Muss zur Be­he­bung des Man­gels an ei­nem Ge­braucht­wa­gen ein neu­es Er­satz­teil ein­ge­baut wer­den, weil ein ge­brauch­tes Er­satz­teil nicht zur Ver­fü­gung steht, so dür­fen dem Käu­fer da­durch kei­ne Kos­ten ent­ste­hen. Der Käu­fer muss sich des­halb nicht durch Be­rück­sich­ti­gung ei­nes Ab­zugs „neu für alt“ an den Kos­ten der Nach­bes­se­rung be­tei­li­gen.

LG Müns­ter, Ur­teil vom 13.05.2009 – 01 S 29/09

Sach­ver­halt: Am 14.09.2007 kauf­te der Klä­ger bei der Be­klag­ten ei­nen ge­brauch­ten Pkw mit ei­ner Lauf­leis­tung von 123.000 km zum Preis von 25.990 €.

Nach­dem am 31.10.2007 bei ei­ner Lauf­leis­tung von 133.968 km ein Ge­trie­be­scha­den ein­ge­tre­ten war, er­klär­te sich die Be­klag­te dem Klä­ger ge­gen­über mit Schrei­ben vom 05.11.2007 mit ei­ner Nach­bes­se­rung durch Ein­bau ei­nes neu­en Ge­trie­bes bei der Fir­ma X ein­ver­stan­den. Da ein ad­äqua­tes ge­brauch­tes Ge­trie­be in der ge­bo­te­nen Kür­ze der Zeit nicht lie­fer­bar sei, wer­de sie die not­wen­di­gen Kos­ten für den Ge­trie­be­aus­tausch über­neh­men, „ab­züg­lich der un­ter dem Ge­sichts­punkt ‚neu für alt‘ an­ge­mes­se­nen Ab­zü­ge“. Denn „selbst­ver­ständ­lich“ sei ei­ne der­ar­ti­ge Vor­teils­aus­glei­chung vor­zu­neh­men beim Ein­bau ei­nes neu­en Er­satz­teils in ein äl­te­res Fahr­zeug. Der Ei­gen­an­teil des Klä­gers be­lau­fe sich auf 40 % der Kos­ten für das Ge­trie­be und des­sen Ein­bau.

Mit Schrei­ben vom 06.11.2007 for­der­te der Klä­ger die Be­klag­te auf, für ei­ne um­ge­hen­de Nach­bes­se­rung zu sor­gen; über die Be­rech­ti­gung der Ab­zü­ge „neu für alt“ mö­ge spä­ter ent­schie­den wer­den. Mit Schrei­ben vom glei­chen Tag kün­dig­te die Be­klag­te dem Klä­ger an, dass die mit der Re­pa­ra­tur be­auf­trag­te Fir­ma X ihm „die un­ter dem Ge­sichts­punkt ‚neu für alt‘ an­ge­mes­se­ne Ei­gen­be­tei­li­gung“ in Rech­nung stel­len wer­de.

Die Fir­ma X be­rech­ne­te dem Klä­ger un­ter dem 08.11.2007 ei­nen Be­trag von 2.256,97 € (brut­to). Der Klä­ger glich die­sen Be­trag aus, um in den Be­sitz sei­nes Fahr­zeu­ges zu ge­lan­gen. Die Be­klag­te er­stat­te­te ihm hier­auf ei­nen Teil­be­trag von 97,84 €.

Der Klä­ger be­an­sprucht die Er­stat­tung des rest­li­chen Be­tra­ges und hat die An­sicht ver­tre­ten, ein Ab­zug „neu für alt“ sei nicht vor­zu­neh­men, da es sich um ei­nen Fall der Nach­bes­se­rung han­de­le, und die­se im Ge­gen­satz zum Scha­dens­recht die An­rech­nung ei­nes Wert­zu­wach­ses nicht ken­ne. Das Amts­ge­richt hat die Be­klag­te – sach­ver­stän­dig be­ra­ten – ver­ur­teilt, an den Klä­ger 1.059,13 € nebst Zin­sen zu zah­len, und die Kla­ge im Üb­ri­gen ab­ge­wie­sen. Es hat ei­nen Ab­zug „neu für alt“ grund­sätz­lich für be­rech­tigt ge­hal­ten, die­sen ent­spre­chend der Stel­lung­nah­me des be­auf­trag­ten Sach­ver­stän­di­gen mit 1.100 € brut­to be­mes­sen und die­sen Be­trag von der Kla­ge­for­de­rung ab­ge­zo­gen. Mit der Be­ru­fung ver­folgt der Klä­ger sei­nen An­spruch, so­weit die Kla­ge ab­ge­wie­sen wor­den ist, wei­ter. Das Rechts­mit­tel hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ger hat ei­nen An­spruch ge­gen die Be­klag­te auf Zah­lung von 2.159,13 € aus un­ge­recht­fer­tig­ter Be­rei­che­rung ge­mäß § 812 I 1 Fall 1 BGB, da die Be­klag­te ihm zur Nach­er­fül­lung ver­pflich­tet war und die Be­zah­lung der Nach­er­fül­lungs­re­pa­ra­tur in Hö­he die­ses Be­tra­ges un­be­rech­tigt auf ihn ab­ge­wälzt hat. Durch die Leis­tung des Klä­gers an die Fir­ma X hat die Be­klag­te oh­ne Rechts­grund die Be­frei­ung von ih­rer dies­be­züg­li­chen Ver­bind­lich­keit ge­gen­über der Fir­ma X er­langt.

