Ein Sachmangel, der zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, kann bei einem Neuwagen gegeben sein, wenn eine nicht fernliegenden Fehlbedienung mangels technischer und/oder mechanischer Schutzmechanismen zu nicht unerheblichen Startproblemen führt, während eine technische Kompensation etwaiger Bedienfehler bei vergleichbaren Fahrzeugen dem Standard entspricht und der Käufer sie daher erwarten darf.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.12.2008 – 1 U 85/08

Sachverhalt: Die Klägerin begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Neufahrzeug.

Die Klägerin kaufte im Frühjahr 2006 gemeinsam mit ihrem Ehemann, der ihr sämtliche Rechte abgetreten hat, von dem Beklagten, der einen Kraftfahrzeughandel betreibt, einen Neuwagen. Dieser wird nicht mittels eines herkömmlichen Zündschlüssels gestartet, sondern durch Einschieben eines bartlosen Schlüssels sowie Drücken einer START/STOP-Taste.

Die Klägerin reklamierte wiederholt erfolglos beim Beklagten Störungen des Startvorgangs: Es komme in der Anlassphase regelmäßig zu einem nicht ordnungsgemäßen, sehr starken Schütteln und Rütteln; der Startvorgang müsse dann abgebrochen werden. Nachdem der Beklagte weitere Nachbesserungen abgelehnt hatte, verlangte die Klägerin erfolglos die Rückabwicklung des Kaufvertrags.

Außerdem macht die Klägerin weitere 250,50 € mit der Begründung geltend, der streitgegenständliche Pkw habe „überraschend“ nach einem Reifenschaden zur Reparatur in eine Werkstatt gebracht werden müssen, wobei sich herausgestellt habe, dass seit der Auslieferung werkseitig eine Spur falsch eingestellt gewesen sei. Zur Vermeidung weiterer Schäden sei eine sofortige Spurkorrektur notwendig gewesen.

In erster Instanz begehrte die Klägerin zuletzt im Wesentlichen die Rückzahlung des Kaufpreises sowie den Ersatz der für die Reparatur der Spur verauslagten Kosten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte weitgehend Erfolg.

Aus den Gründen: II. … B. Die Klägerin kann aus eigenem sowie abgetretenem Recht ihres Ehemanns gemäß §§ 433 I 2, 434 I 2 Nr. 2, 437 Nr. 2, 440, 323, 346 ff. BGB infolge wirksamer Rücktrittserklärung von dem Beklagten die Rückabwicklung des Neuwagenkaufvertrags vom 01.03.2006 verlangen.

1. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin vermochte den Nachweis für das Vorliegen eines Sachmangels zu erbringen.

Nach § 434 I 2 BGB ist eine verkaufte Sache, bezüglich der – wie hier – eine Beschaffenheit nicht vereinbart ist, frei von Sachmängeln, wenn sie sich (gemäß Nr. 1) für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst (nach Nr. 2) wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Jedenfalls die zuletzt genannte Voraussetzung ist bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht erfüllt.

a) Nach dem vorgenannten Maßstab scheidet hier allerdings die Annahme eines Sachmangels insoweit aus, als die Klägerin eine fehlerhafte Spureinstellung beim streitgegenständlichen Fahrzeug geltend gemacht hat. Denn hinsichtlich dieses vom Beklagten bestrittenen Vorbringens hatte die Klägerin – wie vom Landgericht völlig zu Recht entschieden – in erster Instanz weder hinreichend vorgetragen noch tauglichen Beweis angeboten. Das greift die Berufung auch nicht näher an, sondern beharrt lediglich ohne weiteres tatsächliches Vorbringen auf ihrer hiervon abweichenden rechtlichen Bewertung. Ersichtlich vermochte jedoch die diesbezüglich vorgelegte Rechnung vom 05.12.2007 (bei einer Gesamtfahrleistung von 30.121 km) einen für den Zeitpunkt der mehr als sechs Monate zuvor erfolgten Übergabe des Fahrzeugs vorliegenden Mangel der Spur des Fahrzeugs nicht zu belegen. Dies gilt schon deshalb, weil unbestritten sowie auch allgemein bekannt die Verstellung einer Spur jederzeit etwa auch schon durch ein (qualifiziertes) Durchfahren eines Schlaglochs oder ein Überfahren eines Bordsteins hervorgerufen werden kann. Dies gilt zudem ungeachtet dessen, dass – selbst bei Unterstellung einer fehlerhaften Spureinstellung zum Zeitpunkt der Übergabe, mithin für eine Fahrstrecke von mehr als 30.000 km bis zur Reparatur – nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich ist, dass bzw. warum die Klägerin vor der Inanspruchnahme einer fremden Werkstatt in H. nicht dem Beklagten im nur wenige Kilometer entfernten M. Gelegenheit zur Nachbesserung hätte geben können. Eine (voreilige) Ersatzvornahme geschieht freilich auf eigene Kosten.

