Die Bedingungen für eine gegen Entgelt angebotene Gebrauchtwagengarantie sind nicht klar und verständlich und deshalb unwirksam (§ 307 I BGB), wenn sie den Eindruck erwecken, der Garantievertrag laufe drei Jahre und vom Garantienehmer durchzuführende Inspektionen seien ohne Einfluss auf die Vertragslaufzeit, während die tatsächliche Vertragslaufzeit zwölf Monate beträgt und durch die vorgesehenen Inspektionen verlängert werden kann.
LG Bonn, Urteil vom 23.02.2011 – 5 S 255/10
Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatz der Kosten, die er für die Reparatur der Lichtmaschine seines Pkw aufgewendet hat.
Im August 2007 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Pkw. In der verbindlichen Bestellung heißt es unter „Besondere Vereinbarungen“ unter anderem: „36 Monate T & U-Gebrauchtwagengarantie“. Dieser Garantie lagen die Bedingungen der H-AG zugrunde. Dort heißt es in dem den Garantiebedingungen vorhergehenden Text unter „WICHTIGER HINWEIS“:
„Achtung: Ohne gültige [Garantieinspektion] keine gültige Garantie!
Genau im 12., 18., 24 und 30. Monat nach dem Tag der Wiederzulassung ist eine [Garantieinspektion] bei Ihrem Automobilhändler durchzuführen. Die [Garantieinspektion] dient Ihrer Sicherheit, ermöglicht eine frühzeitige Diagnostik von Mängeln, bevor diese zu einem großen Schaden führen, und ist daher für diese langfristige Garantie notwendig.“
In § 1 der Garantiebedingungen heißt es:
„1. …
2. Diese Garantie ist durch die H-AG versichert. Die Leistungspflicht der H-AG ist auf den in diesen Garantiebedingungen festgelegten Umfang beschränkt. Die H-AG ist mit der Schadenregulierung beauftragt. Sie leistet Entschädigung, wenn der Garantiegeber/Verkäufer (Versicherungsnehmer) aufgrund dieser Bedingungen Leistungen erbringen muss.
3. Der Käufer (Garantienehmer) ist berechtigt, alle Rechte aus der Garantie in eigenem Namen unmittelbar gegenüber der H-AG als Versicherer der Garantie geltend zu machen. Im Hinblick darauf verpflichtet sich der Käufer (Garantienehmer), stets vorrangig die H-AG in Anspruch zu nehmen.“
In § 5 Nr. 1b der Garantiebedingungen heißt es:
„1. Der Käufer (Garantienehmer) hat
a) sich über die Betriebs- und Wartungsvorschriften des Fahrzeugherstellers anhand der Betriebs- und Wartungsanleitung zu unterrichten und die aktuelle Wartungssituation des Fahrzeugs zu prüfen. Darüber hinaus hat der Käufer (Garantienehmer) an dem garantiegeschützten Personenkraftwagen ab Garantiebeginn die Wartungsarbeiten gemäß den Empfehlungen und Vorschriften des Fahrzeugherstellers beim Verkäufer (Garantiegeber) oder in Abstimmung mit diesem in einer durch den Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt rechtzeitig durchführen zu lassen und sich hierüber eine Bestätigung ausstellen zu lassen und diese im Schadenfall oder sonst auf Verlangen vorzuzeigen.
b) an dem Personenkraftwagen zur Verlängerung der Garantie die [Garantieinspektion] gemäß Arbeitsplan beim Verkäufer (Garantiegeber) durchführen zu lassen, sich hierüber eine Bestätigung ausstellen zu lassen und diese unverzüglich an die H-AG zu senden. Die [Garantieinspektionen] sind exakt im 12., 18., 24. und 30. Monat ab dem Tag der Wiederzulassung fällig.“
In § 7 Nr. 3 der Garantiebedingungen heißt es zudem:
„3. Materialkosten werden im Rahmen dieser Garantie ausgehend von der Betriebsleistung der betroffenen Baugruppe zum Zeitpunkt der Reparaturdurchführung nach folgender Staffel ersetzt:
bis 50.000 km 100 % … … über 100.000 km 40 %
Im September 2009 wurde an dem Fahrzeug des Klägers ein Defekt der Lichtmaschine festgestellt. Das Fahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt eine Laufleistung von über 100.000 km. Für die Fehlersuche wurden dem Kläger 34,63 € in Rechnung gestellt; für den Austausch der Lichtmaschine hatte der Kläger 581,91 € zu zahlen. Sowohl die Beklagte als auch die H-AG verweigerten eine Kostenübernahme mit dem Hinweis, der Kläger habe – was unstreitig ist – die Garantieinspektion nicht durchführen lassen.
