Dar­aus, dass ein Kfz-Käu­fer be­rech­tigt ist, An­sprü­che auf Män­gel­be­sei­ti­gung nicht nur beim Ver­käu­fer, son­dern auch bei an­de­ren an­er­kann­ten Be­trie­ben gel­tend zu ma­chen, folgt nicht, dass er auch ei­ne Rück­tritts­er­klä­rung wirk­sam ge­gen­über ei­nem sol­chen Be­trieb ab­ge­ben kann. Dar­an än­dert nichts, dass der Ver­käu­fer und der an­er­kann­te Be­trieb zu ei­ner Fir­men­grup­pe ge­hö­ren, wenn bei­de recht­lich selbst­stän­di­ge Un­ter­neh­men sind.

OLG Bre­men, Ur­teil vom 07.04.2011 – 1 U 62/10

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin war Lea­sing­neh­me­rin ei­nes Pkw. Die Lea­sing­ge­be­rin er­warb den Pkw zu ei­nem Kauf­preis von 95.744,02 € bei der Be­klag­ten in B. Dort hat­te die Klä­ge­rin das Fahr­zeug, das am 23.10.2007 an sie aus­ge­lie­fert wur­de, aus­ge­sucht. Die Lea­sing­ge­be­rin trat sämt­li­che ihr ge­gen Drit­te zu­ste­hen­de An­sprü­che und Rech­te we­gen Man­gel­haf­tig­keit des Fahr­zeugs an die Klä­ge­rin ab.

Die Klä­ge­rin hat in der Fol­ge ei­ne Viel­zahl von Man­gel­rü­gen er­ho­ben und in ver­schie­de­nen Werk­stät­ten Re­pa­ra­tu­ren an dem Fahr­zeug durch­füh­ren las­sen. Sie wand­te sich schließ­lich am 22.10.2009 an das Au­to­haus U und sprach dort die „Wand­lung des Fahr­zeugs“ aus, was ihr das Au­to­haus schrift­lich be­stä­tig­te. Mit Schrei­ben vom 27.10.2010 for­der­te die Klä­ge­rin die Be­klag­te da­zu auf, die Mo­da­li­tä­ten der Rück­ab­wick­lung mit­zu­tei­len. Nach­dem die Be­klag­te den Rück­tritt zu­rück­ge­wie­sen hat­te, hat die Klä­ge­rin mit der Kla­ge die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges ver­langt.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge mit der Be­grün­dung ab­ge­wie­sen, der Rück­tritt sei nicht recht­zei­tig ge­gen­über der Be­klag­ten er­klärt wor­den. Die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Das Land­ge­richt hat zu Recht an­ge­nom­men, dass die Klä­ge­rin nicht wirk­sam den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klärt hat. Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen An­spruch der Klä­ge­rin auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags ge­mäß den §§ 398, 346 ff. i. V. mit §§ 437 Nr. 2, 323, 440 BGB sind nicht ge­ge­ben. Es liegt kein wirk­sa­mer Rück­tritt vor, weil die­ser nicht vor Ein­tritt der Ver­jäh­rung ge­gen­über der Be­klag­ten er­klärt wor­den ist (§§ 438, 218 BGB).

1. Der Pkw wur­de von der Lea­sing­ge­be­rin bei der Be­klag­ten er­wor­ben und am 23.10.2007 an die Klä­ge­rin ge­lie­fert. Die Klä­ge­rin hät­te al­so bis zum Ab­lauf des 23.10.2009 den Rück­tritt er­klä­ren müs­sen (§ 438 I Nr. 3 BGB). Die Klä­ge­rin hat nicht nach­ge­wie­sen, dass die Be­klag­te bis zu die­sem Zeit­punkt ei­ne Rück­tritts­er­klä­rung er­hal­ten hat. Das Schrei­ben der Klä­ge­rin vom 27.10.2009, in dem sie die Rück­ab­wick­lung des Ver­tra­ges gel­tend ge­macht hat, war je­den­falls ver­spä­tet, weil die Ver­jäh­rungs­frist be­reits ab­ge­lau­fen war.

