1. Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on kann auf den Grund ei­nes im Rechts­streit er­ho­be­nen Ge­gen­an­spruchs be­schränkt wer­den.
  2. Bei Rück­ab­wick­lung ei­nes Ver­brauchs­gü­ter­kaufs steht ei­nem An­spruch des Ver­käu­fers auf Nut­zungs­wert­er­satz ge­mäß § 346 I BGB eu­ro­päi­sches Recht (hier: Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie) nicht ent­ge­gen.

BGH, Ur­teil vom 16.09.2009 – VI­II ZR 243/08

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin kauf­te vom Be­klag­ten, ei­nem Kraft­fahr­zeug­händ­ler, mit Ver­trag vom 09.05.2005 ei­nen ge­brauch­ten Pkw BMW 316i mit ei­ner Lauf­leis­tung von 174.500 km für 4.100 €. Die Klä­ge­rin fi­nan­zier­te den Kauf­preis über die C-Bank und er­brach­te an die­se Zah­lun­gen in Hö­he von ins­ge­samt 1.126,15 €. Ein Be­trag von 4.052,54 € ist noch of­fen.

Das Fahr­zeug hat­te ei­nen Un­fall­scha­den (Rah­menscha­den) er­lit­ten und war mit nicht zu­ge­las­se­nen Tei­len (Rei­fen, Fel­gen und Aus­puff) ver­se­hen. Nach­dem die Klä­ge­rin dem Be­klag­ten ver­geb­lich ei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung ge­setzt hat­te, er­klär­te sie den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Sie ist mit dem Fahr­zeug 36.000 km ge­fah­ren.

Die Klä­ge­rin hat die Zah­lung von ins­ge­samt 1.026,15 € nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs, so­wie die Fest­stel­lung be­gehrt, dass der Be­klag­te ver­pflich­tet sei, sie von den An­sprü­chen der C-Bank aus dem zur Fi­nan­zie­rung des Fahr­zeugs auf­ge­nom­me­nen Dar­le­hen frei­zu­stel­len. Das Amts­ge­richt hat den Be­klag­ten im We­ge des Ver­säum­nis­ur­teils an­trags­ge­mäß ver­ur­teilt. Nach Ein­spruch des Be­klag­ten hat das Amts­ge­richt das Ver­säum­nis­ur­teil hin­sicht­lich des Zah­lungs­an­trags ins­ge­samt so­wie hin­sicht­lich des Fest­stel­lungs­an­trags in Hö­he ei­nes Be­trags von 51,08 € auf­recht­er­hal­ten und den Be­klag­ten auf die zwi­schen­zeit­li­che Er­wei­te­rung der Kla­ge zur Zah­lung wei­te­rer 100 € nebst Zin­sen ver­ur­teilt. Im Üb­ri­gen hat es das Ver­säum­nis­ur­teil auf­ge­ho­ben und die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Auf die Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat das Land­ge­richt – un­ter Zu­rück­wei­sung der wei­ter­ge­hen­den Be­ru­fung und der An­schluss­be­ru­fung des Be­klag­ten – das Ur­teil des Amts­ge­richts hin­sicht­lich des Fest­stel­lungs­an­trags teil­wei­se ab­ge­än­dert und das Ver­säum­nis­ur­teil in­so­weit hin­sicht­lich ei­nes Be­tra­ges von 1.129,77 € wie­der­her­ge­stellt. Mit ih­rer Re­vi­si­on ver­folgt die Klä­ge­rin den Fest­stel­lungs­an­trag im rest­li­chen Um­fang – Frei­stel­lung in Hö­he von 2.922,77 € – wei­ter. Das Rechts­mit­tel hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: [6]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung, so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren noch von In­ter­es­se, aus­ge­führt:

[7]    Die Klä­ge­rin sei we­gen der Sach­män­gel des Fahr­zeugs ge­mäß § 323 I BGB zum Rück­tritt be­rech­tigt ge­we­sen. Ihr ste­he des­halb ge­gen den Be­klag­ten aus § 346 BGB ein An­spruch auf Rück­zah­lung der an die fi­nan­zie­ren­de Bank er­brach­ten Zah­lun­gen (1.126,15 €) so­wie auf Frei­stel­lung von den noch be­ste­hen­den Dar­le­hens­ver­bind­lich­kei­ten zu, al­ler­dings ge­min­dert um die Ge­brauchs­vor­tei­le des Fahr­zeugs, die das Amts­ge­richt zu­tref­fend auf 2.922,77 € (0,08 € je Ki­lo­me­ter) be­mes­sen ha­be.

