1. § 439 I Fall 2 BGB ist richt­li­ni­en­kon­form da­hin aus­zu­le­gen, dass die Nach­er­fül­lungs­va­ri­an­te „Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che“ ne­ben dem Aus­bau und Ab­trans­port der man­gel­haf­ten Kauf­sa­che auch den Ein­bau der als Er­satz ge­lie­fer­ten Sa­che er­fasst (im An­schluss an EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – Rs. C-65/09 und C-87/09, NJW 2011, 2269; Se­nat, Urt. v. 21.12.2011 – VI­II ZR 70/08, NJW 2012, 1073).
  2. Die­se richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung des § 439 I Fall 2 BGB ist auf den Ver­brauchs­gü­ter­kauf (§ 474 I BGB) be­schränkt und er­streckt sich nicht auf Kauf­ver­trä­ge zwi­schen Un­ter­neh­mern oder zwi­schen Ver­brau­chern.

BGH, Ur­teil vom 17.10.2012 – VI­II ZR 226/11

Sach­ver­halt: Die im Sport­platz­bau tä­ti­ge Klä­ge­rin kauf­te in den Jah­ren 2006 und 2007 bei der Be­klag­ten EPDM-Gra­nu­lat ei­nes pol­ni­schen Pro­du­zen­ten als Ma­te­ri­al zur Her­stel­lung von Kunst­ra­sen­plät­zen in H. und für ein Gym­na­si­um in N. Auf­trag­ge­ber der Klä­ge­rin wa­ren die je­wei­li­gen Ge­mein­den.

Nach dem Ein­bau durch die Klä­ge­rin stell­te sich her­aus, dass das von der Be­klag­ten ge­lie­fer­te Gra­nu­lat man­gel­haft war. Für den er­for­der­li­chen Aus­tausch des Ma­te­ri­als stell­te die Be­klag­te kos­ten­los SBR-Gra­nu­lat zur Ver­fü­gung. Sie lehn­te es aber ab, das man­gel­haf­te Ma­te­ri­al aus­zu­bau­en und das Er­satz­gra­nu­lat ein­zu­bau­en. Dar­auf­hin wur­den die­se Ar­bei­ten auf Ver­an­las­sung der Klä­ge­rin durch ein an­de­res Un­ter­neh­men vor­ge­nom­men.

Die Klä­ge­rin hat von der Be­klag­ten Zah­lung von 72.126,05 € nebst Zin­sen und Rechts­an­walts­ge­büh­ren be­gehrt. Die Kla­ge­for­de­rung setzt sich zu­sam­men aus den Aus- und Ein­bau­kos­ten (25.424,65 €), Ent­sor­gungs­kos­ten für das man­gel­haf­te Ma­te­ri­al (4.541,40 €) so­wie der be­haup­te­ten Preis­dif­fe­renz zwi­schen dem SBR-Gra­nu­lat und dem ur­sprüng­lich ge­lie­fer­ten EPDM-Gra­nu­lat (42.160 €).

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge in Hö­he von 4.379,27 € (Ent­sor­gungs­kos­ten un­ter Ab­zug von Skon­to) nebst Zin­sen und Rechts­an­walts­ge­büh­ren statt­ge­ge­ben; im Üb­ri­gen hat es die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die Be­ru­fung der Klä­ge­rin, mit der die­se ih­re wei­ter­ge­hen­den An­sprü­che un­ter Ab­zug von Skon­ti wei­ter­ver­folgt hat, wur­de zu­rück­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folg­te die Klä­ge­rin ih­ren An­spruch auf Zah­lung der Kos­ten für den Aus­bau des man­gel­haf­ten Gra­nu­lats (15.249,28 €) und für den Ein­bau des Er­satz­gra­nu­lats (9.660,17 €) wei­ter. Das Rechts­mit­tel hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: [5]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat – so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren noch von In­ter­es­se – im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[6]    Die Klä­ge­rin ha­be ge­gen die Be­klag­te kei­nen An­spruch aus §§ 280 I, III, 281 BGB auf Er­satz der Aus­bau­kos­ten für das man­gel­haf­te EPDM-Gra­nu­lat so­wie der Ein­bau­kos­ten für das Er­satz­gra­nu­lat. Zwar stel­le die Lie­fe­rung des man­gel­haf­ten Ma­te­ri­als ei­ne Pflicht­ver­let­zung dar. Hier­aus fol­ge je­doch kein Scha­dens­er­satz­an­spruch der Klä­ge­rin, weil die Be­klag­te als Zwi­schen­händ­le­rin die Man­gel­haf­tig­keit des Gra­nu­lats nicht ha­be er­ken­nen kön­nen; ein Ver­schul­den des Her­stel­lers ha­be sie nicht zu ver­tre­ten, weil die­ser nicht ihr Er­fül­lungs­ge­hil­fe i. S. des § 278 BGB sei.

