1. Sind Pkw-Tei­le in Ab­wei­chung vom Se­ri­en­stan­dard nicht rich­tig auf­ein­an­der ab­ge­stimmt, und führt das in­fol­ge ei­ner Schwin­gungs­dis­kor­danz von Mo­tor, An­triebs­strang und Ka­ros­se­rie zu auf­fäl­li­gen Vi­bra­tio­nen ei­nes Die­sel­fahr­zeugs bei be­stimm­ten Be­triebs­be­din­gun­gen, han­delt es sich um ei­nen Sach­man­gel.
  2. Er­klärt der Käu­fer den Ver­trags­rück­tritt, wer­den ihm Trans­port- und Zu­las­sungs­kos­ten nicht er­setzt, wenn der Ver­käu­fer den Fahr­zeug­man­gel nicht zu ver­tre­ten hat. Auf­wen­dun­gen für ein Fahr­zeug­tu­ning sind eben­falls nicht zu ver­gü­ten, wenn sie nicht zu ei­ner Wert­er­hö­hung ge­führt ha­ben.

OLG Ko­blenz, Ur­teil vom 13.01.2011 – 5 U 20/10

Sach­ver­halt: Der Klä­ger kauf­te von der Be­klag­ten En­de 2005 ei­nen Die­sel-Pkw der Mar­ke S mit Ruß­par­ti­kel­fil­ter, der am 07.02.2006 aus­ge­lie­fert wur­de. Da­für zahl­te er ins­ge­samt 35.960,50 €. Im Ju­ni 2006 ent­rich­te­te er für Tu­ningar­bei­ten wei­te­re 1.009,74 €.

Zwi­schen dem 26.05.2006 und dem 30.11.2007 wand­te sich der Klä­ger, nach­dem er am 16.02.2006 be­reits bei der Be­klag­ten vor­stel­lig ge­wor­den war, an ver­schie­de­ne S-Zen­tren, weil das Fahr­zeug „ru­cke“. Nach den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Be­klag­ten war es mög­lich, „An­sprü­che auf Män­gel­be­sei­ti­gung“ au­ßer bei der Be­klag­ten „bei an­de­ren, vom Her­stel­ler/Im­por­teur für die Be­treu­ung des Kauf­ge­gen­stan­des an­er­kann­ten Be­trie­ben gel­tend zu ma­chen“, mit der Maß­ga­be, dass „im letz­te­ren Fall“ die Be­klag­te „hier­von zu un­ter­rich­ten“ sei.

Da ei­ne den Klä­ger be­frie­di­gen­de Ab­hil­fe nicht ge­schaf­fen wur­de, er­klär­te er mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 14.01.2008 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Dar­auf­hin ver­wies ihn die Be­klag­te an ein S-Zen­trum, da­mit „die an­ge­führ­te Be­an­stan­dung nach­voll­zo­gen bzw. vor­ge­führt wer­den kann“. Dem folg­te der Klä­ger am 06.02.2008 und er­hielt das Fahr­zeug am 24.05.2008 mit Be­schä­di­gun­gen zu­rück. Un­ter dem 03.06.2008 teil­te er der Be­klag­ten mit, dass er „nun­mehr die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags be­geh­re“. Die­se for­der­te er­neut die Über­prü­fung in ei­nem S-Zen­trum. Im An­schluss dar­an lehn­te sie die Rück­nah­me des Wa­gens ab.

Die auf Zah­lung von 39.682,42 € ge­rich­te­te Kla­ge hat das Land­ge­richt ab­ge­wie­sen. Es hat ge­meint, es ha­be kei­nen wirk­sa­men Ver­trags­rück­tritt des Klä­gers ge­ge­ben. Des­sen Er­klä­rung vom 14.01.2008 sei fehl­ge­schla­gen, weil die Be­klag­te zu­vor le­dig­lich ein­mal, näm­lich am 16.02.2006, die Ge­le­gen­heit zur Nach­er­fül­lung ge­habt ha­be. Die Ar­bei­ten, die 2006 und 2007 in den S-Zen­tren durch­ge­führt wor­den sei­en, brau­che sie sich nicht zu­rech­nen las­sen, weil sie da­von nicht zeit­nah un­ter­rich­tet wor­den sei. Die wei­te­re Er­klä­rung des Klä­gers vom 03.06.2008 sei ge­schei­tert, da die Män­gel­ge­währ­leis­tungs­rech­te, wie die Be­klag­te zu­tref­fend ein­ge­wandt ha­be, da­mals be­reits ver­jährt ge­we­sen sei­en. Zu­dem hät­ten „zum Zeit­punkt der zwei­ten Rück­tritts­er­klä­rung eben­falls die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes fehl­ge­schla­ge­nen zwei­ten Nach­bes­se­rungs­ver­lan­gens nicht vor­ge­le­gen“.

