§ 439 IV BGB ist un­ter Be­ach­tung des Ur­teils des EuGH vom 17.04.2008 (Rs. C-404/06, NJW 2008, 1433) in Fäl­len des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs (§ 474 I 1) ein­schrän­kend an­zu­wen­den: Die in § 439 IV BGB in Be­zug ge­nom­me­nen Vor­schrif­ten über den Rück­tritt (§§ 346 bis 348 BGB) gel­ten in die­sen Fäl­len nur für die Rück­ge­währ der man­gel­haf­ten Sa­che selbst, füh­ren hin­ge­gen nicht zu ei­nem An­spruch des Ver­käu­fers ge­gen den Käu­fer auf Her­aus­ga­be der ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen oder auf Wert­er­satz für die Nut­zung der man­gel­haf­ten Sa­che.

BGH, Ur­teil vom 26.11.2008 – VI­II ZR 200/05

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ist ein Ver­brau­cher­ver­band; die Be­klag­te be­treibt ein Ver­sand­han­dels­un­ter­neh­men.

Im Som­mer 2002 be­stell­te die Käu­fe­rin B für ih­ren pri­va­ten Ge­brauch bei der Be­klag­ten ein so­ge­nann­tes „Herd-Set“ zum Preis von 524,90 €. Die Wa­re wur­de im Au­gust 2002 ge­lie­fert. Im Ja­nu­ar 2004 stell­te die Käu­fe­rin fest, dass sich an der In­nen­sei­te des zu dem „Herd-Set“ ge­hö­ren­den Back­ofens die Email­le­schicht ab­ge­löst hat­te. Da ei­ne Re­pa­ra­tur des Ge­rä­tes nicht mög­lich war, tausch­te die Be­klag­te den Back­ofen ver­ein­ba­rungs­ge­mäß noch im Ja­nu­ar 2004 aus. Das ur­sprüng­lich ge­lie­fer­te Ge­rät gab die Käu­fe­rin an die Be­klag­te zu­rück. Für des­sen Nut­zung ver­lang­te die Be­klag­te ei­ne Ver­gü­tung, die die Käu­fe­rin an die Be­klag­te zahl­te.

Ge­stützt auf ei­ne ent­spre­chen­de Er­mäch­ti­gung durch die Käu­fe­rin ver­langt der Klä­ger Rück­zah­lung der Ver­gü­tung in Hö­he von 67,86 € nebst Zin­sen. Da­ne­ben hat er, so­weit im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren noch von In­ter­es­se, be­an­tragt, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, es zu un­ter­las­sen, Ver­brau­chern im Fal­le der Er­satz­lie­fe­rung Be­trä­ge für die Nut­zung der man­gel­haf­ten Wa­re in Rech­nung zu stel­len.

Das LG Nürn­berg-Fürth (NJW 2005, 2558) hat dem Zah­lungs­an­trag statt­ge­ge­ben und die Kla­ge im Üb­ri­gen ab­ge­wie­sen. Das OLG Nürn­berg (NJW 2005, 3000) hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten und hin­sicht­lich des vor­be­zeich­ne­ten Un­ter­las­sungs­an­trags auch die Be­ru­fung des Klä­gers zu­rück­ge­wie­sen und die Re­vi­si­on für bei­de Par­tei­en zu­ge­las­sen. Die Be­klag­te er­strebt mit ih­rer Re­vi­si­on die Ab­wei­sung der Zah­lungs­kla­ge. Der Klä­ger ver­folgt mit sei­ner Re­vi­si­on den Un­ter­las­sungs­an­spruch wei­ter.

Der Se­nat hat das Ver­fah­ren durch Be­schluss vom 16.08.2006 (NJW 2006, 3200) aus­ge­setzt und den EuGH ge­mäß Art. 234 EG um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung er­sucht. Der EuGH hat hier­über durch Ur­teil vom 17.04.2008 (Rs. C-404/06, NJW 2008, 1433) ent­schie­den. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten hat­te kei­nen Er­folg; das Rechts­mit­tel des Klä­gers war da­ge­gen er­folg­reich.

Aus den Grün­den: [7]    A. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat, so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren noch von In­ter­es­se, zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung aus­ge­führt:

