1. Der Ver­käu­fer ei­nes ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeugs han­delt arg­lis­tig, wenn er zu ei­nem Vor­scha­den (Un­fall­scha­den) des Fahr­zeugs und den da­mit ver­bun­de­nen Re­pa­ra­tur­kos­ten An­ga­ben „ins Blaue hin­ein“ macht.
  2. Im Rah­men der Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags hat der arg­lis­tig han­deln­de Ver­käu­fer ge­gen den Käu­fer kei­nen An­spruch auf Er­satz ei­ner Wert­min­de­rung des Fahr­zeugs, so­fern den Käu­fer kein Ver­schul­den an der Wert­min­de­rung des Fahr­zeugs trifft.

LG Düs­sel­dorf, Ur­teil v. 20.07.2009 – 5 O 259/05

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten über den Kauf ei­nes Ge­braucht­wa­gens.

So­wohl der Klä­ger als auch der Be­klag­te han­deln mit Kraft­fahr­zeu­gen, wo­bei der An- und Ver­kauf von ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeu­gen teil­wei­se über Ver­stei­ge­run­gen er­folgt. Ein der­ar­ti­ger Ver­stei­ge­rer ist die Fir­ma V in Neuss. Nach de­ren Ver­stei­ge­rungs­be­din­gun­gen er­folgt die Ver­stei­ge­rung im frem­den Na­men und auf ei­ge­ne Rech­nung.

Der Be­klag­te ließ am 23.01.2003 ei­nen Ford Tran­sit 2.0 TDI (Erst­zu­las­sung: 01.06.2001) mit ei­ner Lauf­leis­tung von 47.600 km bei V ver­stei­gern. Der Ver­stei­ge­rung la­gen die Ver­stei­ge­rungs­be­din­gun­gen der Fir­ma V zu­grun­de. In der Ver­stei­ge­rungs­lis­te heißt es „Vor­scha­den be­kannt 4000“. In ei­nem DE­KRA-Gut­ach­ten vom 08.08.2002 wer­den für das Fahr­zeug ein Ein­kaufs­wert von 9.913,79 € net­to so­wie ein ge­schätz­ter mer­kan­ti­ler Min­der­wert von 500 € an­ge­ge­ben. Der Klä­ger er­stei­ger­te das Fahr­zeug für 9.500 € net­to. Ne­ben die­sem Net­to­kauf­preis zahl­te der Klä­ger die Mehr­wert­steu­er in Hö­he von 1.520 € so­wie das Auk­ti­ons­auf­geld von 190 € und die auf die­sen Be­trag ent­fal­len­de Mehr­wert­steu­er von 30,40 €, ins­ge­samt al­so 11.240,40 €.

Der Klä­ger über­nahm das Fahr­zeug und hielt es zu­nächst in Re­ser­ve. Erst im Herbst 2004 be­warb er es und fand im Ok­to­ber 2004 ei­ne Kauf­in­ter­es­sen­tin, die be­reit war, 12.950 € inkl. MwSt. für das Fahr­zeug zu zah­len. Als der Klä­ger das Fahr­zeug für den Ver­kauf her­rich­ten woll­te, zog er Er­kun­di­gun­gen ein und stell­te fest, dass das Fahr­zeug im Ok­to­ber 2002 we­gen ei­nes Front­scha­dens für 7.651,68 € net­to (= 8.883,09 € brut­to) re­pa­riert wor­den war. Nach ei­ner Re­pa­ra­tur­kos­ten­kal­ku­la­ti­on vom 04.12.2001 soll­ten die Re­pa­ra­tur­kos­ten für den Front­scha­den 6.695,88 € net­to (= 7.737,76 € brut­to) be­tra­gen. Die Kauf­in­ter­es­sen­tin nahm Ab­stand vom Kauf.

Eben­falls im Ok­to­ber 2004 muss­te der Klä­ger, der nur ei­nen Fahr­zeug­schlüs­sel er­hal­ten hat­te, ei­nen zwei­ten Fahr­zeug­schlüs­sel an­schaf­fen, um die Weg­fahr­sper­re des Fahr­zeugs de­ak­ti­vie­ren zu kön­nen. Da­bei ent­stan­den ihm Kos­ten von 103,63 €.

Da der Klä­ger hoff­te, das Fahr­zeug an ei­nen In­ter­es­sen­ten zu ei­nem Preis von 10.500 € net­to ver­äu­ßern zu kön­nen, for­der­te er den Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 08.02.2007 und vom 11.02.2007 auf, ihm den Dif­fe­renz­be­trag von (12.950 € – 10.500 € =) 2.450 € brut­to ab­züg­lich 337,93 € MwSt., al­so 2.112,07 € zu er­stat­ten. Hier­für setz­te er dem Be­klag­ten ei­ne Frist von ei­ner Wo­che. Mit Schrei­ben vom 24.02.2005 for­der­te der Klä­ger den Be­klag­ten auf, das Fahr­zeug zu­rück­zu­neh­men, wenn er den ge­for­der­ten Be­trag von 2.112,07 € nicht zah­len wür­de, und setz­te dem Be­klag­ten ei­ne Frist von ei­ner Wo­che, sich hier­über zu er­klä­ren.