Eine Beweisaufnahme zu diesem Gesichtspunkt kam vor diesem Hintergrund nicht in Betracht …

b) Einen Sachmangel vermochte die Klägerin demgegenüber jedoch insoweit nachzuweisen, als das streitgegenständliche Fahrzeug unter bestimmten Umständen beim Startvorgang ein starkes Rütteln aufweist. Zwar ist insoweit nicht schon vom Nichtvorliegen einer vereinbarten Sollbeschaffenheit gemäß § 434 I 1 BGB auszugehen (dazu aa), ebenso wenig davon, das Fahrzeug eigne sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung entsprechend § 434 I 2 Nr. 1 BGB (dazu bb). Allerdings ist das verkaufte Fahrzeug insofern nicht – wie erforderlich – frei von Sachmängeln, als es sich zwar auch grundsätzlich für die gewöhnliche Verwendung eignet, dabei aber eine Beschaffenheit nicht aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die die Klägerin als Käuferin nach der Art der Sache erwarten konnte (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB, dazu cc).

aa) Dafür, dass die Vertragsparteien – bezogen auf den Startvorgang – eine bestimmte Beschaffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs zumindest konkludent vereinbart hätten, hat die Klägerin weder Hinreichendes vorgetragen, noch ist dafür sonst etwas ersichtlich.

bb) Das Fahrzeug eignet sich auch grundsätzlich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB) wie auch für die gewöhnliche Verwendung (§ 434 I 2 Nr. 2 Halbsatz 1 BGB). Denn es lässt sich zur Überzeugung des Gerichts ohne Weiteres problemlos starten.

(1) Nach den überaus differenzierten, nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … steht fest, dass sich das streitgegenständliche Fahrzeug bei einer Bedienung gemäß der schriftlichen Bedienungsanleitung ohne Probleme starten lässt …

Nach den Feststellungen des Sachverständigen ließen sich zwar die von der Klägerin beklagten Startprobleme durchaus wiederholt und nicht nur zufällig reproduzieren; dies allerdings nur dann, wenn (1.) nach dem obligatorischen Verlöschen der Vorglühkontrollleuchte (2.) nicht sofort der Startknopf gedrückt, sondern damit zu lange zugewartet wurde, und (3.) schließlich der Startknopf zu kurz gedrückt wurde. Nach diesen … Feststellungen des Sachverständigen kommt es zwar zu den beanstandeten Startproblemen, diese beruhen allerdings auf der Nichteinhaltung der Vorgaben der werksseitigen Bedienungsanleitung, mithin auf Bedienungsfehlern …

(2) Ohne Erfolg macht die Klägerin in diesem Zusammenhang … eine Unklarheit der Bedienungsanleitung geltend, weil diese keine exakten, also absoluten Zeitvorgaben für die einzelnen Bedienschritte enthalte. Ungeachtet des Umstands, dass sich aus einer etwaigen Unklarheit der Bedienungsanleitung nicht ohne Weiteres auf einen Sachmangel des Fahrzeugs schließen ließe – § 434 II BGB ist insoweit weder einschlägig noch analog heranziehbar –, bedurfte es exakter, absoluter Zeitvorgaben in der Bedienungsanleitung weder aus technischer noch aus rechtlicher Sicht.

