- Ein Gebrauchtwagenkäufer muss mangels abweichender Vereinbarung grundsätzlich mit einem üblichen Verschleiß rechnen; dieser stellt keinen Mangel dar. Ein üblicher Verschleiß ist aber nicht gegeben, wenn es infolge einer konstruktionsbedingten thermischen Überlastung zu einem Schmiermittelversagen an einem Zylinder und deshalb zu einem kapitalen Motorschaden kommt. Vielmehr darf der Käufer eines nicht einmal drei Jahre alten Gebrauchtwagens mit einer Laufleistung von 81.025 km erwarten, dass das Fahrzeug nicht wegen einer thermischen Überlastung und einem daraus resultierenden kapitalen Motorschaden gebrauchsuntauglich wird.
- Ein Sachmangel kann auch dann vorliegen, wenn Fahrzeuge eines bestimmten Typs häufig eine bestimmte Schwäche aufweisen. Dies hat nicht zur Folge, dass der Käufer die Schwäche einschließlich ihrer Folgen als Normalbeschaffenheit hinnehmen muss.
- Ein Gebrauchtwagen ist schon dann mangelhaft, wenn er bei Übergabe an den Käufer in dem Sinne schadenanfällig ist, dass der Eintritt eines erheblichen Schadens – hier: eines kapitalen Motorschadens – konkret droht. In diesem Fall ist der Mangel nämlich zum Zeitpunkt der Übergabe schon „in der Anlage“ vorhanden.
OLG Koblenz, Urteil von 27.05.2011 – 10 U 945/10
Sachverhalt: Der Kläger erwarb am 21.04.2008 von der Beklagten ein gebrauchtes Kfz mit einem Kilometerstand von 76.850. Am 31.08.2008 blieb das Fahrzeug bei einem Kilometerstand von 81.025 mit einem Motorschaden liegen. Trotz wiederholter Aufforderung, den Schaden zu reparieren, führte die Beklagte in der Folgezeit weder selbst eine Reparatur durch, noch veranlasste sie eine solche. Sie ließ das Fahrzeug am 15.09.2008 in eine Vertragswerkstatt nach C. verbringen, wo jedoch eine Reparatur nicht durchgeführt wurde.
In der Folge veranlasste der Kläger ein selbstständiges Beweisverfahren und ließ mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 23.03.2009 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären. Er hat vorgetragen, Ursache des Motorschadens sei ein Schmiermittelversagen am dritten Zylinder. Dieser Mangel habe bei bereits bei Übergabe des Fahrzeugs durch die Beklagte vorgelegen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger nicht die vom Kläger behaupteten Mängel, die zum Motorschaden vom 31.08.2008 geführt hätten, gehabt habe. Zwar habe der Sachverständige Dipl.-Ing. D in seinem Gutachten im selbstständigen Beweisverfahren festgestellt, dass Ursache des Motorschadens ein Schmiermittelversagen am dritten Zylinder sei und die voraussichtlichen Reparaturkosten 11.414,48 € brutto betragen würden. Jedoch sei die Kammer aufgrund der Aussagen der Zeugen E und F davon überzeugt, dass der Mangel, der zum Motorschaden geführt habe, zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger nicht vorhanden gewesen sei.
Die Berufung des Klägers hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: II. Die Berufung ist … mit Ausnahme der für die Befestigung einer Aufsatzkabine geltend gemachten Kosten in Höhe von 650 € sowie den auf diesen Betrag entfallenden Anteil der geltend gemachten Nebenkosten begründet.
Der Kläger ist zum Rücktritt vom Kauf berechtigt (§§ 437 Nr. 2, 440, 323 I BGB).
Der Kläger hat der Beklagten mit Schreiben vom 26.09.2008 erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung bis zum 29.09.2008 gesetzt. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Fristsetzung angemessen war, da durch die ernsthafte und endgültige Verweigerung einer kostenlosen Nachbesserung … in Verbindung mit dem Leugnen eines Sachmangels eine Fristsetzung jedenfalls entbehrlich geworden ist (§ 323 II Nr. 1 BGB).
Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht zudem zur Überzeugung des Senats fest, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe mit einem Sachmangel behaftet gewesen ist (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).