[8]    Die Zah­lung ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung sei oh­ne Rechts­grund er­folgt und kön­ne da­her nach § 812 I BGB zu­rück­ge­for­dert wer­den. Aus der Ver­wei­sung des § 439 IV BGB auf § 346 I BGB kön­ne die Be­klag­te kei­nen An­spruch auf Nut­zungs­ent­schä­di­gung her­lei­ten. Die Vor­schrift des § 439 IV BGB ent­hal­te kei­ne Rechts­fol­gen­ver­wei­sung auf § 346 I Fall 2 BGB (Her­aus­ga­be von tat­säch­lich ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen). Die Be­grün­dung des Ge­setz­ge­bers für ei­ne Ver­pflich­tung des Käu­fers, im Fal­le der Er­satz­lie­fe­rung ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung zu zah­len, über­zeu­ge nicht. Es sei nicht ge­recht­fer­tigt, im Fal­le ei­ner Er­satz­lie­fe­rung al­le aus dem Rück­tritt re­sul­tie­ren­den Rechts­fol­gen an­zu­wen­den. Zwar ha­be der Käu­fer bei der Er­satz­lie­fe­rung da­durch ei­nen Vor­teil, dass er an­stel­le der ur­sprüng­li­chen Sa­che nun ei­ne neue un­ge­brauch­te Sa­che mit ei­ner neu­en Ge­währ­leis­tungs­frist er­hal­te und grund­sätz­lich mit ei­ner län­ge­ren Le­bens­dau­er der Wa­re rech­nen kön­ne. Dem Ver­käu­fer blei­be als Nach­teil ei­ne un­ver­käuf­li­che, weil man­gel­be­haf­te­te Sa­che; al­ler­dings be­hal­te er den vol­len Kauf­preis und da­mit den ei­gent­li­chen Ge­winn. Im Fal­le des Rück­tritts stel­le sich die Si­tua­ti­on für den Ver­käu­fer deut­lich un­güns­ti­ger dar. Er müs­se nicht nur die man­gel­haf­te Wa­re be­hal­ten, son­dern zu­sätz­lich noch den im Kauf­preis ent­hal­te­nen Ge­winn her­aus­ge­ben. Dem­ge­gen­über er­hal­te der Käu­fer den vol­len Kauf­preis zu­rück und kön­ne sich von sei­nem Ver­trags­part­ner lö­sen. Nur in die­sem Fall sei es in­ter­es­sen­ge­recht, wenn der Käu­fer ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung zah­le.

[9]    Auch wenn der Be­klag­ten so­mit im Fal­le der Er­satz­lie­fe­rung kein An­spruch auf Nut­zungs­ent­schä­di­gung zu­ste­he, sei der auf § 2 II Nr. 1 UKlaG ge­stütz­te Un­ter­las­sungs­an­trag un­be­grün­det, weil das Ver­hal­ten der Be­klag­ten nicht ge­gen ei­ne Vor­schrift ver­sto­ße, die dem Schutz der Ver­brau­cher die­ne …

[10]   B. Die­se Be­ur­tei­lung hält der re­vi­si­ons­recht­li­chen Nach­prü­fung nicht in je­der Hin­sicht stand.

[11]   I. Re­vi­si­on der Be­klag­ten.

[12]   Zu Recht hat das Be­ru­fungs­ge­richt al­ler­dings an­ge­nom­men, dass die Käu­fe­rin ge­gen die Be­klag­te ei­nen An­spruch aus § 812 I 1 Fall 1 BGB auf Rück­zah­lung ei­nes Be­tra­ges von 67,86 € nebst Zin­sen hat, den der Klä­ger auf­grund der Er­mäch­ti­gung durch die Käu­fe­rin im ei­ge­nen Na­men gel­tend ma­chen kann.

[13]   Die von der Käu­fe­rin ge­leis­te­te Zah­lung für die Nut­zung des zu­nächst ge­lie­fer­ten man­gel­haf­ten Her­des ist oh­ne Rechts­grund er­folgt. Der Be­klag­ten steht ein An­spruch auf Wert­er­satz da­für, dass die Käu­fe­rin die an­fangs ge­lie­fer­te Wa­re in der Zeit von Au­gust 2002 bis Ja­nu­ar 2004 nut­zen konn­te, nicht zu. Ein der­ar­ti­ger An­spruch er­gibt sich ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten auch nicht aus § 439 IV i. V. mit § 346 I, II 1 Nr. 1, § 100 BGB.

[14]   1. Zwar kann nach dem Wort­laut des § 439 IV BGB der Ver­käu­fer, der zum Zwe­cke der Nach­er­fül­lung ei­ne man­gel­freie Sa­che lie­fert, vom Käu­fer Rück­ge­währ der man­gel­haf­ten Sa­che „nach Maß­ga­be der §§ 346 bis 348“ ver­lan­gen. Ne­ben der Rück­ga­be der emp­fan­ge­nen Leis­tung selbst sieht § 346 I BGB im Fal­le des Rück­tritts die Pflicht zur Her­aus­ga­be der ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen vor, zu de­nen auch die Ge­brauchs­vor­tei­le nach § 100 BGB ge­hö­ren. Für die­se Vor­tei­le hat der Rück­ge­währ­schuld­ner nach § 346 II 1 Nr. 1 BGB dem Rück­ge­währ­gläu­bi­ger Wert­er­satz zu leis­ten. Dies gilt nach dem Wort­laut der Vor­schrif­ten auch dann, wenn es sich – wie im vor­lie­gen­den Fall – um ei­nen Ver­brauchs­gü­ter­kauf (§ 474 I 1 BGB) han­delt.