Denn der Sachverständige hat mit aller nötigen Klarheit verdeutlicht, dass die Bedienungsanleitung trotz fehlender absoluter Zeitangaben weder aus sachkundiger noch aus Laiensicht unklar oder auch nur ergänzungsbedürftig ist, wenn darin der Bediener nach Erlöschen der Kontrollleuchte zum „sofortigen“ Drücken der START/STOP-Taste aufgefordert (und zudem auf die nachteiligen Folgen zu langen Zuwartens hingewiesen!) wird. Im Übrigen – so der Sachverständige – bestehen insoweit ohnedies noch mehrere Sekunden Toleranz, so dass ein (alleiniges) Missachten dieser Vorgabe zudem folgenlos bliebe …

Ebenso wenig ist dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass für die Klägerin als (Durchschnitts-)Bedienerin des Fahrzeugs nach der Bedienungsanleitung unklar geblieben wäre, wann der Motor nach Drücken der Taste eine hinreichende Leerlaufdrehzahl erreicht hat und demgemäß ausreichend rund läuft. Dies gilt umso mehr, als sich der Anlassvorgang insoweit von dem mit einem herkömmlichen Zündschlüssel nicht unterscheidet.

(3) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme … liegt auch – entgegen der Ansicht der Klägerin – kein Widerspruch zwischen der … Bedienungsanleitung einerseits und dem Display im Armaturenbrett des Fahrzeugs vor. Zwar erscheint in diesem Display – wie vom Sachverständigen zuletzt nochmals konkretisiert und mittels Lichtbildern dokumentiert – folgende Aufforderung: „Kupplungs- oder Bremspedal treten und Start“, und zwar noch für rund sieben Sekunden nach Erlöschen der Vorglühkontrollleuchte (bevor die Aufforderung durch die Datumsanzeige ersetzt wird), mithin auch noch, nachdem der eigentlich werksseitig vorgesehene Zeitraum von rund drei Sekunden zum Drücken der START/STOP-Taste bereits verstrichen ist.

Ein Widerspruch zur Bedienungsanleitung liegt hierin gleichwohl nicht. Denn der Sachverständige hat bestätigt, dass insoweit die Bedienungsanleitung nur die Sollvorgaben, mithin das „Optimum“ eines wünschenswerten, korrekten Startvorgangs beschreibt, wohingegen das Display auch den Zeitraum noch möglichen Anlassens mit umfasst. Nach den vom Sachverständigen ergänzend durchgeführten Versuchen bleibt nämlich auch in der Zeitspanne zwischen drei und sieben Sekunden nach Erlöschen der Vorglühkontrollleuchte ein problemloses Starten möglich, sofern nur der START/STOP-Knopf ausreichend tief und lange genug gedrückt wird.

cc) Gleichwohl ist das streitgegenständliche Fahrzeug insofern sachmangelhaft, als es eine Beschaffenheit nicht aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die die Klägerin danach als Käuferin nach der Art der Sache erwarten konnte (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB). Denn das Fahrzeug kompensiert die nach den gesamten Umständen keineswegs fernliegenden Bedienungsfehler der Klägerin (zu spätes und zu zaghaftes Drücken der START/STOP-Taste) nicht, wie dies die Klägerin angesichts des Standards der vergleichbaren Fahrzeugklasse im Frühjahr 2006 berechtigterweise erwarten durfte.