Der Kläger hatte zunächst nicht nur die Beklagte, sondern auch die H-AG verklagt. Diesbezüglich hat das AG Bonn den Rechtsstreit abgetrennt und an das zuständige Amtsgericht verwiesen.
Die gegen die Beklagte gerichtete Klage hat das AG Bonn abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei zwar die richtige Anspruchsgegnerin, da § 1 Nr. 3 der Garantiebedingungen gegen § 309 Nr. 8 lit. b aa BGB verstoße. Auch falle der genannte Defekt grundsätzlich unter die von der Garantie erfassten Schadensfälle. In Höhe von 349,15 € scheitere ein Garantieanspruch des Klägers jedoch schon an § 7 der Garantiebedingungen, wonach bei einer Laufleistung von über 100.000 km lediglich 40 % der Materialkosten erstattet werden. Der darüber hinaus geltend gemachte Anspruch bestehe nicht, da die Garantie nicht entsprechend § 5 Nr. 1b der Garantiebedingungen durch eine Garantieinspektion verlängert worden sei.
Die Berufung des Klägers hatte teilweise, nämlich in Höhe von 267,39 € Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Lediglich in dieser Höhe hat der Kläger einen Anspruch aus dem Garantieversprechen der Beklagten. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
1. Gegenüber diesem Anspruch kann die Beklagte nicht einwenden, sie sei nicht passivlegitmiert. Ausweislich § 1 Nr. 1 der Versicherungsbedingungen wurde das Garantieversprechen durch die Beklagte nach Maßgabe der durch die H-AG genannten Versicherungsbedingungen gegenüber dem Kläger gegeben, wobei der Kläger wegen § 1 Nr. 3 der Versicherungsbedingungen lediglich – zusätzlich – berechtigt ist, Ansprüche aus der Versicherung des Garantieversprechens auch gegenüber der H-AG unmittelbar geltend zu machen.
Im Übrigen weist das Amtsgericht zu Recht darauf hin, dass die entsprechende Klausel der Garantiebedingungen gegen § 309 Nr. 8 lit. b aa BGB verstößt, wenn sie die Ansprüche gegen den Verwender wegen eines Mangels insgesamt oder bezüglich einzelner Teile ausschließt, auf die Einräumung von Ansprüchen gegen Dritte beschränkt oder von der vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter abhängig macht.
2. Auch kann der Kläger sich nicht darauf berufen, die Allgemeinen Garantiebedingungen seien ihm nicht bekannt gemacht worden. Dabei kann auch offenbleiben, ob er mit diesem Vortrag nicht schon nach § 531 II Nr. 3 ZPO ausgeschlossen ist, nachdem er in der ersten Instanz hierzu nichts vorgetragen hat. Ausweislich des durch die Beklagte … vorgelegten Antrags auf Abschluss einer Garantieversicherung … hat der Kläger ausdrücklich bestätigt, den Inhalt des Garantievertrags zustimmend zur Kenntnis genommen zu haben.