[7]    Die Klä­ge­rin kön­ne die ihr ent­stan­de­nen Kos­ten auch nicht un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner Ver­let­zung des Nach­er­fül­lungs­an­spruchs der Be­klag­ten (§ 439 I BGB) gel­tend ma­chen. Denn der Ver­käu­fer schul­de im Rah­men der Nach­er­fül­lung we­der den Aus­bau der von ihm zu­vor ge­lie­fer­ten und vom Käu­fer selbst ein­ge­bau­ten man­gel­haf­ten Sa­che noch den Ein­bau der als Er­satz ge­lie­fer­ten Sa­che.

[8]    Ein Er­satz­an­spruch we­gen der Ein­bau­kos­ten schei­de, wie das Land­ge­richt zu Recht er­kannt ha­be, nach der Recht­spre­chung des BGH aus (BGH, Urt. v. 15.07.2008 – VI­II ZR 211/07; Beschl. v. 21.10.2008 – VI­II ZR 304/07 und VI­II ZR 65/08). Aus der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter er­ge­be sich nach der Auf­fas­sung des BGH nichts an­de­res.

[9]    Auch ein An­spruch auf Er­satz der Aus­bau­kos­ten be­ste­he nicht. Nach den Aus­füh­run­gen des BGH im vor­ge­nann­ten Ur­teil de­cke sich der Nach­er­fül­lungs­an­spruch hin­sicht­lich der ge­schul­de­ten Leis­tun­gen in­halt­lich mit dem ur­sprüng­li­chen Er­fül­lungs­an­spruch. Der Ver­käu­fer schul­de ei­ne voll­stän­di­ge Wie­der­ho­lung der Leis­tun­gen, zu de­nen er sich nach § 433 I BGB ver­pflich­tet ha­be, al­so die noch­ma­li­ge Über­ga­be des Be­sit­zes und die Ver­schaf­fung des Ei­gen­tums an ei­ner man­gel­frei­en Sa­che, nicht aber mehr. Die­ser re­strik­ti­ven, den Aus­bau der man­gel­haf­ten Sa­che vom Nach­lie­fe­rungs­an­spruch aus­schlie­ßen­den Auf­fas­sung sei zu fol­gen.

[10]   II. Die­se Be­ur­tei­lung hält recht­li­cher Nach­prü­fung im Er­geb­nis stand; die Re­vi­si­on ist da­her zu­rück­zu­wei­sen. Die Klä­ge­rin hat ge­gen die Be­klag­te kei­nen An­spruch auf Er­satz der gel­tend ge­mach­ten Kos­ten für den Aus­bau des man­gel­haf­ten EPDM-Gra­nu­lats und den Ein­bau des als Er­satz ge­lie­fer­ten SBR-Gra­nu­lats.