Da­ge­gen wen­det sich der Klä­ger mit der Be­ru­fung. Er er­strebt nun­mehr die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Zah­lung von 38.769,41 € nebst Zin­sen, weil er sich jetzt ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung von 4.552 € an­rech­nen lässt. Das Rechts­mit­tel hat­te weit­ge­hend Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Der Klä­ger kann die Be­klag­te auf Rück­ab­wick­lung des von den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags in An­spruch neh­men. Das strei­ti­ge Kraft­fahr­zeug ist man­gel­haft. Des­halb war der Klä­ger ge­mäߧ 437 Nr. 2 BGB be­fugt, un­ter dem 14.01.2008 vom Ver­trag Ab­stand zu neh­men. In der Fol­ge hat die Be­klag­te die ihr zu­ge­flos­se­nen Leis­tun­gen zu er­stat­ten, wäh­rend der Klä­ger im Ge­gen­zug ge­hal­ten ist, das Au­to zu­rück­zu­ge­ben und die von ihm ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen zu ver­gü­ten (§§ 346 I, II Nr. 1, 348 BGB).

Nach den Fest­stel­lun­gen des vom Se­nat be­frag­ten Sach­ver­stän­di­gen B ge­rät der Wa­gen in be­stimm­ten Dreh­zahl­be­rei­chen (im vier­ten Gang bei 2.300–2.500 U/min und im drit­ten Gang bei knapp un­ter 2.000 U/min) in ei­ne Vi­bra­ti­on, die sich nicht mit dem ein­ge­bau­ten Ruß­par­ti­kel­fil­ter er­klä­ren lässt und des­halb nicht als sys­tem­be­dingt und da­mit als ei­ne ty­pen­ge­rech­te Be­schaf­fen­heit (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB) ein­ge­stuft wer­den kann (vgl. da­zu BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VI­II ZR 160/08, NJW 2009, 2056). Viel­mehr han­delt es sich um ei­ne Schwin­gungs­dis­kor­danz von Mo­tor, An­triebs­strang und Ka­ros­se­rie, die in Ab­wei­chung von der Se­rie im kon­kre­ten Fall nicht rich­tig auf­ein­an­der ab­ge­stimmt sind. Das Phä­no­men ist für den Au­ßen­ste­hen­den nicht be­son­ders auf­fäl­lig, wirkt sich aber für den re­gel­mä­ßi­gen Nut­zer stö­rend aus, der es – weil es ihm be­kannt ist – von vorn­her­ein kri­tisch er­war­tet und da­zu neigt, es wie­der­keh­rend zu pro­vo­zie­ren. Dar­in liegt mehr als ein blo­ßer Ba­ga­tell­feh­ler, der zu un­er­heb­lich wä­re, um ein Rück­tritts­recht zu tra­gen (§ 323 V 2 BGB); es han­delt sich um ei­ne nach­hal­tig stö­ren­de Er­schei­nung, mit der sich ein Au­to­käu­fer nicht ab­zu­fin­den braucht. Um die­se Wür­di­gung vor­neh­men zu kön­nen, be­darf es kei­ner wei­te­ren Be­fra­gung des Sach­ver­stän­di­gen. Von da­her ist der neu­er­li­che An­trag der Be­klag­ten auf des­sen er­gän­zen­de An­hö­rung – un­ab­hän­gig von sei­ner Ver­fris­tung (§ 411 IV ZPO) – oh­ne Ge­wicht (Zöl­ler/Gre­ger, ZPO, 28. Aufl., § 411 Rn. 5a).

Al­ler­dings hat der Sach­ver­stän­di­ge nicht zu sa­gen ver­mocht, ob die Vi­bra­tio­nen schon im Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs (§ 434 I 1 BGB) merk­lich wa­ren oder sich erst lang­fris­tig her­aus­bil­de­ten und ver­stärk­ten, und die­se Un­si­cher­heit lässt sich auch nicht durch ei­ne zu­sätz­li­che Be­gut­ach­tung aus­räu­men. Das steht je­doch der Män­gel­haf­tung der Be­klag­ten nicht im Weg. Denn es ist we­der be­haup­tet noch sonst er­sicht­lich, dass es ir­gend­wel­che äu­ße­ren Ein­wir­kun­gen gab. In­so­fern geht es um ei­nen von vorn­her­ein im Pkw selbst an­ge­leg­ten Feh­ler. Die Ver­mu­tung des § 476 BGB braucht da­her nicht be­müht zu wer­den; es kann of­fen­blei­ben, ob de­ren Vor­aus­set­zun­gen im hie­si­gen Fall er­füllt sind.