Die Be­klag­te durf­te nicht ei­nen Teil der Nach­er­fül­lungs­kos­ten als Ab­zug „neu für alt“ ab­leh­nen mit der Be­grün­dung, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug durch den Ein­bau ei­nes neu­en Ge­trie­bes im Rah­men der Nach­bes­se­rung ei­ne Wert­ver­bes­se­rung er­fah­ren ha­be, die der Klä­ger aus­glei­chen müs­se. Ein der­ar­ti­ger Ab­zug ist im Be­reich der Nach­er­fül­lung ge­setz­lich nicht vor­ge­se­hen, und die Kam­mer hält ihn auch im vor­lie­gen­den Fall nicht für ge­bo­ten.

Zu­nächst han­delt es sich ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten bei dem Ge­währ­leis­tungs­recht, das der Klä­ger aus­ge­übt hat, nicht um ei­nen „klei­nen Scha­dens­er­satz“, son­dern um ei­ne Nach­bes­se­rung i. S. von § 439 I BGB … In ih­rem Schrei­ben vom 05.11.2007 er­klärt die Be­klag­te selbst aus­drück­lich, mit ei­ner „Nach­bes­se­rung“ ein­ver­stan­den zu sein und von dem Klä­ger nach er­folg­ter „Nach­bes­se­rung“ die Über­sen­dung der Rech­nung zu er­war­ten. Hier­bei han­delt es sich auch nicht et­wa um ei­ne lai­en­haf­te Be­wer­tung der Be­klag­ten selbst, so­dass von ei­ner feh­ler­haf­ten Be­nut­zung ju­ris­tisch an­der­wei­tig be­setz­ter Be­grif­fe aus­ge­gan­gen wer­den könn­te, son­dern um schrift­li­che Aus­füh­run­gen ih­rer Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten, die nun­mehr in Ab­re­de stel­len, dass ei­ne Nach­bes­se­rung statt­ge­fun­den ha­be. Die An­sicht, der Klä­ger ha­be den so­ge­nann­ten „klei­nen Scha­dens­er­satz“ und ge­ra­de kei­ne Nach­bes­se­rung ver­langt, ist aber auch un­ab­hän­gig von der be­klag­ten­seits ge­wähl­ten For­mu­lie­rung nicht nach­zu­voll­zie­hen. Ins­be­son­de­re än­dert der Um­stand, dass sich die Be­klag­te au­ßer­stan­de sah, die Ar­bei­ten zur Nach­bes­se­rung selbst vor­zu­neh­men, de­ren Cha­rak­ter nicht. Da­durch, dass ei­ne Dritt­fir­ma den Wa­gen re­pa­riert hat, wird aus dem Nach­bes­se­rungs­an­spruch des Klä­gers kein Scha­dens­er­satz­an­spruch.

Es ist dem­nach bei der Fra­ge, ob ein Ab­zug „neu für alt“ vor­zu­neh­men ist, nicht auf die An­ge­mes­sen­heit ei­nes sol­chen Ab­zugs im Scha­dens­er­satz­recht ab­zu­stel­len, son­dern auf die Fra­ge, ob im Rah­men ei­ner Nach­bes­se­rung ge­mäß § 439 I BGB ein sol­cher Ab­zug vor­zu­neh­men ist.