[11]   1. Zu Recht hat das Be­ru­fungs­ge­richt ei­nen An­spruch der Klä­ge­rin auf Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung un­ter dem Ge­sichts­punkt, dass die Be­klag­te ih­re Ver­trags­pflicht zur Be­schaf­fung man­gel­frei­en EPDM-Gra­nu­lats ver­letzt hat (§§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB i. V. mit § 433 I 2 BGB), ver­neint. Zwar sind die Vor­aus­set­zun­gen des § 280 I 1 BGB für ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch der Klä­ge­rin in­so­weit er­füllt, als das von der Be­klag­ten ver­kauf­te EPDM-Gra­nu­lat man­gel­haft war (§ 434 BGB). Die Be­klag­te hat je­doch die sich dar­aus er­ge­ben­de Pflicht­ver­let­zung (§ 433 I 2 BGB) nach den tatrich­ter­li­chen Fest­stel­lun­gen nicht zu ver­tre­ten (§ 280 I 2 BGB). Dies nimmt die Re­vi­si­on hin.

[12]   2. Im Er­geb­nis zu­tref­fend hat das Be­ru­fungs­ge­richt ei­nen An­spruch auf Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung (§§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB) auch un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner Ver­let­zung der Ver­pflich­tung des Ver­käu­fers zur Nach­er­fül­lung (§ 439 I BGB) ver­neint. Denn die Be­klag­te hat die­se Pflicht nicht ver­letzt.

[13]   Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Nach­er­fül­lungs­an­spruch der Klä­ge­rin nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB sind er­füllt, weil das von der Be­klag­ten ge­lie­fer­te EPDM-Gra­nu­lat man­gel­haft war. Nach § 439 I BGB kann der Käu­fer nach sei­ner Wahl die Be­sei­ti­gung des Man­gels oder die Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che ver­lan­gen. Die Klä­ge­rin hat die Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che ver­langt. Die­ser Auf­for­de­rung ist die Be­klag­te nach­ge­kom­men, in­dem sie kos­ten­los SBR-Gra­nu­lat zur Ver­fü­gung ge­stellt hat, das von der Klä­ge­rin als Er­satz­ma­te­ri­al ak­zep­tiert wor­den ist. Da­mit hat die Be­klag­te ih­re Pflicht zur Nach­er­fül­lung er­füllt.

[14]   Die Be­klag­te war nicht dar­über hin­aus ver­pflich­tet, das man­gel­haf­te EPDM-Gra­nu­lat aus­zu­bau­en und das SBR-Gra­nu­lat ein­zu­bau­en. Denn die­se Leis­tun­gen wer­den vom Nach­er­fül­lungs­an­spruch auf Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che (§ 439 I Fall 2 BGB) nicht um­fasst, wenn es sich bei dem Ver­trag nicht um ei­nen Ver­brauchs­gü­ter­kauf i. S. des § 474 I BGB han­delt, son­dern um ei­nen Kauf­ver­trag im ge­schäft­li­chen Ver­kehr zwi­schen Un­ter­neh­mern oder im pri­va­ten Be­reich zwi­schen Ver­brau­chern. Ein sol­cher Fall liegt hier vor. Die Par­tei­en sind Un­ter­neh­mer (§ 14 BGB).

[15]   a) § 439 I BGB dient der Um­set­zung von Art. 3 der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter (ABl. 1999 L 171, S. 12; im Fol­gen­den: Richt­li­nie). Auf den Vor­la­ge­be­schluss des Se­nats vom 14.01.2009 – VI­II ZR 70/08, NJW 2009, 1660 – hat der EuGH (im Fol­gen­den: Ge­richts­hof) durch Ur­teil vom 16.06.2011 (C-65/09 und C-87/09, NJW 2011, 2269 – Gebr. We­ber GmbH/Jür­gen Witt­mer und In­grid Putz/Me­di­a­ness Elec­tro­nics GmbH) über die Aus­le­gung der Richt­li­nie wie folgt ent­schie­den:

