Schiebt beim Ver­kauf ei­ner be­weg­li­chen Sa­che an ei­nen Ver­brau­cher der Ver­käu­fer, der Un­ter­neh­mer ist, ei­nen Ver­brau­cher als Stroh­mann vor, um die Sa­che un­ter Aus­schluss der Haf­tung für Män­gel zu ver­kau­fen, so ist der Kauf­ver­trag zwi­schen den Ver­brau­chern wirk­sam, so­fern nicht die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Schein­ge­schäfts (§ 117 BGB) vor­lie­gen (im An­schluss an Se­nat, Urt. v. 22.11.2006 – VI­II ZR 72/06, BGHZ 170, 67).

BGH, Ur­teil vom 12.12.2012 – VI­II ZR 89/12

Sach­ver­halt: Der Klä­ger kauf­te von der Be­klag­ten mit Ver­trag vom 04.12.2007 ei­nen zehn Jah­re al­ten Fi­at 146L zum Preis von 1.700 € un­ter Aus­schluss der Sach­män­gel­haf­tung. Bei­de Par­tei­en sind Ver­brau­cher. Der Ehe­mann der Be­klag­ten, der ei­nen Kraft­fahr­zeug­han­del be­treibt, hat­te die Be­klag­te zur Un­ter­zeich­nung des Kauf­ver­trags ver­an­lasst, um Sach­män­gel­an­sprü­che aus­schlie­ßen zu kön­nen. Der Kauf­ver­trag ent­hält un­ter an­de­rem die Ein­tra­gung, dass das Fahr­zeug zwei Vor­be­sit­zer ge­habt ha­be und die nächs­te Haupt­un­ter­su­chung im No­vem­ber 2009 an­ste­he.

Kurz nach der Über­ga­be des Fahr­zeugs stell­te sich her­aus, dass die über­ge­be­nen Be­schei­ni­gun­gen vom 22.11.2007 über die durch­ge­führ­te Haupt­un­ter­su­chung und die Ab­gas­un­ter­su­chung ge­fälscht wa­ren. Der Klä­ger er­klär­te aus die­sem Grund mit An­walts­schrei­ben vom 10.12.2008 die An­fech­tung des Ver­trags we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung und mit Schrei­ben vom 07.04.2010 den Rück­tritt vom Ver­trag.

Mit sei­ner Kla­ge be­gehrt der Klä­ger die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses nebst Zin­sen und au­ßer­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten. Das Amts­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat das Land­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Mit sei­ner Re­vi­si­on er­strebt der Klä­ger die Wie­der­her­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils. Das Rechts­mit­tel hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: [5]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[6]    Der Klä­ger ha­be kei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses. Der Rück­tritt vom Kauf­ver­trag sei nicht wirk­sam, weil Sach­män­gel­an­sprü­che des Klä­gers we­gen der von der Be­klag­ten er­ho­be­nen Ver­jäh­rungs­ein­re­de nicht durch­setz­bar sei­en. Der Klä­ger kön­ne von der Be­klag­ten auch nicht nach § 812 I BGB Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ver­lan­gen. Denn der Ver­trag sei wirk­sam und auch nicht spä­ter wie­der ent­fal­len.

[7]    Der Um­stand, dass die Be­klag­te mit dem von ihr an den Klä­ger ver­kauf­ten Pkw nichts zu tun ge­habt ha­be, son­dern le­dig­lich als Ver­käu­fe­rin vor­ge­scho­ben wor­den sei, ha­be nicht zur Fol­ge, dass der Kauf­ver­trag als un­wirk­sam an­zu­se­hen sei. Im Fall ei­nes Um­ge­hungs­ge­schäfts durch Ein­set­zen ei­nes Stroh­manns auf Ver­käu­fer­sei­te sei der zwi­schen dem Stroh­mann und dem Ver­brau­cher ab­ge­schlos­se­ne Kauf­ver­trag als wirk­sam an­zu­se­hen. Ein Schein­ge­schäft i. S. des § 117 BGB lie­ge nicht vor, da die mit dem Kauf­ver­trag ver­bun­de­nen Rechts­fol­gen von bei­den Kauf­ver­trags­par­tei­en, ins­be­son­de­re auch von dem Käu­fer, ge­wollt sei­en.

