- Wird dem Auftraggeber eines Kfz-Reparaturauftrags – gleich ob entgeltlich oder unentgeltlich, etwa im Rahmen der Erfüllung einer Gewährleistungspflicht – für die Dauer der Reparatur ein Ersatzfahrzeug gestellt, liegt kein rechtlich unverbindliches Gefälligkeitsverhältnis vor. Vielmehr gibt derjenige, der das Ersatzfahrzeug stellt, durch dessen Überlassung zu erkennen, dass er für schuldhafte Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Stellung des Ersatzwagens haftet.
- Eine Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Stellung des Ersatzfahrzeugs liegt vor, wenn das Fahrzeug einen schadenstiftenden Defekt aufweist. Denn unter anderem zählt zu den Schutzpflichten bei der Stellung eines Ersatzfahrzeugs durch eine Werkstatt, dass dieses Fahrzeug sich in einem verkehrssicheren Zustand befindet und bei einem normalen bestimmungsgemäßen Gebrauch weder der Werkstattkunde noch sonstige Dritte, für die der Kunde gegebenenfalls einzustehen hat, zu Schaden kommen. Dies bedeutet, dass alle Bauteile des Fahrzeugs unabhängig von dessen Alter sich in einem bestimmungsgemäßen Zustand befinden müssen, der einen gewöhnlichen Gebrauch erlaubt. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, muss zumindest auf den Defekt oder die Gebrauchseinschränkung hingewiesen werden.
AG Kassel, Urteil vom 13.03.2012 – 435 C 4225/11
Sachverhalt: Der Kläger begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld anlässlich eines Gebrauchtwagenkaufs.
Mit Vertrag vom 29.11/02.12.2010 erwarb der Kläger bei der Beklagten einen gebrauchten Pkw BMW 525i Touring (Erstzulassung 18.04.2007) zum Preis von 24.650 € brutto. Die Parteien vereinbarten, dass die Beklagte Lackmängel des Fahrzeugs beseitigt. Am Tag der Übergabe (15.12.2010) beanstandete der Kläger die entsprechenden Lackierarbeiten. Die Beklagte bot eine Nachbesserung in der BMW-Niederlassung in D. und die Stellung eines Ersatzfahrzeugs an. Am 17.01.2011 brachte der Kläger den Pkw deshalb nach D. Er erhielt als Ersatzfahrzeug einen Pkw BMW 316i compact. An dem BMW 525i Touring wurden drei Nachbesserungsversuche vorgenommen, der letzte am 16.02.2011.
Der Kläger behauptet, er habe bei Übernahme des Ersatzfahrzeugs am 17.0.2011 eine Platzwunde am Kopf erlitten, weil die Heckklappe wegen defekter Dämpfer nach dem Öffnen wieder heruntergefahren sei, als er persönliche Gegenstände in das Gepäcksabteil legen wollte. Auf diesen Defekt sei er nicht hingewiesen worden. Zudem habe er eine Schädelprellung mit posttraumatischen Spannungskopfschmerzen erlitten und sei vom 20.01.2011 bis zum 21.01.2011 arbeitsunfähig erkrankt und medikamentös behandelt worden. Die Arztkosten hätten 181,30 € sowie 267,70 € betragen.
Der Kläger hält ein Schmerzensgeld von 600 € für angemessen.
Er behauptet weiter, dass die dritte Nachbesserung der Lackierarbeiten fehlgeschlagen sei, da noch eine Lacknase auf der Motorhaube vorhanden und das BMW-Emblem dort zerkratzt sei. Außderdem sei der Lack auf dem vorderen Stoßfänger durch das Beillackieren rau geworden und seien Abkleberänder mitlackiert worden, sodass sich silberne Farbe am schwarzen Kunststoffgitter befinde.
Ausweislich des Kostenvoranschlags der B-GmbH vom 10.03.2011 kostet die Mangelbeseitigung 1.712,65 € netto.
