Der Niederlassungsleiter eines Autohauses gilt nach § 56 HGB grundsätzlich als ermächtigt, Barzahlungen von Kunden in Empfang zu nehmen. Beschränkungen dieser Ladenvollmacht muss ein Kunde nur gegen sich gelten lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste. Das ist nicht ohne Weiteres deshalb der Fall, weil es „im Kleingedruckten“ einer Auftragsbestätigung ohne drucktechnische Hervorhebung heißt, „Verkaufsangestellte“ seien „nur bei schriftlicher Ermächtigung zur Annahme von Zahlungen befugt“.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.04.2008 – I-1 U 239/07
Sachverhalt: Die in Braunschweig ansässige Beklagte handelt unter anderem gewerblich mit Reisemobilen. Eine „Filiale“ der Beklagten befindet sich in Mülheim an der Ruhr; dort war ab Anfang 2006 S als „Filialleiter“ beschäftigt. S wurde in einem Verkaufsprospekt der Beklagten als „Leiter der Niederlassung in Mülheim a. d. Ruhr“ bezeichnet.
Im September/Oktober 2006 interessierte sich der Kläger für ein Reisemobil. Alleiniger Ansprechpartner des Klägers bzw. des für ihn handelnden J war S. Am 07.09.2006 unterzeichnete J in Vertretung des Klägers ein als „Verbindliche Bestellung“ bezeichnetes Schriftstück. Darin ist ein Fahrzeugkalkulationswert von 43.731 € ausgewiesen. Unten rechts heißt es in einem separaten Textfeld unter anderem wörtlich:
„Die Verkaufsangestellten sind nur bei schriftlicher Ermächtigung zur Annahme von Zahlungen befugt. An diese Bestellung bin ich/sind wir 6 Wochen gebunden. Der Kaufvertrag ist abgeschlossen, wenn [die Beklagte] die Annahme der Bestellung des näher bezeichneten Kaufgegenstandes innerhalb dieser Frist schriftlich bestätigt hat oder die Lieferung ausgeführt ist.“
Die Beklagte übersandte dem Kläger von ihrem Haupthaus in Braunschweig aus unter dem 20.10.2006 eine „Auftragsbestätigung“. Darin teilte sie dem Kläger mit, dass das bestellte Fahrzeug erst im Jahr 2007 geliefert werden könne. Unter Berücksichtigung des höheren Mehrwertsteuersatzes ergebe sich daher ein erhöhter Endpreis in Höhe von 44.861,97 €. Die Inzahlungnahme eines gebrauchten Fahrzeugs des Klägers lehnte die Beklagte in dem als „Auftragsbestätigung“ bezeichneten Schreiben ab. Ferner heißt es in diesem Schreiben, dass die Beklagte die weitere Abwicklung mit dem Kläger abstimmen werde, sobald das bestellte Fahrzeug eingetroffen sei.
Am 06.02.2007 teilte S dem Kläger telefonisch mit, dass das bestellte Fahrzeug zur Abholung bereitstehe. Daraufhin erschien am 08.02.2007 J in der Mülheimer Niederlassung der Beklagten und händigte S den Kaufpreis in Höhe von 44.861,97 € in bar aus. Das Reisemobil, welches sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Gelände der Beklagten in Mülheim befand, erhielt J nicht, weil an dem Fahrzeug noch diverse Umbauten durchgeführt werden sollten.
S gab den erhaltenen Bargeldbetrag nicht an die Beklagte weiter. Vielmehr setzte er sich ab und war eine Zeit lang flüchtig. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in erster Instanz befand er sich unter anderem wegen des hier streitigen Geschehens in Untersuchungshaft. Der Verbleib des Geldes ist unbekannt.
Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten zunächst die Übergabe und Übereignung des bestellten Fahrzeugs verlangt. Mit Schriftsatz vom 24.07.2007 hat er gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und anschließend mit seiner Klage die Rückzahlung des Kaufpreises sowie den Ersatz vorprozessual entstandener Rechtsanwaltskosten begehrt.