Ei­ne Kos­ten­be­tei­li­gung des Klä­gers durch Be­rück­sich­ti­gung ei­nes Ab­zugs „neu für alt“ ver­bie­tet nach Über­zeu­gung der Kam­mer der Grund­satz, dass die Nach­er­fül­lung im Rah­men der Ge­währ­leis­tung kos­ten­los zu er­fol­gen hat (so auch Be­ckOK-BGB/Faust, Stand: 01.02.2007, § 439 Rn. 23). Hier­für spricht ins­be­son­de­re, dass bei An­er­ken­nung ei­nes Ab­zugs „neu für alt“ dem Käu­fer ei­ne Wert­ver­bes­se­rung mit Aus­gleichs­pflicht ge­ra­de­zu auf­ge­drängt wür­de (vgl. MünchKomm-BGB/Wes­ter­mann, 4. Aufl. [2004], § 439 Rn. 16), was für ihn im Er­geb­nis ei­ner Er­hö­hung des Kauf­prei­ses gleich­kä­me (Stau­din­ger/Ma­tu­sche-Beck­mann, BGB, § 439 Rn. 23). Die­se könn­te da­zu füh­ren, dass es ei­nem Käu­fer aus fi­nan­zi­el­len Grün­den un­mög­lich wird, ei­ne Nach­bes­se­rung durch­füh­ren zu las­sen, so­dass er trotz noch be­ste­hen­der Ge­währ­leis­tungs­rech­te nicht in der La­ge wä­re, die Kauf­sa­che zu nut­zen (vgl. Tiedt­ke/Schmitt, DStR 2004, 2060 [2061]).

Ei­ne Kos­ten­be­tei­li­gung des Käu­fers an den Kos­ten ei­ner Nach­bes­se­rung hat auch der EuGH jüngst in sei­nem so­ge­nann­ten „Quel­le-Ur­teil“ (Urt. v. 17.04.2008, NJW 2008, 1433 [1434]) ab­ge­lehnt. Er stellt fest, dass die ge­woll­te „Ga­ran­tie der Un­ent­gelt­lich­keit“ der Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stan­des des Ver­brauchs­guts be­deu­te, dass je­de fi­nan­zi­el­le For­de­rung des Ver­käu­fers im Rah­men der Her­stel­lung des ver­trags­mä­ßi­gen Zu­stan­des des Ver­brauchs­guts aus­ge­schlos­sen sei.

So­weit von ein­zel­nen Stim­men der Li­te­ra­tur (Rein­king, DAR 2002, 18 [19]) ei­ne Pflicht des Käu­fers zur Kos­ten­be­tei­li­gung in den Fäl­len be­jaht wird, in de­nen er Kos­ten ein­spart, die er an­dern­falls si­cher hät­te auf­wen­den müs­sen, wie et­wa Kos­ten ei­nes War­tungs­diens­tes oder Kos­ten für Be­triebs­mit­tel und die Er­neue­rung von Ver­schleiß­tei­len, kann die­se Fra­ge da­hin­ste­hen, da es sich vor­lie­gend nicht um ei­ne der­ar­ti­ge Kon­stel­la­ti­on han­delt. Zwar ist da­von aus­zu­ge­hen, dass ein neu­es Ge­trie­be noch ei­ne wei­te­re Stre­cke bzw. ei­nen län­ge­ren Zeit­raum un­be­scha­det über­ste­hen dürf­te als das von dem Klä­ger ur­sprüng­lich mit ei­ner Ki­lo­me­ter­leis­tung von im­mer­hin gut 133.000 km ge­braucht ge­kauf­te Ge­trie­be. Of­fen ist je­doch, ob der Klä­ger die Kos­ten für den Aus­tausch des mit dem Fahr­zeug er­wor­be­nen ge­brauch­ten Ge­trie­bes in der Zu­kunft „so­wie­so“ hät­te auf­wen­den müs­sen. Denn es ist nicht ab­seh­bar, ob der Klä­ger das Fahr­zeug, wä­re der streit­ge­gen­ständ­li­che Man­gel nicht auf­ge­tre­ten, so lan­ge ge­nutzt hät­te, dass ir­gend­wann das Ge­trie­be aus­ge­fal­len wä­re und hät­te aus­ge­tauscht wer­den müs­sen, und ob der Klä­ger dann die­se Kos­ten auf sich ge­nom­men und das Fahr­zeug wei­ter­hin be­nutzt hät­te. Auch dass das ge­brauch­te Ge­trie­be frü­her aus­ge­fal­len wä­re als das nun­mehr ein­ge­bau­te neue Ge­trie­be, mag mög­lich sein, je­doch nicht der­art wahr­schein­lich, dass es sich bei dem Aus­tausch um „So­wie­so-Kos­ten“ des Klä­gers ge­han­delt hät­te (vgl. zu dem ver­gleich­ba­ren Fall ei­nes aus­ge­tausch­ten Tur­bo­la­ders OLG Hamm, Urt. v. 23.02.2006 – 28 U 164/05).