[8]    Der zwi­schen den Par­tei­en ab­ge­schlos­se­ne Kauf­ver­trag sei auch nicht nach­träg­lich durch die vom Klä­ger er­klär­te An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung ent­fal­len. Dem Klä­ger ste­he kein An­fech­tungs­recht nach § 123 BGB zu. Er kön­ne sich nicht dar­auf be­ru­fen, von der Be­klag­ten durch ein arg­lis­ti­ges Ver­hal­ten zum Kauf­ver­trags­ab­schluss ver­an­lasst wor­den zu sein. Denn er ha­be nicht den ihm ob­lie­gen­den Nach­weis füh­ren kön­nen, dass die Be­klag­te Kennt­nis da­von ge­habt ha­be, dass die Fahr­zeug­pa­pie­re ge­fälscht ge­we­sen sei­en. In Be­zug auf die An­zahl der Vor­ei­gen­tü­mer und den Um­stand, dass ein Vor­ei­gen­tü­mer nicht in den Fahr­zeug­pa­pie­ren ein­ge­tra­gen ge­we­sen sei, sei ei­ne et­wai­ge hier­mit ver­bun­de­ne Täu­schung sei­tens der Be­klag­ten bzw. der hin­ter ihr ste­hen­den Be­trei­ber der Kfz-Werk­statt je­den­falls nicht ur­säch­lich für die Kauf­ent­schei­dung des Klä­gers ge­we­sen.

[9]    II. Die­se Be­ur­tei­lung hält recht­li­cher Nach­prü­fung stand; die Re­vi­si­on ist da­her zu­rück­zu­wei­sen. Dem Klä­ger steht ge­gen­über der Be­klag­ten kein An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses zu.

[10]   1. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat ei­nen ver­trag­li­chen Rück­ab­wick­lungs­an­spruch rechts­feh­ler­frei mit der Be­grün­dung ver­neint, dass der vom Klä­ger er­klär­te Rück­tritt vom Ver­trag un­wirk­sam ist, weil et­wai­ge Sach­män­gel­an­sprü­che des Klä­gers ge­mäß § 438 I Nr. 3 BGB ver­jährt sind und die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Ver­län­ge­rung der Ver­jäh­rungs­frist gem. § 438 III 1 BGB nicht vor­lie­gen.

[11]   Oh­ne Er­folg wen­det sich die Re­vi­si­on ge­gen die Tat­sa­chen­fest­stel­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, dass der Klä­ger nicht durch ein arg­lis­ti­ges Ver­hal­ten der Be­klag­ten oder der hin­ter ihr ste­hen­den Be­trei­ber der Kfz-Werk­statt zum Ab­schluss des Kauf­ver­trags ver­an­lasst wor­den ist. Die tatrich­ter­li­che Wür­di­gung des Be­ru­fungs­ge­richts, dass ei­ne et­wai­ge Täu­schung über die An­zahl der Vor­be­sit­zer für den Kauf­ent­schluss des Klä­gers je­den­falls nicht ur­säch­lich war, weil es dem Klä­ger un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Al­ters und des ge­rin­gen Prei­ses des Fahr­zeugs nicht dar­auf an­ge­kom­men sei, ob die­ses ei­nen Vor­ei­gen­tü­mer mehr hat­te als im Kauf­ver­trag an­ge­ge­ben und aus den Fahr­zeug­pa­pie­ren er­sicht­lich war, ist aus Rechts­grün­den nicht zu be­an­stan­den. Die Rü­ge der Re­vi­si­on, die tatrich­ter­li­che Wür­di­gung des Be­ru­fungs­ge­richts sei nicht über­prüf­bar, weil die Aus­sa­gen der Zeu­gen H und R nicht pro­to­kol­liert wor­den sei­en, greift nicht durch. Denn das Be­ru­fungs­ge­richt hat die Aus­sa­gen die­ser Zeu­gen nicht ver­wer­tet, son­dern stützt sei­ne Sach­ver­halts­wür­di­gung auf die ei­ge­nen An­ga­ben des Klä­gers in der münd­li­chen Ver­hand­lung, die im Be­ru­fungs­ur­teil wie­der­ge­ge­ben sind.

[12]   2. Ein Scha­dens­er­satz­an­spruch ge­mäß §§ 280 I, 311 II, III, 241 II BGB we­gen vor­sätz­lich un­ter­las­se­ner Auf­klä­rung über die An­zahl der Vor­be­sit­zer (vgl. da­zu Se­nat, Urt. v. 16.12.2009 – VI­II ZR 38/09, NJW 2010, 858) be­steht eben­falls nicht. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat auch in­so­weit rechts­feh­ler­frei fest­ge­stellt, dass die An­zahl der Vor­be­sit­zer im vor­lie­gen­den Fall kei­ne maß­geb­li­che Be­deu­tung für die Kauf­ent­schei­dung des Klä­gers hat­te und des­halb ein et­wai­ges be­wuss­tes Ver­schwei­gen des Um­stan­des, dass ein Vor­ei­gen­tü­mer nicht in den Fahr­zeug­pa­pie­ren ein­ge­tra­gen war, je­den­falls nicht ur­säch­lich für den Kauf­ver­trags­ab­schluss war.

[13]   3. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on steht dem Klä­ger auch kein be­rei­che­rungs­recht­li­cher An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses aus § 812 I 1 Fall 1 BGB zu. Denn der zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­ne Kauf­ver­trag ist wirk­sam zu­stan­de ge­kom­men. Der Rechts­grund für die Zah­lung des Kauf­prei­ses ist auch nicht nach­träg­lich ent­fal­len (§ 812 I 2 BGB).