[15]   2. Die­se – im rechts­wis­sen­schaft­li­chen Schrift­tum sehr um­strit­te­ne (vgl. Se­nat, Beschl. v. 16.08.2006 – VI­II ZR 200/05, NJW 2006, 3200 m. w. Nachw.) – Vor­schrift steht aber nicht im Ein­klang mit Art. 3 der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter (AB­lEG Nr. L 171, S. 12; im Fol­gen­den: Richt­li­nie). Nach Art. 3 II der Richt­li­nie hat der Ver­brau­cher bei Ver­trags­wid­rig­keit des Ver­brauchs­gu­tes ent­we­der An­spruch auf die un­ent­gelt­li­che Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stands durch Nach­bes­se­rung oder Er­satz­lie­fe­rung oder auf an­ge­mes­se­ne Min­de­rung des Kauf­prei­ses oder auf Ver­trags­auf­lö­sung. Art. 3 III 1 der Richt­li­nie be­stimmt, dass der Ver­brau­cher vom Ver­käu­fer die un­ent­gelt­li­che Nach­bes­se­rung des Ver­brauchs­gu­tes oder ei­ne un­ent­gelt­li­che Er­satz­lie­fe­rung ver­lan­gen kann, so­fern dies nicht un­mög­lich oder un­ver­hält­nis­mä­ßig ist. In Art. 3 III 3 der Richt­li­nie heißt es, dass die Nach­bes­se­rung oder die Er­satz­lie­fe­rung in­ner­halb an­ge­mes­se­ner Frist und oh­ne er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­kei­ten für den Ver­brau­cher er­fol­gen müs­se. Nach Art. 3 IV der Richt­li­nie um­fasst der Be­griff „un­ent­gelt­lich“ in den Ab­sät­zen 2 und 3 die für die Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stands des Ver­brauchs­guts not­wen­di­gen Kos­ten, ins­be­son­de­re Ver­sand-, Ar­beits- und Ma­te­ri­al­kos­ten.

[16]   Der Se­nat hat dem EuGH durch Be­schluss vom 16.08.2006 (NJW 2006, 3200) fol­gen­de Fra­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt:

„Sind die Be­stim­mun­gen des Art. 3 II i. V. mit Art. 3 III 1 und IV oder des Art. 3 III 3 der Richt­li­nie da­hin aus­zu­le­gen, dass sie ei­ner na­tio­na­len ge­setz­li­chen Re­ge­lung ent­ge­gen­ste­hen, die be­sagt, dass der Ver­käu­fer im Fal­le der Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stan­des des Ver­brauchs­gu­tes durch Er­satz­lie­fe­rung von dem Ver­brau­cher Wert­er­satz für die Nut­zung des zu­nächst ge­lie­fer­ten ver­trags­wid­ri­gen Ver­brauchs­gu­tes ver­lan­gen kann?“

[17]   Der EuGH hat die Fra­ge mit Ur­teil vom 17.04.2008 (NJW 2008, 1433) wie folgt be­ant­wor­tet:

„Art. 3 der Richt­li­nie ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung ent­ge­gen­steht, die dem Ver­käu­fer, wenn er ein ver­trags­wid­ri­ges Ver­brauchs­gut ge­lie­fert hat, ge­stat­tet, vom Ver­brau­cher Wert­er­satz für die Nut­zung des ver­trags­wid­ri­gen Ver­brauchs­guts bis zu des­sen Aus­tausch durch ein neu­es Ver­brauchs­gut zu ver­lan­gen.“

[18]   Zur Be­grün­dung hat der Ge­richts­hof im We­sent­li­chen aus­ge­führt: Dem Wort­laut und den ein­schlä­gi­gen Vor­ar­bei­ten der Richt­li­nie zu­fol­ge ha­be der Ge­mein­schafts­ge­setz­ge­ber die Un­ent­gelt­lich­keit der Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stands des Ver­brauchs­guts durch den Ver­käu­fer zu ei­nem we­sent­li­chen Be­stand­teil des durch die Richt­li­nie ge­währ­leis­te­ten Ver­brau­cher­schut­zes ma­chen wol­len. Die­se dem Ver­käu­fer auf­er­leg­te Ver­pflich­tung, die Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stands des Ver­brauchs­guts un­ent­gelt­lich zu be­wir­ken, sol­le den Ver­brau­cher vor dro­hen­den fi­nan­zi­el­len Be­las­tun­gen schüt­zen, die ihn da­von ab­hal­ten könn­ten, sei­ne An­sprü­che gel­tend zu ma­chen. Das be­deu­te, dass je­de fi­nan­zi­el­le For­de­rung des Ver­käu­fers im Rah­men der Er­fül­lung sei­ner Ver­pflich­tung zur Her­stel­lung des ver­trags­mä­ßi­gen Zu­stands des Ver­brauchs­guts aus­ge­schlos­sen sei. Die­se Aus­le­gung wer­de da­durch be­stä­tigt, dass nach Art. 3 III Un­terabs. 3 der Richt­li­nie die Nach­bes­se­rung oder die Er­satz­lie­fe­rung auch oh­ne er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­kei­ten für den Ver­brau­cher zu er­fol­gen ha­be. Der 15. Er­wä­gungs­grund be­tref­fe nur den in Art. 3 V der Richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Fall der Ver­trags­auf­lö­sung mit ge­gen­sei­ti­ger Her­aus­ga­be der er­lang­ten Vor­tei­le und kön­ne so­mit nicht als all­ge­mei­ner Grund­satz ver­stan­den wer­den. Der Ver­brau­cher wer­de durch die Er­lan­gung ei­nes neu­en Ver­brauchs­guts als Er­satz für das ver­trags­wid­ri­ge Ver­brauchs­gut nicht un­ge­recht­fer­tigt be­rei­chert. Er er­hal­te le­dig­lich ver­spä­tet ein den Ver­trags­be­stim­mun­gen ent­spre­chen­des Ver­brauchs­gut, wie er es be­reits zu Be­ginn hät­te er­hal­ten müs­sen. Die fi­nan­zi­el­len In­ter­es­sen des Ver­käu­fers sei­en durch die Ver­jäh­rungs­frist von zwei Jah­ren nach Art. 5 I der Richt­li­nie und durch die ihm in Art. 3 III Un­terabs. 2 der Richt­li­nie er­öff­ne­te Mög­lich­keit ge­schützt, die Er­satz­lie­fe­rung zu ver­wei­gern, wenn sich die­se Ab­hil­fe we­gen un­zu­mut­ba­rer Kos­ten als un­ver­hält­nis­mä­ßig er­weist.