„Art. 3 II und III der Richt­li­nie … ist da­hin aus­zu­le­gen, dass, wenn der ver­trags­ge­mä­ße Zu­stand ei­nes ver­trags­wid­ri­gen Ver­brauchs­guts, das vor Auf­tre­ten des Man­gels vom Ver­brau­cher gut­gläu­big ge­mäß sei­ner Art und sei­nem Ver­wen­dungs­zweck ein­ge­baut wur­de, durch Er­satz­lie­fe­rung her­ge­stellt wird, der Ver­käu­fer ver­pflich­tet ist, ent­we­der selbst den Aus­bau die­ses Ver­brauchs­guts aus der Sa­che, in die es ein­ge­baut wur­de, vor­zu­neh­men und das als Er­satz ge­lie­fer­te Ver­brauchs­gut in die­se Sa­che ein­zu­bau­en, oder die Kos­ten zu tra­gen, die für die­sen Aus­bau und den Ein­bau des als Er­satz ge­lie­fer­ten Ver­brauchs­guts not­wen­dig sind. Die­se Ver­pflich­tung des Ver­käu­fers be­steht un­ab­hän­gig da­von, ob er sich im Kauf­ver­trag ver­pflich­tet hat­te, das ur­sprüng­lich ge­kauf­te Ver­brauchs­gut ein­zu­bau­en.“

[16]   In der ab­schlie­ßen­den Ent­schei­dung über den dem Ge­richts­hof vor­ge­leg­ten Fall des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs hat der Se­nat dar­auf­hin § 439 I Fall 2 BGB richt­li­ni­en­kon­form da­hin aus­ge­legt, dass die Nach­er­fül­lungs­va­ri­an­te „Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che“ auch den Aus­bau und den Ab­trans­port der man­gel­haf­ten Kauf­sa­che um­fasst (Urt. v. 21.12.2011 – VI­II ZR 70/08, NJW 2012, 1073 Rn. 25 ff.). Für den Ein­bau der als Er­satz ge­lie­fer­ten Kauf­sa­che kann auf­grund des Ur­teils des Ge­richts­hofs nichts an­de­res gel­ten; auch in­so­weit ist ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung des § 439 I Fall 2 BGB für den Ver­brauchs­gü­ter­kauf ge­bo­ten. So­weit der Se­nat zu­vor in sei­nem eben­falls ei­nen Ver­brauchs­gü­ter­kauf be­tref­fen­den Ur­teil vom 15.07.2008 – VI­II ZR 211/07, BGHZ 177, 224 Rn. 25 – die Auf­fas­sung ver­tre­ten hat, ei­ne so weit­ge­hen­de Aus­deh­nung der Nach­er­fül­lungs­pflicht las­se sich aus Art. 3 II der Richt­li­nie nicht her­lei­ten, hält er dar­an nicht fest.

[17]   b) Nicht ent­schie­den hat der Se­nat bis­lang über die Aus­le­gung des § 439 I Fall 2 BGB au­ßer­halb des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat für den hier vor­lie­gen­den Fall ei­nes Kauf­ver­trags zwi­schen Un­ter­neh­mern mit Recht an­ge­nom­men, dass die Nach­lie­fe­rung i. S. des § 439 I Fall 2 BGB we­der den Aus­bau der man­gel­haf­ten Kauf­sa­che noch den Ein­bau der als Er­satz ge­lie­fer­ten Sa­che um­fasst (eben­so Lo­renz, NJW 2011, 2241 [2244]; D. Schmidt, in: Prüt­ting/We­gen/Wein­reich, BGB, 7. Aufl., § 439 Rn. 13; Pfeif­fer, LMK 2011, 321439 [un­ter 3 b]; Stau­din­ger, DAR 2011, 502 [505]; Förs­ter, ZIP 2011, 1493 [1500]; Ayad/Schnell, BB 2011, 1938 [1939]; Grei­ner/Be­ne­dix, ZGS 2011, 489 [493 f.]; Maultzsch, GPR 2011, 253 [257]; a. A. Au­gen­ho­fer/Ap­pen­zel­ler/Holm, JuS 2011, 680 [681, 684]; Berg, RiW 2011, 717 [718]; Bü­den­be­n­der/Bin­der, DB 2011, 1736 [1742 f.]; Ei­sen­berg, BB 2011, 2634 [2637]; Faust, JuS 2011, 744 [748]; Höpf­ner, JZ 2012, 473 f.; Kroll-Schlü­ter, JR 2011, 463 [466]; Mül­ler, ZfS 2011, 604 [608]; Ro­de­mann/Schwen­ker, ZfBR 2011, 634 [639]; Stö­ber, ZGS 2011, 346 [352]).

