1. Ein arglistiges Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels ist nur gegeben, wenn der Verkäufer den Fehler kennt oder zumindest für möglich hält und er wenigstens damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Kaufvertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfasst damit nicht nur ein Handeln des Veräußerers, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ und „Inkaufnehmens“ reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (im Anschluss an OLG Koblenz, Beschl. v. 24.01.2013 und v. 25.02.2013 – 3 U 846/12 u. a.).
  2. Ein Gebrauchtwagenkäufer handelt nicht deshalb grob fahrlässig i. S. des § 442 I 2 BGB, weil er das Fahrzeug vor Abschluss des Kaufvertrags nicht begutachten lässt, obwohl er weiß, dass es sich um einen „Unfallwagen“ handelt, ihm aber die Schwere des Unfalls nicht bekannt ist.

OLG Koblenz, Beschluss vom 27.02.2015 – 3 U 993/14
(nachfolgend: OLG Koblenz, Beschluss vom 25.03.2015 – 3 U 993/14)

Sachverhalt: Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs mit der Begründung, der Beklagte habe ihm arglistig einen Unfallschaden verschwiegen. Außerdem verlangt er den Ersatz von Aufwendungen für den Austausch eines Turboladers.

Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 06.12.2012 von dem Beklagten einen gebrauchten Pkw (VW Golf Variant 1.9 TDI) zum Preis von 9.650 €. Der Kaufvertrag enthält in der Rubrik „Besondere Vereinbarungen“ den handschriftlichen Zusatz „Von privat, keine Garantie oder Gewährleistung, keine Rückgabe“. Im Rahmen des vorformulierten Textes garantierte der Verkäufer, dass das Fahrzeug in der Zeit, in der es sein Eigentum war, keinen Unfallschaden und in der übrigen Zeit – soweit ihm bekannt – einen „Unfallschaden“ (handschriftlich eingefügt) hatte. Am Ende der Kaufvertragsurkunde hat der Beklagte handschriftlich vermerkt: „Käufer prüft das Fahrzeug auf gravierende Unfallschäden, falls feststellbar sein sollte räume ich Rückgabe ein, ohne Nebenkosten“.

Der Beklagte hatte das Fahrzeug am 30.08.2012 von seinem Streithelfer zum Preis von 6.850 € erworben. In dem entsprechenden Kaufvertrag ist festgehalten, dass das Fahrzeug in der Zeit, in der es im Eigentum des Streithelfers stand, keinen Unfallschaden und in der übrigen Zeit einen „leichten Frontschaden“ erlitten habe.

Im Zusammenhang mit dem Austausch des Turboladers im August 2013, für den der Kläger ein Betrag von 1.802,55 € aufwendete, stellte man in der Werkstatt des Klägers fest, dass zahlreiche Teile im Frontbereich des Fahrzeugs ausgetauscht worden waren. Nachforschungen des Klägers ergaben, dass der Pkw bei einem der Voreigentümer einen schweren Unfall erlitten hatte und sich die für den Unfallschaden angefallenen Reparaturkosten nach einem Gutachten des Kfz-Ingenieurbüros S vom 30.08.2011 auf 12.723,20 € netto beliefen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.09.2013 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Das Landgericht (LG Mainz, Urt. v. 11.07.2014 – 4 O 309/13) hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Parteien hätten einen wirksamen Gewährleistungsausschluss vereinbart, auf den sich der Beklagte berufen könne. Er habe weder eine Beschaffenheitsgarantie in Bezug auf das Fahrzeug abgegeben noch den Kläger bezüglich des Vorliegens eines schweren Unfallschadens getäuscht. Da dem Kläger das Recht eingeräumt worden sei, das Fahrzeug auf gravierende Unfallschäden zu prüfen und es, sollte ein gravierender Unfallschaden festgestellt werden, zurückzugeben, müsse davon ausgegangen werden, dass der Beklagte den Kläger über einen Unfallschaden aufgeklärt habe und beiden Parteien bewusst gewesen sei, dass darüber hinaus noch weitere gravierende Unfallschäden vorliegen könnten. Dafür, dass der Beklagte dem Kläger einen schweren Unfallschaden arglistig verschwiegen habe, gebe es keine Anhaltspunkte.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er meint, das Landgericht habe ein arglistiges Verschweigen eines gravierenden Unfallschadens durch den Beklagten zu Unrecht verneint.

Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 II 1 ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg und auch keine grundsätzliche Bedeutung habe.

Aus den Gründen: II. … 1. Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, verneint.

a) Dem Kläger steht kein gesetzliches Rücktrittsrecht gemäß §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323, 326 BGB zu.

aa) Gewährleistungsansprüche sind allerdings nicht gemäß § 442 I 1 und I 2 BGB wegen Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis des Mangels ausgeschlossen.

Dem Kläger war zwar bei Vertragsschluss bekannt, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein Unfallfahrzeug handelte. Ihm war aber die Schwere des Unfallschadens nicht bekannt, was auch der Beklagte nicht behauptet. Es kann auch keine grob fahrlässige Unkenntnis angenommen werden. Aus dem Umstand, dass dem Kläger anlässlich der Probefahrt mitgeteilt worden ist, dass das Fahrzeug einen Unfallschaden erlitten hat, musste er nicht zwingend auf einen schweren Unfallschaden schließen. Ein grob fahrlässiges Verhalten des Klägers vermag es auch nicht zu begründen, dass er es in Kenntnis eines Unfallschadens unterlassen hat, vor Abschluss des Kaufvertrags eine Begutachtung des Fahrzeugs vornehmen zu lassen.

bb) Ein Anspruch des Klägers scheidet aber aus, weil die Parteien einen Ausschluss der Gewährleistung vereinbart haben. Dieser Ausschluss ist nicht nach § 444 Fall 1 BGB unwirksam, weil der Beklagte den Mangel arglistig verschwiegen hätte.

Eine Arglisthaftung wegen der Täuschung durch Verschweigen offenbarungspflichtiger Mängel gemäß §§ 434 I 1 und I 2, 437 Nr. 2, 444 Fall 1 BGB setzt voraus, dass dem Verkäufer Fehler bekannt waren oder er sie zumindest für möglich hielt und er billigend in Kauf nahm, dass dem Käufer diese Fehler nicht bekannt waren und er bei deren Offenlegung den Kaufvertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfasst damit nicht nur ein Verhalten des Veräußerers, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ und „Inkaufnehmens“ reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (OLG Koblenz, Beschl. v. 04.10.2012 und v. 13.12.2012 – 2 U 1020/11; Beschl. v. 19.01.2009 – 2 U 422/08; Beschl. v. 20.02.2009 – 2 U 848/08; Beschl. v. 13.11.2009 – 2 U 443/09, NJW-RR 2010, 989; Beschl. v. 24.01.2013 und v. 25.02.2013 – 3 U 846/12).

Zur Überzeugung des Senats würdigt das Landgericht den handschriftlichen Zusatz im Kaufvertrag zutreffend, dass der Beklagte den Kläger … über einen Unfallschaden aufgeklärt hat und beide Parteien von der Möglichkeit eines schweren Unfallschadens ausgegangen sind. Der Umstand, dass der Beklagte dem Kläger ein Prüfungsrecht im Hinblick auf das Vorliegen eines gravierenden Unfallschadens und in diesem Falle ein Rückgaberecht eingeräumt hat, spricht dafür, dass beide Parteien diese Möglichkeit in Erwägung gezogen haben, und gleichzeitig dagegen, dass der Kläger tatsächlich positive Kenntnis von der Schwere des Unfallschadens hatte und diesen dem Kläger arglistig verschweigen wollte. Dabei ist auch zu würdigen, dass der Beklagte das Fahrzeug von dem Streithelfer, entgegen dem Vortrag des Klägers, in einem reparierten Zustand erworben hatte, sodass sich ihm ein schwerer Unfall nicht aufdrängen musste.

cc) Soweit der Kläger … mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 02.07.2014 für die Behauptung, der Beklagte habe Kenntnis von einem konkreten, schweren Vorschaden gehabt, Beweis durch Vernehmung des Streithelfers als Zeugen angeboten hat, ist dieser Vortrag nebst Beweiserbieten zu Recht gemäß § 296a ZPO zurückgewiesen worden, da nach Schluss der mündlichen Verhandlung keine Angriffs- oder Verteidigungsmittel mehr vorgebracht werden können. Der Angriff der Berufung, das Landgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, verfängt nicht, da es den Vortrag nebst Beweiserbieten zu Recht wegen Verspätung zurückgewiesen hat.

b) Dem Kläger steht auch kein vertragliches Rücktrittsrecht zu.

