­ßig auf­tre­ten­den, aber deut­lich wahr­nehm­ba­ren Ge­räuschs ob­jek­tiv be­rech­tigt nicht si­cher füh­len, mit ei­nem er­heb­li­chen Man­gel be­haf­tet.

OLG Frank­furt a. M., Ur­teil vom 28.02.2013 – 3 U 18/12

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten um die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen Neu­wa­gen. Das Fahr­zeug wur­de am 31.01.2008 von der Be­klag­ten an den Klä­ger aus­ge­lie­fert. In der Fol­ge­zeit rüg­te der Klä­ger ei­ne Viel­zahl von Män­geln, die von der Be­klag­ten zum Teil be­ho­ben wur­den. Un­ter an­de­rem be­män­gel­te der Klä­ger im Ju­li 2009 zum ers­ten Mal klap­pern­de Ge­räu­sche am Un­ter­bo­den des Fahr­zeugs.

Am 15.9.2009 und er­neut am 23.3.2010 er­klär­te der Klä­ger den Rück­tritt vom Ver­trag.

Er hat be­haup­tet, das Fahr­zeug sei zwei­und­zwan­zig Mal zu Nach­bes­se­rungs­ver­su­chen bei der Be­klag­ten in der Werk­statt ge­we­sen; min­des­tens sie­ben Män­gel sei­en nach wie vor vor­han­den, dar­un­ter das klap­pern­de Ge­räusch.

Mit der vor­lie­gen­den Kla­ge hat der Klä­ger im We­sent­li­chen die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses von 32.522 € so­wie den Er­satz des ihm durch die Man­gel­be­sei­ti­gungs­ver­su­che ent­stan­de­nen Scha­dens in Hö­he von 730,40 € Zug um Zug ge­gen Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs ver­langt.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge weit­ge­hend statt­ge­ge­ben. Es hat den Klä­ger al­ler­dings als zur Zah­lung ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung ver­pflich­tet an­ge­se­hen und den gel­tend ge­mach­ten wei­te­ren Scha­dens­er­satz­an­spruch für un­sub­stan­zi­iert ge­hal­ten.

Ge­gen die­ses Ur­teil rich­tet sich die Be­ru­fung der Be­klag­ten, die die voll­stän­di­ge Ab­wei­sung der Kla­ge be­gehrt. Das Rechts­mit­tel hat­te zum Teil Er­folg.

Aus den Grün­den: Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist un­be­grün­det, so­weit sie sich ge­gen die erst­in­stanz­lich fest­ge­stell­te Pflicht zur Rück­ab­wick­lung des Fahr­zeug­kauf­ver­trags wen­det. Das Fahr­zeug weist mit dem klap­pern­den Ge­räusch am Un­ter­bo­den ei­nen den Klä­ger zum Rück­tritt be­rech­ti­gen­den er­heb­li­chen Man­gel auf. Dies steht zur Über­zeu­gung des Ge­richts nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me fest. Das Vor­han­den­sein des Ge­räuschs hat der Sach­ver­stän­di­ge S be­reits im Rah­men sei­nes erst­in­stanz­li­chen Gut­ach­tens fest­ge­stellt, dies wird auch mit der Be­ru­fung nicht mehr in Ab­re­de ge­stellt.

Ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten han­delt es sich da­bei auch um ei­nen er­heb­li­chen Man­gel. Da­für spricht schon, dass des­sen Be­sei­ti­gung nach der Schät­zung des Sach­ver­stän­di­gen knapp 900 € und da­mit deut­lich mehr als die in der Recht­spre­chung bis­lang als Ba­ga­tell­gren­ze zu­grun­de ge­leg­ten 1 % des Kauf­prei­ses (so et­wa BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VI­II ZR 202/10, NJW 2011, 2872) kos­ten wird. Hier­an än­dert der Um­stand nichts, dass der Sach­ver­stän­di­ge ein­ge­räumt hat, dass die Kos­ten mög­li­cher­wei­se auch nied­ri­ger oder hö­her aus­fal­len kön­nen, weil er die Ur­sa­che der Ge­räu­sche bis­lang nur ver­mu­ten, nicht je­doch si­cher fest­stel­len kann. Ei­ne sol­che ver­blei­ben­de Un­si­cher­heit liegt im We­sen ei­ner Schät­zung, die vor­lie­gend gem. § 287 ZPO aus­rei­chen muss.