[19]    3. An die­ses Aus­le­gungs­er­geb­nis sind die na­tio­na­len Ge­rich­te ge­bun­den. Sie sind nach stän­di­ger Recht­spre­chung des EuGH auf­grund des Um­set­zungs­ge­bots ge­mäß Art. 249 III EG und des Grund­sat­zes der Ge­mein­schaftstreue ge­mäß Art. 10 EG zu­dem ver­pflich­tet, die Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts un­ter vol­ler Aus­schöp­fung des Be­ur­tei­lungs­spiel­raums, den ih­nen das na­tio­na­le Recht ein­räumt, so­weit wie mög­lich am Wort­laut und Zweck der Richt­li­nie aus­zu­rich­ten, um das mit der Richt­li­nie ver­folg­te Ziel zu er­rei­chen (vgl. nur EuGH, Urt. v. 10.04.1984 – Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891 – von Col­son und Ka­mann/Nord­rhein-West­fa­len; Urt. v. 05.10.2004 – Rs. C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I S. 8835 – Pfeif­fer u. a./Deut­sches Ro­tes Kreuz, Kreis­ver­band Walds­hut e. V.).

[20]   a) Al­ler­dings lässt sich die­ses Ge­bot richt­li­ni­en­kon­for­mer Aus­le­gung im vor­lie­gen­den Fall nicht im We­ge ei­ner (ein­schrän­ken­den) Ge­set­zes­aus­le­gung im en­ge­ren Sin­ne um­set­zen, al­so ei­ner Rechts­fin­dung in­ner­halb des Ge­set­zes­wort­lauts …, de­ren Gren­ze durch den mög­li­chen Wort­sinn ge­bil­det wird … Dem steht der ein­deu­ti­ge Wort­laut des Ge­set­zes ent­ge­gen, weil § 439 IV BGB für den Fall der Er­satz­lie­fe­rung un­ein­ge­schränkt auf die §§ 346 bis 348 BGB Be­zug nimmt. Es sind kei­ne An­halts­punk­te da­für er­sicht­lich, dass da­durch al­lein die Rück­ga­be der man­gel­haf­ten Sa­che selbst ge­re­gelt und nicht dem Ver­käu­fer auch ein An­spruch auf Her­aus­ga­be der vom Käu­fer ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen zu­ge­bil­ligt wer­den soll. Denn dann wä­re zu­min­dest die Ver­wei­sung auf § 347 BGB sinn­los, weil die­se Vor­schrift aus­schließ­lich die Fra­ge der Nut­zun­gen (und Ver­wen­dun­gen) re­gelt (vgl. Se­nat, Beschl. v. 16.08.2006 – VI­II ZR 200/05, NJW 2006, 3200).