Die Parteien haben zwar ein vertragliches Rücktrittsrecht vereinbart. Zutreffend würdigt das Landgericht den Zusatz in dem Kaufvertrag aber dahin gehend, dass sie das (bedingte) Rückgaberecht zeitlich auf eine angemessene Prüfungsfrist begrenzt haben. Auch wenn die Klausel keine ausdrückliche Befristung enthält, in welchem Zeitraum die Prüfung des Fahrzeugs auf gravierende Mängel zu erfolgen hat, ist aus dem Umstand, dass die Parteien einen umfassenden Gewährleistungsausschluss vereinbart haben, zu schließen, dass die Parteien die Frage, ob ein gravierender Unfallschaden vorliegt, zeitnah geklärt haben wollten.

Wenn der Kläger nunmehr aufgrund der Reparatur des Fahrzeugs bei der A-GbR im August 2013 Kenntnis von einem erheblichen Unfallschaden erhalten haben will (vgl. Rechnung vom 12.08.2013), kann er sein vertragliches Rückgaberecht hierauf nicht mehr stützen, da er eine eigenverantwortliche Prüfung des Fahrzeugs auf gravierende Mängel nicht zeitnah nach Abschluss des Kaufvertrages vorgenommen hat. Diese Prüfung hätte er bei verständiger Auslegung des Zusatzes in der Kaufvertragsurkunde spätestens Ende des Jahres 2012 bzw. Anfang des Jahres 2013 vornehmen müssen.

Dabei ist das dem Kläger eingeräumte bedingte Rückgaberecht im Zusammenhang mit dem Gewährleistungsausschluss zu sehen. Wollte man dem Kläger ein zeitlich unbefristetes Rückgaberecht gewähren, würde die gleichermaßen im Vertrag enthaltene Regelung über den Gewährleistungsausschluss leerlaufen. Die Parteien sind erkennbar davon ausgegangen, dass der Kläger von seiner Option, das Fahrzeug auf etwaige gravierende Unfallschäden einer Prüfung zu unterziehen und gegebenenfalls im Falle des Vorliegens eines derartigen Schadens das Rückgaberecht auszuüben, zeitnah Gebrauch macht. Es entsprach nicht den Interessen der Parteien, dass über einen unbestimmten Zeitraum Unklarheit besteht, ob der Kläger trotz Vereinbarung eines Gewährleistungsausschlusses noch die Möglichkeit der Rückabwicklung des Kaufvertrages haben sollte.

Dem Kläger hilft auch sein Vortrag nicht weiter, er habe aufgrund der erheblichen Kosten von einer professionellen Überprüfung des Fahrzeugs abgesehen. Dagegen spricht bereits, dass der schwere Unfallschaden offenbar ohne großen Aufwand anlässlich des Austauschs des Turboladers ohne weitere Kosten festgestellt werden konnte.

2. Das Landgericht hat auch zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten im Zusammenhang mit dem Austausch des Turboladers in Höhe von 1.802,55 € nach §§ 437 Nr. 3, 284 BGB verneint. Aufgrund des Gewährleistungsauschlusses scheidet auch ein Aufwendungsersatzanspruch aus.

3. Der Feststellungsantrag, dass sich der Beklagte in Annahmeverzug befinde, ist mangels Hauptanspruchs ebenfalls unbegründet.

4. Ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten besteht gleichermaßen mangels Bestehens eines Hauptanspruchs nicht. …

Hinweis: Das OLG Koblenz hat die Berufung mit Beschluss vom 25.03.2015 „aus den Gründen des Hinweisbeschlusses“ zurückgewiesen.

PDF erstellen