Die im Wesentlichen auf Zahlung von 2.161,68 € nebst Zinsen gerichtete Klage hatte Erfolg.
Aus den Gründen: Der Kläger kann von der Beklagten gemäß §§ 280 I, 253 II BGB sowohl ein angemessenes Schmerzensgeld verlangen als auch Erstattung der Behandlungskosten aufgrund des Vorfalls vom 17.1.2011.
Die Beklagte ist insoweit passivlegitimiert. Zwar ist die Beklagte nicht Halterin des Fahrzeugs BMW 316i compact, dessen Heckklappe auf den Kopf des Klägers gefallen war. Bei diesem Fahrzeug handelte es sich jedoch um ein von ihr gestelltes Ersatzfahrzeug. Wird dem Auftraggeber eines Kfz-Reparaturauftrags – gleich ob entgeltlich oder unentgeltlich, etwa im Rahmen der Erfüllung einer Gewährleistungspflicht – ein Werkstatt-Ersatzfahrzeug gestellt, handelt es sich nicht um ein bloßes rechtlich unverbindliches Gefälligkeitsverhältnis. Sondern es handelt sich um eine vertragliche Abrede, bei der sich die Kfz-Werkstatt verpflichtet, ihrem Auftraggeber für die Dauer der Reparatur ein Fahrzeug zur Verfügung zu stellen. Dies kann zu einer gesonderten Entgeltpflicht führen oder auch nicht, wobei im letztgenannten Fall die Stellung des Ersatzwagens möglicherweise als Dreingabe zu qualifizieren ist. Da es sich bei der Stellung eines Ersatzwagens nicht um eine gesetzlich vorgeschriebene Verpflichtung aus einem Reparaturvertrag handelt, ist eine Werkstätte zwar nicht dazu verpflichtet, solches zu tun. Lässt sie sich jedoch auf eine solche Abrede ein, so gibt sie damit zugleich zu erkennen, dass sie für etwaige Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Stellung des Ersatzwagens haftet.
Eine solche Pflichtverletzung i. S. des § 280 I BGB liegt auch dann vor, wenn der Ersatzwagen einen schadenstiftenden Defekt aufweist. Die Vorschrift erfasst insbesondere die Verletzung der sogenannten vertraglichen Nebenpflichten. Dazu gehören insbesondere Schutzpflichten und Aufklärungspflichten. Zu den Schutzpflichten bei der Stellung eines Ersatzwagens durch eine Werkstatt zählt unter anderem, dass das Fahrzeug sich in einem verkehrssicheren Zustand befindet und bei einem normalen bestimmungsgemäßen Gebrauch weder der Werkstattkunde noch sonstige Dritte, für die der Kunde gegebenenfalls einzustehen hat, zu Schaden kommen. Dies bedeutet, dass alle Bauteile des Fahrzeugs unabhängig von dessen Alter sich in einem bestimmungsgemäßen Zustand befinden müssen, der gewöhnlichen Gebrauch erlaubt. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, so besteht zumindest eine Pflicht zur Aufklärung dergestalt, dass auf einen Defekt oder eine Gebrauchseinschränkung hingewiesen werden muss, sollte diese im Einzelfall zumutbar sein.
Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die Beklagte hier ihren Schutzpflichten nicht nachgekommen ist. Zwar mag es so sein, dass sowohl dem Fahrzeughalter als auch der Beklagten ein Defekt der Heckklappe des Ersatzwagens … nicht aufgefallen ist. Wegen des Alters des Fahrzeugs, welches am Schadenstag rund 17 Jahre alt war, muss jedoch bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung damit gerechnet werden, dass insbesondere einem gewissen Verschleiß unterliegende Bauteile nicht mehr vollständig in ordnungsgemäßem Zustand sind.
Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen Z, der immerhin Mitarbeiter der BMW-Niederlassung in D. ist (und damit eher zur Beklagten ein Näheverhältnis hat), steht jedoch unzweifelhaft fest, dass die Heckklappe des Ersatzwagens den Kläger auf den Kopf fiel. Der Zeuge bekundete nachvollziehbar, wie er den Kläger auf den Ersatzwagen hingewiesen hatte und diesen bei dem Ablegen eine Aktentasche im Gepäcksabteil beobachtete, wobei die Heckklappe herunterfiel. Seine Aussage ist in sich stimmig. Dies wird etwa daran deutlich, dass er sich an aus seiner Beobachtersituation heraus nebensächliche Details gerade nicht mehr erinnern konnte. So konnte er beispielsweise nichts mehr dazu sagen, wie lange die Heckklappe im geöffneten Zustand verharrte. Weiß man nämlich nicht, dass diese gleich wieder absinkt, so achtet man darauf üblicherweise nicht. Weiter berichtete er eindrücklich davon, die blutende Platzwunde auf den Kopf des Klägers gesehen zu haben.
Dabei kann das Gericht allein anhand der Angaben des Zeugen Z ausschließen, dass eine andere Ursache als ein technischer Defekt an der Heckklappe für das Schadensereignis verantwortlich war. Der Zeuge bekundete nämlich, dass er keine Beobachtungen gemacht hatte, die etwa darauf schließen lassen könnten, der Kläger habe sich selbst die Heckklappe des Fahrzeuges versehentlich auf den Kopf gezogen. Der Zeuge konnte sich auf ausdrückliches Befragen nicht daran erinnern, dass der Kläger etwa die Hand an der Heckklappe hatte, während er noch in das Gepäcksabteil des Pkw gebeugt war. Er bekundete vielmehr – auch ungefragt –, dass er die Klappe absinken sah. Unerheblich ist dabei, ob der Kläger die Klappe nicht vollständig oder zu schwungvoll mit der Folge eines automatischen Zurückfallens ganz geöffnet hatte. Denn der durchschnittliche Benutzer eines Pkw mit Heckklappe darf darauf vertrauen, dass diese gleichwohl nicht absinkt, sondern von den hydraulischen Dämpfern oder Gasdruckdämpfern oben gehalten wird. Vor diesem Hintergrund bedurfte es der Einvernahme des beklagtenseits angebotenen Zeugen X nicht mehr. Denn selbst dann, wenn dieser einen Defekt an seinem Pkw nicht festgestellt haben sollte, so steht alleine wegen der Angaben des Zeugen Z zur Überzeugung des Gerichts fest, dass jedenfalls am Schadenstag die Heckklappe nicht ordnungsgemäß funktionierte.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass den Kläger ein Mitverschulden an diesem Schadensereignis nicht trifft. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger gegen sich selbst eine Pflicht verletzt hätte. Er hat sich sozialadäquat verhalten.
Das Bestreiten der Verletzungsfolgen durch die Beklagte ist nicht hinreichend substanziiert. Der Kläger hat durch Vorlage der Arztrechnungen und ärztlicher Verordnung umfangreich dokumentiert, wie er behandelt worden ist. Die vom Kläger vorgetragenen und durch die vorgelegten Unterlagen belegten Verletzungsfolgen sind auch ohne Weiteres nach der allgemeinen Lebenserfahrung dem Verletzungsereignis zuzuordnen, ohne dabei den Rahmen typischerweise zu erwartender Folgen zu sprengen.
In Ansehung der Verletzung und der Verletzungsfolgen einschließlich der bescheinigten zweitägigen Arbeitsunfähigkeit erachtet das erkennende Gericht das begehrte Schmerzensgeld in Höhe von 600 € für angemessen.
