Kommt es bei einem Neufahrzeug aufgrund einer undichten Stelle in der Karosserie zu einem Wassereintritt in den Fahrzeuginnenraum, so liegt ein erheblicher Mangel vor, der den Käufer zum Rücktritt berechtigt.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.05.2009 – 4 U 148/07

Sachverhalt: Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines mit der Beklagten geschlossenen Neuwagenkaufvertrags. Er behauptet, dass von außen Wasser in den Kofferraum eindringe. Es sei zu vermuten, dass dieser Mangel bereits bei Übergabe vorgelegen habe. Die Beklagte habe sich der Sache zwar angenommen, den Mangel jedoch trotz zweier Versuche nicht beseitigt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, das eingeholte Sachverständigengutachten habe ergeben, dass das Fahrzeug im Heckbereich undicht sei. Dies sei wegen der möglichen Korrosionsschäden ein erheblicher Mangel, von dem nach § 476 BGB vermutet werde, dass er bereits bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vorgelegen habe. Ein dritter Nachbesserungsversuch stehe der Beklagten nicht zu.

Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Ohne Rechtsfehler und auf der Grundlage vollständiger und richtiger Feststellungen hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung des Kaufvertrags bejaht.

Die Voraussetzungen des gesetzlichen Rücktrittrechts gemäß §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440 BGB liegen vor.

1. Das Fahrzeug des Klägers ist mangelhaft (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB). Der Sachverständige hat festgestellt, dass eine Undichtigkeit im Bereich der Heckklappe dazu führt, dass Regenwasser in der oberen linken Ecke eindringt, sich in der Verkleidung ansammelt, ein gluckerndes Geräusch während der Fahrt verursacht und sich beim Öffnen des Hecks ins Fahrzeuginnere ergießt. Unerheblich ist dabei, dass der Sachverständige davon abgesehen hat, die schadhafte Stelle genau zu lokalisieren, weil dazu der Spoiler und die Heckscheibe auszubauen gewesen wären. Ausreichend ist der Nachweis, dass eine Fehlstelle vorliegen muss, durch die Wasser eindringt.

2. Dieser Mangel lag bereits bei Übergabe vor. Der Klager hat die Voraussetzungen der Vermutung des § 476 BGB bewiesen, die die Beklagte nicht entkräftet hat. Die Auswirkungen des Mangels, nämlich eintretendes Wasser, haben sich innerhalb der Sechs-Monats-Frist gezeigt. Unbestritten hatte der Kläger bei seinem zweiten Besuch bei der Beklagten mitgeteilt, dass er ein gluckerndes Geräusch in der Heckklappe höre, und auch die Beklagte konnte Feuchtigkeit – wenn auch wenig – im Innenbereich feststellen. In Zusammenschau mit den Angaben des Sachverständigen, der Mangel einer unzureichenden Verklebung der Heckscheibe oder der Heckklappenteile zeige sich häufig erst durch dynamische und thermische Belastungen während der Nutzungszeit, und eine Manipulation sei auszuschließen, ist der Schluss gerechtfertigt, dass die Undichtigkeit bereits bei Übergabe bestand. Andere mögliche Ursachen des eindringenden Wassers hat auch die Beklagte nicht behauptet.

3. Ein Rücktritt ist nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels (§ 323 V 2 BGB) ausgeschlossen. Für diese Beurteilung ist nicht allein auf das Verhältnis der Kosten der Mangelbeseitigung zum Kaufpreis des Fahrzeugs abzustellen (offengelassen in BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VIII ZR 363/04, NJW 2005, 3490). Eine undichte Stelle der Karosserie eines Fahrzeugs stellt nämlich allein schon wegen der möglichen Folgewirkungen (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 524 ff.) unabhängig von der Höhe der Beseitigungskosten eine erhebliche Beeinträchtigung der Tauglichkeit (BGH, Beschl. v. 08.05.2007 – VIII ZR 19/05, NJW 2007, 2111 m. Anm Reinking; Urt. v. 05.11.2008 – VIII ZR 166/07, NJW 2009, 508) und damit einen erheblichen Mangel dar (OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.06.2004 – 12 U 112/04, DAR 2005, 31; Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 488). Dass Teile des Fahrzeugs bisher noch nicht sichtbar korrodiert sind, ändert an dieser Beurteilung nichts (OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.06.2004 – 12 U 112/04, DAR 2005, 31).