[21]   b) Der von der Recht­spre­chung des EuGH ge­präg­te Grund­satz der richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung ver­langt von den na­tio­na­len Ge­rich­ten aber mehr als blo­ße Aus­le­gung im en­ge­ren Sin­ne. Der Ge­richts­hof ist bei der Ver­wen­dung des Be­griffs „Aus­le­gung“ nicht von der im deut­schen Rechts­kreis – an­ders als in an­de­ren eu­ro­päi­schen Rechts­ord­nun­gen – üb­li­chen Un­ter­schei­dung zwi­schen Aus­le­gung (im en­ge­ren Sin­ne) und Rechts­fort­bil­dung aus­ge­gan­gen. Auch die vom EuGH for­mu­lier­te Ein­schrän­kung, nach der die richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung nicht als Grund­la­ge für ei­ne Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts con­tra le­gem die­nen darf (vgl. EuGH, Urt. v. 04.07.2006 – Rs. C-212/04, Slg. 2006, I S. 6057 – Aden­eler u. a./El­li­ni­kos Or­ga­nis­mos Ga­lak­tos), be­zieht sich nicht auf die Wort­laut­gren­ze. Der Be­griff des Con­tra-le­gem-Ju­di­zie­rens ist viel­mehr funk­tio­nell zu ver­ste­hen; er be­zeich­net den Be­reich, in dem ei­ne rich­ter­li­che Rechts­fin­dung nach na­tio­na­len Me­tho­den un­zu­läs­sig ist … Der Grund­satz der richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung for­dert des­halb auch, das na­tio­na­le Recht, wo dies nö­tig und mög­lich ist, richt­li­ni­en­kon­form fort­zu­bil­den … Dar­aus folgt hier das Ge­bot ei­ner richt­li­ni­en­kon­for­men Rechts­fort­bil­dung durch te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on … des § 439 IV BGB auf ei­nen mit Art. 3 der Richt­li­nie zu ver­ein­ba­ren­den In­halt.

[22]   aa) Ei­ne Rechts­fort­bil­dung im We­ge der te­leo­lo­gi­schen Re­duk­ti­on setzt ei­ne ver­deck­te Re­ge­lungs­lü­cke i. S. ei­ner plan­wid­ri­gen Un­voll­stän­dig­keit des Ge­set­zes vor­aus (vgl. BGHZ 149, 165 [174]; BGH, Beschl. v. 20.01.2005 – IX ZB 134/04, NJW 2005, 1508 [un­ter II 3b aa (1)], je­weils m. w. Nachw.). Die­se Vor­aus­set­zung ist er­füllt.

[23]   In der Be­grün­dung des Ko­ali­ti­ons­ent­wurfs zum Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz heißt es in der Ein­zel­be­grün­dung zu § 439 IV BGB (BT-Drs. 14/6040, S. 232 f.):

„Eben­so wie bis­her § 480 I 2 i. V. mit § 467 S. 1 steht dem Ver­käu­fer ein Rück­ge­währan­spruch nach den Vor­schrif­ten über den Rück­tritt zu. Des­halb muss der Käu­fer, dem der Ver­käu­fer ei­ne neue Sa­che zu lie­fern und der die zu­nächst ge­lie­fer­te feh­ler­haf­te Sa­che zu­rück­zu­ge­ben hat, ge­mäß §§ 439 IV, 346 I RE auch die Nut­zun­gen, al­so ge­mäß § 100 auch die Ge­brauchs­vor­tei­le, her­aus­ge­ben. Das recht­fer­tigt sich dar­aus, dass der Käu­fer mit der Nach­lie­fe­rung ei­ne neue Sa­che er­hält und nicht ein­zu­se­hen ist, dass er die zu­rück­zu­ge­ben­de Sa­che in dem Zeit­raum da­vor un­ent­gelt­lich nut­zen kön­nen soll und so noch Vor­tei­le aus der Man­gel­haf­tig­keit zie­hen kön­nen soll …

Mit der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie ist ei­ne der­ar­ti­ge Ver­pflich­tung des Ver­brau­chers (Käu­fers) ver­ein­bar. Zwar be­stimmt de­ren Art. 3 II aus­drück­lich den An­spruch des Ver­brau­chers auf ei­ne ‚un­ent­gelt­li­che‘ Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stands … Der ver­trags­ge­mä­ße Zu­stand wird in­des durch die Lie­fe­rung der neu­en Er­satz­sa­che her­ge­stellt … Zu den Kos­ten kann aber nicht die Her­aus­ga­be von Nut­zun­gen der vom Ver­brau­cher be­nutz­ten man­gel­haf­ten Sa­che ge­zählt wer­den …

Des Wei­te­ren wer­den dem Ver­brau­cher auch nicht Kos­ten, auch nicht sol­che der Rück­ga­be der ge­brauch­ten, man­gel­haf­ten Sa­che auf­er­legt. Es geht viel­mehr um die Her­aus­ga­be der Vor­tei­le, die der Ver­brau­cher (Käu­fer) aus dem Ge­brauch der Sa­che ge­zo­gen hat …

Schließ­lich wird die­se Wer­tung durch den Er­wä­gungs­grund (15) der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie be­stä­tigt …“

[24]    Dar­aus er­gibt sich, dass die Ab­sicht des Ge­setz­ge­bers ei­ner­seits da­hin ging, dem Ver­käu­fer für den Fall der Er­satz­lie­fe­rung ei­nen An­spruch auf Her­aus­ga­be der vom Käu­fer ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen zu­zu­bil­li­gen. An­de­rer­seits soll­te aber – was die wei­te­ren Aus­füh­run­gen in der Ge­set­zes­be­grün­dung be­le­gen – auch ei­ne Re­ge­lung ge­schaf­fen wer­den, die mit der Richt­li­nie ver­ein­bar ist. Die ex­pli­zit ver­tre­te­ne Auf­fas­sung, dass die Re­ge­lung über den Nut­zungs­er­satz den An­for­de­run­gen der Richt­li­nie ge­nü­ge, ist je­doch feh­ler­haft, wie der EuGH nun­mehr mit Bin­dungs­wir­kung fest­ge­stellt hat.