Der Kläger hat gemeint, er habe seine gegenüber der Beklagten bestehende Pflicht, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen, erfüllt. S – so hat der Kläger geltend gemacht – sei von der Beklagten bevollmächtigt gewesen, den Kaufpreis in Empfang zu nehmen. Jedenfalls sei insoweit von einer Duldungs- und/oder Anscheinsvollmacht auszugehen. S habe sich nach außen wie ein Stellvertreter der Beklagten geriert, war der Beklagten habe auffallen müssen. Zudem seien die Voraussetzungen des § 56 HGB erfüllt. Der Hinweis der Beklagten im Bestellformular, dass ihre Verkaufsangestellten „nur bei schriftlicher Ermächtigung zur Annahme von Zahlungen befugt“ seien, sei unwirksam, weil er ungewöhnlich und im Hinblick auf das Auftreten des S auch überraschend sei. Außerdem sei der Hinweis in dem Bestellformular "versteckt". Davon abgesehen habe S dem J bei der Geldübergabe eine schriftliche Geldempfangsvollmacht der Beklagten vorgelegt; diese sei allerdings möglicherweise gefälscht gewesen.
Die Beklagte hat behauptet, S sei weder bevollmächtigt gewesen, Verträge zu ihren Lasten abzuschließen, noch Gelder in Empfang zu nehmen. Er habe zuvor auch niemals Bargeld von Kunden angenommen. Insbesondere habe sie – die Beklagte – S keine schriftliche Inkassovollmacht erteilt. Eine solche habe S dem J daher auch nicht vorgelegt; allenfalls habe S dem J ein gefälschtes Dokument vorgelegt. Die Voraussetzungen einer Duldungs- und/oder Anscheinsvollmacht – so hat die Beklagte gemeint – seien deshalb nicht erfüllt. Der Kläger könne sich angesichts des ausdrücklichen Hinweises im Bestellformular auch nicht mit Erfolg auf § 56 HGB berufen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger nur dann wirksam von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten sei und deshalb nur dann einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises habe, wenn die Beklagte den Kaufpreis empfangen habe. Das sei jedoch nicht der Fall. Die Beklagte müsse sich die Barzahlung an S nicht zurechnen lassen. Dieser sei nämlich nicht bevollmächtigt gewesen, für die Beklagte Gelder in Empfang zu nehmen. Wie sich aus der Aussage des Zeugen S ergebe, habe die Beklagte diesem rechtsgeschäftlich keine entsprechende Vollmacht erteilt. Eine Duldungsvollmacht sei nicht anzunehmen, weil zweifelhaft sei, ob die Beklagte gewusst habe, dass der Zeuge S sich einer Inkassovollmacht berühmt habe. Es sei bereits nicht erwiesen, dass S dem J eine Inkassovollmacht vorgelegt habe. Eine Anscheinsvollmacht liege ebenfalls nicht vor. Durch S vermittelte Kaufverträge hätten der Bestätigung durch die Beklagte bedurft. Zudem habe die Beklagte im Bestellformular klargestellt, dass ihre Verkaufsangestellten ohne besondere Vollmacht nicht zur Entgegennahme von Zahlungen berechtigt seien. Dass S bereits zuvor unberechtigt Bargeld entgegengenommen habe, lasse sich nicht feststellen.
Mit seiner dagegen gerichteten Berufung hat der Kläger seine Zahlungsansprüche weiterverfolgt. Er hat gemeint, durch die Aussage des Zeugen J sei bewiesen, dass S dem J vor der Übergabe des Bargelds eine schriftliche Empfangsvollmacht vorgelegt habe. Zudem sei jedenfalls eine Anscheinsvollmacht anzunehmen. Die Beklagte hätte wissen müssen, dass der S wie ein Bevollmächtigter der Beklagten aufgetreten sei. Aus der Aussage des Zeugen J folge nämlich auch, dass S schon früher Bargeldbeträge für die Beklagte in Empfang genommen habe.