Un­ab­hän­gig von den vor­aus­sicht­li­chen Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten er­gibt sich die Er­heb­lich­keit des Man­gels aus sei­ner sub­jek­ti­ven Be­deu­tung. Der Sach­ver­stän­di­ge hat an­schau­lich ge­schil­dert, dass das Ge­räusch un­re­gel­mä­ßig auf­tritt, aber deut­lich wahr­nehm­bar ist und des­we­gen bei den In­sas­sen das Ge­fühl auf­kom­men las­sen muss, mit dem Fahr­zeug stim­me et­was nicht. Ein Fahr­zeug, in dem die In­sas­sen sich ob­jek­tiv be­rech­tigt nicht si­cher füh­len, ist man­gel­haft.

Letzt­lich folgt die Er­heb­lich­keit des Man­gels auch dar­aus, dass ei­ne TÜV-Ab­nah­me vor Be­he­bung des Man­gels nach den Be­kun­dun­gen des Sach­ver­stän­di­gen aus­ge­schlos­sen ist. Da als – wenn auch vor­lie­gend un­wahr­schein­li­che – Ur­sa­che des Ge­räuschs gra­vie­ren­de De­fi­zi­te an si­cher­heits­re­le­van­ten Tei­len des Fahr­zeugs in Be­tracht kom­men, ist ein Wei­ter­be­trieb des Fahr­zeugs aus der Sicht des TÜV nur noch kurz­fris­tig und zur Be­he­bung des Man­gels mög­lich. Ein Man­gel, der dem dau­er­haf­ten Be­trieb ei­nes Kraft­fahr­zeugs ent­ge­gen­steht, kann un­ab­hän­gig vom er­for­der­li­chen Be­sei­ti­gungs­auf­wand nicht als un­er­heb­lich an­ge­se­hen wer­den.

Nach den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen – und da­mit oh­ne die Ver­mu­tungs­wir­kung des § 476 BGB – ist auch da­von aus­zu­ge­hen, dass der Man­gel be­reits bei Über­ga­be des Fahr­zeugs vor­ge­le­gen hat. Un­ab­hän­gig da­von, ob das Ge­räusch vom Stoß­dämp­fer, dem Quer­len­ker, dem Fe­der­bein, der Rad­auf­hän­gung oder der Ach­se aus­geht, han­delt es sich um ei­nen vor­zei­ti­gen Ver­schleiß, der auf ei­nem vom Her­stel­ler zu ver­tre­ten­den Ma­te­ri­al- oder Mon­ta­ge­feh­ler be­ru­hen muss und durch – ggf. auch über­mä­ßi­gen oder feh­ler­haf­ten – Ge­brauch des Fahr­zeugs nicht er­klärt wer­den kann. So­weit der Sach­ver­stän­di­ge ein un­fach­män­ni­sches Ab­schlep­pen des Fahr­zeugs als Ur­sa­che nicht aus­schlie­ßen konn­te, hät­te die­ses zu­sätz­li­che, an den Tei­len äu­ßer­lich sicht­ba­re Schä­den ver­ur­sa­chen müs­sen, die in­des nach den Fest­stel­lun­gen des Sach­ver­stän­di­gen nicht vor­lie­gen.

Auf die Fra­ge, ob auch der vom Land­ge­richt fest­ge­stell­te Man­gel an der Ver­klei­dung des Fah­rer­sit­zes zu be­rück­sich­ti­gen ist, kommt es da­mit nicht mehr an.

Be­grün­det ist die Be­ru­fung der Be­klag­ten, so­weit sie die Fas­sung des Ur­teils­te­nors rügt. Hier ist die … be­stands­kräf­ti­ge Ver­pflich­tung des Klä­gers zur Zah­lung ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung … mit 13.304,96 € be­zif­fert von dem zu­rück­ver­lang­ten Kauf­preis oh­ne Be­rück­sich­ti­gung des zu­sätz­lich gel­tend ge­mach­ten Scha­dens­er­sat­zes (32.522 €) ab­zu­zie­hen …

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