[8]    Die Ent­schei­dung des EuGH vom 17.04.2008 – Rs. C-404/06 – ste­he der An­rech­nung der Nut­zungs­ent­schä­di­gung nicht ent­ge­gen. Nach die­ser Ent­schei­dung wi­der­spre­che § 346 BGB nur in­so­weit der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999, als es um Nach­bes­se­rung und Aus­tausch ei­nes ver­trags­wid­ri­gen Ver­brauchs­gu­tes ge­he; ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung die­ser Ent­schei­dung auf den vor­lie­gen­den Fall der Ver­trags­auf­lö­sung kom­me nicht in Be­tracht.

[9]    II. Die­se Be­ur­tei­lung hält der re­vi­si­ons­recht­li­chen Nach­prü­fung im Rah­men des be­schränk­ten Um­fangs der Re­vi­si­ons­zu­las­sung stand, so­dass die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen ist.

[10]   1. Die Re­vi­si­on ist, so­weit sie sich ge­gen die Hö­he des Nut­zungs­wert­er­sat­zes wen­det, un­statt­haft und da­mit un­zu­läs­sig (§ 543 I ZPO), weil die Re­vi­si­on in­so­weit nicht zu­ge­las­sen ist.

[11]   Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die Re­vi­si­on nur be­schränkt – auf den Grund des vom Be­klag­ten gel­tend ge­mach­ten Ge­gen­an­spruchs auf Nut­zungs­wert­er­satz – zu­ge­las­sen. Das er­gibt sich zwar nicht aus dem Te­nor, wohl aber, was nach der Recht­spre­chung des BGH aus­reicht (BGHZ 153, 358 [360 f.] m. w. Nachw.), aus den Grün­den des Ur­teils. Die Be­grün­dung des Be­ru­fungs­ge­richts für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on zielt dar­auf ab, ob § 346 BGB mit eu­ro­päi­schem Recht ver­ein­bar ist, so­weit die­se Be­stim­mung im Fal­le des Rück­tritts ei­nes Ver­brau­chers vom Ver­brauchs­gü­ter­kauf ei­ne Er­satz­pflicht des Ver­brau­chers für ge­zo­ge­ne Nut­zun­gen vor­sieht. Dies be­trifft le­dig­lich den Grund des Ge­gen­an­spruchs, den der Be­klag­te ge­gen­über dem von der Klä­ge­rin gel­tend ge­mach­ten Frei­stel­lungs­an­spruch er­ho­ben hat. Ei­ne Be­schrän­kung der Re­vi­si­ons­zu­las­sung auf den An­spruchs­grund ist nach der Recht­spre­chung des BGH mög­lich (Se­nat, Urt. v. 30.06.1982 – VI­II ZR 259/81, NJW 1982, 2380 [un­ter II 2c]; BGH, Urt. v. 13.07.2004 – VI ZR 273/03, NJW 2004, 3176 [un­ter II 1]). Dies gilt, wie die Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung zu­tref­fend gel­tend macht, auch für ei­nen Ge­gen­an­spruch. Auch in­so­weit ist der An­spruchs­grund ein selbst­stän­dig an­fecht­ba­rer Teil des Streit­ge­gen­stands, auf den die Re­vi­si­ons­füh­re­rin selbst ih­re Re­vi­si­on hät­te be­schrän­ken kön­nen.

[12]   2. So­weit die Re­vi­si­on zu­läs­sig ist, ist sie un­be­grün­det.

[13]   a) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat ei­nen Frei­stel­lungs­an­spruch der Klä­ge­rin aus § 346 BGB be­jaht. Dies un­ter­liegt nicht der re­vi­si­ons­recht­li­chen Nach­prü­fung, weil die Zu­las­sung der Re­vi­si­on, wie dar­ge­legt, auf den An­spruchs­grund des vom Be­klag­ten gel­tend ge­mach­ten Ge­gen­an­spruchs auf Nut­zungs­er­satz be­schränkt ist. Die vom Be­klag­ten er­ho­be­ne Rü­ge, dass sich ein Frei­stel­lungs­an­spruch der Klä­ge­rin nicht aus § 346 BGB, son­dern al­len­falls aus ei­nem von ihr nicht gel­tend ge­mach­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch er­ge­ben könn­te, hät­te da­her nur im Rah­men ei­ner An­schluss­re­vi­si­on be­rück­sich­tigt wer­den kön­nen, die der Be­klag­te nicht ein­ge­legt hat.