Der Klä­ger hat zu­nächst be­an­tragt, den Be­klag­ten zur Zah­lung von 11.240,40 €, die er ins­ge­samt für die Er­stei­ge­rung des Fahr­zeugs auf­wen­den muss­te, so­wie der 103,63 € für den Schlüs­sel, ins­ge­samt al­so 11.344,03 € Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs zu ver­ur­tei­len. Die Kam­mer hat ge­gen den in der Sit­zung vom 22.02.2006 nicht er­schie­ne­nen Be­klag­ten an­trags­ge­mäß ein Ver­säum­nis­ur­teil er­las­sen, ge­gen das der Be­klag­te frist­ge­recht Ein­spruch ein­ge­legt hat. An­schlie­ßend ei­nig­ten sich der Klä­ger und der Be­klag­te dar­auf, dass der Klä­ger das Fahr­zeug ver­stei­gern las­sen sol­le. Der Klä­ger ließ es dem­entspre­chend am 17.05.2006 zu ei­nem Preis von 6.900 € net­to (= 8.004 € brut­to) ver­stei­gern. Nach Ab­zug der Ver­stei­ge­rungs­kos­ten in Hö­he von 220,40 € er­hielt der Klä­ger ei­nen Be­trag von 7.783,06 € aus­ge­zahlt.

Das Ver­säum­nis­ur­teil vom 22.02.2006 wur­de mit der Maß­ga­be auf­recht­er­hal­ten, dass der Be­klag­te ver­ur­teilt wird, an den Klä­ger 11.344,03 € ab­züg­lich ab dem 26.05.2006 an­zu­rech­nen­der 7.787,60 € zu zah­len.

Aus den Grün­den: I. Dem Klä­ger steht ge­gen den Be­klag­ten gem. §§ 437 Nr. 3 Fall 1, 440, 281 BGB ein An­spruch auf Scha­dens­er­satz in Hö­he von 11.240,40 € ab­züg­lich ab dem 26.05.2006 an­zu­rech­nen­der 7.787,60 € zu …

1. Das Kla­ge­be­geh­ren des Klä­gers ist als Gel­tend­ma­chung von Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung und nicht als Rück­tritt aus­zu­le­gen … In­fol­ge der [mit Ein­ver­ständ­nis des Be­klag­ten durch­ge­führ­ten] Ver­stei­ge­rung des Fahr­zeugs am 17.05.2006 … braucht der Klä­ger das Fahr­zeug nicht mehr zu­rück­zu­ge­ben, muss sich aber den da­bei er­ziel­ten Ver­äu­ße­rungs­er­lös auf sei­nen An­spruch an­rech­nen las­sen.

Der vom Klä­ger gel­tend ge­mach­te An­spruch kann nicht als Rück­tritt ge­mäß §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323, 346 BGB aus­ge­legt wer­den. Ge­mäß § 346 BGB ha­ben die Par­tei­en sich im Fal­le des Rück­tritts die emp­fan­ge­nen Leis­tun­gen zu­rück­zu­ge­wäh­ren. Der Be­klag­te hat vom Klä­ger aber nicht die 190 € Auk­ti­ons­auf­geld und die dar­auf ent­fal­len­den 30,40 € Mehr­wert­steu­er emp­fan­gen, die ne­ben dem Net­to­preis von 9.500 € für die Ver­stei­ge­rung die Kla­ge­for­de­rung aus­ma­chen. Das Auk­ti­ons­auf­geld samt Mehr­wert­steu­er hat der Klä­ger an die Fir­ma V ge­zahlt.

2. Der Be­klag­te ist auch pas­siv­le­gi­ti­miert. Er ist durch die über die Fir­ma V er­folg­te Ver­stei­ge­rung Ver­trags­part­ner des Klä­gers ge­wor­den …

3. Die Tat­sa­che, dass das Fahr­zeug ei­nen Front­scha­den hat­te, stellt ei­nen nicht nur un­er­heb­li­chen Sach­man­gel i. S. von § 434 BGB dar.

4. Der Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klä­gers ge­gen den Be­klag­ten ist auch nicht ge­mäß § 442 I 1 BGB oder § 377 II HGB aus­ge­schlos­sen. Da der Be­klag­te arg­lis­tig ge­han­delt hat, grei­fen ge­mäß § 442 I 2 BGB bzw. § 377 V HGB die Haf­tungs­aus­schlüs­se zu­guns­ten des Be­klag­ten nicht ein.