3. Dass der Defekt der Lichtmaschine – wie durch das Amtsgericht festgestellt – gemäß § 2 der Garantiebedingungen grundsätzlich durch die von der Garantie erfassten Schadensfälle abgedeckt ist, steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
4. Zu Recht weist das Amtsgericht auch darauf hin, dass der geltend gemachte Anspruch in Höhe von 349,15 € jedenfalls bereits an § 7 der Garantiebedingungen scheitert. Demnach werden nach einer Laufleistung von über 100.000 km lediglich 40 % der Materialkosten im Rahmen der Durchführung einer Reparatur erstattet. Geltend gemacht werden nämlich folgende Beträge, wobei für die vom Kläger im Termin angesprochen fiktive Abrechnung von Lohnkosten kein Raum besteht:
Rechnung | Gegenstand | Betrag | Erstattung nach § 7 |
09/2009 | Lohnkosten | 34,63 € | 34,63 € |
10/2009 | Materialkosten | 581,91 € | 232,76 € |
Gesamt: | 267,39 € |
5. Die Beklagte durfte den Fortbestand der Garantie nicht von der Durchführung der [Garantieinspektion] entsprechend § 5 Nr. 1b der Garantiebedingung abhängig machen. Ausweislich der durch den Kläger selbst vorgelegten Vertragsunterlagen besteht die „36 Monate T & U-Gebrauchtwagengarantie“ lediglich nach Maßgabe der Bedingungen der H-AG. Entsprechend dem im Antrag auf Abschluss der Garantieversicherung angegebenen Leistungsumfang in Verbindung mit § 4 der Versicherungsbedingungen gilt die Garantieversicherung jedoch zunächst nur für zwölf Monate und verlängert sich nach Maßgabe des § 5 der Versicherungsbedingungen, wenn der Käufer bei der Beklagten als Garantiegeberin die sogenannte [Garantieinspektion] nach dem 12., 18., 24. und 30. Monat ab dem Tag der Wiederzulassung durchführt, wobei auf dieses Erfordernis in den Versicherungsformularen unter „Wichtiger Hinweis“ ausdrücklich hingewiesen wird. Eine solche [Garantieinspektion] an dem … ausgelieferten Fahrzeug hat der Kläger unstreitig jedoch nicht durchführen lassen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die genannten Klauseln der Versicherungsbedingungen jedenfalls gemäß § 307 I 2 BGB unwirksam.
a) Einer Inhaltskontrolle des Garantieversprechens steht nicht entgegen, dass die Versicherungsbedingungen ein Versicherungsversprechen der H-AG gegenüber der Beklagten betreffen, wobei der Kläger wegen § 1 Nr. 3 der Versicherungsbedingungen lediglich berechtigt ist, Ansprüche aus der Versicherung des Garantieversprechens auch gegenüber der H-AG unmittelbar geltend zu machen. Denn das durch die Beklagte abgegebene Garantieversprechen erfolgte nach Maßgabe und unter Einbeziehung der genannten Versicherungsbedingungen, sodass die in den Versicherungsbedingungen genannten Obliegenheiten des Käufers zugleich auch Inhalt des Garantieversprechens sind und damit der Inhaltskontrolle unterliegen.
b) Es kann offenbleiben, ob die Bestimmungen der § 4 Nr. 2 und § 5 Nr. 1b der Versicherungsbedingungen den Vertragspartner der Beklagten als Verwenderin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine Formularklausel ist unter anderem dann unangemessen i. S. des § 307 I BGB, wenn der Verwender mit ihr missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vorneherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 14.10.2009 – VIII ZR 354/08, NJW 2009, 3714; LG Kiel, Urt. v. 15.07.2008 – 12 O 25/08, ZfS 2008, 567; LG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2004 – 20 S 109/04, DAR 2005, 688; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 307 Rn. 6, jeweils m. w. Nachw.). Es ist daher auch anerkannt, dass Klauseln gem. § 307 I BGB unwirksam sind, welche die Verwender von ihrer Leistungsverpflichtung ohne Rücksicht darauf freistellen, ob der Verstoß des Garantienehmers gegen seine Obliegenheit zur regelmäßigen Wartung seines Fahrzeugs für den reparaturbedürftigen Schaden ursächlich geworden ist oder nicht, weil ein Obliegenheitsverstoß dann nicht zum Anspruchsverlust führen kann, wenn er sich nicht schadensursächlich ausgewirkt hat (vgl. dazu nur BGH, Urt. v. 14.10.2009 – VIII ZR 354/08, NJW 2009, 3714; LG Kiel, Urt. v. 15.07.2008 – 12 O 25/08, ZfS 2008, 567; LG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2004 – 20 S 109/04, DAR 2005, 688). Für eine Benachteiligung des Garantienehmers spricht hier, dass für die Garantiezusage lediglich einmalig eine Versicherungsprämie geleistet wird, diese dann bis zu 36 Monate gilt und nach Ablauf von zwölf Monaten lediglich bei Durchführung der sog. [Garantieinspektion] bis zum nächsten Inspektionstermin verlängert wird. Damit wird eine faktische Obliegenheit für den Versicherungsnehmer zur Durchführung der Inspektionen festgelegt, deren Verletzung ebenfalls zu einer Leistungsfreiheit des Garantiegebers führt. Im Ergebnis kann jedoch dahinstehen, ob die genannte Rechtsprechung auf die genannten Klauseln deshalb nicht übertragbar ist, weil diese keinen Anspruch bei einer Obliegenheitsverletzung ausschließen, sondern nur die Verlängerung des Garantieversprechens von der Bedingung abhängig machen, die sogenannte [Garantieinspektion] durchzuführen.
