Arglistiges Verhalten eines Gebrauchtwagenverkäufers setzt voraus, dass er einen Fahrzeugmangel kennt oder zumindest für möglich hält. Fahrlässige Unkenntnis genügt nicht.
OLG Bamberg, Beschluss vom 09.12.2009 – 1 U 136/09
(vorhergehend: LG Aschaffenburg, Urteil vom 03.09.2009 – 1 O 163/09)
Sachverhalt: Mit Kaufvertrag vom 09.02.2009 erwarb der Kläger von der Beklagten einen gebrauchten Pkw zum Preis von 6.750 €. Der Kaufvertrag enthält neben einem Gewährleistungsausschluss unter anderem folgende Passage: „Der Pkw ist unfallfrei, original Km-Stand garantiert“. Das Fahrzeug wurde am 11.02.2009 übergeben. An diesem Tag unterzeichneten der Kläger und der Ehemann der Beklagten nochmals einen Kaufvertrag, der im Wesentlichen dem Vertrag vom 09.02.2009 entsprach.
Mit Schreiben vom 16.02.2009 forderte der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrags mit der Begründung, bei einer TÜV-Untersuchung sei zum Vorschein gekommen, dass die Achslager und die Lager der Querlenker vorne so stark ausgelaufen seien, dass eine TÜV-Abnahme nicht möglich sei. Ferner sei aufgefallen, dass der Turbolader nicht funktioniere. Das Fahrzeug habe lediglich eine Höchstgeschwindigkeit von 130–140 km/h erreicht. Diese Mängel hätten bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorgelegen und seien der Beklagten auch bekannt gewesen. Sie habe sie arglistig verschwiegen.
Zudem seien an verschiedenen Stellen am Fahrzeug Spachtelmasse und eine neue Lackierung aufgetragen worden, was eine Unfallfreiheit nicht möglich erscheinen lasse. Die Beklagte habe dies verschwiegen und die Unfallfreiheit des Kfz zugesichert. Überdies funktioniere die Fernbedienung nur sporadisch, sodass das Fahrzeug sich nur mit dem Zündschlüssel an der Fahrertür öffnen lasse. Die anderen Türen gingen nicht zu, da die Fernbedienung und die Zentralverriegelung nicht funktionierten. Die Funktion der Fernbedienung sei abhängig von den Außentemperaturen. Dies liege wohl an einer defekten Steuereinheit, was der Beklagten bekannt gewesen sein müsse.
Die im Wesentlichen auf Rückgängigmachung des Kaufvertrags gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: I. Das LG Aschaffenburg ist für die Klage örtlich zuständig … Ist der Vertrag beiderseitig erfüllt und klagt der Käufer auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache, so ist Erfüllungsort und damit Gerichtsstand der Ort, wo sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts nach dem Vertrag befindet (vgl. Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 29 Rn. 25 [„Kaufvertrag“]). Da das Fahrzeug sich im hiesigen Bezirk befindet, ist das LG Aschaffenburg auch örtlich zuständig.
II. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 326 BGB.
1. Die Parteien haben die Gewährleistung der Beklagten für Mängel Im Kaufvertrag ausgeschlossen. Eine Haftung käme nur infrage, wenn die Beklagte bei Abschluss des Vertrags vorhandene Mängel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hätte (§ 444 BGB).
Der Kläger konnte jedoch Arglist der Beklagten nicht nachweisen. Arglist setzt voraus, dass der Verkäufer den Mangel kennt oder zumindest für möglich hält. Fahrlässige Unkenntnis genügt dabei nicht. Die Beklagte hat bestritten, von eventuellen Mängeln Kenntnis gehabt zu haben. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass die Beklagte oder ihr Ehemann, der in ihrem Auftrag die Vertragsverhandlungen geführt und den zweiten Kaufvertrag vom 11.02.2009 unterzeichnet hat, eventuell vorhandene Mängel bei Vertragsschluss kannte und diese arglistig verschwiegen hat.
Dass am Kilometerstand manipuliert wurde, ist offensichtlich nur eine Vermutung des Klägers, ebenso, dass das Fahrzeug einen Unfall gehabt haben müsse. Es haben sich hierzu im Rahmen der Beweisaufnahme keinerlei Anhaltspunkte ergeben.