[14]   a) Der zwi­schen dem Klä­ger und der Be­klag­ten zu­stan­de ge­kom­me­ne Kauf­ver­trag ist kein Schein­ge­schäft i. S. des § 117 I BGB. Nach die­ser Be­stim­mung ist ei­ne Wil­lens­er­klä­rung, die ei­nem an­de­ren ge­gen­über ab­zu­ge­ben ist, nich­tig, wenn sie mit des­sen Ein­ver­ständ­nis nur zum Schein ab­ge­ge­ben wird. Die­se Vor­aus­set­zun­gen hat das Be­ru­fungs­ge­richt nicht fest­ge­stellt. Es hat viel­mehr rechts­feh­ler­frei die Fest­stel­lung ge­trof­fen, dass die mit dem Kauf­ver­trag ver­bun­de­nen Rechts­fol­gen von bei­den Par­tei­en, ins­be­son­de­re auch vom Klä­ger, ge­wollt wa­ren. Da­mit schei­det ein Schein­ge­schäft aus.

[15]   Dar­an än­dert auch nichts, dass die Be­klag­te von ih­rem Ehe­mann da­zu ver­an­lasst wor­den war, den Kauf­ver­trag ab­zu­schlie­ßen, da­mit kein Ver­brauchs­gü­ter­kauf vor­liegt und die Sach­män­gel­haf­tung aus­ge­schlos­sen wer­den konn­te. Das Vor­schie­ben ei­nes Stroh­manns er­folgt im rechts­ge­schäft­li­chen Ver­kehr nicht zum Schein. Viel­mehr ist das Stroh­mann­ge­schäft ernst­lich ge­wollt, weil sonst der da­mit er­streb­te wirt­schaft­li­che Zweck nicht oder nicht in rechts­be­stän­di­ger Wei­se er­reicht wür­de. Da­her ist ein sol­ches Ge­schäft nach stän­di­ger Recht­spre­chung des BGH für den Stroh­mann recht­lich bin­dend (Se­nat, Urt. v. 13.03.2002 – VI­II ZR 292/00, NJW 2002, 2030 [un­ter II 1] m. w. Nachw.).

[16]   Et­was an­de­res kä­me nach § 117 I BGB nur dann in Be­tracht, wenn der Klä­ger Kennt­nis da­von ge­habt hät­te und da­mit ein­ver­stan­den ge­we­sen wä­re, dass die Be­klag­te le­dig­lich als „Stroh­mann“ für ih­ren Ehe­mann auf­ge­tre­ten ist. Da­für fehlt es je­doch, wie aus­ge­führt, an Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts. Über­gan­ge­nen Sach­vor­trag hier­zu zeigt die Re­vi­si­on nicht auf.

[17]   Aus dem Se­nats­ur­teil vom 22.11.2006 – VI­II ZR 72/06, BGHZ 170, 67 – er­gibt sich nichts an­de­res. In die­ser Ent­schei­dung (Tz. 16) hat der Se­nat die Fra­ge, wie die aus­schließ­li­che Haf­tung des Händ­lers für Sach­män­gel­an­sprü­che bei ei­nem Um­ge­hungs­ge­schäft dog­ma­tisch zu be­grün­den ist, of­fen­ge­las­sen, weil es dar­auf nicht an­kam. Dort hat der Se­nat le­dig­lich Li­te­ra­tur­mei­nun­gen zur Be­grün­dung der aus­schließ­li­chen Haf­tung des Händ­lers wie­der­ge­ge­ben, un­ter an­de­rem die Auf­fas­sung von Mül­ler (NJW 2003, 1975 [1980]), wo­nach der vor­ge­scho­be­ne Kauf­ver­trag zwi­schen den Ver­brau­chern als Schein­ge­schäft un­wirk­sam sein soll. Die­se Auf­fas­sung ent­spricht aber nicht der stän­di­gen Recht­spre­chung des BGH und ist vom Se­nat auch nicht ge­bil­ligt wor­den. Da es auch im vor­lie­gen­den Fall nicht um die Haf­tung des Händ­lers geht, be­darf auch hier kei­ner Ent­schei­dung, wie des­sen aus­schließ­li­che Haf­tung bei ei­nem Um­ge­hungs­ge­schäft zu be­grün­den ist.

[18]   b) Der Rechts­grund für die Zah­lung des Kauf­prei­ses ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on auch nicht durch die vom Klä­ger er­klär­te An­fech­tung des Kauf­ver­tra­ges we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung ent­fal­len. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat, wie aus­ge­führt, rechts­feh­ler­frei fest­ge­stellt, dass ei­ne et­wai­ge Täu­schung über die An­zahl der Vor­be­sit­zer für den Kauf­ent­schluss des Klä­gers je­den­falls nicht ur­säch­lich war.

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