Unstreitig hat der Kläger das Fahrzeug bei einem Kilometerstand von 76.850 übernommen. In der Folgezeit hat der Kläger mit dem Pkw 4.175 km zurückgelegt, bevor am Fahrzeug am 31.08.2008 ein kapitaler Motorschaden auftrat. Ursächlich für den Motorschaden war nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. D, gegen die insoweit von keiner der Parteien Einwände erhoben worden sind, ein Schmiermittelversagen am dritten Zylinder. Ergänzend hat der Sachverständige im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 30.03.2010 ausgeführt, dass ein mangelnder Ölstand demgegenüber nicht schadenursächlich gewesen sei. Die Schäden hätten sich im Wesentlichen auf den dritten Zylinder beschränkt. Dabei seien bauartbedingt der zweite und dritte Zylinder einer höheren thermischen Belastung ausgesetzt als der erste und vierte Zylinder. Ursache für die Schäden sei seines Erachtens eine thermische lokale Überlastung gewesen und ein ebenfalls lokales Schmiermittelversagen. Ein Schmiermittelversagen bedeute, dass entweder die Teile nicht ausreichend von Öl umgeben seien oder dass auf Grund einer thermischen Überlastung das Schmiermittel versage. Auf die Frage des Ölstandes komme es für die Beantwortung der Frage nach der Ursächlichkeit des Schadens nicht an. Es gehe nicht um die Ölmenge, sondern um die Ölversorgung.
Die Beklagte selbst hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 13.04.2010 die Kopie eines Artikels aus dem Geländewagenmagazin „OFF ROAD“, Ausgabe 4/2010, überreicht, in dem berichtet wird, dass eine Vielzahl von Fahrern mit dem streitbefangenen Fahrzeugtyp Probleme mit den thermisch stark belasteten Zylindern 2 und 3 des Fahrzeugs gehabt hätten. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat dies jedoch gerade nicht zur Folge, dass eine Haftung der Beklagten auf Gewährleistung ausscheidet. Aus den Ausführungen des Sachverständigen ergibt sich vielmehr, dass im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger bereits die Anlage zum Schaden bestanden hat.
Das Fahrzeug des Klägers war zum Zeitpunkt der Übergabe i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB sachmangelhaft. Nach dieser Vorschrift ist die gekaufte Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Schaden am dritten Zylinder des Pkw des Klägers Folge einer thermischen Überlastung war, die auch bei einer Vielzahl anderer Fahrzeuge des streitbefangenen Fahrzeugtyps aufgetreten ist, muss der Käufer die Schwäche nicht als normale Beschaffenheit hinnehmen. Der Einordnung als Sachmangel kann nicht entgegengehalten werden, dass Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs häufig diese Schwäche aufweisen. Dies hätte nämlich nicht zur Folge, dass der Käufer dies einschließlich der Folgen als Normalbeschaffenheit hinnehmen müsste (vgl. hierzu auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.06.2006 – I-1 U 38/06, NJW 2006, 2858; Palandt/Weidenkaff, BGB, § 434 Rn. 72). Der Durchschnittskäufer eines Pkw Nissan Pickup darf aber berechtigterweise davon ausgehen, dass ein Fahrzeug, das zum Schadeneintritt nicht einmal drei Jahre alt war und eine Laufleistung von 81.025 km aufwies, nicht wegen einer thermischen Überlastung am dritten Zylinder und einem daraus resultierenden kapitalen Motorschaden gebrauchsuntauglich wird.
Zwar muss ein Gebrauchtwagenkäufer mangels anderslautender Vereinbarung mit einem natürlichen Verschleiß grundsätzlich rechnen, sodass derartige Fälle nicht von der Sachmangelhaftung umfasst werden (BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434). Ein solcher Fall ist hier indes nicht gegeben. Ursächlich für den kapitalen Motorschaden war kein üblicher Verschleiß, sondern ein Schmiermittelversagen am dritten Zylinder, das Folge einer – herstellerbedingten – thermischen Überlastung war. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der aufgetretene kapitale Motorschaden nicht Folge eines normalen Verschleißes war, sondern es sich um einen Sachmangel handelt.