Welche Beschaffenheit für ein Kaufobjekt üblich ist und der Käufer daher nach Art der Sache erwarten kann, bestimmt sich allgemein aus Sicht eines Durchschnittskäufers aus dem Verkehrskreis (BGH, Urt. v. 07.02.2007 – VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351: „objektiv berechtigte Käufererwartung“; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2004, § 434 Rn. 79 m. w. Nachw.; Schmidt, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 3. Aufl. [2008], § 434 Rn. 51, 55) und selbstverständlich nach dem Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses (hier also: Frühjahr 2006). Speziell für neue Personenkraftwagen ist dafür auf Neuwagen vergleichbarer Art und Preisklasse abzustellen (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 25.07.2008 – 14 U 125/07, BB 2008, 2469; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 434, Rn. 60; Erman/Grunewald, BGB, 13. Aufl. [2008], § 434 Rn. 20; Schmidt, in: Prütting/Wegen/Weinreich, a. a. O., § 434 Rn. 53). Dabei ist angesichts insgesamt hoher Fertigungsqualität wie auch der Werbung der Hersteller durchaus eine hohe Erwartung eines Neuwagenkäufers hinsichtlich Qualität, Sicherheit, Leistung und Haltbarkeit neuer Fahrzeuge gerechtfertigt (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl. [2005], Rn. 226). Ferner wird die Erwartung nach der allgemeinen Verkehrsauffassung beeinflusst vom Ruf von Marke und Typ/Modell (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.06.2006 – I-1 U 38/06, NJW 2006, 2858; OLG Stuttgart, Urt. v. 04.06.2008 – 3 U 236/07, NJW-RR 2008, 1077). Als ein wesentlicher Gesichtspunkt ist insoweit auch der Stand der Technik zu berücksichtigen, der zwar grundsätzlich „absolut“ nach dem jeweils aktuellen Status an Wissen und Erfahrung auf technischem Gebiet zu bestimmen ist, sodass auch nicht allein auf einen einzelnen Hersteller abgestellt werden kann, sondern der Entwicklungsstand der gesamten Automobilindustrie ausschlaggebend ist (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 214, Fn. 88 f.). Andererseits ist freilich nicht das technisch überhaupt Machbare oder die optimale technische Lösung, sondern einzig der Standard der jeweils vergleichbaren Wagenklasse zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses maßgebend. Verbesserungswürdigkeit alleine stellt noch keinen Sachmangel dar (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 242 f.).

Gemessen an diesem Maßstab steht vorliegend zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das streitgegenständliche Fahrzeug den zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses für Fahrzeuge vergleichbarer Art und Preisklasse erwartbaren Standard nicht aufwies und deshalb sachmangelhaft ist.

So hat der Sachverständige bei seiner mündlichen Gutachtenerstattung vor dem Berufungsgericht die maßgebliche Fahrzeugklasse überzeugend als die der sportlichen Stufenhecklimousinen umschrieben, die weniger auf Familien mit deren Raumbedarf zielt, sondern deren Fahrzeuge eher knapper vom Raum her bemessen und sportlicher ausgelegt sind. Er hat dafür eine Reihe von zumindest fünf unmittelbar vergleichbaren Fahrzeugen benannt sowie – zur Abrundung – noch weitere überprüft und dabei festgestellt, dass bei keinem der Fahrzeuge ähnliche Startprobleme zu reproduzieren waren, und zwar weder bei den Fahrzeugen, die noch mit herkömmlichem Zündschlüssel ausgestattet waren noch bei denen, welche eine Start-/Stop-Technik vergleichbar der beim streitgegenständlichen Fahrzeug aufwiesen. Letztere war nach den Feststellungen des Sachverständigen seinerzeit zwar noch keineswegs flächendeckend im Markt vertreten, aber auch nicht mehr als „exotische“ Technik anzusehen. Sowohl bei Fahrzeugen mit herkömmlichem Zündschlüssel als auch bei Verwendung von Start-/Stop-(Sensor-)Tasten waren jedoch – nach den Versuchen des Sachverständigen – Startprobleme wie vorliegend ausgeschlossen, sei es aufgrund mechanischer und/oder elektronischer Schutzmechanismen etwa dergestalt, dass dem Bediener einzig die Initiative für den Startvorgang überlassen blieb, das Fahrzeug hingegen die weitere Durchführung des Anlassens dann selbsttätig übernahm. Diese detaillierten und in jeder Hinsicht nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, die im Übrigen insoweit bloß das Ergebnis des von der Klägerin als Privatgutachter hinzugezogenen Dipl.-Ing. (BA) S bestätigten, hat weder der Beklagte selbst noch der im Termin mit dem Beklagtenvertreter aufgetretene, vom Hersteller entsandte technische Außendienstmitarbeiter anzugreifen oder gar zu entkräften vermocht. Von ihnen geht auch das Berufungsgericht aus.