Die Beklagte hat das angefochtene Urteil verteidigt. Sie hat gemeint, es komme nicht darauf an, ob S dem J tätsächlich eine Inkassovollmacht vorgelegt habe. Denn sollte S eine solche Vollmacht vorgelegt haben, so sei diese jedenfalls gefälscht gewesen. Im Übrigen hat sich die Beklagte erneut auf ihren Hinweis im Bestellformular berufen und weiterhin behauptet, S habe niemals vorher Bargeld für sie, die Beklagte, in Empfang genommen. Zuletzt hat die Beklagte geltend gemacht, dass der Kläger – unstreitig – zwischenzeitlich einen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid gegen S über die hier streitige Forderung erwirkt habe. Sie hat gemeint, der Kläger könne nicht sowohl S als auch sie in Anspruch nehmen, da der Streitgegenstand derselbe sei.
Die Berufung hatte Erfolg.
Aus den Gründen: II. Die Berufung ist zulässig und begründet.
Der Zulässigkeit der Klage steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger unstreitig gegen den Zeugen S … einen Vollstreckungstitel über die hier streitige Forderung erwirkt hat. Soweit die Beklagte meint, damit sei über den Streitgegenstand bereits entschieden, verkennt sie die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, die grundsätzlich nur zwischen den Parteien des Verfahrens eintreten kann (§ 325 I ZPO). Dass materiell-rechtlich sowohl der Zeuge S als auch die Beklagte auf Zahlung der streitigen Forderung gesamtschuldnerisch haften können, bedarf keiner näheren Erläuterung.
Der Kläger kann von der Beklagten nach wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 346 I BGB die Rückgewähr der empfangenen Leistungen verlangen, mithin den mit der geänderten Klage geltend gemachten Kaufpreis.
Ihm stand ein Rücktrittsrecht gemäß § 323 I BGB zu. Die Beklagte hat die aus dem Kaufvertrag fällige Leistung, nämlich Übereignung und Übergabe des Reisemobils, nicht erbracht.
Ein Leistungsverweigerungsrecht stand der Beklagten nicht zu. Der Kläger hatte mit der Übergabe des Bargelds durch den Zeugen J an den Zeugen S seine Kaufpreiszahlungsverpflichtung erfüllt (§ 362 BGB). Die Beklagte hat den Kaufpreis auch i. S. des § 346 I BGB empfangen. Das Landgericht hat zwar zu Recht angenommen, dass der Zeuge S nicht aufgrund einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht empfangsbefugt war. Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für die Annahme der sogenannten Duldungs- oder Anscheinsvollmacht vor. Das angefochtene Urteil erweist sich aber insoweit als unrichtig, als das Landgericht die Regelung des § 56 HGB übersehen hat. Der Kläger kann sich zu Recht darauf berufen, dass diese Vorschrift zu seinen Gunsten eingreift.
Da die Beklagte die Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag unter Berufung auf die vermeintlich ihr nicht zuzurechnende Empfangnahme des Kaufpreises durch den Zeugen S ernsthaft und endgültig verweigert hat, war die Bestimmung einer Nachfrist zur Leistung entbehrlich (§ 323 II Nr. 1 BGB).
Im Einzelnen:
1. Es ist unstreitig, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag über das Reisemobil … zu einem Kaufpreis von 44.861,97 € zustande gekommen ist. Insofern kann dahinstehen, dass die Auftragsbestätigung der Beklagten vom 20.10.2006 dem Kläger nicht innerhalb der Annahmefrist von sechs Wochen ab Datum der Bestellung vom 07.09.2006 zugegangen ist. Der Kläger hat in der Bestellung eine Annahmefrist von sechs Wochen bestimmt, sodass die in der Auftragsbestätigung zu sehende Annahme der Beklagten nur innerhalb dieser Frist hätte erfolgen können (§ 148 BGB). Die sechswöchige Frist endete am 19.10.2006, sodass die Auftragsbestätigung verfristet war. In der verspäteten Annahme der Beklagten ist aber ein neuer Antrag zu sehen (§ 150 I BGB), den der Kläger zumindest konkludent spätestens durch Zahlung des Kaufpreises angenommen hat.