[18]   aa) Das aus dem Um­set­zungs­ge­bot des Art. 288 III AEUV und dem Grund­satz der Ge­mein­schaftstreue ge­mäß Art. 4 III EU fol­gen­de Ge­bot richt­li­ni­en­kon­for­mer Aus­le­gung greift hier nicht ein. Es be­schränkt sich auf den An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie. Die Vor­ga­ben der Richt­li­nie und das Ur­teil des Ge­richts­hofs be­zie­hen sich nur auf den Ver­brauchs­gü­ter­kauf und nicht auf an­de­re Kauf­ver­trä­ge.

[19]   Auch die vom Se­nat im Ur­teil vom 21.12.2011 – VI­II ZR 70/08, NJW 2012, 1073 – vor­ge­nom­me­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung des § 439 I Fall 2 BGB geht nicht wei­ter als die Richt­li­nie selbst, be­schränkt sich al­so eben­falls auf den Ver­brauchs­gü­ter­kauf. Der Se­nat hat ent­schie­den, dass ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung im Sin­ne des Ur­teils des Ge­richts­hofs noch vom Wort­laut des § 439 I Fall 2 BGB ge­deckt ist (Rn. 26). Er hat nicht aus­ge­spro­chen, dass ei­ne sol­che Aus­le­gung auch über den Ver­brauchs­gü­ter­kauf hin­aus ge­bo­ten oder sach­ge­recht wä­re.

[20]   bb) Al­ler­dings kann ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung für das na­tio­na­le Recht auch über den Gel­tungs­be­reich ei­ner Richt­li­nie hin­aus Be­deu­tung er­lan­gen, wenn ei­ne über­schie­ßen­de Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie in das na­tio­na­le Recht er­folgt ist (vgl. BGH, Urt. v. 09.04.2002 – XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248 [260 f.]). Ei­ne Pflicht zur richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung richt­li­ni­en­frei­en Rechts er­gibt sich bei ei­ner sol­chen richt­li­ni­en­über­schie­ßen­den Um­set­zung zwar nicht aus dem Ge­mein­schafts­recht. Sie kann sich aber aus na­tio­na­lem Recht, das heißt aus ei­nem ent­spre­chen­den Wil­len des na­tio­na­len Ge­setz­ge­bers, er­ge­ben.

[21]   Ei­ne richt­li­ni­en­über­schie­ßen­de Um­set­zung der Richt­li­nie liegt hier vor. Denn der Ge­setz­ge­ber hat die ge­mein­schafts­recht­li­chen Vor­ga­ben für die Nach­er­fül­lung bei de­ren Um­set­zung in das deut­sche Recht nicht in die Son­der­re­ge­lun­gen für den Ver­brauchs­gü­ter­kauf (§§ 474 ff. BGB), son­dern in die für al­le Kauf­ver­trä­ge gel­ten­den Be­stim­mun­gen der §§ 433 ff. BGB ein­ge­fügt.