Soweit der Beklagte sich mit nicht nachgelassenem Schriftsatz gegen die vom Sachverständigen bestimmte und untersuchte Gruppe vergleichbarer Fahrzeuge wendet, war dies nach § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Davon abgesehen wurde – namentlich etwa im Zusammenhang mit der Ausscheidung etwa des Audi A4 (des im Frühjahr 2006 auf dem Markt befindlichen Modells) sowie auch der Fahrzeuge VW Passat und Opel Vectra aus dem engeren Vergleichsfeld – vom Sachverständigen überzeugend herausgearbeitet und vom Gericht zudem in diesem Kontext als allgemein bekannt thematisiert, dass Alfa Romeo nicht zuletzt infolge entsprechender Werbung, Produkt- sowie Preisgestaltung und Platzierung im Rahmen des FIAT-Konzerns … eher höherpreisige Fahrzeuge anbiete und etwa auch von der Fahrwerksauslegung sportlich-ambitioniertere Fahrer ansprechen wolle, sodass dem Ansinnen des Beklagten, jedwedes Fahrzeug als Vergleichsmaßstab heranzuziehen, mithin auch ausgesprochene Billigfahrzeuge, nicht gefolgt werden kann. Dessen ungeachtet hat der Sachverständige selbst für preislich deutlich günstigere Fahrzeuge wie den Renault Mégane entsprechende Schutzvorkehrungen attestiert.

Soweit sich der Beklagte zuvor auf den generellen Einwand zurückgezogen hatte, bei einem komplexen technischen Gegenstand wie einem modernen Kraftfahrzeug sei es schlechterdings unmöglich, den Kunden und das Fahrzeug vor jeglicher Art von Fehlbedienung zu schützen, kommt es hierauf nicht an. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zumindest für die konkrete, streitentscheidende Frage der technischen Verhinderbarkeit von Startproblemen der hier in Rede stehenden Art zur Überzeugung des Gerichts fest, dass schon im Frühjahr 2006 bei Fahrzeugen vergleichbarer Art und Preisklasse mechanische und/oder elektronische Schutzmechanismen ein problemloses Anlassen der Motoren standardmäßig zu gewährleisten vermochten. Entsprechendes durfte daher die Klägerin auch beim Kauf des streitgegenständlichen Neufahrzeugs berechtigterweise erwarten.

dd) Der festgestellte Sachmangel stellt sich auch keineswegs als lediglich unerheblich dar (vgl. § 323 V 2 BGB).

Maßgeblich hierfür ist eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Mangels und des etwa erforderlichen Beseitigungsaufwands (vgl. dazu unter anderem BGH, Beschl. v. 08.05.2007 – VIII ZR 19/05, NJW 2007, 2111; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.01.2008 – I-1 U 152/07, NJW-RR 2008, 1199 [1200]; Urt. v. 18.01.2008 – I-17 U 2/07, NJW-RR 2008, 1230 [1231]; OLG Schleswig, Urt. v. 25.07.2008 – 14 U 125/07, BB 2008, 2469; Palandt/Grüneberg, BGB, 67. Aufl. [2008], § 323 Rn. 32 m. w. Nachw.).

Danach ist hier zwar einerseits von einer prima facie durch mögliche und zumutbare Einhaltung der Vorgaben der Bedienungsanleitung benutzerseitig zu „kompensierenden“ Abweichung der Qualität des Kaufobjekts vom Standard vergleichbarer Produkte auszugehen, die die Benutzbarkeit des Fahrzeugs nicht grundsätzlich in Frage stellt (s. oben). Die erforderlichen Mangelbeseitigungskosten schätzte der Sachverständige auch nur auf wenige hundert Euro. Insoweit konnte er freilich – mangels erforderlichen Zugangs zu den Steuerdaten der Bordelektronik – weder mit Bestimmtheit sagen, ob eine (nachträgliche) Mangelbeseitigung überhaupt möglich ist, noch konnte er die Kosten verlässlich nach oben hin begrenzen. Vor allem jedoch betonte der Sachverständige in diesem Zusammenhang zu Recht, dass die fehlerhaften Startvorgänge für den Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit Sicherheit ganz erheblich schädlich sind, auch wenn er – schon mangels entsprechenden Auftrags hierzu – substanzielle (Folge-)Schäden (noch) nicht positiv festgestellt habe. Solche Schäden könnten freilich leicht im Bereich vierstelliger Euro-Beträge liegen. Von einem bloß unerhebliche Sachmangel kann vor diesem Hintergrund indessen nicht ausgegangen werden.

ee) Der Beklagte hat im Übrigen unbestritten nach mehreren erfolglosen Nachbesserungsversuchen eine (weitere) Nachbesserung wie auch Rückabwicklung des Kaufvertrags ausdrücklich verweigert.