2. Aus dem Kaufvertrag war die Beklagte somit verpflichtet, dem Kläger die Kaufsache zu übergeben und das Eigentum daran zu verschaffen (§ 433 I 1 BGB). Dieser Verpflichtung ist sie unstreitig nicht nachgekommen.
3. Das Leistungsverweigerungsrecht aus der Einrede des nicht erfüllten Vertrags aus § 320 I BGB, worauf sich die Beklagte vor der Rücktrittserklärung ausschließlich berufen hat, stand ihr nicht zu. Der Kläger hatte seine Leistungsverpflichtung durch Übergabe des baren Geldes an den Zeugen S erfüllt. Die Beklagte muss sich diese Zahlung zurechnen lassen. Der Zeuge S war – entgegen der Auffassung der Beklagten und des Landgerichts – bevollmächtigt, mit Wirkung für die Beklagte Zahlungen der Kunden entgegenzunehmen.
Dabei kann dahinstehen, ob hier eine rechtsgeschäftlich erteilte Stellvertretungsmacht (Vollmacht) oder eine sogenannte Duldungs- oder Anscheinsvollmacht vorlag. Nach Auffassung des Senats spricht vieles dafür, dass aufgrund des Auftretens des Zeugen S im geschäftlichen Verkehr bereits eine zumindest konkludent erteilte Handlungsvollmacht i. S. des § 54 HGB anzunehmen ist. Auf jeden Fall kann sich der Kläger mit Erfolg auf die Regelung des § 56 HGB berufen.
a) Gemäß § 56 HGB gilt ein Angestellter in einem Laden oder offenen Warenlager als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen. Mit dem Begriff der Empfangnahmen sind insbesondere Zahlungen der Kunden gemeint (Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl. [2008], § 56 Rn. 4). Es kann dahinstehen, ob diese Vorschrift eine tatsächliche Vermutung für die Erteilung und den Umfang einer Vollmacht für den Ladenangestellten begründet oder einen Rechtsschein, was in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist. Jedenfalls führt das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 56 HGB dazu, dass der Angestellte im Verhältnis zum Kunden als bevollmächtigt gilt.
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 56 HGB liegen hier vor. Der Zeuge S war zumindest „Angestellter“ im Sinne dieser Vorschrift. Für die Einordnung als Angestellter i. S. des § 56 HGB reicht es aus, dass es sich um eine Person handelt, die mit Wissen und Wollen des Inhabers an der Verkaufstätigkeit mitwirkt. Auf eine arbeitsrechtliche Anstellung kommt es dabei nicht an (Hopt, in: Baumbach/Hopt, a. a. O., § 56 Rn. 2). Der Zeuge S war als „Filialleiter“ in der Niederlassung der Beklagten in Mülheim an der Ruhr tätig. Er ist der Öffentlichkeit durch das genannte Verkaufsprospekt als Leiter der Niederlassung vorgestellt worden. Es ist unstreitig und auch unzweifelhaft, dass er für die Beklagte Verkaufstätigkeiten entwickelt hat. Auch die Beklagte bestreitet das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 56 HGB ausdrücklich nicht.
c) Die Beklagte kann sich entgegen ihrer Auffassung auch nicht mit Erfolg auf den Hinweis auf die Erforderlichkeit einer schriftlichen Bevollmächtigung für die Entgegennahme von Zahlungen in der verbindlichen Bestellung berufen.