[14]   b) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zu Recht an­ge­nom­men, dass dem Be­klag­ten bei ei­ner Rück­ab­wick­lung des Ver­trags nach § 346 BGB ein Ge­gen­an­spruch auf Wert­er­satz we­gen der Ge­brauchs­vor­tei­le des Fahr­zeugs wäh­rend der Be­sitz­zeit der Klä­ge­rin (36.000 km Lauf­leis­tung) zu­steht.

[15]   aa) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on steht eu­ro­päi­sches Recht ei­nem An­spruch auf Nut­zungs­wert­er­satz im Fal­le der Rück­ab­wick­lung ei­nes Ver­brauchs­gü­ter­kaufs nicht ent­ge­gen. Die Ent­schei­dung des EuGH vom 17.04.2008 (Rs. C-404/06, NJW 2008, 1433 – Quel­le AG/Bun­des­ver­band der Ver­brau­cher­zen­tra­len und Ver­brau­cher­ver­bän­de) be­zieht sich auf das Recht des Ver­brau­chers auf Er­satz­lie­fe­rung, an des­sen Gel­tend­ma­chung die­ser nicht durch ei­ne Ver­pflich­tung zu Nut­zungs­wert­er­satz ge­hin­dert wer­den soll, nicht aber auf ei­ne Rück­ab­wick­lung des Ver­trags, bei der der Käu­fer – an­ders als bei der Nach­er­fül­lung – sei­ner­seits den ge­zahl­ten Kauf­preis nebst Zin­sen zu­rück­er­hält. Zu Recht ver­weist die Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung auf den 15. Er­wä­gungs­grund der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter (AB­lEG Nr. L 171, S. 12; im Fol­gen­den: Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie), der es aus­drück­lich ge­stat­tet, die Be­nut­zung der ver­trags­wid­ri­gen Wa­re im Fal­le der Ver­trags­auf­lö­sung zu be­rück­sich­ti­gen; hier­auf nimmt auch der EuGH in sei­ner Ent­schei­dung Be­zug. Auch in der Li­te­ra­tur wird – so­weit er­sicht­lich – nicht ver­tre­ten, dass die Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie ent­ge­gen ih­rem ein­deu­ti­gen 15. Er­wä­gungs­grund ei­ner Re­ge­lung des na­tio­na­len Rechts ent­ge­gen­steht, die – wie § 346 I BGB – den Käu­fer im Fall des Rück­tritts ver­pflich­tet, ge­zo­ge­ne Nut­zun­gen her­aus­zu­ge­ben oder hier­für Wert­er­satz ge­mäß § 346 II BGB zu leis­ten.

[16]   bb) Ei­ner Vor­la­ge des Rechts­streits an den EuGH zur Vor­ab­ent­schei­dung die­ser Fra­ge ge­mäß Art. 234 III i. V. mit Art. 234 I lit. b EG be­darf es ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on nicht. Die Vor­la­ge­pflicht letzt­in­stanz­li­cher Ge­rich­te der Mit­glied­staa­ten ent­fällt, wenn die ge­mein­schafts­recht­li­che Be­stim­mung be­reits Ge­gen­stand ei­ner Aus­le­gung durch den Ge­richts­hof war, oder wenn die rich­ti­ge An­wen­dung des Ge­mein­schafts­rechts der­art of­fen­kun­dig ist, dass für ei­nen ver­nünf­ti­gen Zwei­fel kein Raum mehr bleibt („ac­te clair“, vgl. nur EuGH, Urt. v. 15.09.2005 – Rs. C-495/03, Slg. 2005, I S. 8151, Rn. 33 – In­ter­mo­dal Trans­ports BV/Staats­se­cre­ta­ris van Fi­nan­ciën; fer­ner BGHZ 174, 273; 178, 243). Letz­te­res ist hier – wie vor­ste­hend un­ter aa) dar­ge­stellt – der Fall.

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