[22]   Vor­aus­set­zung für ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung des § 439 I Fall 2 BGB über den Ver­brauchs­gü­ter­kauf hin­aus ist nach dem oben Ge­sag­ten aber wei­ter, dass ei­ne Aus­deh­nung der Nach­lie­fe­rungs­pflicht im Sin­ne des Ur­teils des Ge­richts­hofs dem Wil­len des deut­schen Ge­setz­ge­bers ent­spricht (vgl. Se­nat, Urt. v. 26.11.2008 – VI­II ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 28 [zur te­leo­lo­gi­schen Re­duk­ti­on des § 439 IV BGB]; Urt. v. 13.04.2011 – VI­II ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 47 [zu § 269 I BGB]). Da­von kann nicht aus­ge­gan­gen wer­den. Denn der Ge­setz­ge­ber ist bei der richt­li­ni­en­über­schie­ßen­den Um­set­zung der ge­mein­schafts­recht­li­chen Vor­ga­ben für die Nach­er­fül­lung von ei­nem an­de­ren Ver­ständ­nis der Richt­li­nie aus­ge­gan­gen als der Ge­richts­hof. Aus den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en der Schuld­rechts­re­form ist zu ent­neh­men, dass dem Ge­setz­ge­ber ei­ne so weit­ge­hen­de Aus­deh­nung der Nach­lie­fe­rungs­pflicht, wie sie der Ge­richts­hof vor­ge­nom­men hat, nicht vor Au­gen ge­stan­den hat und er sie des­halb je­den­falls nicht für das ge­sam­te Kauf­recht ge­wollt ha­ben wür­de. Dies recht­fer­tigt es, die richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung des § 439 I Fall 2 BGB – eben­so wie die te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on des § 439 IV BGB (da­zu Se­nat, Urt. v. 26.11.2008 – VI­II ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 26 ff.) – auf den Ver­brauchs­gü­ter­kauf zu be­schrän­ken und nicht auf an­de­re, der Richt­li­nie nicht un­ter­fal­len­de Kauf­ver­trä­ge aus­zu­deh­nen.

[23]   In­so­weit be­steht ein we­sent­li­cher Un­ter­schied zum Ur­teil des BGH vom 09.04.2002 (XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248), in dem ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung von § 5 II HWiG im In­ter­es­se um­fas­sen­den Ver­brau­cher­schut­zes auch auf den mar­gi­na­len Be­reich der Ver­brau­cher­kre­dit­ver­trä­ge aus­ge­dehnt wur­de, die mit Rück­sicht auf die richt­li­ni­en­über­schie­ßen­de Um­set­zung der Haus­tür­ge­schäf­te­richt­li­nie im deut­schen Recht zwar die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Haus­tür­ge­schäfts nach § 1 HWiG a.F. er­fül­len, nicht aber den Tat­be­stand der Haus­tür­ge­schäf­te­richt­li­nie. Ei­ne Aus­deh­nung der richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung über den Be­reich der Ver­brau­cher­ver­trä­ge hin­aus auf den gro­ßen Be­reich der Ver­trä­ge zwi­schen Un­ter­neh­mern und zwi­schen Ver­brau­chern, über die hier zu ent­schei­den ist, wur­de auch in je­ner Ent­schei­dung nicht vor­ge­nom­men.

[24]   (1) Bei dem Nach­er­fül­lungs­an­spruch aus § 439 I BGB han­delt es sich nach der ge­setz­ge­be­ri­schen Kon­zep­ti­on der Schuld­rechts­re­form um ei­ne Mo­di­fi­ka­ti­on des ur­sprüng­li­chen Er­fül­lungs­an­spruchs aus § 433 I BGB (BT-Drs. 14/6040, S. 221). Bei der in § 439 I BGB als ei­ne der bei­den Al­ter­na­ti­ven der Nach­er­fül­lung vor­ge­se­he­nen Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che de­cken sich nach der Vor­stel­lung des Ge­setz­ge­bers, wie schon aus der ge­setz­li­chen For­mu­lie­rung her­vor­geht, der Nach­er­fül­lungs­an­spruch und der ur­sprüng­li­che Er­fül­lungs­an­spruch hin­sicht­lich der vom Ver­käu­fer ge­schul­de­ten Leis­tun­gen; es ist le­dig­lich an­stel­le der ur­sprüng­lich ge­lie­fer­ten man­gel­haf­ten Kauf­sa­che nun­mehr ei­ne man­gel­freie – im Üb­ri­gen aber gleich­ar­ti­ge und gleich­wer­ti­ge – Sa­che zu lie­fern. Die Er­satz­lie­fe­rung er­for­dert da­her ei­ne voll­stän­di­ge Wie­der­ho­lung der Leis­tun­gen, zu de­nen der Ver­käu­fer nach § 433 I 1, 2 BGB ver­pflich­tet ist; der Ver­käu­fer schul­det noch­mals die Über­ga­be des Be­sit­zes und die Ver­schaf­fung des Ei­gen­tums ei­ner man­gel­frei­en Sa­che – nicht we­ni­ger, aber auch nicht mehr. Denn mit der Nach­er­fül­lung soll nach der ge­setz­ge­be­ri­schen Kon­zep­ti­on der Schuld­rechts­re­form le­dig­lich ei­ne nach­träg­li­che Er­fül­lung der Ver­käu­fer­pflich­ten aus § 433 I 2 BGB durch­ge­setzt wer­den; der Käu­fer soll mit der Nach­er­fül­lung das er­hal­ten, was er ver­trag­lich zu be­an­spru­chen hat (BT-Drs. 14/6040, S. 221; Se­nat, Urt. v. 15.07.2008 – VI­II ZR 211/07, BGHZ 177, 224 Rn. 18 m. w. Nachw.; Urt. v. 13.04.2011 – VI­II ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 49).