[25]    Da­mit er­weist sich das Ge­setz als plan­wid­rig un­voll­stän­dig. Es liegt ei­ne ver­deck­te Re­ge­lungs­lü­cke … vor, weil die Ver­wei­sung in § 439 IV BGB kei­ne Ein­schrän­kung für den An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie ent­hält und des­halb mit die­ser nicht im Ein­klang steht. Dass die­se Un­voll­stän­dig­keit des Ge­set­zes plan­wid­rig ist, er­gibt sich dar­aus, dass der Ge­setz­ge­ber in der Ge­set­zes­be­grün­dung aus­drück­lich sei­ne Ab­sicht be­kun­det hat, auch und ge­ra­de hin­sicht­lich des Nut­zungs­er­sat­zes ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Re­ge­lung zu schaf­fen. So­mit steht die kon­kre­te Re­ge­lungs­ab­sicht hin­sicht­lich des Nut­zungs­er­sat­zes nicht le­dig­lich im Wi­der­spruch zu ei­nem ge­ne­rel­len, all­ge­mein for­mu­lier­ten Um­set­zungs­wil­len … Viel­mehr be­steht ein Wi­der­spruch zur kon­kret ge­äu­ßer­ten, von der An­nah­me der Richt­li­ni­en­kon­for­mi­tät ge­tra­ge­nen Um­set­zungs­ab­sicht des Ge­setz­ge­bers. Des­halb ist aus­zu­schlie­ßen, dass der Ge­setz­ge­ber § 439 IV BGB in glei­cher Wei­se er­las­sen hät­te, wenn ihm be­kannt ge­we­sen wä­re, dass die Vor­schrift nicht im Ein­klang mit der Richt­li­nie steht. Die­se An­nah­me wird da­durch be­stä­tigt, dass der Ge­setz­ge­ber nun­mehr ei­ne Ge­set­zes­än­de­rung in die We­ge ge­lei­tet hat, die der im Streit­fall er­gan­ge­nen Ent­schei­dung des EuGH Rech­nung tra­gen und ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Um­set­zung der Richt­li­nie ge­währ­leis­ten soll (Be­schluss­emp­feh­lung und Be­richt des Rechts­aus­schus­ses vom 15.10.2008, BT-Drs. 16/10607, S. 4, 5 f.). Da­nach soll § 474 II BGB da­hin ge­hend neu ge­fasst wer­den, dass § 439 IV BGB auf ei­nen Ver­brauchs­gü­ter­kauf mit der Maß­ga­be an­zu­wen­den ist, dass Nut­zun­gen nicht her­aus­zu­ge­ben oder durch ih­ren Wert zu er­set­zen sind.

[26]   bb) Die bis zu ei­ner ge­setz­li­chen Neu­re­ge­lung be­ste­hen­de ver­deck­te Re­ge­lungs­lü­cke ist durch ei­ne ein­schrän­ken­de An­wen­dung des § 439 IV BGB für Fäl­le des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs (§ 474 I 1 BGB) zu schlie­ßen. Die Vor­schrift ist in sol­chen Fäl­len ein­schrän­kend da­hin­ge­hend an­zu­wen­den, dass die in Be­zug ge­nom­me­nen Vor­schrif­ten über den Rück­tritt nur für die Rück­ge­währ der man­gel­haf­ten Sa­che selbst ein­grei­fen, hin­ge­gen nicht zu ei­nem An­spruch des Ver­käu­fers auf Her­aus­ga­be der ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen oder auf Wert­er­satz für die Nut­zung der man­gel­haf­ten Sa­che füh­ren (so auch Ge­bau­er, AnwBl 2007, 314 [319]; Thei­sen, GPR 2007, 276 [281 f.]; Witt, NJW 2006, 3322 [3325]). Die­se Ein­schrän­kung ist nach dem Ge­bot richt­li­ni­en­kon­for­mer Rechts­fort­bil­dung er­for­der­lich, weil ei­ne Ver­pflich­tung des Käu­fers zur Zah­lung von Nut­zungs­er­satz mit Art. 3 der Richt­li­nie nicht ver­ein­bar ist. An­ders lässt sich der dar­ge­stell­te Wi­der­spruch zwi­schen den ge­setz­ge­be­ri­schen Zie­len – ei­ner­seits Be­grün­dung ei­nes An­spruchs auf Nut­zungs­er­satz, an­de­rer­seits Richt­li­ni­en­kon­for­mi­tät –, der ei­ne plan­wid­ri­ge Re­ge­lungs­lü­cke be­grün­det, im We­ge rich­ter­li­cher Rechts­fort­bil­dung nicht lö­sen.