Das Ar­gu­ment, dass ein Nach­bes­se­rungs­an­spruch nicht wei­ter rei­chen dür­fe als ein Scha­dens­er­satz­an­spruch, in den ers­te­rer nach Frist­ab­lauf um­schla­gen kön­ne (vgl. Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 9. Auf­la­ge, Rn. 346; wohl be­reits über­holt durch Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 10. Aufl., Rn. 403), ent­kräf­tet die ge­gen ei­nen Wert­aus­gleich spre­chen­den Ge­sichts­punk­te eben­falls nicht. Zu­dem ha­ben die ver­schie­de­nen dem Käu­fer zu­ste­hen­den Ge­währ­leis­tungs­rech­te sämt­lich ei­nen un­ter­schied­li­chen In­halt und ei­ne un­ter­schied­li­che Ziel­rich­tung, so­dass die An­sicht, ein Ge­währ­leis­tungs­recht dür­fe für den Käu­fer nicht güns­ti­ger sein als das an­de­re, die Kam­mer nicht über­zeugt.

Glei­ches gilt für die Be­fürch­tung, dass ein un­ter­blei­ben­der Aus­gleich „neu für alt“ den Ver­käu­fer zu ei­ner Nach­bes­se­rung mit ge­brauch­ten Er­satz­tei­len ani­mie­ren könn­te. Der Ein­bau ge­brauch­ter Er­satz­tei­le in ein ge­braucht er­wor­be­nes Fahr­zeug ist – wie der vor­lie­gen­de Fall zeigt – durch­aus üb­lich, wenn sol­che Tei­le greif­bar sind. Denn die Be­klag­te trägt vor, zu­nächst ver­sucht zu ha­ben, ein ge­brauch­tes pas­sen­des Ge­trie­be zu er­hal­ten. Die­se Vor­ge­hens­wei­se ist, so­weit das ge­brauch­te Er­satz­teil funk­ti­ons­fä­hig ist und kei­ne Ver­schlech­te­rung ge­gen­über dem Zu­stand der Kauf­sa­che bei Kauf­ver­trags­schluss dar­stellt, auch nicht zu be­an­stan­den.

Dass der Klä­ger der­art auf Ei­le bei der Re­pa­ra­tur be­stan­den hät­te, dass der Be­klag­ten des­we­gen nur ei­ne un­ge­wöhn­lich kur­ze Zeit zur Man­gel­be­sei­ti­gung zur Ver­fü­gung ge­stan­den hät­te und al­lein hier­an ein Ein­bau ei­nes ge­brauch­ten Ge­trie­bes ge­schei­tert wä­re, ist nicht er­sicht­lich und von der Be­klag­ten nicht sub­stan­zi­iert dar­ge­legt. Ob ein Käu­fer dann an den Kos­ten der Nach­bes­se­rung be­tei­ligt wer­den kann, wenn er durch Auf­bau be­son­ders gro­ßen Zeit­drucks die Nach­er­fül­lung er­schwert und ver­teu­ert, kann da­her da­hin­ste­hen. Al­lein der Um­stand, dass der Klä­ger im vor­lie­gen­den Fall aus be­ruf­li­chen Grün­den sein Fahr­zeug schnell wie­der be­nö­tig­te, reicht hier­für nicht aus. Zu­dem trägt die Be­klag­te selbst vor, sich noch am 05.11.2007 – al­so sechs Ta­ge nach Ein­tritt des Ge­trie­be­scha­dens – um ein ge­brauch­tes Ge­trie­be be­müht zu ha­ben …

Die Kam­mer hat auf An­trag bei­der Par­tei­en die Re­vi­si­on ge­mäß § 543 II ZPO zu­ge­las­sen, da zu der Fra­ge ei­nes Ab­zugs „neu für alt“ im Fall der Nach­bes­se­rung höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung nach hie­si­gem Er­kennt­nis­stand nicht exis­tiert, die Fra­ge aber gleich­zei­tig in ei­ner Viel­zahl von Fäl­len ent­schei­dungs­er­heb­lich sein dürf­te …

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