Insoweit ist zwar richtig, dass die durch den § 56 HGB gegebene Vermutung bzw. der Rechtsschein durch einen klaren Hinweis ausschließbar ist (Hopt, in: Baumbach/Hopt, a. a. O., § 56 Rn. 5). Bleibt nämlich die tatsächliche Vollmacht des Ladenangestellten hinter dem Umfang des § 56 HGB zurück oder fehlt sie ganz, so gilt zugunsten des Geschäftsgegners die Gutglaubensvorschrift des § 54 III HGB entsprechend (Weber, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl. [2008], § 56 Rn. 14 m. w. Nachw.). Beschränkungen der Vollmacht aus § 56 HGB oder auch ihr Fehlen überhaupt wirken deshalb gegen Dritte nur dann, wenn sie den Mangel kennen oder kennen müssen (BGH, Urt. v. 29.01.1975 – VIII ZR 101/73, NJW 1975, 642, 643; Urt. v. 19.03.2002 – X ZR 157/99, NJW-RR 2002, 967, 968). Kennen müssen in diesem Sinne bedeutet fahrlässige Nichtkenntnis i. S. des § 122 II BGB (Weber, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, a. a. O., § 56 Rn. 14).
Dass der Kläger bzw. der für ihn handelnde Zeuge J den Mangel der Inkassovollmacht positiv kannte, ist nicht erkennbar. Dies trägt die Beklagte auch nicht vor.
Dem Kläger bzw. seinem Bruder J ist auch kein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen. Er handelte nicht unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, als er nicht erkannte, dass der Zeuge S nicht empfangsbevollmächtigt für den Kaufpreis war. Einziger Ansatzpunkt für den Vorwurf einer fahrlässigen Nichtkenntnis könnte der in dem Bestellformular enthaltene Hinweis sein. Unter Würdigung aller Umstände erachtet der Senat jedoch diesen Hinweis als nicht ausreichend.
aa) Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der tatsächliche Ansprechpartner für den Kläger bzw. den Zeugen J der Zeuge S war. Kontakt mit dem Haupthaus in Braunschweig hatte der Kläger nur bei Erhalt der Auftragsbestätigung vom 20.10.2006. Im übrigen wurde der Kläger von dem Zeugen S beraten. Die gesamte Abwicklung erfolgte über den als „Filialleiter“ auftretenden Zeugen. So ist ebenso unstreitig, dass das Fahrzeug tatsächlich nach Mülheim geliefert worden war und ursprünglich dort in Empfang hätte genommen werden können.
bb) Im Hinblick auf diese Umstände erscheint bereits fraglich, ob der Hinweis in der Bestellung überhaupt für den Zeugen S Geltung beansprucht. Der Hinweis ist anhand eines objektiven Empfängerhorizonts gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen. Wie bereits ausgeführt, trat der Zeuge S als Filialleiter bzw. Leiter der Niederlassung Mülheim der Beklagten auf. In dem Hinweis in der Bestellung ist die Rede von „Verkaufsangestellten“. Dem Senat erscheint es durchaus nachvollziehbar, dass ein objektiver Empfänger dieser Erklärung mit dem Begriff „Verkaufsangestellte“ nicht den Zeugen S verbindet, sondern andere Angestellte in der Niederlassung in Mülheim, die nicht in der hervorgehobenen Position eines „Niederlassungsleiters“ im Rechtsverkehr auftreten.
cc) Darüber hinaus ist nicht zu verkennen, dass der Hinweis in der Bestellung aus dem übrigen Text weder drucktechnisch hervorgehoben noch an auffälliger Stelle platziert ist. Vielmehr taucht dieser Hinweis im Zusammenhang mit einer Vielzahl anderer Vertragsklauseln auf, ohne dass die praktisch wichtige Bedeutung dieses Hinweises zu erkennen wäre. Es erscheint dem Senat daher durchaus lebensnah, dass diese Regelung „im Kleingedruckten“ weder von dem Zeugen J noch von dem Kläger selbst tatsächlich wahrgenommen worden ist.
dd) Bei der Bewertung des Verhaltens des Klägers als möglicherweise fahrlässige Nichtkenntnis ist auch zu beachten, dass ausweislich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten … der Kaufpreis bei Übergabe des Kaufgegenstands, spätestens jedoch acht Tage nach Zugang der Bereitstellungsanzeige und Aushändigung oder Übersendung der Rechnung zur Zahlung, Zug um Zug, in bar fällig war. Der Kläger sah sich daher einer Regelung gegenüber, die Barzahlung bei Übergabe vorsah. Andererseits existierte der Hinweis in der Bestellung, wonach Barzahlungen an Verkaufsangestellte nur bei schriftlicher Ermächtigung möglich sein sollten. Auch dies deutet nach Auffassung des Senats darauf hin, dass die Tatsache, dass dem Kläger nicht bewusst war, dass auch für den Zeugen S eine schriftliche Bevollmächtigung zur Entgegennahme barer Zahlungen erforderlich sein sollte, ihm nicht zum Vorwurf zu machen ist.