Die Aus­übung des Rück­tritts­rechts ist nicht dar­an ge­schei­tert, dass der Be­klag­ten vor­ab kei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung (§ 323 I BGB) ge­setzt wor­den war. Ei­ne der­ar­ti­ge Frist­set­zung war näm­lich ent­behr­lich, weil es meh­re­re er­geb­nis­lo­se Nach­bes­se­rungs­ver­su­che ge­ge­ben hat­te (§ 440 BGB). Frei­lich hat sich die Be­klag­te nicht selbst um ei­ne Re­pa­ra­tur be­müht, son­dern der Klä­ger hat sich an an­de­re vom Au­to­her­stel­ler au­to­ri­sier­te Be­trie­be ge­wandt. Da­zu war er je­doch nach den Kauf­ver­trags­be­din­gun­gen be­fugt. Die Auf­fas­sung des Land­ge­richts, die Be­klag­te brau­che sich de­ren Miss­er­fol­ge nicht zu­rech­nen zu las­sen, weil sie vom Klä­ger nicht un­ver­züg­lich un­ter­rich­tet wor­den sei, trifft nicht zu. Die in den Kauf­ver­trags­be­din­gun­gen nie­der­ge­leg­te In­for­ma­ti­ons­pflicht ist nicht zeit­lich ter­mi­niert. Von da­her wirk­te sich das Schei­tern der Nach­bes­se­rungs­be­mü­hun­gen un­ge­ach­tet des Um­stands zu­las­ten der Be­klag­ten aus, dass es nicht zu ei­ner ra­schen Be­nach­rich­ti­gung kam und ihr da­durch die Ge­le­gen­heit ver­sagt wur­de, mit ei­ge­nen Leu­ten Ab­hil­fe zu schaf­fen (BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VI­II ZR 166/06, NJW 2007, 504).

Mit ih­rem neu­er­li­chen Vor­brin­gen, der Klä­ger sei in den vom Her­stel­ler au­to­ri­sier­ten Be­trie­ben nicht we­gen des strei­ti­gen Man­gels vor­stel­lig ge­wor­den, ist die Be­klag­te ge­mäß § 531 II ZPO aus­ge­schlos­sen. Es steht im Wi­der­spruch zu ih­rer erst­in­stanz­li­chen Dar­stel­lung und den Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts. Da der Rück­tritt des Klä­gers we­ni­ger als zwei Jah­re nach der Aus­lie­fe­rung des Fahr­zeugs er­klärt wur­de, war sei­ner­zeit die kauf­ver­trag­li­che Ver­jäh­rungs­frist (§ 438 I Nr. 3 BGB) noch nicht ab­ge­lau­fen, so­dass von ei­ner Ver­fris­tung (§ 218 I 1 BGB) kei­ne Re­de sein kann. Des­halb kommt es nicht mehr dar­auf an, in­wie­weit mit den Nach­bes­se­rungs­ver­su­chen ei­ne Ver­jäh­rungs­hem­mung (§ 203 BGB) oder -un­ter­bre­chung (§ 212 I Nr. 1 BGB) ver­bun­den war (vgl. da­zu BGH, Urt. v. 05.10.2005 – VI­II ZR 16/05, NJW 2006, 47).