[25]   Ist dem­nach die Nach­er­fül­lung dar­auf be­schränkt, die nach § 433 I 2 BGB vom Ver­käu­fer ge­schul­de­te Er­fül­lung im zwei­ten An­lauf zu be­werk­stel­li­gen, be­wahrt sie den Käu­fer ei­ner man­gel­haf­ten Sa­che nicht oh­ne Wei­te­res vor jed­we­den Ver­mö­gens­nach­tei­len. Denn nach dem kauf­recht­li­chen Ge­währ­leis­tungs­sys­tem der §§ 434 ff. BGB sind über das Er­fül­lungs­in­ter­es­se hin­aus­ge­hen­de Ver­mö­gens­nach­tei­le, die beim Käu­fer da­durch ent­ste­hen, dass dem Ver­käu­fer die Er­fül­lung nicht schon beim ers­ten, son­dern erst beim zwei­ten Ver­such ge­lingt, nach der Vor­stel­lung des deut­schen Ge­setz­ge­bers – so­weit nicht die be­son­de­re Kos­ten­re­ge­lung des § 439 II BGB ein­greift – nur nach den all­ge­mei­nen Re­geln über den Scha­dens- oder Auf­wen­dungs­er­satz aus­zu­glei­chen (BT-Drs. 14/6040, S. 224 f.; Se­nat, Urt. v. 15.07.2008 – VI­II ZR 211/07, BGHZ 177, 224 Rn. 22; vgl. auch Se­nat, Beschl. v. 21.10.2008 – VI­II ZR 304/07 und VI­II ZR 65/08, bei­de in ju­ris). In­so­fern ge­hö­ren der Aus­bau der man­gel­haf­ten Kauf­sa­che und der Ein­bau der als Er­satz ge­lie­fer­ten Sa­che nach na­tio­na­lem deut­schem Recht grund­sätz­lich nicht zu der vom Ver­käu­fer ge­schul­de­ten Nach­er­fül­lung (Se­nat, Urt. v. 15.07.2008 – VI­II ZR 211/07, BGHZ 177, 224 Rn. 19 [zu den Ein­bau­kos­ten]; Beschl. v. 14.01.2009 – VI­II ZR 70/08, NJW 2009, 1660 Rn. 19 ff. [zu den Aus- und Ein­bau­kos­ten]), son­dern nur in­so­weit, als sich aus Art. 3 II und III der Richt­li­nie et­was an­de­res er­gibt und dies im Rah­men richt­li­ni­en­kon­for­mer Aus­le­gung des § 439 I Fall 2 BGB zu be­rück­sich­ti­gen ist (Se­nat, Beschl. v. 14.01.2009 – VI­II ZR 70/08, NJW 2009, 1660 Rn. 22).