2. Nach alledem steht der Klägerin das von ihr geltend gemachte Recht auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß §§ 346 ff. BGB zu, von welchem sie durch ausdrückliche Rücktrittserklärung auch Gebrauch gemacht hat.

a) Der Beklagte hat demgemäß den von der Klägerin unstreitig gezahlten Kaufpreis von 23.000 € zurückzuzahlen (§ 346 I BGB).

b) Hiervon sind – gemäß zu Recht anerkannter allgemeiner Ansicht – für die von der Klägerin mit dem streitgegenständlichen Pkw gefahrenen 50.141 km gezogene Gebrauchsvorteile gemäß § 346 I BGB in Abzug zu bringen, für welche die Klägerin Wertersatz schuldet (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 456).

aa) Anderes folgt – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht aus der Entscheidung des EuGH vom 17.04.2008 – C-404/06 – in der Rechtssache Quelle AG gegen den Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (NJW 2008, 1433). Denn diese Entscheidung beschränkt sich nach ihrem Leitsatz wie auch den Entscheidungsgründen erklärtermaßen auf den hier nicht vorliegenden Fall einer Ersatzlieferung. Folgerichtig hat denn auch der BGH in der umsetzenden Entscheidung vom 26.11.2008 – VIII ZR 200/05 – ausschließlich eine richtlinienkonforme Auslegung des die Nacherfüllung regelnden § 439 IV BGB für notwendig erachtet. Für den hier vorliegenden Fall einer Vertragsauflösung gemäß Art. 3 V der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 hat demgegenüber auch der EuGH ausdrücklich unter Verweis auf den 15. Erwägungsgrund der Richtlinie den Grundsatz der gegenseitigen Herausgabe der erlangten Vorteile und damit die in Deutschland bestehende ständige Praxis bestätigt …

bb) Die von der Klägerin dem Beklagten zu erstattenden Gebrauchsvorteile sind nicht exakt berechenbar und deshalb analog § 287 II ZPO zu schätzen, wobei als Bemessungsgrundlage an den Bruttokaufpreis anzuknüpfen und dieser nach der linearen Wertschwundmethode auf die erwartbare Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs umzulegen ist. Danach ergibt sich folgende Berechnungsformel:

$$\text{Gebrauchsvorteil} = {\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{erwartete Gesamtlaufleistung}}}$$

(vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 456 ff.).

Die Behauptung der Klägerin, bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug sei mit einer Gesamtfahrleistung von 200.000 km zu rechnen, hat der Beklagte nicht bestritten. Gegen eine solche Erwartung ist im Übrigen auch aus gerichtlicher Sicht für ein modernes Diesel-Fahrzeug – mangels abweichender Anhaltspunkte – grundsätzlich nichts zu erinnern (vgl. dazu auch Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 466). Demnach ergibt sich aber für den vorliegenden Fall folgende Berechnung: …

c) Zudem kann die Klägerin vom Beklagten infolge des wirksamen Rücktritts vom Kaufvertrag nach § 346 I BGB die gezogenen bzw. nach § 347 I BGB gegebenenfalls selbst nicht gezogene Zinsvorteile aus dem unstreitig entrichteten Kaufpreis verlangen (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 454) …

d) Insgesamt kann die Klägerin folglich Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs vom Beklagten die Zahlung folgender Summe verlangen: …

e) Bei der Zug-um-Zug-Verurteilung ist zu berücksichtigen, dass Erfüllungsort für die zurückzugewährenden Leistungen nach allgemeiner Ansicht der Ort ist, an dem sich das vom Käufer zurückzugebende Fahrzeug vertragsgemäß befindet, was nach dem Parteiwillen in der Regel dem Wohnort des Käufers entspricht (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 477 m. w. Nachw.) …

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