2. Die Klä­ge­rin kann sich nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, dass sie sich am 22.10.2009 an das Au­to­haus U ge­wandt und die „Wand­lung des Fahr­zeugs“ aus­ge­spro­chen hat. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ge­rin han­delt es sich bei dem Au­to­haus U um ei­ne selbst­stän­di­ge ju­ris­ti­sche Per­son, so­dass ei­ne ihr ge­gen­über ab­ge­ge­be­ne Rück­tritts­er­klä­rung die Be­klag­te nicht bin­den konn­te. Dar­an än­dert nichts, dass die Be­klag­te und das Au­to­haus U zu ei­ner Fir­men­grup­pe ge­hö­ren und in­so­weit auch Na­mens­be­stand­tei­le iden­tisch sind. Aus dem In­ter­net­auf­tritt der Fir­men­grup­pe, auf den die Klä­ge­rin selbst ver­weist, er­gibt sich un­zwei­fel­haft, dass das Au­to­haus U ne­ben der Be­klag­ten als ein recht­lich selbst­stän­di­ges Un­ter­neh­men ge­führt wird. Eben­so war auf­grund der Be­stell­un­ter­la­gen, die der Klä­ge­rin vor­la­gen, oh­ne Wei­te­res er­kenn­bar, dass die Be­klag­te als selbst­stän­di­ges Un­ter­neh­men das Fahr­zeug ge­lie­fert hat­te.

Da­mit fehlt es auch an ei­ner Grund­la­ge für die An­nah­me, der Rück­tritt sei der Be­klag­ten durch Er­klä­rung gem. § 130 BGB zu­ge­gan­gen. Nach die­ser Vor­schrift kann es zwar für den Zu­gang ge­nü­gen, dass ei­ne Wil­lens­er­klä­rung bei ei­ner Zweig­stel­le ein­geht, um sie der Haupt­nie­der­las­sung zu­zu­rech­nen (Pa­landt/El­len­ber­ger, BGB, 70. Aufl., § 130 Rn. 6). Da aber zwei recht­lich selbst­stän­di­ge Un­ter­neh­men vor­lie­gen, ist ein sol­ches Ver­hält­nis nicht ge­ge­ben.

3. Ein recht­zei­ti­ger Zu­gang der Rück­tritts­er­klä­rung ist auch nicht des­halb an­zu­neh­men, weil das Au­to­haus U zur Ent­ge­gen­nah­me von rechts­ge­schäft­li­chen Er­klä­run­gen er­mäch­tigt war.

a) Es ist nichts da­für er­sicht­lich, dass die Klä­ge­rin dem Au­to­haus die Stel­lung ei­nes Emp­fangs­ver­tre­ters ein­ge­räumt hat (§ 164 III BGB). Al­lein die Be­rech­ti­gung, An­sprü­che auf Män­gel­be­sei­ti­gung bei an­de­ren an­er­kann­ten Be­trie­ben gel­tend zu ma­chen, wie es sich aus den Neu­wa­gen­ver­kaufs­be­din­gun­gen der Be­klag­ten er­gibt, führt noch nicht da­zu, dass da­mit auch rechts­ge­schäft­li­che Er­klä­run­gen ge­gen­über die­sen Be­trie­ben ab­ge­ge­ben wer­den dür­fen.