c) Denn die genannten Klauseln sind nicht hinreichend klar und verständlich und benachteiligen die Kunden der Beklagten deshalb unangemessen (§ 307 I 2 BGB). Eine unangemessene Benachteiligung i. S. des § 307 I 2 BGB kann sich daraus ergeben, dass eine Regelung unklar oder undurchschaubar ist (sog. Transparenzgebot; vgl. dazu Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 307 Rn. 16). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und ihrem typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise verstanden werden; zu prüfen ist, wie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom angesprochenen Kundenkreis vernünftigerweise aufgefasst werden durften, wobei von den Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Kunden auszugehen ist (vgl. nur BGH, Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06, NJW 2009, 578; Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 307 Rn. 16). Dabei gebieten Treu und Glauben auch, dass die Klauseln wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 307 Rn. 17; BGH, Urt. v. 09.05.2001 – IV ZR 13/99, NJW 2001, 2014).
Nach vorgenanntem Maßstab sind § 4 Nr. 2 und § 5 Nr. 1b der Versicherungsbedingungen für den Durchschnittskunden nicht hinreichend klar bestimmt. Es wird nicht hinreichend deutlich, dass die Garantieversicherung zunächst lediglich zwölf Monate gilt und sich nach Maßgabe des § 5 der Versicherungsbedingungen verlängert, wenn der Käufer bei der Beklagten als Garantiegeberin die sogenannte [Garantieinspektion] nach dem 12., 18., 24. und 30. Monat ab dem Tag der Wiederzulassung durchführt. Dem steht nicht entgegen, dass auf dieses Erfordernis in den Versicherungsformularen unter „Wichtiger Hinweis“ ausdrücklich hingewiesen wird. Denn die Formulierung „Achtung: Ohne gültige [Garantieinspektion] keine gültige Garantie!“ erweckt lediglich den Eindruck, das Garantieversprechen gelte zunächst für eine Vertragslaufzeit von vollen 36 Monaten. Der weitergehende Hinweis, es sei „im 12., 18., 24. und 30. Monat nach dem Tag der Wiederzulassung“ eine [Garantieinspektion] durchzuführen, suggeriert dem durchschnittlichen Kunden, die Durchführung der [Garantieinspektion] sei lediglich eine den Versicherungsnehmer treffende und von der Vertragslaufzeit unabhängige Obliegenheit. Hierzu stehen sodann die § 4 Nr. 2 und § 5 Nr. 1b der Versicherungsbedingungen im Widerspruch, nach welchen die Garantie „spätestens“ 36 Monate nach dem Tag der Wiederzulassung endet und der Versicherungsnehmer zur Verlängerung der Garantie – neben den durch den Hersteller empfohlenen Garantie-Inspektionen (§ 5 Nr. 1a der Versicherungsbedingungen – die[Garantieinspektion] durchführen lassen muss. Aus der Kombination dieser Klauseln erschließt sich dem durchschnittlichen Kunden lediglich indirekt die tatsächliche und auch nur mit Durchführung der [Garantieinspektion] verlängerbare Vertragslaufzeit von zwölf Monaten, obwohl er aufgrund des den Geschäftsbedingungen vorangestellten Hinweises davon ausgehen muss, das Garantieversprechen gelte zunächst für eine Vertragslaufzeit von 36 Monaten, wobei ihn die Durchführung der [Garantieinspektion] lediglich als Obliegenheit treffe. Auf den wirtschaftlichen Nachteil, dass tatsächlich zunächst lediglich eine 12-Monats-Garantie vereinbart wurde, weisen die genannten Klauseln dagegen nicht hinreichend klar hin.
6. Der Kläger kann jedoch keinen Freistellungsanspruch aus Beratungsverschulden geltend machen (§ 280 BGB). Dass die Versicherung für ein Fahrzeug mit einer Laufleistung über 100.000 km schlechterdings unvernünftig ist, hat der Kläger nicht vorgetragen, zumal die Lohnkosten vollständig ersetzt werden …