4. Schließlich hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass im vorliegenden Fall eine Fristsetzung vor Rücktritt ausnahmsweise gemäß § 440 Satz 2 BGB entbehrlich war. Die Beklagte hatte, nachdem der Klager unstreitig Wassereintritt und ein „Gluckern“ im Heckbereich gerügt hatte, zweimal Gelegenheit, das Fahrzeug nachzubessern. Dass sie auf die erste Rüge lediglich erfolglos Untersuchungen angestellt und auch beim zweiten Mal die Wassereintrittsstelle nicht gefunden hat. obwohl sie … mit dem Auto durch die Waschstraße gefahren ist, es mit einem Schlauch beregnet und die Heckverkleidung entfernt hat, ändert an dieser Beurteilung nichts. Auch die erste Untersuchung des Fahrzeugs ist als Nachbesserungsversuch zu werten. …

Mehr als zwei Nachbesserungsversuche kommen auch nicht aus den Gründen des § 440 Satz 2 Halbsatz 2 BGB in Betracht. Ein weiterer Nachbesserungsversuch wäre der Beklagten nur bei besonderer (technischer) Komplexität der Sache, schwer zu behebenden Mängeln oder ungewöhnlich widrigen Umständen bei vorangegangenen Nachbesserungsversuchen zuzubilligen (BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 166/06, NJW 2007, 504; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2004, § 440 Rn. 18; Schmidt, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 2006, § 440 Rn. 10; MünchKomm-BGB/Westermann, 4. Aufl., § 440 Rn. 11; BeckOK-BGB/Faust, Stand: 01.08.2006, § 440 Rn. 32). Dass die Sache technisch besonders komplex oder der Mangel schwer zu beheben gewesen sei, ist weder behauptet noch ersichtlich.

Auch ungewöhnlich widrige Umstände bei den beiden Nachbesserungsversuchen sind nicht festzustellen. Die Tatsache, dass der Kläger diejenigen Symptome (Gluckern im Heckbereich), die auch der Sachverständige später feststellen konnte, geschildert hat, spricht dafür, dass der Mangel bereits zum Zeitpunkt der beiden Nachbesserungsversuche vorhanden war und erkannt werden konnte. Der Sachverständige musste nur deshalb zwei „Beregnungsversuche" unternehmen, weil beim ersten Mal noch vorhandene Feuchtigkeit im Innenraum des Fahrzeugs eine genaue Lokalisation der Fehlstelle unmöglich gemacht hatte Selbst wenn solche Undichtigkeiten generell nur schwer zu finden sind, weil Regenwasser leichter eindringt als (härteres) Leitungswasser, ist dies ein Umstand, der der Beklagten als Kraftfahrzeugunternehmen geläufig sein musste und den sie, weil sie die Angaben des Kunden zu eintretendem Wasser zunächst ernst zu nehmen hat, ins Kalkül ziehen musste. Dass sie den Fehler, obwohl er bereits vorhanden war, nicht gefunden hat, spricht deshalb für eine unzureichende Untersuchung und nicht für besonders widrige Umstände. Insbesondere ist – wegen der bereits vorhandenen Symptome – nicht davon auszugehen, dass sich der Mangel, was der Sachverständige grundsätzlich für möglich gehalten hat, erst nach den Nachbesserungsversuchen der Beklagten entwickelt hat.

Dem Kläger war, vor allem weil die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs durch das eindringende Wasser beeinträchtigt war, ein weiterer Nachbesserungsversuch nicht zuzumuten (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 184).

5. Weitere Nutzungsvorteile als von der Klageforderung abgesetzt, sind – obwohl das Fahrzeug vermutlich weiter gefahren worden ist und schon das Gutachten eine weitere Laufleistung angibt – nicht anzurechnen. Die Beklagte hat die Anrechnung weiterer Nutzungsvorteile nicht geltend gemacht, und eine automatische Saldierung findet nicht statt (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 636 f. m. w. Nachw.).

6. Der Feststellungsantrag ist schließlich ebenfalls rechtsfehlerfrei zuerkannt. Das Feststellungsinteresse folgt aus den Voraussetzungen der Vollstreckung (§§ 756, 765 ZPO), die der Kläger mit dem Urteil als öffentliche Urkunde nachzuweisen vermag. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs liegen vor, da der Kläger der Beklagten das Fahrzeug zusammen mit seinem Rücktrittbegehren zur Abholung bereitgestellt und dies wörtlich angeboten hatte (§§ 294, 295 BGB). …

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