Rechts­fol­ge des Ver­trags­rück­tritts ist die Ver­pflich­tung zur Rück­ge­währ der je­weils emp­fan­ge­nen Ver­trags­leis­tun­gen. Mit­hin schul­det die Be­klag­te die Rück­zah­lung des vom Klä­ger ge­leis­te­ten Kauf­prei­ses von 35.365,50 € (= 35.043,10 € ab­züg­lich Ra­batt von 4.555,60 € nebst 16 % MwSt.), wäh­rend der Klä­ger den Pkw zur Ver­fü­gung zu stel­len hat. Dar­über hin­aus ist die Nut­zung zu ent­gel­ten. Wie der Sach­ver­stän­di­ge B mit­ge­teilt hat, leg­te das Fahr­zeug bis zum 30.08.2010 ei­ne Stre­cke von 47.023 km zu­rück; für die knapp vier Mo­na­te zwi­schen dem Rück­erhalt des Wa­gens nach der Be­gut­ach­tung bis zum En­de des Be­ur­tei­lungs­zeit­raums (§ 128 II 2 ZPO) sind wei­te­re 4.000 km zu ver­an­schla­gen (§ 287 II ZPO). Das ent­spricht ins­ge­samt ei­nem geld­wer­ten Vor­teil von 9.020,87 €. Da­bei ist für den strei­ti­gen Wa­gen ei­ne vom Kauf­preis ge­deck­te Lauf­leis­tung von 200.000 km an­zu­set­zen (vgl. OLG Ko­blenz, Urt. v. 16.04.2009 – 6 U 574/08, NJW 2009, 3519), so­dass sich je Ki­lo­me­ter ein Be­trag von 0,1768 € er­gibt; wei­ter­ge­hen­de Fahr­ten müs­sen letzt­lich mit den Un­ter­halts­auf­wen­dun­gen fi­nan­ziert wer­den, die sich über die Jah­re sum­mie­ren. Die wech­sel­sei­ti­gen Zah­lungs­an­sprü­che sind ge­mäß der vom Klä­ger und er­gän­zend von der Be­klag­ten er­klär­ten Auf­rech­nung zu ver­rech­nen; da­bei ver­bleibt für den Klä­ger ein Sal­do von 26.344,63 €.

Im In­ter­es­se der Voll­stre­ckung des Klä­gers (§§ 256, 756 I, 765 Nr. 1 ZPO) ist des Wei­te­ren auf des­sen … An­trag hin aus­zu­spre­chen, dass sich die Be­klag­te mit der Rück­nah­me des Pkw in Ver­zug be­fin­det, da sie zur Kauf­preis­rück­ge­währ nicht be­reit ist (§§ 295, 298 BGB).

Ei­nen An­spruch auf Er­satz der ein­ge­klag­ten Kos­ten für den Trans­port (437,93 €) und die Zu­las­sung (75 €) des Wa­gens hat der Klä­ger eben­so we­nig, wie er ei­nen Aus­gleich für die Auf­wen­dun­gen zum Tu­ning (1.009,74 €) ver­lan­gen kann. § 284 BGB (vgl. da­zu grund­sätz­lich Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 70. Aufl., § 284 Rn. 5) trägt nicht, weil er ei­ne Scha­dens­er­satz­pflicht der Be­klag­ten ge­mäß § 280 I BGB vor­aus­setzt und ei­ne sol­che Pflicht man­gels Ver­schul­den auf de­ren Sei­te aus­schei­det; die strei­ti­gen Vi­bra­tio­nen sind aty­pisch und wa­ren pri­mär nicht er­kenn­bar. Auch für ei­ne Er­satz­pflicht der Be­klag­ten nach § 347 II BGB ist kein Raum. Not­wen­di­ge, das heißt zur Er­hal­tung und In­stand­set­zung er­for­der­li­che Ver­wen­dun­gen lie­gen nicht vor, und zu ei­ner Be­rei­che­rung der Be­klag­ten ist es nicht ge­kom­men. Es ist be­strit­ten, dass das Tu­ning zu ir­gend­ei­ner Wert­stei­ge­rung ge­führt hät­te.

Die Be­klag­te muss al­ler­dings weit­hin für die vor­pro­zes­sua­len An­walts­kos­ten des Klä­gers … auf­kom­men. Die Kos­ten … sind durch die In­an­spruch­nah­me an­walt­li­cher Hil­fe im Zu­sam­men­hang mit der Rück­tritts­er­klä­rung vom 14.01.2008 aus­ge­löst wor­den. Sie sind Fol­ge der miss­lun­ge­nen Nach­er­fül­lungs­ver­su­che durch au­to­ri­sier­te Be­trie­be, de­ren Han­deln sich die Be­klag­te [nach den] Kauf­ver­trags­be­din­gun­gen zu­rech­nen las­sen muss, und da­her Ge­gen­stand ei­nes An­spruchs aus §§ 280 I und II, 286 I 1 BGB. Dass es un­mög­lich ge­we­sen wä­re, den vor­han­de­nen Man­gel und da­mit die auf Sei­ten der Be­klag­ten be­ste­hen­de Ge­währ­leis­tungs­pflicht zu er­ken­nen (arg. § 280 I 2 BGB), ist nicht auf­ge­zeigt. Die An­walts­kos­ten sind je­doch nur in­so­weit er­satz­fä­hig, als ein Ge­gen­stands­wert von 26.344,63 € be­trof­fen ist …

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