Die Beklagte gab an, sie habe das Fahrzeug als Überbrückungsfahrzeug genutzt. Weitgehend sei es auch von den Familienangehörigen genutzt worden. Es habe alles funktioniert, einen Unfall habe sie nicht erlitten, und der Kilometerstand sei so gewesen, wie es im Kaufvertrag gestanden habe. Von Manipulation sei ihr nichts bekannt. Von irgendwelchen Mängeln habe sie nichts bemerkt. Dies kann nicht ohne Weiteres widerlegt werden, da sie das Fahrzeug erst am 28.10.2008 gekauft und bereits am 09.02.2009 weiterverkauft hat. Sie hatte es demnach nur kurzzeitig in ihrem Besitz.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Aussage des Zeugen … Dieser sicherte ebenfalls zu, am Fahrzeug (bis auf die ab und zu auftretende Funktionsstörung der Fernbedienung) keine Mängel festgestellt, keinen Unfall gehabt und den Pkw bei einem Kilometerstand wie im Kaufvertrag vermerkt verkauft zu haben. Er gab zudem an, dass er bestimmte Lackschäden habe reparieren lassen, weil sich da eine Blase gebildet habe, dies sei jedoch nicht auf einen Unfall zurückzuführen.
Zwar schilderte der Zeuge …, die Fernbedienung habe manchmal nicht funktioniert, dies habe er auch dem Ehemann der Beklagten gesagt. Dies ist allerdings nicht im Kaufvertrag vermerkt. Daher blieb unklar, ob die Beklagte oder ihr Ehemann um diesen behaupteten Mangel tatsächlich gewusst und ihn auch arglistig verschwiegen hat. Es ist durchaus möglich, dass in der kurzen Zeit, in der die Beklagte im Besitz des Pkw war, die entsprechenden Mängel nicht aufgetreten sind. Auch der Zeuge … gab an, ebenso wie der Kläger selbst, dass die Funkfernbedienung manchmal funktioniert habe. Im Übrigen wäre insoweit auch ein Rücktritt ausgeschlossen gem. § 323 V 2 BGB, da eine etwaige Pflichtverletzung unerheblich wäre. Nach den Angaben des Zeugen … soll dies laut Auskunft einer Werkstatt daran gelegen haben, dass der Schlüssel auszutauschen sei. Dieser habe einen Wert von ca. 160 €.
Ebenso wenig kann aus den Angaben des Zeugen …, der Ehemann der Beklagten habe bei Besichtigung gesagt, er höre Turbogeräusche und er werde das überprüfen lassen, gefolgert werden, dass tatsächlich Mängel zu diesem Zeitpunkt vorhanden waren, er diese überprüft, festgestellt und bewusst verschwiegen hat.
Keine Ansprüche kann der Kläger auch aus dem eventuell abgelaufenen TÜV ableiten. Er gab zwar an, der Ehemann der Beklagten habe ihm zugesichert, der TÜV laufe noch, ebenso die ASU, der Zeuge … hat aber gerade nicht bestätigt, dass vom TÜV die Rede gewesen war. Im Übrigen hat der Kläger alle relevanter Unterlagen, aus denen sich die Daten für TÜV und ASU ergeben haben, erhalten.
Gegen die Arglist der Beklagten bzw. ihres Ehemannes spricht zudem der TÜV-Bericht vom 12.02.2009. Dort ist als Untersuchungsergebnis vermerkt, dass nur geringe Mängel festgestellt worden seien. Als Mängel wurden aufgeführt: „Feststellbremse – Pedal – Hebelweg/Feststelleinrichtung: Leerweg/Hebelweg zu groß bei ausreichender Wirkung; Ölverlust: Motoröl feucht“. Dies sind alles Mängel, die der Kläger In diesem Verfahren letztendlich nicht rügt.
2. Eine Garantie hat die Beklagte gemäß Vertrag auch nicht übernommen. Im Vertrag ist aufgeführt, dass der Wagen unfallfrei sein soll und der Originalkilometerstand garantiert werde. Selbst wenn man hierin eine Zusicherung und nicht lediglich eine Beschreibung sieht, ist diese Formulierung lediglich dahin gehend zu verstehen, dass die Beklagte diese entsprechenden Zusicherungen nur für ihre Besitzzeit abgeben wollte, eine weitergehende Haltung für alle Vorbesitzer wollte sie naturgemäß nicht erklären. Wie oben bereits erwähnt, ist jedoch zudem nicht nachgewiesen, dass das Fahrzeug (während der Besitzzeit der Beklagten oder davor) überhaupt einen Unfall gehabt hat und gegebenenfalls am Kilometerstand Veränderungen vorgenommen wurden.
3. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte es nicht. Dieses Beweisangebot ist nicht geeignet, die Arglist der Beklagten oder ihres Ehemanns nachzuweisen, mithin nachzuweisen, welche subjektiven Vorstellungen sie sich bei Vertragsschluss gemacht haben. Der Sachverständige könnte lediglich Angaben zum Zustand des Fahrzeugs machen und seine Einschätzung abgeben. Ob die Beklagte oder ihr Ehemann um eventuelle Mängel gewusst hat, mithin die inneren Vorgänge, könnte ein Sachverständigengutachten nicht belegen. Auch hier wäre zudem wiederum die lediglich kurze Besitzzeit der Beklagten, bei der nicht zwangsläufig alle behaupteten Mängel aufgetreten sein müssten, zu berücksichtigen …
Anmerkung: Mit Beschluss vom 09.12.2009 – 1 U 136/09 – hat das OLG Bamberg darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil einstimmig zurückzuweisen, und unter anderem ausgeführt:
„Die Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 II 1 Nr. 1 ZPO).
Das angefochtene Urteil des LG Aschaffenburg vom 03.09.2009 erweist sich nach Überprüfung durch das Berufungsgericht anhand des Berufungsvorbringens sowohl in den Gründen als auch im Ergebnis als beanstandungsfrei. Der Senat nimmt hierauf Bezug, sieht sich jedoch insbesondere aufgrund der Berufungsangriffe zu folgenden Ausführungen veranlasst:
1. Das Erstgericht begründet seine klageabweisende Entscheidung unter anderem damit, dass die Parteien im streitgegenständlichen Kaufvertrag vom 09.02.2009 die Gewährleistung wirksam ausgeschlossen haben. Dies wird auch von der Berufung nicht angefochten. Zutreffend führt das Erstgericht daher weiter aus, dass ein Rücktrittsrecht des Käufers gleichwohl dann besteht, wenn der Kaufgegenstand zum maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 434 I BGB) Mängel aufweist, die die Verkäuferin entweder arglistig verschwiegen oder für deren Abwesenheit sie eine Garantie übernommen hat (§ 444 BGB). Nach Durchführung einer Beweisaufnahme und aufgrund vorgenommener Beweiswürdigung gelangt es sodann zu dem Ergebnis, dass dem Kläger der Nachweis arglistigen Verschweigens bzw. fehlerhafter Zusicherungen nicht gelungen sei.
2. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe des Klägers erweisen sich im Wesentlichen als unsubstanziiert, jedenfalls aber als unbegründet.
Ein arglistiges Verschweigen der Mangelursache durch den Verkäufer setzt zunächst voraus, dass er den Mangel kennt oder zumindest für möglich hält (BGH, Beschl. v. 08.12.2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835). Hierfür ist auch vorliegend der sich eines Anspruchs berühmende Kläger darlegungs- und beweisbelastet. Gleichwohl trägt die Berufung keine Tatsachen vor, denen sich eine solche Kenntnis oder ein Für-Möglich-Halten der Beklagten entnehmen ließe. Viemehr beschränkt sich der Kläger auf bloße Spekulationen, wonach die Beklagte Mängel, die ‚nicht von heute auf morgen auftreten könnten‘, ‚gekannt haben müsse‘. So schließt er etwa aus den vom Zeugen … bekundeten Äußerungen des Ehemannes der Beklagten über nur von ihm und zu jenem Zeitpunkt des Kaufs im Oktober 2008 wahrgenommene „Geräusche" des funktionierenden Turboladers auf eine Kenntnis der Beklagten von dem behaupteten vollständigen Defekt dieses Fahrzeugteils im Februar 2009. Gleiches gilt für die Fernbedienung im Fahrzeugschlüssel. Der Zeuge … hat hierzu bekundet, dass die Fernbedienung im Oktober 2008 nur ‚ab und zu‘ nicht funktionierte. Ohne einen entsprechenden substanziierten Sachvortrag meint der Kläger hieraus offerbar den Schluss ziehen zu können, dass die Fernbedienung zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs im Februar 2009 defekt gewesen sei, und dies zudem der Beklagten bekannt gewesen sein müsse.
Als gänzlich unsubstanziiert erweist sich der klägerische Vortrag, soweit er seine Behauptung fehlender Unfallfreiheit mit den vorgenommenen Fahrzeuglackierungen begründet. Die trotz der Aussage des Zeugen … und den informatorischen Angaben der Beklagten, mit dem Fahrzeug keinen Unfall erlitten zu haben, aufrechterhaltene Behauptung, die Lackierungen am streitgegenständlichen Pkw könnten allein infolge eines Unfalls vorgenommen worden sein, erweist sich vielmehr als eine bloße Behauptung ‚ins Blaue hinein‘, die einer Beweisaufnahme – unabhängig davon, dass sie, wie das Erstgericht zutreffend ausführt, eine etwaige Kenntnis oder ein Kennenmüssen der Beklagten nicht belegen könnte – von vorneherein nicht zugänglich ist.“