ee) Nahegelegen hätte es, in der Auftragsbestätigung auf eine vermeintliche fehlende Empfangsvollmacht gesondert hinzuweisen. Der dortige Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, in denen – wie oben ausgeführt – Barzahlung bei Abholung ausdrücklich vorgesehen war, ist ein weiterer Umstand, der beim Kläger den Eindruck vermitteln musste, der Zeuge S sei empfangsbevollmächtigt. Unstreitig wäre nämlich die Abwicklung tatsächlich nicht über das Haupthaus der Beklagten in Braunschweig erfolgt, sondern über die Filiale in Mühlheim und über den Zeugen S. So war das Reisemobil bereits nach Mühlheim verbracht worden, als der Zeuge S telefonisch mit dem Kläger Kontakt aufnahm. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte vom Haupthaus aus überhaupt in die Übergabe des Fahrzeugs tatsächlich eingeschaltet worden wäre, hätte der Kläger den Kaufpreis überwiesen oder der Zeuge S den erhaltenen Betrag weitergeleitet.
d) Im Ergebnis geht der Senat daher davon aus, dass der Kläger den tatsächlichen Mangel der Vollmacht nicht erkannt hat und ihm insoweit auch nicht der Vorwurf des fahrlässigen Verhaltens gemacht werden kann. Der Zeuge S war ihm gegenüber als für die Beklagte handlungsbevollmächtigter Filialleiter aufgetreten. Lediglich ein drucktechnisch nicht hervorgehobener und schwer zu erkennender Hinweis in der verbindlichen Bestellung deutete überhaupt darauf hin, dass hier zur Empfangnahme barer Zahlungen, die andererseits von dem Kläger durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten verlangt wurden, eine gesonderte Bevollmächtigung erforderlich sein sollte. Angesichts der sonstigen Umstände, die aus Sicht des Klägers auf eine umfassende Vollmacht des Zeugen S hindeuteten, hätte es einer deutlicheren Warnung bedurft, um den Rechtschein des § 56 HGB zu beseitigen. Der Zeuge S galt demnach gemäß § 56 HGB als bevollmächtigt, die bare Zahlung in Empfang zu nehmen. Die Beklagte hat daher das Bargeld erhalten und der Kläger seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag erfüllt.
4. Indem die Beklagte ihrer Leistungsverpflichtung, nämlich Übergabe und Übereignung des Reisemobils, nicht nachgekommen ist, hat sie eine Pflichtverletzung gemäß § 323 I BGB begangen. Die Setzung einer angemessenen Frist zur Leistung bedurfte es hier nicht, da die Beklagte durch ihr Verhalten gezeigt hatte, dass sie die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 323 II Nr. 1 BGB). Der Kläger hat somit zu Recht den Rücktritt erklärt und kann im Rahmen des Rückabwicklungsverhältnisses nunmehr Rückzahlung der empfangenen Leistung verlangen. Der Anspruch der Höhe nach ist unstreitig.
5. Darüber hinaus kann er im Wege des Schadenersatzes wegen Verzögerung der Leistung gemäß §§ 280 I und II, 286 I 1, II Nr. 3, 325 BGB die vorprozessualen Anwaltskosten ersetzt verlangen, die nicht im Kostenfestsetzungsverfahren angemeldet werden können. Es handelt sich dabei um eine mit dem Faktor 1,3 anzusetzende Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 1.266,20 € zuzüglich Postpauschale in Höhe von 20 € und 19 % Umsatzsteuer (244,37 €), in der Summe mithin 1.530,58 €.
6. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB. …