[26]   (2) Die­se Vor­stel­lun­gen des deut­schen Ge­setz­ge­bers über In­halt und Um­fang der Nach­lie­fe­rungs­pflicht ge­mäß § 439 I Fall 2 BGB stim­men nicht mit dem Ver­ständ­nis des Ge­richts­hofs über den Um­fang der Nach­lie­fe­rungs­pflicht ge­mäß Art. 3 II und III der Richt­li­nie über­ein. Es kann da­her nicht an­ge­nom­men wer­den, dass es dem Wil­len des deut­schen Ge­setz­ge­ber ent­sprä­che, ei­ne so weit­ge­hen­de Aus­deh­nung der Nach­lie­fe­rungs­pflicht, wie sie der Ge­richts­hof für den Ver­brauchs­gü­ter­kauf ver­bind­lich vor­ge­nom­men hat, im We­ge richt­li­ni­en­kon­for­mer Aus­le­gung über den Ver­brauchs­gü­ter­kauf hin­aus auch auf an­de­re Kauf­ver­trä­ge zu er­stre­cken.

[27]   Zwar hat der Ge­setz­ge­ber mit der Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie für die Nach­er­fül­lung in § 439 BGB ei­ne ein­heit­li­che Re­ge­lung für al­le Kauf­ver­trä­ge an­ge­strebt. Dies be­ruh­te je­doch auf dem dar­ge­leg­ten Fehl­ver­ständ­nis über den von der Richt­li­nie für den Ver­brauchs­gü­ter­kauf vor­ge­ge­be­nen Um­fang der Nach­er­fül­lungs­pflicht bei der Er­satz­lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che. Des­halb spricht nichts da­für, dass der Ge­setz­ge­ber die Nach­lie­fe­rungs­pflicht ge­mäß § 439 I Fall 2 BGB ein­heit­lich für al­le Kauf­ver­trä­ge ge­re­gelt hät­te, wenn ihm die spä­te­re Aus­le­gung der Richt­li­nie durch den Ge­richts­hof be­kannt ge­we­sen wä­re. Viel­mehr ist da­von aus­zu­ge­hen, dass der Ge­setz­ge­ber die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie für die Nach­lie­fe­rungs­pflicht auf den Ver­brauchs­gü­ter­kauf be­schränkt hät­te, wenn ihm da­mals be­reits be­kannt ge­we­sen wä­re, dass der Ge­richts­hof der Nach­lie­fe­rung ei­nen über die Wie­der­ho­lung der Ver­käu­fer­pflich­ten hin­aus­ge­hen­den, in den Werk­ver­trag hin­ein­rei­chen­den In­halt zu­weist (vgl. Se­nat, Urt. v. 15.07.2008 – VI­II ZR 211/07, BGHZ 177, 224 Rn. 25; Beschl. v. 14.01.2009 – VI­II ZR 70/08, NJW 2009, 1660 Rn. 22). Ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung des § 439 I Fall 2 BGB über den Ver­brauchs­gü­ter­kauf hin­aus auf den gro­ßen Be­reich der Kauf­ver­trä­ge zwi­schen Un­ter­neh­mern oder zwi­schen Ver­brau­chern ist da­her ab­zu­leh­nen.

[28]   In­so­weit gilt nichts an­de­res als hin­sicht­lich der Re­ge­lung in § 439 IV BGB, de­ren richt­li­ni­en­kon­for­me Re­duk­ti­on der Se­nat eben­falls nicht auf al­le Kauf­ver­trä­ge er­streckt, son­dern un­ter Be­ru­fung auf die Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en auf den Ver­brauchs­gü­ter­kauf be­schränkt hat (Se­nat, Urt. v. 26.11.2008 – VI­II ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 26 ff.). Die­se Ent­schei­dung des Se­nats hat der Ge­setz­ge­ber durch die Neu­re­ge­lung in § 474 II BGB, wel­che die richt­li­ni­en­kon­for­me Ein­schrän­kung des § 439 IV BGB auf den Ver­brauchs­gü­ter­kauf be­schränkt, be­stä­tigt.

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