Im Wege des Schadensersatzes kann der Kläger auch die wegen des Ereignisses vom 17.01.2011 angefallenen Kosten in Höhe von 181,30 € sowie 267,73 € verlangen. Aus den vorgelegten Rechnungen vom 03.02.2011 und vom 18.02.2011 ergibt sich, dass diese Behandlungen im Zusammenhang mit der hier streitgegenständlichen Verletzung stehen. Der Kläger ist insoweit nicht darauf zu verweisen, diese erkennbar als privatärztliche Rechnung ausgewiesenen Beträge vorrangig von seiner Krankenversicherung erstattet zu bekommen. Dies würde die Beklagte nämlich im Ergebnis nicht entlassen, da insoweit kraft Gesetzes Ersatzansprüche gegen die Beklagte auf die Krankenversicherung übergehen würden. Es entspricht jedoch der Dispositionsfreiheit des Klägers, zwischen den beiden Erstattungsmöglichkeiten zu wählen, wobei ihm zugebilligt werden muss, das Verhältnis zu seiner Krankenversicherung nicht unnötig zu belasten, beispielsweise zur Wahrung von Rabatten oder Rückvergütungen.
Hinsichtlich des Pkw BMW 525i touring kann der Kläger weiterhin Schadensersatz nach §§ 434, 437 Nr. 3, 440, 280, 281, 283, 311a BGB verlangen.
Ein Sachmangel des gekauften BMW liegt vor. Dies ergibt sich unzweideutig aus dem gerichtlicherseits eingeholten Gutachten des Sachverständigen B vom 30.12.2011. Dieser kommt, anhand von Lichtbildern belegt, eindeutig zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger beschriebenen Mängel im Rahmen der nachlackierten Motorhaube bestehen. Er kommt aus sachverständiger Sicht für das Gericht nachvollziehbar dem Ergebnis, dass die Lackierarbeit der Beklagten insoweit nicht als fachgerecht bezeichnet werden kann.
Die Beklagte kann sich insoweit nicht nur auf eine vorrangige Nacherfüllung nach § 439 BGB berufen. Denn nach § 440 Satz 2 BGB gilt die Nachbesserung bereits dann als fehlgeschlagen, wenn zwei erfolglose Versuche der Nachbesserung stattgefunden haben. Da die Beklagte hier sogar dreimal die Möglichkeit erhalten hatte, die Lackierung der Motorhaube fehlerfrei durchzuführen, ihr diese aber nicht gelungen ist, besteht kein weiteres Nachbesserungsrecht mehr zu ihren Gunsten.
Der Schaden des Klägers besteht in den Aufwendungen für eine fehlerfreie Nachlackierung. Diese Kosten hat er durch den Kostenvoranschlag vom 10.3.2011 belegt, der mit einem Nettobetrag von 1.712,65 € endet. Diesen Kostenvoranschlag hatte die Beklagte inhaltlich nicht weiter substanziiert angegriffen. Ihr Bestreiten ist lediglich pauschal. Dabei war die Beklagte … sogar ohne Weiteres in der Lage, die einzelnen Positionen des Kostenvoranschlags sachlich zu überprüfen und danach dem Gericht mitzuteilen, wo konkrete Bedenken gegen Umfang und Höhe der Abgerechnetenpreise bestehen. Das Gericht selbst vermag nicht zu erkennen, dass es sich hierbei um unangemessene Preise bzw. unangemessen umfangreiche Arbeiten handelt. Sie entsprechen vielmehr dem Erfahrungshorizont des Gerichts anhand der Beschäftigung mit einer Vielzahl von Verkehrsunfallsachen. Hinzu kommt noch im besonderen Fall, dass der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat, dass der Kostenvoranschlag sogar von einer markengebundenen BMW-Fachwerkstatt erstellt wurde. Bereits deswegen ist zu unterstellen, dass die darin enthaltenen Beträge sachgerecht sind, solange nicht – wie hier – detaillierter Gegenvortrag gehalten ist.
Da der Kläger unwidersprochen … die Reparatur noch nicht hat ausführen lassen, ist nicht auszuschließen, dass für den Fall, dass er sich noch anders entschließen sollte, noch Umsatzsteuer anfällt. Insoweit hatte ein Feststellungsinteresse, dass in diesem Fall die Beklagte einstandspflichtig ist. Es sind in Ansehung der obigen Ausführungen keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen eine Verpflichtung der Beklagten insoweit sprechen könnten …