[27]   Die Re­ge­lungs­lü­cke be­steht zwar nur im Hin­blick auf den im Ver­hält­nis zu § 13 BGB en­ge­ren Ver­brau­cher­be­griff des Art. 1 II lit. a der Richt­li­nie. Die Aus­fül­lung der Lü­cke im We­ge der richt­li­ni­en­kon­for­men Rechts­fort­bil­dung ist je­doch auf al­le Kon­stel­la­tio­nen des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und da­mit des Ver­brau­cher­be­griffs ge­mäß § 13 BGB zu er­stre­cken, weil in­so­weit der Ein­heit­lich­keits­wil­le des na­tio­na­len Ge­setz­ge­bers in Be­zug auf den Ver­brau­cher­be­griff zu be­rück­sich­ti­gen ist (vgl. Her­res­thal, NJW 2008, 2475 [2477], un­ter Hin­weis auf BT-Drs. 14/3195, S. 32).

[28]   Hin­ge­gen bleibt es in Fäl­len, in de­nen kein Ver­brauchs­gü­ter­kauf i. S. des § 474 I 1 BGB vor­liegt, bei der un­ein­ge­schränk­ten An­wen­dung des § 439 IV BGB. Ei­ne Aus­deh­nung der te­leo­lo­gi­schen Re­duk­ti­on des § 439 IV BGB auch auf sol­che Fäl­le wi­der­sprä­che dem Wort­laut und dem ein­deu­tig er­klär­ten Wil­len des Ge­setz­ge­bers, dem Ver­käu­fer für den Fall der Er­satz­lie­fe­rung ei­nen An­spruch auf Her­aus­ga­be der vom Käu­fer ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen zu­zu­bil­li­gen (vgl. Se­nat, Beschl. v. 16.08.2006 – VI­II ZR 200/05, NJW 2006, 3200 m. w. Nachw.). Da sol­che Fäl­le au­ßer­halb des An­wen­dungs­be­reichs der Richt­li­nie lie­gen, er­gibt sich in­so­weit aus der feh­len­den Richt­li­ni­en­kon­for­mi­tät auch kei­ne plan­wid­ri­ge Re­ge­lungs­lü­cke.

[29]   cc) Die te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on führt nicht zur fak­ti­schen De­ro­ga­ti­on des § 439 IV BGB, denn die Re­ge­lung bleibt in Fäl­len des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs hin­sicht­lich der Ver­wei­sung auf die Rück­tritts­vor­schrif­ten über die Rück­ge­währ der man­gel­haf­ten Sa­che und in den üb­ri­gen Fäl­len ins­ge­samt an­wend­bar …

[30]   dd) Die Rechts­fort­bil­dung ver­letzt (ent­ge­gen Hum­mel, EuZW 2007, 268 [272]) auch nicht die Bin­dung der Ge­rich­te an Recht und Ge­setz (Art. 20 III GG). Nach der Recht­spre­chung des BVerfG ist die Be­fug­nis der Ge­rich­te zur Fort­bil­dung des Rechts an­er­kannt; aus dem in Art. 20 III GG an­ge­ord­ne­ten Vor­rang des Ge­set­zes folgt kein Ver­bot für die Ge­rich­te, vor­han­de­ne Lü­cken im We­ge rich­ter­li­cher Rechts­fort­bil­dung zu schlie­ßen (BVerfGE 82, 6 [11 f.]; 111, 54 [82], je­weils m. w. Nachw.).

[31]   Zwar dür­fen die Ge­rich­te ei­ne ein­deu­ti­ge Ent­schei­dung des Ge­setz­ge­bers nicht auf­grund ei­ge­ner rechts­po­li­ti­scher Vor­stel­lun­gen ver­än­dern. Durch die hier vor­ge­nom­me­ne Rechts­fort­bil­dung wird je­doch der er­kenn­ba­re Wil­le des Ge­setz­ge­bers nicht bei­sei­te ge­scho­ben. Viel­mehr wird aus der in der Ge­set­zes­be­grün­dung nie­der­ge­leg­ten Re­ge­lungs­ab­sicht des Ge­setz­ge­bers ent­nom­men, dass ei­ne Lü­cke be­steht und in wel­cher Wei­se sie ge­schlos­sen wer­den soll (vgl. BVerfGE 82, 6 [11 f.]). Denn aus den Ge­set­zes­ma­te­ria­len ist – wie be­reits dar­ge­legt – die kon­kre­te Ab­sicht des Ge­setz­ge­bers er­kenn­bar, ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Re­ge­lung zu schaf­fen. So­mit liegt ei­ne der richt­li­ni­en­kon­for­men te­leo­lo­gi­schen Re­duk­ti­on des § 439 IV BGB ent­ge­gen­ste­hen­de Wer­tungs­ent­schei­dung des Ge­setz­ge­bers nicht vor (vgl. auch Her­res­thal, NJW 2008, 2475 [2477]; a. A. Fi­schin­ger, EuZW 2008, 312 [313]).