Die Ursache für den späteren Motorschaden lag auch bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vor. Insoweit ist ausreichend für einen haftungsbegründenden Mangel, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe bereits „in der Anlage“ vorhanden war (BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 04.03.2005 – 24 U 198/04, DAR 2005, 339). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Ursache für den späteren Motorschaden lag zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs bereits vor. Dabei genügt eine Schadenanfälligkeit, verstanden als konkrete Gefahr des Eintritts eines erheblichen Schadens (OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.06.2006 – I-1 U 38/06, NJW 2006, 2858). Der Sachverständige D hat insoweit ausgeführt, dass der zweite und dritte Zylinder des Fahrzeugs bauartbedingt einer höheren thermischen Belastung ausgesetzt seien als der erste und vierte Zylinder. Ursache für die Schäden seien aber die bzw. eine thermische Überlastung gewesen und ein Schmiermittelversagen.
Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass nicht verlässlich festgestellt werden kann, ob die Anlage zum späteren Motorschaden bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag, steht dem Kläger ein Anspruch auf Rückabwicklung des Gebrauchtwagenkaufvertrags zu. Nach der Vorschrift des § 476 BGB besteht bei einem – hier vorliegenden – Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 BGB dann, wenn sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt, die Vermutung, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war. Hier hat sich der Sachmangel unstreitig vier Monate nach Übergabe gezeigt, sodass es der Beklagten oblegen hätte, den Nachweis zu erbringen, dass der Pkw bei Gefahrübergang den Sachmangel, der sich am 31.08.2008 gezeigt hat, noch nicht aufgewiesen hatte. Diesen Nachweis hat die Beklagte nicht erbracht. Eine entsprechende Feststellung kann insbesondere nicht aufgrund der Aussagen der Zeugen E und F getroffen werden. Der Zeuge E hat erklärt, er habe den Motorölstand kontrolliert, als sie das Auto zu dem Kläger gebracht hätten. Das Ergebnis der Messung sei gewesen, dass „es ok war“. Ein mangelnder Ölstand war aber nach den Feststellungen des Sachverständigen gar nicht schadenursächlich. Die Berufung rügt weiter zu Recht, dass die Aussage des Zeugen F für die Frage, ob der festgestellte Mangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag, unergiebig ist. Selbst wenn der Zeuge F das Fahrzeug vor dem Verkauf an die Firma X sorgfältig gewartet hat, ergibt sich hieraus nicht, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger noch nicht vorgelegen hat, zumal sich aus der Aussage des Sachverständigen Dipl.-Ing. D ergibt, dass es erforderlich war, den Motor auszubauen und zu zerlegen, um die Ursache des Motorschadens festzustellen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des OLG Stuttgart, Urt. v. 31.01.2005 – 5 U 153/04, OLGR 2005, 225. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall war die Mängelursache des Fahrzeuges offengeblieben, da den Sachverständigen ein zwischenzeitlich ausgebauter Turbolader für eine Begutachtung nicht mehr zur Verfügung stand. Da aber eine der möglichen offenen Schadenursachen zur Überzeugung des Senats erst nach Gefahrübergang eingetreten war, hat der Senat die Vermutung des § 476 BGB als erschüttert angesehen. Hier liegt aber der Nachweis einer möglichen Schadenursache nach Gefahrübergang gerade nicht vor.
Rechtsfolge des nach alledem wirksamen Rücktritts ist, dass dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 13.500 € abzüglich einer Entschädigung für die zwischenzeitlich erfolgte Nutzung des Fahrzeugs in Höhe von 626,25 € … Zug um Zug gegen Rücknahme des Fahrzeugs zusteht.
Soweit der Kläger darüber hinaus Ersatz der Kosten für die Befestigung einer Aufsatzkabine in Höhe von 650 € begehrt, ist die Klage unbegründet und die Berufung zurückzuweisen. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers ist nicht hinreichend substanziiert und damit unbeachtlich … Obwohl die Beklagte in der Klageerwiderung bestritten hat, dass für das Befestigen der Kabine 650 € angefallen seien, hat der Kläger nicht dargelegt, wie sich die Beträge zusammensetzen, und hat auch keinen geeigneten Beweis angetreten.
Dem Kläger steht weiter ein Anspruch auf Ersatz der Mietkosten eines Anhängers zum Verbringen des Pkw von der Firma G in C. zum Wohnsitz des Klägers in Höhe von 50 € gemäß §§ 437 I Nr. 3, 284 BGB zu. Schließlich steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren, auf der Basis eines Gegenstandswerts von 12.922,75 €, in Höhe von 837,52 € zu …