Die Arg­list des Be­klag­ten er­gibt sich dar­aus, dass er ins Blaue hin­ein An­ga­ben zum Un­fall­scha­den ge­macht hat. Der Klä­ger hat durch die von ihm vor­ge­leg­te Rech­nung … vom 17.10.2002 sub­stan­zi­iert dar­ge­legt, dass das Fahr­zeug ei­nen Front­scha­den in Hö­he von 7.651,68 € net­to und nicht nur 4.000 €, wie vom Be­klag­ten an­ge­ge­ben, er­lit­ten hat. Dass der Un­fall­scha­den nicht die­se Hö­he hat­te, hat der Be­klag­te nicht sub­stan­zi­iert be­strit­ten. Er hat nicht dar­ge­legt, war­um sei­ner Mei­nung nach nur ein Un­fall­scha­den von 4.000 € auf­ge­tre­ten sein soll. Sei­ne dies­be­züg­li­chen Aus­füh­run­gen, er ha­be den Un­fall­scha­den nach In­au­gen­schein­nah­me und un­ter Zu­hil­fe­nah­me des DE­KRA-Gut­ach­tens auf 4.000 € ge­schätzt, ist nicht hin­rei­chend sub­stan­zi­iert. Der Be­klag­te hat nicht nä­her dar­ge­legt, auf wel­cher Grund­la­ge er zu sei­ner Ein­schät­zung kam, ins­be­son­de­re was er ge­nau für Un­ter­su­chungs­maß­nah­men vor­ge­nom­men hat … Auch das DE­KRA-Gut­ach­ten ist un­er­heb­lich. Da es ei­nen – un­strei­tig vor­lie­gen­den – Un­fall­scha­den nicht er­wähnt, konn­te der Be­klag­te es nicht als Grund­la­ge sei­ner Scha­dens­schät­zung ver­wen­den, da es nur ei­nen mer­kan­ti­len Min­der­wert von 500 € an­gibt. Dass der Be­klag­te in gu­tem Glau­ben an die Rich­tig­keit sei­ner An­ga­ben war, schließt sei­ne Arg­list nicht aus (vgl. BGH, NJW 1980, 2460 [2461]). Ein arg­lis­ti­ges Han­deln des Be­klag­ten er­gibt sich auch dann, wenn man die von ihm vor­ge­leg­te Re­pa­ra­tur­kal­ku­la­ti­on … zu­grun­de legt. Sei­ne An­ga­be von 4.000 € weicht auch von den dar­in an­ge­ge­be­nen Kos­ten in Hö­he von 6.695,88 € in er­heb­li­cher Wei­se ab.

5. Ob ei­ne Wert­min­de­rung, wie vom Be­klag­ten be­haup­tet, ein­ge­tre­ten ist, kann of­fen­blei­ben. Der Klä­ger muss sich von sei­nem An­spruch nicht ei­ne mög­li­cher­wei­se ein­ge­tre­te­ne Wert­min­de­rung ab­zie­hen las­sen. Bei arg­lis­ti­gem Han­deln des Rück­tritts­geg­ners muss der Rück­tritts­be­rech­tig­te im In­ter­es­se der Bil­lig­keit kei­nen Wert­er­satz für Wert­min­de­run­gen leis­ten, wenn ihn kein Ver­schul­den an der Wert­min­de­rung trifft (vgl. BGHZ 53, 144 ff.). Dies muss auch für den hier vor­lie­gen­den gro­ßen Scha­dens­er­satz­an­spruch gel­ten, da die­ser hin­sicht­lich der Kauf­sa­che wie ein Rück­tritt wirkt und den Klä­ger kein Ver­schul­den an ei­ner Wert­min­de­rung tref­fen wür­de.

6. Je­doch hat der Klä­ger für die von ihm ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter Nut­zungs­er­satz in Hö­he von 126,73 € zu zah­len …

II. Da­ge­gen hat der Klä­ger ge­gen den Be­klag­ten kei­nen An­spruch auf Er­satz der Kos­ten für die An­fer­ti­gung des Zweit­schlüs­sels in Hö­he von 103,63 € net­to ge­mäß §§ 437 Nr. 3 Fall 1, 440, 281 BGB. Die arg­lis­ti­ge Täu­schung des Be­klag­ten war in­so­weit nicht ur­säch­lich. Der Klä­ger hät­te den Schlüs­sel in je­dem Fall nach­ma­chen las­sen müs­sen, so­bald er die Weg­fahr­sper­re nach de­ren Ak­ti­vie­rung wie­der hät­te ent­sper­ren wol­len …

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