[32]   ee) Der Ge­sichts­punkt der Rechts­si­cher­heit spricht eben­falls … nicht ge­gen die richt­li­ni­en­kon­for­me Rechts­fort­bil­dung.

[33]   Das rechts­staat­li­che Prin­zip der Rechts­si­cher­heit (Art. 20 III GG) be­deu­tet in ers­ter Li­nie Ver­trau­ens­schutz für den Bür­ger. Durf­te die be­trof­fe­ne Par­tei mit der Fort­gel­tung der bis­he­ri­gen Rechts­la­ge rech­nen, und ver­dient die­ses In­ter­es­se bei ei­ner Ab­wä­gung mit den Be­lan­gen des Ver­trags­part­ners und den An­lie­gen der All­ge­mein­heit den Vor­zug, liegt ein Ein­griff in recht­lich ge­schütz­te Po­si­tio­nen vor (vgl. BVerfGE 72, 175 [196]; 84, 212 [227]; BGHZ 132, 119 [130]). Das ist hier schon des­halb nicht der Fall, weil die te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on des § 439 IV BGB sich im Rah­men vor­her­seh­ba­rer Ent­wick­lung hält. Ei­ne un­ein­ge­schränk­te An­wen­dung der Vor­schrift konn­te nicht als ge­si­chert an­ge­se­hen wer­den, weil § 439 IV BGB von An­fang an in ho­hem Ma­ße um­strit­ten war (vgl. Se­nat, Beschl. v. 16.08.2006 – VI­II ZR 200/05, NJW 2006, 3200 m. w. Nachw.) und auch die Richt­li­ni­en­kon­for­mi­tät der Vor­schrift von zahl­rei­chen Stim­men im Schrift­tum ver­neint wur­de.

[34]   ff) Der richt­li­ni­en­kon­for­men Rechts­fort­bil­dung lässt sich schließ­lich nicht ent­ge­gen­hal­ten, sie lau­fe auf ei­ne ho­ri­zon­ta­le Di­rekt­wir­kung der Richt­li­nie hin­aus, die die­ser nicht zu­kom­me …

[35]   Al­ler­dings kann nach stän­di­ger Recht­spre­chung des EuGH auch ei­ne kla­re, ge­naue und un­be­ding­te Richt­li­ni­en­be­stim­mung, mit der dem Ein­zel­nen Rech­te ge­währt oder Ver­pflich­tun­gen auf­er­legt wer­den sol­len, im Rah­men ei­nes Rechts­streits, in dem sich aus­schließ­lich Pri­va­te ge­gen­über­ste­hen, nicht als sol­che An­wen­dung fin­den … Um ei­ne un­mit­tel­ba­re An­wen­dung der Richt­li­nie geht es hier je­doch nicht, auch nicht in Form ei­ner (le­dig­lich) ne­ga­ti­ven An­wen­dung der Richt­li­nie im Ver­hält­nis zwi­schen Pri­va­ten (da­für aber Kre­ße, ZGS 2007, 215 [216]; ab­leh­nend zu ei­nem sol­chen Rechts­in­sti­tut von Dan­witz, JZ 2007, 697 [702 ff.]). Der Se­nat be­schränkt sich viel­mehr auf ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Rechts­fort­bil­dung im We­ge der te­leo­lo­gi­schen Re­duk­ti­on, die – wie aus­ge­führt – im Rah­men des vom na­tio­na­len Recht ein­ge­räum­ten Be­ur­tei­lungs­spiel­raums mög­lich und not­wen­dig ist.

[36]   II. Re­vi­si­on des Klä­gers

[37]   Zu Un­recht hat das Be­ru­fungs­ge­richt ei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch des Klä­gers nach § 2 I 1 UKlaG ver­neint. Der Klä­ger kann ge­mäß § 2 I 1 UKlaG von der Be­klag­ten ver­lan­gen, dass die­se es un­ter­lässt, im Zu­sam­men­hang mit ei­ner Er­satz­lie­fe­rung i. S. des § 439 I BGB Ver­brau­chern für die Nut­zung der man­gel­haf­ten Sa­che Be­trä­ge in Rech­nung zu stel­len …

[44]   C. Nach al­le­dem ist die Re­vi­si­on der Be­klag­ten zu­rück­zu­wei­sen. Auf die Re­vi­si­on des Klä­gers ist das Be­ru­fungs­ur­teil auf­zu­he­ben, so­weit die Be­ru­fung des Klä­gers ge­gen die Ab­wei­sung des mit der Re­vi­si­on al­lein noch ver­folg­ten Un­ter­las­sungs­an­tra­ges … zu­rück­ge­wie­sen wor­den ist (§ 562 I ZPO). Der Se­nat hat in­so­weit in der Sa­che selbst zu ent­schei­den, da kei­ne wei­te­ren Fest­stel­lun­gen er­for­der­lich sind und die Sa­che da­mit zur End­ent­schei­dung reif ist (§ 563 III ZPO) …

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