Eben­so we­nig lässt sich aus dem wei­te­ren In­halt der Neu­wa­gen­ver­kaufs­be­din­gun­gen ei­ne Emp­fangs­zu­stän­dig­keit des Au­to­hau­ses U für ei­ne Rück­tritts­er­klä­rung ge­gen­über der Ver­käu­fe­rin ent­neh­men. So­weit nach Nr. VII 2a Satz 2 der Neu­wa­gen­ver­kaufs­be­din­gun­gen dem Käu­fer bei münd­li­chen An­zei­gen von An­sprü­chen ei­ne schrift­li­che Be­stä­ti­gung über den Ein­gang der An­zei­ge aus­zu­hän­di­gen ist, kann dar­aus kei­ne Ver­tre­tungs­macht ab­ge­lei­tet wer­den. Die Be­stä­ti­gung be­zieht sich auf die Gel­tend­ma­chung von An­sprü­chen auf Män­gel­be­sei­ti­gung, nicht aber auf die Rück­ab­wick­lung des Ver­trags.

b) Die Be­klag­te hat auch kei­nen Rechts­schein ge­setzt, auf­grund des­sen die Klä­ge­rin da­von aus­ge­hen konn­te, sie sei be­rech­tigt, auch in ei­nem an­de­ren Un­ter­neh­men der Fir­men­grup­pe den Rück­tritt zu er­klä­ren. So­weit die Klä­ge­rin an­führt, sie sei da­von aus­ge­gan­gen, es han­de­le sich bei dem Au­to­haus U um ei­ne Fi­lia­le der Be­klag­ten und sie hät­te dort den Rück­tritt er­klä­ren kön­nen, legt sie nicht dar, in wel­cher Wei­se die Be­klag­te zu die­ser An­nah­me bei­ge­tra­gen hat. So­weit die­ser Ein­druck durch ein Ver­hal­ten des Au­to­hau­ses U ent­stan­den ist, et­wa durch die schrift­li­che Be­stä­ti­gung des Ein­gangs der Wand­lungs­er­klä­rung oder durch sons­ti­ge münd­li­che Er­klä­run­gen, ver­mag das kei­ne recht­li­che Bin­dung der Be­klag­ten zu be­grün­den.

c) Schließ­lich kann ein Zu­gang der Rück­tritts­er­klä­rung nicht im We­ge der Wis­sens­zu­rech­nung an­ge­nom­men wer­den.

Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Wis­sens­zu­rech­nung lie­gen nicht vor. Ei­ne sol­che kommt re­gel­mä­ßig nur dann in Be­tracht, wenn es sich bei dem Ver­trags­part­ner um ei­ne ju­ris­ti­sche Per­son mit ver­schie­de­nen selbst­stän­di­gen or­ga­ni­sa­to­ri­schen Ein­hei­ten han­delt. So­weit nach der Recht­spre­chung des BGH dar­über hin­aus ei­ne Wis­sens­zu­rech­nung zwi­schen ver­schie­de­nen Rechts­trä­gern für mög­lich ge­hal­ten wird, geht es um Fäl­le, in de­nen die Wahr­neh­mung der Auf­ga­ben der ju­ris­ti­schen Per­son so or­ga­ni­siert ist, dass ein Teil ih­res Auf­ga­ben­be­reichs auf ei­ne na­tür­li­che Per­son oder ei­ne selbst­stän­di­ge ju­ris­ti­sche Ein­heit aus­ge­glie­dert wird (BGH, NJW 2001, 359 [360]). Ein sol­cher Fall liegt hier er­sicht­lich nicht vor.

Im Üb­ri­gen ist auch kein Sach­ver­halt ge­ge­ben, bei dem die Grund­sät­ze der Wis­sens­zu­rech­nung grei­fen könn­ten, weil es nicht um die Zu­rech­nung von Wis­sen in ver­schie­de­nen or­ga­ni­sa­to­ri­schen Ein­hei­ten ei­nes Un­ter­neh­mens, son­dern um den Zu­gang ei­ner rechts­ge­stal­ten­den Wil­lens­er­klä­rung des an­de­ren Teils geht, die nur dann Wir­kung ent­fal­ten kann, wenn sie ge­gen­über dem Ver­trags­part­ner ab­ge­ge­ben wird (§ 349 BGB) …

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